Manuskript Beitrag: Diesel-Abgasskandal – Wie tief ist Bosch verstrickt? Sendung vom 18. Oktober 2016 von Hans Koberstein, Hilke Petersen, Joe Sperling und Felix Zimmermann Anmoderation: Made in Germany - das war weltweit ein Gütesiegel - auch in den USA. Doch seit dem Abgas-Skandal bei VW ist der gute Ruf dahin. Erst recht, weil die Amerikaner auch gegen eine andere berühmte deutsche Marke vorgehen: Bosch! Der 130 Jahre alte Traditionskonzern lieferte VW die betrügerische Motorsteuerung. Wie tief ist Bosch in den Skandal verstrickt? Neben Volkswagen verwenden auch viele andere Autohersteller Motorsteuerungen von Bosch mit Abschalteinrichtung. Das zeigen die Recherchen von Hans Koberstein, Joe Sperling und Felix Zimmermann. Text: Wir sind in einer Fiat-Werkstatt in Berlin. Wir wollen dem Abgasskandal auf den Grund gehen. Dazu haben wir diesen Fiat 500 X mit modernem zwei Liter-Turbodiesel-Motor besorgt. Auf dem Prüfstand für die Zulassung ist er sauber, auf der Straße bläst er viel mehr giftiges Stickoxid in die Umwelt. Gesteuert wird das vom Zentralcomputer des Autos, dem Motorsteuergerät. Wir wollen wissen, von welcher Firma es stammt. Werkstattmeister Sascha Stark baut es für uns aus. O-Ton Sascha Stark, Werkstattmeister Fiat: Und da hätten wir das Steuergerät. O-Ton Frontal 21: Und was ist das für eins? O-Ton Sascha Stark, Werkstattmeister Fiat: Bosch! O-Ton Frontal 21: Ein Steuergerät von Bosch? O-Ton Sascha Stark, Werkstattmeister Fiat: Ja! Wie tief ist Bosch in den Abgasskandal verstrickt? Der BoschKonzern bei Stuttgart ist einer der größten Autozulieferer weltweit. Bosch hält auf sich und seine ethischen Standards. Profit sei nicht alles, heißt es im Werbefilm. O-Ton, Werbefilm BOSCH: Ein besonders Unternehmen. Ein Unternehmen, das seine eigenen Interessen mit denen der Gesellschaft und der Umwelt in Einklang bringen will. So wie es unser Gründer Robert Bosch gewollt hat. Mit unseren Motorsteuerungen beispielsweise reduzieren wir schädliche Emissionen im Straßenverkehr. Weltweit. In den USA ist der Konzern angeklagt wegen besonders umweltschädlicher Fahrzeuge. Der Konzern hatte die Motorsteuergeräte mit Abschalteinrichtung für VW geliefert. Die Klageschrift zitiert aus VW-internen Unterlagen. Da findet sich ein Brief von Bosch vom 2. Juni 2008. Darin weist Bosch selbst VW auf eine Abschalteinrichtung, „defeat device“ hin. Bosch warnt VW, „die Verwendung eines defeat device ist verboten“. Trotzdem ist Bosch laut Klageschrift bei der Abschalteinrichtung sogar behilflich, die VW-intern „Akustikfunktion“ heißt. Das zeige ein E-Mail-Wechsel vom November 2014. Betreff: „Akustikfunktion“. Darin schreibe ein VW-Mitarbeiter, dass „Bosch verantwortlich für die Kalibrierung“ der Akustikfunktion sei. Damit wäre Bosch schwer belastet, erklärt uns ein Insider, Softwareentwickler aus der Autoindustrie. Weil er seinen Job nicht riskieren will, haben wir das Interview nachgestellt. O-Ton Softwareentwickler Autoindustrie: Wenn das wahr ist, ist es der Super-GAU für Bosch. Wenn ich eine Funktion „kalibriere“, heißt das, dass ich die Funktion einstelle und zum Leben erwecke. Wenn ich verstanden habe, dass diese Funktion die Abgasanlage abschaltet, und ich sie dennoch entsprechend einstelle, dann mache ich mich mitschuldig. Bosch sei mitschuldig an giftigen Dieselautos, sagt auch der amerikanische Generalstaatsanwalt Patrick Morrisey. Er schreibt in seiner Klageschrift: „Bosch wusste, dass Volkswagen die Komponenten als Abschalteinrichtung nutzte und hat mit Volkswagen zusammen den Software-Algorithmus für die betroffenen Autos entwickelt.“ Bosch prüft die Vorwürfe aus Amerika. Und erklärt uns gegenüber, Zitat: „Die Vorwürfe der Manipulation von Dieselsoftware nimmt das Unternehmen sehr ernst.