Gemeinden buhlen um Phantom-Schweizer

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Datum: 16.10.2016
Zweitwohnungen
Gemeinden buhlen um Phantom-Schweizer
Um trotz Zweitwohnungs - Initiative an Ausländer verkaufen zu können, greifen Makler tief in die Trickkiste.
Cyrill Pinto
Seit Anfang Jahr ist die Zweitwohnungs - Initiative in Kraft – und in den Tourismusgebieten macht sich
Katerstimmung breit: « Der Bau von Zweitwohnungen ist in vielen Regionen eingestellt » , sagt Marco
Rentsch vom Beratungsunternehmen Price waterhouse - Coopers (PwC).
Doch als wäre nichts geschehen, versuchen Immobilienmakler weiterhin neue Projekte in Tourismusregionen
zu realisieren. Sie wandeln Chalets in hotelähnliche Anlagen um und helfen Ausländern, über einen
Scheinwohnsitz an Wohneigentum in der Schweiz zu gelangen.
Wie das funktioniert, lässt sich im Wallis gut beobachten. Auf der Lauchernalp im Lötschental kaufte der
italienische Investor Mario L.* vor ein paar Jahren Bauland in bester Lage. Das schneesichere Skigebiet lockt
mit traumhafter Aussicht auf die Alpen. Doch niemand wohnt das ganze Jahr über dort. Es handelt sich
ausschliesslich um Ferienwohnungen und Chalets.
Von rund 20'000 Quadratmetern ist die Hälfte überbaut – ein bereits vor Annahme der Zweitwohnungs Initative verabschiedeter Überbauungsplan machte es möglich.
Für das restliche Bauland wirbt L. nach wie vor um Käufer. « Für Ihre Ferien in Wiler und als Topinvestment in
der Schweiz » , preist der Immobilienmakler die Chalets für Kunden aus dem Ausland an. Der Trick: Die
neuen Ferienhäuser sind Teil einer hotelähnlichen Anlage.
Doch diesem Schlupfloch schiebt das Kantonsgericht Wallis mit einem Urteil von Anfang Oktober nun einen
Riegel, wie Anne Bachmann (55) von der Stiftung Franz Weber sagt: « Die Richter erteilten einem als Hotel
getarnten Projekt in der Gemeinde Riddes VS eine Absage. Die Richter fanden, dass die geplanten
Ferienwohnungen in La Tzoumaz zu individuell gestaltet seien, um noch von einer hotelähnlichen Anlage zu
sprechen. » Das wegweisende Urteil hat Auswirkungen auf Dutzende ähnlicher Projekte in den Alpen.
Jede Woche durchforstet Bachmann von der Fondation Franz Weber die Amtsblätter der Kantone Wallis und
Waadt nach zweifelhaften Bauprojekten. Schöpft sie Verdacht, legt sie bei der Regierung Rekurs ein.
150 Einsprachen sind derzeit vor dem Walliser Staatsrat hängig, 40 vor dem Kantonsgericht, zwei vor
Bundesgericht . Denn die Gesetzeslage, so Bachmann, sei klar: « Mich rufen oft Leute aus dem Ausland an,
die eine Ferienwohnung in der Schweiz kaufen möchten und nach den Möglichkeiten fragen. Ich antworte
ihnen dann: Es dürfen keine neuen Ferienhäuser gebaut werden. »
Trotzdem versuchen es windige Immobilienverkäufer immer wieder: So bietet ein Oberwalliser Promotor in
Les Collons im Val d ’ Hérens vier neue Chalets zum Kauf an. Zwischen 2,2 Millionen und 2,7 Millionen kosten
die Luxus chalets mit direktem Zugang zur Skipiste. « Available for foreigners – Erwerb für Ausländer möglich
» , versprechen die Verkäufer. Auch gegen dieses Projekt hat die Weber - Stiftung einen Rekurs hinterlegt.
Immer öfter umgehen Ausländer die Bewilligungspflicht für einen Chaletkauf durch eine Wohnsitznahme in der
Schweiz. Um zu einem Grundstück zu kommen, genügten die Niederlassungsbewilligung, verknüpft mit einer
Wohnsitzbestätigung und einer Bestätigung der kantonalen Steuerverwaltung, erklärt Sergio Biondo von der
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Walliser Dienststelle der Grundbuchämter.
Eine Niederlassungsbewilligung zu bekommen, ist für reiche Ausländer kein Problem. Dass er oder sie den
Lebensmittelpunkt in der Schweiz hat, wie vom Gesetz gefordert, erklären Käufer oder Käuferin mit der
Unterschrift auf einem einfachen Formular « auf Ehre und Gewissen » .
« Bei Zweifeln oder ungenügenden Angaben wird der Antragsteller gegebenenfalls einer genaueren
Überprüfung unterzogen » , erklärt Dienstchef Biondo. In den meisten Fällen verlässt sich der Kanton auf die
Angaben der Gemeinden.
Damit macht es der Kanton Wallis reichen Ausländern einfach. Zu einfach, findet SP - Nationalrätin Jacqueline
Badran (54). « Dieses Formular ist für sich ein Skandal – es darf nicht sein, dass man als Ausländer einfach
mit einer Unterschrift die Bewilligung erhält, hier Grundstücke zu erwerben. » Die Kantone müssten prüfen, ob
die Personen tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz hätten – nicht nur einen gemieteten
Scheinwohnsitz.
« Die Behörden haben ja die Möglichkeit dazu: Über das Ablesen der Wasser - und Stromzähler liesse es sich
einfach feststellen » , so Badran.
Für reiche Ausländer ist der Erwerb einer Immobilie und eine Wohnsitznahme in der Schweiz durchaus
attraktiv: Sie sparen Steuern und gelangen mühelos zu einer Wohnung, die sie dann als Ferienwohnung
nutzen.
Deshalb geht die Fondation Franz Weber auch gegen Projekte vor, die als Erstwohnsitz getarnt sind. Erst vor
kurzem habe man gegen ein Projekt von 25 neuen Chalets in der Gemeinde Hérémence einen Rekurs
eingelegt, berichtet Anne Bachmann. « Doch eigentlich wäre es Aufgabe der Behörden, solche Projekte zu
prüfen und im Zweifelsfall abzulehnen. »
* Name der Redaktion bekannt Publiziert am 16.10.2016 | Aktualisiert vor 12 Minuten
ANHANG: Bildstrecke
Chalets und Ferienwohnungen auf der Lauchern alp.
Für ähnliche Projekte gilt ein Baustopp. ZVG
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