3leuc Montag, 1. Oktober 1962 <3ürd|cr 3eifung Morgenausgabe Blatt 6 genug fühle nnd vorerst noch ein bis iz w e Jahre an sich selbst arbeiten wolle. Als dann der neue Direktionswechsel kam nnd Emil Meyer die Leitung der Anstalt übernahm, begannen die Schwierigkeiten. Der Verteidiger erlung als Spott und Hohn empfand. Deubelbeiss erwähnte mehrere Beispiele dafür,' daß dem Angewiderte den Gruß nicht, sondern packte den Direk- klagten die Prüfung seiner Gesuche zugesichert, tor am Hemdkragen und drückte ihn gegen einen daß er aber immer wieder vertröstet wurde oder trug Aktenschrank. In der Hosentasche er zu dieser überhaupt keine Antwort mehr erhielt. Es wird Zeit ein scharf geschliffenes Messer, das er beim auch behauptet, Direktor Meyer habe verbindliche Essen, aber auch bei seinen Kartonngearbeiten in Versprechungen nachträglich doch nicht erfüllt. Handgemenge, der Zelle verwendete. Es kam zum Man muß sich dabei vergegenwärtigen, daß Deuund Direktor Meyer wurde durch Faustschläge und belbeiss nun seit mehr als zehn Jahren in Einzeljeder Messerstiche verletzt. Gemeinschaftsarbeit ausgehaft sitzt, von ist, nur in streng überwachtem IsolierDie Hilferufe des Direktors wurden gehört. Ein schlossen gang einige am Tag spazieren darf, keine anderer Gefangener, der in der nahen Bibliothek Gelegenheit Minuten erhält, am gemeinsamen Turnen oder beschäftigt war, und später zwei Wärter eilten zu auch im Bücherbezug Deubelbeiss Musizieren teilzunehmen, undZusammenhang Hilfe. Diese drei Helfer wurden vonüberwältigen wurde beschränkt ist. In diesem mit dem Messer verletzt, als sie ihn zu Verteidiger sonderbare Strafe erwähnt, versuchten. Die Anklageschrift macht ferner gel- vom Regensdorfeine speziellen Fällen zur Anwenin tend, Deubelbeiss habe zu dieser Zeit zwei selbst die in «Dispens» dung hergestellte Pistolenattrappen und verschiedene vom kommt. Man nennt es dort Spaziergang, aber in Wirklichkeit ist es ein VerDokumente auf sich getragen, aus denen sich erkenan dieser von den Gefangenen begehrten Freinen lasse, daß er die Absicht gehabt habe, den bot, luftbewegung teilzunehmen. Der Verteidiger bezwingen, Direktor zu ihm und eventuell weitern klagte sich auch darüber, daß es unter den MitSchwerverbrechern die Flucht unter Mitnahme der gefangenen Lohngelder und auch Denunzianten gegeben habe, die für die Angestellten bestimmten der Leitung erwerben; die von Waffen und Munition zu ermöglichen. Die heu- sich dadurch die Gunst tige Anklage lautet auf vorsätzliche Körperverlet- von Deubelbeiss verlangte Gegenüberstellung mit zung, Gewalt und Drohung gegen Beamte und un- diesen Denunzianten wurde verweigert. vollendeten Versuch der Meuterei. Ursprünglich In rechtlicher Beziehung führte der Verteidiger hatte die Ansicht bestanden, es liege Mordversuch aus, gegenüber dem Direktor könne zwar eine mit vor, doch entschied die Staatsanwaltschaft mit Eventualvorsatz begangene vorsätzliche KörperBegründung, Anklage guter zu verletzung angenommen werden, jedoch gegenüber daß keine solche erheben sei. den zur Hilfe geeilten Personen handle es sich nur fahrlässige Körperverletzung, weil der AngeStatthalter und Bezirksanwalt Bietenholz be- um gründete die Anklage persönlich und beantragte, klagte hier