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BZB Oktober 16
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Politik
Nachrichten aus Brüssel
CEN vertagt Entscheidung
Das privat organisierte Europäische Komitee für
Normung (CEN) nimmt vorerst davon Abstand, eine
Strategie für die Standardisierung von Gesundheitsdienstleistungen zu entwickeln. Vorausgegangen waren vor der Sommerpause massive Proteste
der europäischen Dachverbände der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser, die den CEN-Vorstoß
vehement kritisiert hatten. Die Verbände sehen
in der Normierung von Heilbehandlungen einen
Eingriff in die berufliche Autonomie der Ärzte und
Zahnärzte. Es bestehe die Gefahr, dass das individuelle Element der Behandlung von Patienten ins
Hintertreffen gerate. Seit Jahren wird auf europäischer Ebene eine intensive Diskussion über die Normierung von Gesundheitsdienstleistungen geführt.
Die Intention des CEN ist es – auch zur Abgrenzung von ausländischen Mitbewerbern –, private
Qualitätsstandards zu etablieren. Das Komitee
will seine Arbeit auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistungen jedoch nicht gänzlich einstellen.
Vielmehr soll in den kommenden Monaten eine
Arbeitsgruppe gegründet werden, die sich eingehender mit der Fragestellung befassen soll. CEN
hat die Vertreter der Heilberufe eingeladen, an der
Arbeitsgruppe teilzunehmen.
Neue Quecksilberverordnung
Das Europäische Parlament hat seine Arbeit an der
geplanten EU-Quecksilberverordnung fortgesetzt.
Der Anfang des Jahres von der Europäischen Kommission vorgestellte Verordnungsentwurf sieht aus
Gründen des Umweltschutzes unter anderem vor,
dass Dentalamalgam ab 1. Januar 2019 EU-weit nur
noch in verkapselter Form verwendet werden darf.
Zudem sollen ab diesem Zeitpunkt alle zahnmedizinischen Einrichtungen verpflichtend mit Amalgamabscheidern zur Rückhaltung und Sammlung von
Amalgampartikeln ausgestattet sein. Nach Zahlen
der Europäischen Kommission werden in der EU
jährlich 75 Tonnen Quecksilber für die Amalgamherstellung verbraucht. Während in Deutschland
Amalgamabscheider seit langer Zeit gesetzlich vor-
geschrieben sind, gibt es in neun EU-Mitgliedsstaaten keine gesetzliche Pflicht. Die Kommission
schätzt, dass ein Viertel aller Zahnarztpraxen in der
EU keinen Amalgamabscheider hat. Im federführenden Ausschuss für Umwelt und Volksgesundheit
des Europäischen Parlaments zeichnet sich eine
kontroverse Diskussion über die neue Quecksilberverordnung ab. Vor der Sommerpause wurden insgesamt knapp 350 Änderungsanträge eingereicht.
Abgeordnete aus Skandinavien, wo Amalgam seit
Jahren verboten ist, und Mitglieder der Fraktion
der Grünen fordern ein vollständiges Amalgamverbot in der EU bis Ende 2021. Vertreter der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten setzen sich für einen gemäßigteren Ansatz ein. So soll
der Amalgamverbrauch zunächst durch mehr Prävention in der Zahnmedizin weiter reduziert werden. Beobachter rechnen damit, dass die Mehrheit
der Abgeordneten die Verwendung von Amalgam
bei Schwangeren und Kindern unter zwölf Jahren
verbieten, den Werkstoff ansonsten aber beibehalten will. Die Abstimmung im Ausschuss ist für Mitte
Oktober vorgesehen. Danach dürften die Kompromissverhandlungen mit den im Rat versammelten
EU-Mitgliedsstaaten beginnen.
Kritik von Studenten
Großes mediales Interesse in Frankreich und Spanien fanden die in der Sommerpause veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage, die die European
Dental Students Association (EDSA), der europäische Dachverband der Zahnmedizinstudenten,
unter seinen Mitgliedern durchführte. Nach der
Umfrage, an der sich über 1 000 Studenten aus
19 Mitgliedsstaaten beteiligten, erhalten zehn Prozent der Zahnmedizinstudenten in Europa während
ihres Studiums keine praktische Ausbildung am Patienten. Die Vertreter des Studentenverbands kritisieren vor diesem Hintergrund die zahnmedizinische Ausbildung in vielen EU-Mitgliedsstaaten als
zu theorielastig. Sie fordern eine bessere klinische
Ausbildung, um auch in Zukunft ein hohes Behandlungsniveau der Patienten in Europa sicherstellen zu können.
Dr. Alfred Büttner
Leiter des Brüsseler Büros der BZÄK