SWR2 Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Die Fraktionssprecherin der Grünen für
Osteuropapolitik, Marieluise Beck, gab heute,
20.10.16, dem Südwestrundfunk ein Interview
zum Thema: „Putin bei Merkel/Europäischer Rat
zu Russland“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte
Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
20.10.2016
Grüne Osteuropa-Sprecherin Beck: Reden mit Putin ist alternativlos
Baden-Baden: Die Osteuropa-Sprecherin der Grünen, Marieluise Beck, hat die Gespräche mit
dem russischen Präsidenten Putin als „alternativlos“ bezeichnet. Selbst wenn Putin sich nicht
an Vereinbarungen halte, gebe es keine andere Möglichkeit, als mit ihm zu reden, sagte Beck
im SWR (Südwestrundfunk). Solange allerdings Putin der Gesprächspartner auf russischer
Seite sei, werde sich weder in Syrien noch in der Ukraine die Situation verbessern, kritisierte
Beck.
Wenn Putin keine Lust mehr habe, Zugeständnisse zu machen, weil er sein eigentliches Ziel
weiterverfolge, nämlich die Ukraine noch mehr zu destabilisieren, dann verstecke er sich zur
Not einfach hinter den Separatisten und sage: „Tut mir leid“. Die russische Armee wäre nach
Meinung von Beck auch bereit, in der Ostukraine „noch sehr viel weiter zu gehen“. Dies führe
zu einer „gewissen Ratlosigkeit“ und bringe den Westen in eine Position der Schwäche, erklärte
die Grünen-Politikerin.
Ob Sanktionen gegen Russland Bewegung brächten, bezweifelt Beck. Denn Sanktionen böten
Putin die Möglichkeit, die dramatisch schlechte wirtschaftliche Entwicklung im Land zu
entschuldigen.
Putin sei auf die internationale Bühne zurückgekehrt, indem er zeige, dass er willens sei,
„menschenverachtende Aggressionen einzusetzen“, analysierte Beck. Das könne derzeit nicht
verändert werden, „das ist die Situation, die wir haben“, sagte die Russlandexpertin wörtlich.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Miteinander reden, den Dialog nicht abreißen lassen - seit Beginn des UkraineKonflikts haben sich die deutsch-russischen Beziehungen genau darauf beschränkt.
Reicht das denn aus, Frau Beck?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Beck: Ja, es ist ja quasi alternativlos. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass es das
Gespräch geben muss, dass es Verhandlungen geben muss. Das Druckmittel, das eingesetzt
werden kann vom Westen, ist die Sanktionspolitik, während leider Russland bereit ist,
militärisch zu agieren. Und diese Asymmetrie schafft natürlich eine sehr vertrackte Situation,
weil wir letztlich immer wissen: Wenn Putin keine Lust mehr hat, Zugeständnisse zu machen,
wenn er das eigentliche Ziel verfolgt, die Ukraine weiter zu destabilisieren, dann versteckt er
sich zur Not hinter den Separatisten und zuckt mit den Schultern und sagt, tut mir leid.
Theis: Ja, aber was nützt denn dann das viele Reden, wenn die Vereinbarungen nicht
umgesetzt werden und weiter gekämpft wird, wie Sie auch sagen?
Beck: Ehrlicherweise muss zugegeben werden, Minsk ist ein löchriges Abkommen. Es ist ja
sehr allgemein gehalten worden. Es hatte damals die Funktion, die Waffen zum Schweigen zu
bringen, und mehr als Minsk haben wir nicht in Bezug auf die Ukraine. Und insofern gibt es
keine Alternative zu dem immer wieder neuen Versuch, die Verhandlungen im Gang zu halten.
Mir kommt es manchmal vor wie ein Fahrrad, das, wenn man es nicht weiter tritt, umfallen wird.
Und die Frage ist natürlich immer, was dann? Denn dass die russische Armee auch bei ihren
groß angelegten Manövern direkt vor der Grenze der Ukraine immer wieder zeigt, wir wären
auch bereit, sehr viel weiter zu gehen: Das ist eine Situation, die zu einer gewissen Ratlosigkeit
und auch Schwäche des Westens führt, wie wir ja auch in Syrien sehen.
Theis: Das ist genau das Stichwort. Zum Schlachtfeld Syrien habe es eine sehr klare und
sehr harte Aussprache gegeben heute Nacht, sagte die Kanzlerin. Glauben Sie, dass das
Putin beeindruckt?
Beck: Putin ist im Augenblick dabei, auf die internationale Bühne zurückzukehren und auch
seinem Volk zu zeigen, dass er es wieder vermeintlich groß macht. Allerdings nicht, indem er zu
einem positiven Player im internationalen Geschehen wird, sondern indem er zeigt, dass er
bereit ist, menschenverachtende Aggressionen einzusetzen. Damit ist er tatsächlich
zurückgekehrt als jemand, mit dem verhandelt werden muss, aber nicht als jemand mit dem
verhandelt wird, mit der großen Hoffnung, dass er wirklich zu den gemeinsamen Grundsätzen
von Zivilität, von Menschenrechten, von Schutz von Bevölkerung zurückkehrt. Damit haben wir
es zu tun, und das kann derzeit nicht verändert werden, sondern das ist die Situation, die wir
haben.
Theis: Russland steht aber ja wirtschaftlich ziemlich schlecht da. Könnten Deutschland
und die EU nicht dort ansetzen, um Russland auf irgendeine Art wieder als Partner zu
gewinnen statt immer nur zu reden?
Beck: Ob das über Sanktionen allein hergestellt werden kann, ist die Frage. Wir versuchen es ja
in Bezug auf die Ukraine. Man kann auch andersherum sagen, die Sanktionen geben Putin fast
eine Entschuldigung gegenüber der Bevölkerung, weil er immer die dramatisch schlechte
wirtschaftliche Entwicklung, die seine Politik zu vertreten hat, weil er das Land nicht
modernisiert, weil er die auf die Sanktionen schieben kann.
Theis: Es müssen ja gar nicht Sanktionen sein. Man kann ja auch umgekehrt denken und
Hilfe anbieten und sagen, wir machen eine Partnerschaft. Wir helfen euch wirtschaftlich.
Ihr habt was davon, wir auch.
Beck: Dieses Angebot hat es nun seit Jahren gegeben. Es lag über Jahre auf dem Tisch, das
Modernisierungsangebot des Westens. Wir alle aber wissen, dass eine Ökonomie sich nur
dann modernisieren kann, wenn es gute Rahmenbedingungen gibt. Das heißt, man muss auf
Gerichtsentscheidungen vertrauen können, man muss Investitionssicherheit haben. Es darf
nicht jede Stelle, bei der ich Feuerschutz beantrage, die Hand aufhalten. Und das alles sind
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Rahmenbedingungen, die Putin nicht geschaffen hat. Wir haben einen Staat, der der
Beamtenschaft die Möglichkeit gibt, sich überall zu bedienen. Dazu ein Gericht, vor dem die
Menschen keine Chance haben auf Recht. Und deswegen gibt es keine Modernisierung in
diesem Land. Das Angebot an Russland, wir wollen euch dabei haben in dem Konzert der
internationalen Mächte, die sich auf Regeln verständigen, das hat es immer wieder gegeben.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)