© Vector Informatik E-MOBILITY Induktives Laden – Von der Evaluierung zur standardisierten E-Mobilität In der Elektromobilität wird das induktive Laden – neben dem leitungsgebundenen Laden – künftig eine wesentliche Rolle spielen. In den aktuellen Entwicklungen setzt die Automobilindustrie nun ihre in den Evaluierungsphasen gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Produkte um. Einhergehend damit konzentriert sich ein beträchtlicher Teil der Entwicklungsanstrengungen auf die drahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur. Die Standardisierungsaktivitäten hierfür laufen auf Hochtouren und der vorhandene ISO/IEC-15118-Standard wird um wesentliche Funktionen ergänzt. S tandard für das leitungsgebundene Laden von Elektro- und Plug-inHybrid-Fahrzeugen ist das Combined-Charging-System (CCS), das in der EU für alle künftigen Schnellladesysteme verbindlich vorgeschrieben ist. In Deutschland sind daher grundsätzlich alle Ladesysteme nach CCSNorm zu errichten. CCS verwendet in Europa den Combo2-Stecker über den sowohl AC- als auch DC-Laden möglich 74 HANSER automotive 10 / 2016 ist. Die digitale Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und Ladeinfrastruktur läuft beim CCS via HomePlug Green PHY über die Control-PilotLeitung und nutzt den SLAC-Mechanismus (Signal Level Attenuation Characterization) zum Verbindungsaufbau. Seit 2015 gibt es mit dem CharIN e. V. (www. charinev.org) ein offizielles Gremium, das den CCS-Standard vorantreibt und die strategischen Entscheidungen für die weitere Entwicklung trifft. „Booster“ der Elektromobilität: Induktives Laden Neben dem Laden von E-Fahrzeugen über Kabel wird zukünftig das drahtlose Laden (WPT – Wireless Power Transfer) zu einem wesentlichen Bestandteil der Elektromobilität werden. Die Automobilhersteller entwickeln aktuell die erste Seriengeneration von Elektrofahrzeugen, die das induktive Laden unter© Carl Hanser Verlag, München E-MOBILITY stützen. Dies bietet einen hohen Komfortgewinn, da das Fahrzeug automatisch Energie nachladen kann, egal, ob zu Hause oder unterwegs. Dafür müssen Positionierung, Verbindungsaufbau und Authentifizierung korrekt ablaufen. Schon während sich das Fahrzeug zum Beispiel der heimischen Garage nähert, verbindet es sich per Wi-Fi mit der dortigen Ladeinfrastruktur. Beim Hineinfahren lässt man sich von einer Positionierungshilfe genau über die Ladeplatte (Ground-Pad) leiten und unmittelbar danach startet der Ladevorgang. Für das Laden im öffentlichen Bereich wird es Dienste zum Reservieren von Ladeparkplätzen geben sowie Leitsysteme, die zu freien Ladeplätzen führen. All diese Komfortfunktionen, einschließlich automatischer Abrechnungs- und Bezahlvorgänge, vergrößern die Akzeptanz der Elektromobilität nachhaltig. Die internationale Standardisierung zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für das einheitliche, kompatible und herstellerunabhängige Umsetzen dieser Ladetechnologie. Das gilt insbesondere für die Kommunikation. So muss beim induktiven Laden neben der Energieübertragung auch sämtlicher Informationsaustausch zwischen Fahrzeug und Ground-Pad drahtlos ablaufen. Dieser Aufgabe widmen sich verschiedene Arbeitsgruppen der ISO/ IEC-15118, die derzeit neben WPT weitere interessante Funktionen in den Standard integrieren. Neuerungen der zweiten Fassung des ISO/IEC15118-Standards Neben Wireless Power Transfer werden als wichtige Neuerungen in der zweiten Fassung der ISO/IEC-15118 unter anderem die Themen Energierückspeisung sowie Autoconnect-ChargingDevice (ACD) enthalten sein. Die ursprünglich für die zweite Fassung vorgesehenen Dokumente ISO/IEC-15118-6 (Anwendungen) und -7 (Netzwerk und Protokolle) werden nun nicht als eigenständige Teile in die Norm