nur noch in Abwehr gehandelt habe. (Als Deubelbeiss bereits zu Boden gerissen worGefängnis Deubelbeiss sei zu anderthalb Jahren zu war, hatte ihm ein Wärter das Knie auf die verurteilen. Wenn auch auf eine Anklageerhebung den wegen Mordversuchs verzichtet wurde, weil dem An- Gurgel gedrückt und ihm nachher noch Fußtritte geklagten keine Tötungsabsicht nachgewiesen wer- an den Kopf versetzt.) Meutereiversuch liegt nach Auffassung des Verteidigers schon deshalb den konnte, so bleibt der Vorfall dennoch schwer- der wiegend. Deubelbeiss erhielt die von ihm nach- nicht vor, weil der Angeklagte nicht mit andern gesuchte Audienz sofort bewilligt, erwiderte aber Gefangenen konspiriert und seine Aufforderungen abgeschickt hat. Der Tatden freundlichen Gruß des Direktors nicht, sondern zum Mitmachen nicht griff diesen sofort tätlich an. Der Versuch des bestand der Meuterei (Art. 311 StGB) verlangt Direktors, Deubelbeiss durch Zureden zur Vernunft jedoch die Zusammenrottung von Gefangenen; zu bringen, blieb erfolglos. Als Antwort zückte «ein Einzelner kann sich nicht zusammenrotten». Deubelbeiss das Messer. Im Handgemenge kam der In einem letzten Abschnitt seines Plädoyers erAugenblick, da der Direktor durch einen rutschenhob der Verteidiger schwere Angriffe gegen die den Teppich zu Boden fiel. In diesem Moment tra- heutige Leitung der Strafanstalt Regensdorf, der Grundsatzlosigkeit und Unsicherheit vorwarf. fen die ersten Helfer ein, die Deubelbeiss überwältigen konnten, dabei aber selbst verletzt wurden. er Das wirke sich beim Personal und bei den GefanDer hilfsbereite Gefangene wurde später wegen genen aus. Wenn der Direktor abgegebene Versprechen nicht einhalte, führe das zu Disziplinseiner mutigen Tat begnadigt. widrigkeiten. «Heuchler und Kriecher» würden Zur Zeit der Tat trag Deubelbeiss vorbereitete Regensdorf begünstigt Schriftstücke auf sich, die eindeutig auf den Plan heute in einer Meuterei schließen ließen. Wir wollen nicht «Anklagen» des Verbrechers eingehen, näher auf diese Dokumente die vom Bezirksanwalt teilweise verlesen wurden, müssen Eine persönliche Befragung des Angeklagten erfolgt, aber ihren wesentlichen Inhalt nennen. Direktor ihm für sein SchlußMeyer sollte zwei Schriftstücke unterschreiben, war nicht ganze doch wurde Stunde eingeräumt und auch kein eine wort durch die das Personal aufgefordert worden wäre, Einspruch erhoben, als er diese Frist überschritt. Ausführungen den_ Meuterern widerstandslos die Türe zu öffnen. Seine bildeten eine scharfe Anklage Weitere Dokumente waren an ausgewählte Mit- gegen den heutigen Anstaltsdircktor Emil Meyer gefangene gerichtet, denen eine Bedenkfrist von gewisse und Wärter. Wenn man auch skeptisch fünf Minuten eingeräumt wurde, um sich zu ent- sein muß, wenn ein zn lebenslänglichem Zuchthaus schließen, ob sie an der Meuterei teilnehmen woll- verurteilter Mörder solche Anklagen erhebt, wird ten. Interessanter als der Inhalt sind die Namen man doch nicht behaupten dürfen, daß er alles erder vorgesehenen Empfänger dieser Briefe. An funden nnd erlogen habe. erster Stelle stand der ehemalige Komplize Kurt Deubelbeiss schilderte, wie sich ein homosexuell Schürmann, dann finden wir aber auch die Namen veranlagter Aufseher vor dem