SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Die Fraktionssprecherin der Grünen für Osteuropapolitik, Marieluise Beck, gab heute, 20.10.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Putin bei Merkel/Europäischer Rat zu Russland“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 20.10.2016 Grüne Osteuropa-Sprecherin Beck: Reden mit Putin ist alternativlos Baden-Baden: Die Osteuropa-Sprecherin der Grünen, Marieluise Beck, hat die Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin als „alternativlos“ bezeichnet. Selbst wenn Putin sich nicht an Vereinbarungen halte, gebe es keine andere Möglichkeit, als mit ihm zu reden, sagte Beck im SWR (Südwestrundfunk). Solange allerdings Putin der Gesprächspartner auf russischer Seite sei, werde sich weder in Syrien noch in der Ukraine die Situation verbessern, kritisierte Beck. Wenn Putin keine Lust mehr habe, Zugeständnisse zu machen, weil er sein eigentliches Ziel weiterverfolge, nämlich die Ukraine noch mehr zu destabilisieren, dann verstecke er sich zur Not einfach hinter den Separatisten und sage: „Tut mir leid“. Die russische Armee wäre nach Meinung von Beck auch bereit, in der Ostukraine „noch sehr viel weiter zu gehen“. Dies führe zu einer „gewissen Ratlosigkeit“ und bringe den Westen in eine Position der Schwäche, erklärte die Grünen-Politikerin. Ob Sanktionen gegen Russland Bewegung brächten, bezweifelt Beck. Denn Sanktionen böten Putin die Möglichkeit, die dramatisch schlechte wirtschaftliche Entwicklung im Land zu entschuldigen. Putin sei auf die internationale Bühne zurückgekehrt, indem er zeige, dass er willens sei, „menschenverachtende Aggressionen einzusetzen“, analysierte Beck. Das könne derzeit nicht verändert werden, „das ist die Situation, die wir haben“, sagte die Russlandexpertin wörtlich. Wortlaut des Live-Gesprächs: Theis: Miteinander reden, den Dialog nicht abreißen lassen - seit Beginn des UkraineKonflikts haben sich die deutsch-russischen Beziehungen genau darauf beschränkt. Reicht das denn aus, Frau Beck? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Beck: Ja, es ist ja quasi alternativlos. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass es das Gespräch geben muss, dass es Verhandlungen geben muss. Das Druckmittel, das eingesetzt werden kann vom Westen, ist die Sanktionspolitik, während leider Russland bereit ist, militärisch zu agieren. Und diese Asymmetrie schafft natürlich eine sehr vertrackte Situation, weil wir letztlich immer wissen: Wenn Putin keine Lust mehr hat, Zugeständnisse zu machen, wenn er das eigentliche Ziel verfolgt, die Ukraine weiter zu destabilisieren, dann versteckt er sich zur Not hinter den Separatisten und zuckt mit den Schultern und sagt, tut mir leid. Theis: Ja, aber was nützt denn dann das viele Reden, wenn die Vereinbarungen nicht umgesetzt werden und weiter gekämpft wird, wie Sie auch sagen? Beck: Ehrlicherweise muss zugegeben werden, Minsk ist ein löchriges Abkommen. Es ist ja sehr allgemein gehalten worden. Es hatte damals die Funktion, die Waffen zum Schweigen zu bringen, und mehr als Minsk haben wir nicht in Bezug auf die Ukraine. Und insofern gibt es keine Alternative zu dem immer wieder neuen Versuch, die Verhandlungen im Gang zu halten. Mir kommt es manchmal vor wie ein Fahrrad, das, wenn man es nicht weiter tritt, umfallen wird. Und die Frage ist natürlich immer, was dann? Denn dass die russische Armee auch bei ihren groß angelegten Manövern direkt vor der Grenze der Ukraine immer wieder zeigt, wir wären auch bereit, sehr viel weiter zu gehen: Das ist eine Situation, die zu einer gewissen Ratlosigkeit und auch Schwäche des Westens führt, wie wir ja auch in Syrien sehen. Theis: Das ist genau das Stichwort. Zum Schlachtfeld Syrien habe es eine sehr klare und sehr harte Aussprache gegeben heute Nacht, sagte die Kanzlerin. Glauben Sie, dass das Putin beeindruckt? Beck: Putin ist im Augenblick dabei, auf die internationale Bühne zurückzukehren und auch seinem Volk zu zeigen, dass er es wieder vermeintlich groß macht. Allerdings nicht, indem er zu einem positiven Player im internationalen Geschehen wird, sondern indem er zeigt, dass er bereit ist, menschenverachtende Aggressionen einzusetzen. Damit ist er tatsächlich zurückgekehrt als jemand, mit dem verhandelt werden muss, aber nicht als jemand mit dem verhandelt wird, mit der großen Hoffnung, dass er wirklich zu den gemeinsamen Grundsätzen von Zivilität, von Menschenrechten, von Schutz von Bevölkerung zurückkehrt. Damit haben wir es zu tun, und das kann derzeit nicht verändert werden, sondern das ist die Situation, die wir haben. Theis: Russland steht aber ja wirtschaftlich ziemlich schlecht da. Könnten Deutschland und die EU nicht dort ansetzen, um Russland auf irgendeine Art wieder als Partner zu gewinnen statt immer nur zu reden? Beck: Ob das über Sanktionen allein hergestellt werden kann, ist die Frage. Wir versuchen es ja in Bezug auf die Ukraine. Man kann auch andersherum sagen, die Sanktionen geben Putin fast eine Entschuldigung gegenüber der Bevölkerung, weil er immer die dramatisch schlechte wirtschaftliche Entwicklung, die seine Politik zu vertreten hat, weil er das Land nicht modernisiert, weil er die auf die Sanktionen schieben kann. Theis: Es müssen ja gar nicht Sanktionen sein. Man kann ja auch umgekehrt denken und Hilfe anbieten und sagen, wir machen eine Partnerschaft. Wir helfen euch wirtschaftlich. Ihr habt was davon, wir auch. Beck: Dieses Angebot hat es nun seit Jahren gegeben. Es lag über Jahre auf dem Tisch, das Modernisierungsangebot des Westens. Wir alle aber wissen, dass eine Ökonomie sich nur dann modernisieren kann, wenn es gute Rahmenbedingungen gibt. Das heißt, man muss auf Gerichtsentscheidungen vertrauen können, man muss Investitionssicherheit haben. Es darf nicht jede Stelle, bei der ich Feuerschutz beantrage, die Hand aufhalten. Und das alles sind Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Rahmenbedingungen, die Putin nicht geschaffen hat. Wir haben einen Staat, der der Beamtenschaft die Möglichkeit gibt, sich überall zu bedienen. Dazu ein Gericht, vor dem die Menschen keine Chance haben auf Recht. Und deswegen gibt es keine Modernisierung in diesem Land. Das Angebot an Russland, wir wollen euch dabei haben in dem Konzert der internationalen Mächte, die sich auf Regeln verständigen, das hat es immer wieder gegeben. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
© Copyright 2024 ExpyDoc