aufgenommen, sondern die Inhalte werden in die Normteile ISO/IEC-15118-1 und -2 eingearbeitet. Lediglich ISO/IEC-15118-8 kommt als Dokumentteil hinzu, der die Schichten Bit-Übertragungsschicht www.hanser-automotive.de (Physical Layer) sowie Sicherungsschicht (Data Link Layer) der Wi-FiKommunikation beim Laden beschreibt. Mit der Möglichkeit zur Energierückspeisung können Elektrofahrzeuge nun als Stütze für intelligente Stromnetze fungieren. Das dürfte zunächst erst einmal bei Anwendungen wie etwa SmartHomes (Bild 1) realisierbar sein, während die Anbindung an öffentliche Stromnetze (Smart-Grid) wohl noch eine Weile auf sich warten lassen wird. Im Fokus steht der Ausgleich von Differenzen zwischen Energieangebot und -bedarf. Der steigende Anteil regenera- sie selbst bis zur nächsten Ladestation fahren können. Das neue Feature mit der Bezeichnung ACD (AutoconnectCharging-Device) zielt auf den Betrieb von Elektrobussen im öffentlichen Nahverkehr ab. Es erlaubt beispielsweise an Haltestellen das Laden mit hohen Ladeleistungen von 150 bis 500 kW via Pantograph/Gleichstromschiene (Bild 2). Zur Kommunikation ist Wi-Fi vorgesehen, damit der Bus schon während er sich der Haltestelle nähert, die Verbindung aufbaut, den Kompatibilitäts-Check durchführt und rechtzeitig die Positioniersignale erhält. Nicht nur im Beispiel Bild 1: In einem Smart-Home werden künftig Elektroautos nicht nur geladen, die Fahrzeuge können im Gegenzug an der eigenen Ladestation Strom einspeisen. (© Fotolia.com/ag visuell) tiver Energiequellen führt hier naturgemäß zu größeren Schwankungen. Besitzer von E-Fahrzeugen sind somit in der Lage, Energie zwischenzuspeichern oder Teile ihrer Energiekosten zurückzuholen, indem sie günstig Laden und einen Teil der Energie in teuren Spitzenlastzeiten wieder abgeben (V2G – Vehicle-to-Grid). In der Norm ist explizit auch ein weiterer Anwendungsfall definiert, der insbesondere für den asiatischen Raum interessant sein dürfte. So werden E-Fahrzeuge die Notfallversorgung von Haushalten übernehmen können, wenn öffentliche Stromversorgungen aufgrund von Naturkatastrophen oder technischen Problemen ausfallen (V2H – Vehicle-to-Home). Über die V2V-Funktionalität (Vehicle-toVehicle) schließlich, haben E-Fahrzeuge zudem die Möglichkeit, Pannenhilfe zu leisten. Liegengebliebene Fahrzeuge lassen sich damit soweit aufladen, dass der Elektrobusse, sondern grundsätzlich, steht die mit dem induktiven Laden eingeführte drahtlose Kommunikation nun als Option auch für das leitungsgebundene Laden zur Verfügung. Wi-Fi mit TLSVerschlüsselung Ein eigenes Frequenzband für die Elektromobilität lässt sich einerseits international nicht durchsetzen, andererseits müssen die in der ISO/IEC-15118 festgelegten Frequenzen weltweit nutzbar sein. Daher hat sich das ISO-Gremium für Wi-Fi in der Spezifikation IEEE802.11n als physikalisches Übertragungsmedium zur drahtlosen Kommunikation entschieden. IEEE802.11n bietet Dual-Band-Support für 2,4 GHz und 5 GHz und liefert höhere Reichweiten und Übertragungsraten als beispielsweise Bluetooth LE (Low Energy), das HANSER automotive 10 / 2016 75 » E-MOBILITY Bild 2: Autoconnect-Charging-Device (ACD) zielt auf den Betrieb von Elektrobussen im öffentlichen Nahverkehr ab. Es erlaubt beispielsweise an Haltestellen das Laden mit hohen Ladeleistungen via Pantograph/ Gleichstromschiene. (© Volvo Group) auch diskutiert wurde. Weitere Kriterien für die Funkverbindung sind Low-CostEigenschaften, hohe Zuverlässigkeit und eine Latenzzeit von höchstens 100 ms. Eine größere Latenz würde bei der Feinpositionierung unangenehme Verzögerungen bei der Aktualisierung der Richtungsanzeigen auf dem Display zur Folge haben. Das Verwenden offener Funknetze, beispielsweise für die