Guckloch seiner des aus dem Mordprozeß Eichenwald bekannten Zelle produziert habe. Er schilderte, wie er beim Theo Weber und des ebenfalls zu lebenslänglichem Isolierspaziergang von vier Aufsehern bewacht Zuchthaus verurteilten Donald Brown (früher wurde, Hume), der nach dem mißglückten Ueberfall auf die aus Angst vor ihrem Vorgesetzten die die Gewerbebank an der Rämistraße einen ihn ver- schärfste Kontrolle ausübten. Eindrücklich schilfolgenden Taxichauffeur erschossen hatte. und andere Schwerverbrecher Man derte er auch, wie er seien, wobei gewisse Wärter unkann schon sagen, daß sich Deubelbeiss eine «wür- schikaniert wordenhätten, dige» Fluchtbegleitung ausgesucht haue. Die verhohlen erklärt mit diesen Methoden sollGefangenen zum Selbstmord getrieben Schreiben an die Mitgefangenen waren übrigens ten diese Selbstmordkandidaten habe auch auf den Tenor abgestimmt: «Freiheit ist nur für werden. Zu diesen gehört. Deubelbeiss sprach in dieBrown die bestimmt, die bereit sind, dafür zu kämpfen.» Donald sem Zusammenhang von «Gestapo-Methoden»; dieWie man aus dem früheren Prozeß weiß, stammt ses Wort fiel mehrmals. Deubelbeiss aus ordentlichen Verhältnissen. Eine Besonders empört ist Deubelbciss darüber, daß Mechanikerlehre hat er mit gutem Erfolg abgeDirektor Meyer gegebene Versprechen nicht einschlossen. Er konnte seinen Beruf auch ausüben, hielt, wofür er mehrere Beispiele anführte, sowie beging daneben aber so viele Diebstähle, daß er darüber, daß die Gefangenen ungleich behandelt 1945 von einem Gericht in Genf zu zwei Jahren Deubelbeiss selbst konnte feststellen, wie Zuchthaus verurteilt werden mußte. In der Straf- würden. ehemaliger Komplize Schürmann begünstigt anstalt Bochuz lernte er seinen spätem Komplizen sein gehört heute noch zur untersten Schürmann kennen. Mit fünfjähriger Bewährungs- wurde. Er selbst Klasse. Das wird seine Gründe haben. Aber von frist wurde er dort Ende Oktober 1946 bedingt seinem Standpunkt aus mußte er es doch als stoentlassen. Nachher arbeitete er an verschiedenen empfinden, daß Donald Brown, der nach dem Stellen in Vororten von Zürich. Der Bezirks- ßend August 1960 einen Ueberfall auf einen Wärter anwalt ging ziemlich eingehend auf die Motive ein, 24. begangen hatte, was einen Großalarm und den EinAngeklagten die den zu seiner heute zu beurteilenTränengas auslöste, nach einiger Zeit in den Tat getrieben haben j er bezeichnete dessen bis satz von höhere Klasse befördert wurde und die Bein die Details ausgearbeiteten Flucht- und Meute- eine willigung zur Installation eines Radioapparates in reiplan als «irreal». seiner Zelle erhielt. Unter Nennung von Beispielen erhob DeubelRampenlicht Wiedersehen mit einem Schwerverbrecher reif Nr. 3739 Im Bundeshaus Aus dem Bezirksgericht Dielsdorf Es ist ein merkwüriges Gefühl, wenn man nach mehr als zehn Jahren an den Schranken eines Gerichts einem Menschen begegnet, den man aus einem andern Verfahren vor einem andern Gericht wird. Der kennt und seither nie mehr vergessen anfangs Februar 1921 geborene Deubelbeiß stand 1953 vor dem Schwurgericht in Zürich, weil er in der Nacht auf den 5. Dezember 1951 zusammen mit seinem Komplizen Kurt Schürmann den Bankier Bannwart nach bestialischer Folterung in Armin abgelegenen