“ Wir lernen: Der Anspruch von Firmengründer Robert Bosch ist das eine, die schmutzige Realität im Fall VW das andere. Dabei weiß Bosch genau, wie man saubere Dieselautos baut: mit zusätzlichen Katalysatoren, die Bosch auch anbietet. Das ist teuer. Doch Autohersteller wollen sparen. O-Ton Prof. Kai Borgeest, Zentrum für Kfz-Elektronik und Verbrennungsmotoren, Hochschule Aschaffenburg: Software ist immer billiger als Hardware, meistens jedenfalls. Aber man sieht eben auch, dass Software durchaus Grenzen hat, und bei manchen Motoren schafft man‘s dann eben gerade mal noch mit der Software, diese Motoren über den Zyklus zu retten, aber eben nicht mehr sauber im Straßenverkehr zu fahren. O-Ton Dietmar Oeliger, Naturschutzbund Deutschland: Das ist eine Strategie, die darauf abzielt, möglichst billige Abgastechnologie in die Fahrzeuge einzubauen, und das Ganze auf Kosten der Gesundheit. Und wir wissen von Seiten der Weltgesundheitsorganisation, von Seiten der EUKommission, dass in Europa jährlich Zehntausende Menschen vorzeitig an den Schadstoffen von Diesel-Pkws sterben. Der Diesel-Skandal betrifft nicht nur VW. Verkehrsminister Dobrindt erklärte im April, welche Autobauer Abschalteinrichtungen verwenden. O-Ton Alexander Dobrindt, CSU, Bundesverkehrsminister am 22.04.2016: Das betrifft die Hersteller Audi, Mercedes, Opel, Porsche sowie Volkswagen. Alfa Romeo, es gibt Chevrolet, es gibt Dacia, es gibt Fiat, es gibt Hyundai, Jaguar, Jeep Land Rover, Nissan, Suzuki. Wir wollen wissen: Für welche dieser schmutzigen Dieselautos hat Bosch Motorsteuergeräte mit Abschalteinrichtungen geliefert? Wir fragen Bosch. Der Konzern antwortet, Zitat: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir im Rahmen unserer Geschäftsbeziehungen mit unseren Kunden zur Vertraulichkeit verpflichtet sind.“ Wir suchen selbst, und zwar mit Hilfe einer Datenbank von Bosch für Ersatzteile. Wir suchen dort nach genau den Fahrzeugen, die beim Ministerium als besonders schmutzig aufgefallen sind. Das Ergebnis: Bosch Motorsteuergeräte stecken nicht nur in Modellen von VW, sondern auch in Fahrzeugen mit Abschalteinrichtung von Porsche, Mercedes, Audi, Renault, Alfa Romeo, Suzuki, Land Rover, Hyundai und Fiat. Ist also Bosch bei diesen Autos Mitwisser, gar Mittäter? Bosch weicht unseren konkreten Nachfragen aus, und erklärt aber allgemein, Zitat: „Bosch Motorsteuergeräte werden sowohl in auffälligen als auch unauffälligen Fahrzeugen eingesetzt.“ Und weiter heißt es: „Ein Zulieferer kann nicht alle Wechselwirkungen und deren Folgen beurteilen, da er in der Regel das Gesamtsystem nicht überblickt.“ O-Ton Dietmar Oeliger, Naturschutzbund Deutschland: Es ist für mich kaum vorstellbar, dass ein Weltmarktführer wie Bosch, der die Soft- und die Hardware geliefert hat, von diesem ganzen Unterfangen nichts gewusst haben soll. Und dann der Fiat. Sein Motorsteuergerät, hergestellt von Bosch. Der Bundesverkehrsminister hat einen ganz besonderen Trick gefunden: Das Steuergerät schalte die Abgasreinigung nach 22 Minuten einfach ab. Der amtliche Labortest dauert knapp 20 Minuten. Darüber hat sich das Bundesverkehrsministerium bei der Zulassungsbehörde in Italien beschwert: „Damit ist aus unserer Sicht der Nachweis des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung erbracht.“ Fiat bestreitet das und erklärt, italienische Behörden hätten keine illegale Abschalteinrichtung gefunden. Und von wem stammt die Software? Fiat erklärt uns dazu schriftlich, Zitat: „Wie in der Autoindustrie allgemein üblich, liefert der ECUHersteller Hard- und Software.“ Also, Bosch. Und weiter: Zitat: „Bosch ist der alleinige Hersteller und Lieferant des genannten Motorsteuergeräts.“ Stammt die Fiat-Abschalteinrichtung also von Bosch? Bosch sagt dazu nichts! Was Bosch im Abgasskandal getan oder nicht getan hat, soll die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermitteln. Die könnte durchsuchen, Software beschlagnahmen, Verantwortliche feststellen. Das tut sie seit fast einem Jahr nicht. Stattdessen verlässt sie sich auf die Kooperation von Bosch. Und teilt uns mit, Zitat: „Im Rahmen der bisherigen Ermittlungen erfolgte keine Durchsuchung von Räumlichkeiten der Robert Bosch GmbH. Das Unternehmen kooperiert mit den Ermittlungsbehörden.“ Erich Schöndorf hat früher als Staatsanwalt Großunternehmen vor Gericht gebracht. Der Verzicht auf Durchsuchungen und das Vertrauen auf die Hilfe von Bosch – für ihn ein klarer Ermittlungsfehler. O-Ton Prof. Erich Schöndorf, Staatsanwalt a.D., Frankfurt/Main: Wenn die Staatsanwaltschaft in dieser Weise verfährt, dann betraut sie die Beschuldigtenseite mit der Wahrheitsfindung. Ein solcher abstruser und absurder Rollentausch führt im Ergebnis dazu, dass die Staatsanwaltschaft schon vor Beginn der Ermittlungen kapituliert hat. So hat Bosch von deutschen Behörden wenig zu befürchten. So wird die Rolle von Bosch im Abgasskandal nicht aufgeklärt. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. 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