Ladekommunikation oder Abrechnungs- und Bezahlzwecke, führt direkt zur Frage nach der Informationssicherheit (Security). Etliche Marktteilnehmer fordern daher für die nächste ISO/IEC-15118-Fassung eine verschlüsselte Kommunikation, wofür sich das Verschlüsselungsverfahren TLS (Transport-Layer-Security) in der neuesten Version 1.2 gut eignet. TLS ist der Nachfolger von SSL (Secure-Sockets-Layer) und schützt bei der Ladekommunikation die Privatsphäre, bewahrt vor Datenmanipulationen und stellt die Authentizität der Ladesäule sicher. Bei der vorgeschlagenen Verschlüsselung käme ein Mix aus verschiedenen Kryptographieverfahren zum Einsatz. Im Detail findet beim Verbindungsaufbau ein sogenannter asymmetrischer Schlüsselaustausch auf Basis von ECDH (Elliptic-Curve-Diffie-Hellman) bzw. ECDHE (Elliptic-Curve-Diffie-Hellman-Ephemeral) statt. Erst danach ist es möglich, für die eigentliche verschlüsselte Datenübertragung das symmetrische AES128Verfahren anzuwenden sowie den Hash-Algorithmus SHA256 für Prüfsummen. 76 HANSER automotive 10 / 2016 Zügiger Entwickeln und Testen Oberstes Ziel der Standardisierung ist eine herstellerübergreifende Interoperabilität, d. h. jedes Elektrofahrzeug lässt sich idealerweise an jedem beliebigen Ladesystem aufladen. Um dies sicherzustellen, führen Fahrzeug- und Infrastrukturhersteller regelmäßig „Testivals“ durch, bei denen Vertreter der jeweiligen Firmen zwei Tage lang ihre Steuergeräte, Fahrzeuge und Ladesäulen gegeneinander testen. Zuvor untersuchen die Inge- nieure ihre Produkte natürlich unter Laborbedingungen im eigenen Haus. Das Testen kann schnell zu einer komplexen Angelegenheit werden, insbesondere da die Teile -4 und -5 der Norm, die die Testmodalitäten für Conformance-Tests beschreiben, noch nicht fertig sind. Idealerweise steht zum Testen im Labor ein geeignetes Werkzeug zur Simulation der jeweiligen Gegenstelle zur Verfügung, z. B. von Vector Informatik. Während Entwickler von Fahrzeugelektronik die Simulation der Ladesäule benötigen, sind Ladeinfrastrukturhersteller auf Fahrzeug-Simulationen angewiesen. Zügig kommen E-Fahrzeug-Hersteller oder -Zulieferer für die Ladeinfrastruktur zu funktionsfähigen Kommunikationslösungen, wenn sie auf erprobte Embedded-Module zurückgreifen. Beispielsweise arbeitet Vector aktiv im ISOStandardisierungsprozess mit und ist in der Lage, seine Lösungen zeitnah an den jeweiligen Stand der Norm anzupassen. Das gilt auch für das induktive Laden. Während das Produkt MICROSAR.V2G für die Ladesteuergeräte im Fahrzeug vorgesehen ist (Bild 3), realisiert das Produkt vEVSE die ISO/IEC-15118-konforme Gegenstelle auf der Netzseite. Tests lassen sich entwicklungsbegleitend mit Hilfe eines modellbasierten Ansatzes in den verschiedenen Phasen durchführen, wobei Testumfang und Hardware-Interface individuell an die Kundenbedürfnisse anpassbar sind. Das Vector-Testsystem ist so konfigurierbar, dass es entweder das Fahrzeug oder die Ladeinfrastruktur simuliert, je nachdem was zu testen ist. Die Tests decken die Vehicleto-Grid-Kommunikation nach ISO/IEC15118-2, den SLAC-Mechanismus (Signal-Level-Attenuation Characterization) nach ISO15118-3 und auch die DINSPEC-70121 (DC-Laden) optimal ab. Sobald die Test-Dokumente (Normteile -4 und -5) in der endgültigen Form zur Verfügung stehen, voraussichtlich Anfang 2017, wird Vector eine entsprechende Conformance-Test-Suite in seine Lösungen integrieren. W (oe) »» www.vector.com Bild 3: Einbindung der MICROSAR.V2G Module in eine AUTOSAR-Architektur. (© Vector Informatik) Dirk Großmann ist Senior Manager bei Vector Informatik und u. a. verantwortlich für die Entwicklung der Vector E-MobilityLösung. © Carl Hanser Verlag, München
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