Teil des Reppischtals ermordet einem hatte. Wir wollen dieses furchtbare Verbrechen, das in der Bevölkerung nicht vergessen worden ist, nicht mehr «aufwärmen», aber wir wollen daran erinnern, daß als Waffen Maschinenpistolen vei> wendet wurden, die von den Gangstern im Juni 1951 samt Munition aus dem Zeughaus Höngg gestohlen und nachher von ihnen «zweckmäßig» abgeändert worden waren. Das Schwurgericht verurteilte damals beide Anm geklagten wegen Mordes zu lebenslängliche Zuchthaus. Einige, Zweifel ergaben sich insofern, als PsychiaDeubelbeiss nach dem Gutachten von zwei einer «schleichenden» tern ns c h o damals aneigentlich Schizophrenie litt, was eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit bewirkt und den Richter gezwungen hätte, eine mildere Strafe auszusprechen. Das wäre stoßend gewesen, weilDeubelbeiss als der Initiant des Unternehmens erschien und es nicht verstanden worden wäre, wenn verurteilt er milder als sein Komplize Schürmann worden wäre, besonders da durch die gleichen Gutachten festgestellt worden war, daß er gerade wegen gemeingefährlich bleiben seines Geisteszustandes werde, während bei Schürmann die begründete Hoffnung bestand, daß er sich durch den Vollzug langen Strafe bessern lassen werde. Das Geeiner richt konnte die in medizinischer Hinsicht sicher richtigen Gutachten insofern übergehen, als die forensischen Schlußfolgerungen nicht verbindlich Ueberund auch nicht restlos überzeugend waren. z.eugend war hingegen die eingehende Begründung, mit der das Gericht auch Deubelbeiss»als voll zu- rechnungsfähig erklärte. Deubelbeiss und Schürmann Die beiden wegen der gemeinsamen Tat vom Schwurgericht zur gleichen Strafe verurteilten Schwerverbrecher haben inzwischen ganz verschiedene Schicksale erlebt. Kurt Schürmann hat es verstanden, sich durch Wohlvcrhalten eine bevorzugte Stellung zu erwerben. Vom katholischen Anstaltspfarrer wurde er als Meßdiener ausgewählt, eine er konnte zuerst eine Schneider- und dann MögElektrikerlehre absolvieren und soll heute die lichkeit haben, sich ohne direkte Aufsicht außerhalb der Anstalt zu bewegen. Wir wollen hier nicht darauf eingehen, daß behauptet wird, Schürmann habe sich diese Vergünstigungen durch Denunziationen erworben. Anders sieht das Schicksal des Angeklagten Deubelbeiß aus. Seit Februar 1952 sitzt er in Regenseinem gemeinschaftdorf in Einzelhaft, Arbeit inverweigert; das Schlalichen Arbeitsraum wird ihm Die Teilfen in einem Gemeinschaftssaal ohnehin.verweigert, nahme am Turnunterricht wird ihm die für das individuelle Turnen in der Zelle notwendige Teppichunterlage wurde ihm weggenommen, den Spaziergang unter ungewöhnlich strenger Ueberwachung des Sprechverbots hat er im Einzelgang zu absolvieren, im Winter früh, im Sommer spät. Das ist sein Leben seit mehr als zehn Jahren, was weiter nicht so schlimm wäre, wenn nicht andere Gefangene, die kaum besser als er sind, anders behandelt würden. Wenn man Deubelbeiss auch nur einigen Glauben schenken will, muß man ihm zubilligen, daß er über diese Behandlung empört war, wenn er sehen und hören mußte, daß dahinter ein «System» stand. Nach seinen Worten wollte man ihn zermürben und schließlich «liquidieren», womit er sagen will, daß man ihn zum Selbstmord habe treiben wollen. Das sei ihm von einem ihm wohlgesinnten Wärter ausdrücklich bestätigt worden. Deubelbeiss stellt den wechselnden Direktoren der Strafanstalt Regensdorf verschiedene Noten aus. Unter Direktor Reich, dem späteren und seither verstorbenen Justizdirektor, ging es einigermaßen, unter Direktor Rütti ging es gut, aber unter dessen Nachfolger, Direktor Emil Meyer, ging es gar nicht. Man kann einer solchen Beurteilung der Anstaltsleitung durch einen Gefangenen absprechen, aber es ist .ieden Wert doch auffallend, daß Deubelbeiss unter Direktor Reich nur einmal disziplinarisch bestraft werden mußte, unter Direktor Rütti überhaupt nie, während sich die Disziplinarstrafen in auffälliger Weise häuften, nachdem Direktor Meyer sein Amt angetreten hatte. Den Höhepunkt der disziplinarischen Verstöße bildete der Vorfall vom 24. August 1960, der heute vom Bezirksgericht Dielsdorf zu beurteilen ist. Wir Berichterstatter hatten uns frühzeitig beim alten Gerichtsgehäude in Dielsdorf eingefunden, das in wenigen Wochen ausgedient haben wird, weil das neue Bezirksgebäude praktisch bezugsbereit ist. der Wir wollten sehen, unter welcher Bewachung Schwerverbrecher Deubelbeiss ins Haus geführt würde. Die Photographen kamen nicht auf ihre Rechnung. Unauffällig fuhr ein Auto vor. Ihm entstiegen einige Zivilisten. Einer von ihnen war Deubelbeiss, die andern waren Polizisten. Niemand hätte auch nur vermutet, daß hier ein Mann die Treppe hinaufstieg, der seinerzeit zwischen Tat die gesamte Bevölkeund endlicher Verhaftung rung in Angst und Schrecken gehalten hatte, weil Komplize noch zu befürchten war, daß er und sein weitere Schwerverbrechen begehen würden. Die Anklage Im kleinen und niedrigen, mit Blumen geschmückten Gerichtssaal nahmen die Richer ihre Plätze ein. Hier durften die Photoreporter einmal unbehindert «blitzen», und sie schwirrten sogar noch im Saal herum, als die Verhandlung bereits eröffnet war. Der Gerichtsschreiber verlas die Anklageschrift. Am 24. August 1960 hat Ernst Deubelbeiss kurz nach 14 Uhr das Direktionsbureau^ der Strafanstalt betreten, nachdem ihm eine über einen Wärter verlangte Audienz sofort bewilligt worden war. Direktor Meyer verließ seinen Platz hinter dem Schreibtisch und ging Deubelbeiss mit zum Gruß vorgestreckter Hand mit den Worten entgegen: «Grüezi, Herr Deubelbeiss, wie gaht'sf» Das brachte den Angeklagten in Wut, weil er die freundliche Anrede nach der seit Jahren erhaltenen Behand- _ Strafanstaltsdirektor im Rechtsanwalt Rosenbusch hat die (amtliche) Verteidigung des Angeklagten erst vor kurzer Zeit , übernommen nachdem der frühere Verteidiger sein Mandat niedergelegt hatte, was dazu führte, daß ursprünglich der auf Ende August angesetzte Prozeß nochmals verschoben werden mußte. Der Verteidiger beantragte dem Gericht, Ernst Dcubelbciss nur wegen mit Eventualvorsatz begangener vorsätzlicher Körperverletzung gegenüber dem Direktor, wegen fahrlässiger Körperverletzung gegenüber dem Mitgefangenen und den beiden Wärtern und wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte zu verurteilen, ihn hingegen von der Anklage wegCn Meutereiversuchs freizusprechen und ihn wesentlich milder zu bestrafen. Der Verteidiger verstand es, das heute zu beurteilende Verhalten in ein ganz anderes Licht zu stellen, als es nach Anklage und Anklagebegründung erscheinen mußte. Es ist richtig, daß Deubelbeiss unter Direktor Reich im Jahre 1953 einmal wegen Ausarbeitung eines Fluchtversuchs disziplinarisch bestraft werden mußte, aber es drängt sich die Frage auf, ob er auf Weisung des Oberaufsehers durch einen Mitgefangenen provoziert wiirde. Die von ihm verlangte Untersuchung über die Hintergründe dieses Vorfalls wurde ihm verweigert. Unter Direktor Rütti hat sich der Angeklagte einwandfrei gehalten and das ihm geschenkte Vertrauen nie mißbraucht. Deubelbeiss war damals damit beauftragt, in seiner Freizeit Pläne für die Verbesserung der «mittelalterlichen» hygienischen Verhältnisse in den Zellen auszuarbeiten. Direktor Rütti soll ihm auch zweimal eine «Beförderung» in dem Sinn vorgeschlagen haben, daß er in einem Gemeinschaftssaal arbeiten dürfe. Deubelbeiss will diese Angebote mit der Erklärung ausgeschlagen haben, daß er sich dafür noch nicht nur gegen den gegenwärtigen Direktor, sondern auch gegen den protestantischen Anstaltspfarrer und einen Oberaufseher. Wir wollen darauf nicht näher eintreten, weil es Aufgabe der zuständigen Instanzen ist, diese erhobenen Vorwürfe in öffentlicher Verhandlung zu überprüfen. Schwerwiegend scheint uns vor allem der Vorwurf zu sein, in Regensdorf würden die Gefangenen ungleich behandelt nnd es herrsche eine Günstlingsvnrtschaft. Die Oeffentlichkeit hat Anspruch darauf, von zuständiger Stelle darüber orientiert zu werden, ob diese Vorwürfe, auch wenn sie von einem zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilten Mörder erhoben werden, berechtigt sind. Doch kehren wir zur Tat zurück. Auch wenn man nicht die geringste Sympathie für diesen Schwerverbrecher hat und versteht, daß die Anstaltsleitung gegen ihn mit besonderer Strenge vorging, kann man das Gefühl nicht ganz unterdrücken, daß Deubelbeiss unter der gegenwärtigen Anstaltsleitung falsch angefaßt wurde. Man weiß über seinen Geisteszustand Bescheid. Gerade solche Menschen aber bedürfen einer besonderen Betreuung, auch wenn sie noch so gefährlich sind. Mehr als zehn Jahre strengster Einzelhaft sind eine Strafe, die einen Menschen entweder zur Zermürbung oder einmal zu einem «Haftknall» treiben müssen, wie es bei Deubelbeiss am 24. August 1960 bciss schwerste Vorwürfe nicht geschehen ist. Das Urteil Das tBezirksgerich Dielsdorf hat Ernst Deubelim wesentlichen den Anträgen der Verteidigung folgend, der vorsätzlichen Körperverletzung gegenüber Direktor Meyer, der fahrlässigen Körperverletzung gegenüber den andern Geschädigten und der Gewalt und Drohung gegen Beamte schuldig gesprochen, hingegen von der Anklage wegen Versuchs der Meuterei freigesprochen und ihn zu beiss, Neue Zürcher Zeitung vom 01.10.1962 Eine Schulklasse hat soeben das Bundesratszimmer neben der Wandelhalle besichtigt. Die Wandelhall? ist neu möbliert worden; modern bezogene Bänke und niedrige Tische haben die alten Plüschsessel ersetzt. Der Präsident der Sozialdemokratischen Fraktion, Nationalrat Mathias Eggenberger aus St. Gallen (links), im Gespräch mit seinem Fraktionskollegcn Nationalrat Dr. Hans Oprecht, Zürich, dem früheren Präsidenten der SPS. einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die geheime Urteilsberatung dauerte ungefähr anderthalb Stunden. Ohne die Urteilsbegründung zu kennen, kann man das Urteil kaum kommentieren. Immerhin läßt sich feststellen, daß vor diesem ländlichen Bezirksgericht auch einer der schlimmsten Mörder für eine neue Straftat Richter gefunden hat, die sich in ihrem Urteil nicht durch die früheren Untaten des gleichen Täters blenden ließen. Das Urteil beweist aber auch, daß das Bezirksgericht Dielsdorf ein gewisses Verständnis dafür aufgebracht hat, was DeubelbcLss in diesen langen Jahren erlitten hat und erleiden mußte, bis ihn die wahrscheinlich freundlich gemeinte, aber nach allen Erfahrungen als Spott empfundene Begrüssung «Herr Deubelbeiss» explodieren ließ. Der Schiververbrecher Deubelbeiss ist sicher nicht der berufene Ankläger gegen die gegenwärtige Leitung der Strafanstalt Regensdorf, aber wenn er auch ein noch so übler Schwerverbrecher ist, sollten seine Anschuldigungen doch nicht «schubladisiert» werden. Die Vorwürfe müssen durch die zuständigen Stellen überprüft werden. Eine Richtigstellung Regensdorf, 30. Sept. ag Im Prozeß vor dem Bezirksgericht Dielsdorf vom vergangenen Donnerstag gegen Ernst Deubelbeiss, der am 24. August 1960 den Direktor der Strafanstalt Regensdorf, Emil Meyer, mit einem Messer angegriffen und verletzt hatte (Deubelbeiss verbüßt in Regensdorf eine lebenslängliche Zuchthausstrafo wegen der am 11. Februar 1952 erfolgten Ermordung des Bankiers Bannwart), hat der Angeklagte schwere Vorwürfe gegen Strafanstaltsdirektor Mef/er und den reformierten Pfarrer der Anstalt, W.Stauffer, gerichtet. Der Anstaltspfarrer stellt nun der Presse folgende Richtigstellung zu: «Dem Ernst Deubelbeiß war in keinem Zeitpunkt von irgendeiner Seite her der Bezug von Büchern aus der Anstaltsbibliothek gesperrt. Es bestand dazu auch gar kein Anlaß. Deubelbeiß war vielmehr jahrelang regelmäßig Bücherbezüger und machte als Insasse der zweiten Disziplinarklasse auch von seinem Rocht, Wünsche zu äußern, reichlich Gebrauch. Von rund 300 geäußerten Wünschen konnton nur deren 16 nicht erfüllt werden. Als ihm Gelegenheit geboten wurde, auch seine ziemlich zahlreichen eigenen Bücher noch zu benützen, verzichtete er selbst eine Zeitlang ausdrücklich auf Bezüge aus der Anstaltsbücherei. Nach seinem Angriff auf Direktor Meyer wurde er in die erste Disziplinarklasse zurückversetzt und mußte auf verschiedene Vergünstigungen verzichten. Allen Insassen, auch der untersten Stufe, aber werden regelmäßig für je 14 Tage fünf bis sechs Bücher ausgegeben. Am 5. November 1960 wies Deubelbeiß ein Bücherpaket zurück, aber schon am 10. Dezember des gleichen Jahres wünschte er wieder bedient zu werden und wurde seither regelmäßig mit Büchern versorgt. _ Damit widerlegen wir die ungeheuerliche hauptung, wir hätten Ernst Deubelbeiss über Beein Jahr lang in seiner Zelle ohne Bücher gelassen. Es ist bedauerlich, daß in der zweijährigen Unter- suchung solche und andere Behauptungen in seinem Fall nicht im Beisein von Deubelbeiss mit Direktion und Pfarramt der Anstalt abgeklärt wurden und so ungeprüft und unwidersprochen über die Presse den Weg in die Oeffentlichkeit finden.»
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