Hepatitis-Medikament: Schlappe für US-Unternehmen

Ausgabe | 40
14. Oktober 2016
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Pharma
Hepatitis-Medikament: Schlappe für US-Unternehmen
Einspruch von Ärzte der Welt gegen das Patent für das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi wird in Teilen stattgegeben
N
Patentamtes beweist, dass strenach zwei Tagen öffentlicher
Anhörung hat das Europägere Patentprüfungen nötig sind,
ischen Patentamt in München
um die öffentliche Gesundheit
entschieden: Dem Einspruch von
zu schützen. Der Schiedsspruch
Ärzte der Welt gegen das Patent
unterstützt den weltweiten Kampf
auf den Wirkstoff Sofosbuvir wird
gegen die gängige Praxis der
teilweise stattgegeben. Der PatentPharmaunternehmen, Grundsätze
inhaber muss Anpassungen vorder Patentierbarkeit von Medinehmen, die zu einer Veränderung
kamenten immer weiter auszudes Patents führen werden.
reizen“, umreißt Tahir Amin vom
Computer-Animation des Hepatitis C-Virus.
internationalen Netzwerk IMAK
Ärzte der Welt hatte am 10.
Foto: Flickr/Polygon Medical Animation/CC by nc nd 2.0
(Initiative For Medicines, Access
Februar 2015 den Einspruch auf
and Knowledge) das Problem.
das Patent des PharmazieunterDie Firmen würden Patente nutzen,
nehmens Gilead Sciences vor dem Eu- eine Patentierbarkeit, die im Europäischen
ropäischen Patentamt eingereicht. „Die Patentübereinkommen (EPÜ) festgelegt um ihre dominante Position zu stärken
und völlig überteuerte Medikamente
heutige Entscheidung zeigt die schwache sind, nicht erfüllt.
Die Argumente von Gilead Sciences auf den Markt zu bringen. Länder wie
Qualität des Patents und beweist, dass eine
öffentliche Intervention in das Patentsys- zur Aufrechterhaltung seines Patents auf China, die Ukraine und Ägypten hätten
tem absolut sinnvoll ist“, erklärt François Sofosbuvir wurden nicht umfassend vom das Patent von Gilead bereits vollständig
de Keersmaeker, Direktor von Ärzte der europäischen Patentamt angenommen. zurückgewiesen.
In Deutschland wurden die Kosten
Welt Deutschland. Ein Einspruch gegen Das Europäische Patentamt hat entschieein Patent ist ein rechtliches Verfahren, den, dass Gileads Patentantrag zu weit für eine zwölfwöchige Behandlung mit
mit dem die Gültigkeit eines Patents gefasst war. Sofosbuvir ist technisch ge- dem Hepatitic-C-Medikament Sovaldi
in Frage gestellt werden kann. Dies ist sehen damit eventuell nicht mehr von auf 42.000 Euro festgesetzt. „Wie wir jetzt
wissen, hat das Pharmaunternehmen ein
möglich, wenn vermutet wird, dass das einem Patent geschützt.
patentierte Arzneimittel die Kriterien für
„Die Entscheidung des Europäischen fehlerhaftes Patent benutzt, um einen
Analyse
Sozialausgaben steigen um fast fünf Prozent
Die staatlichen Sozialhilfeausgaben
sind im vorigen Jahr deutlich um 4,8
Prozent auf rund 27,7 Milliarden Euro
gestiegen. Die stärkste Zunahme gab es
mit 8,5 Prozent in der Grundsicherung
im Alter und bei der Erwerbsminderung,
wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Rund 5,9 Milliarden Euro wurden hierfür
aufgewandt.
Zum Jahresende bezogen rund 1.038
Millionen Menschen Leistungen aus dieser
Grundsicherung – das waren 3,5 Prozent
mehr als ein Jahr davor. Von den Älteren
über 65 Jahre waren 3,2 Prozent auf die
Grundsicherung angewiesen, weil andere
Einkünfte wie etwa die Rente zur Sicherung
des Existenzminimums nicht ausreichten.
Größter Ausgabenblock waren jedoch
15,6 Milliarden Euro (plus 4,5 Prozent) für
die Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen. Darauf folgte die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Für die Hilfe zur Pflege wurden 3,6 Milliarden Euro (plus 1,9 Prozent) ausgegeben.
„Damit entfiel der überwiegende Anteil
der Nettoausgaben für Sozialhilfe mit
56,3 Prozent auf die Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen. 21,4 Prozent der
Ausgaben wurden für die Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung aufgewendet, 12,9 Prozent für die Hilfe zur
Pflege“, so das Statistische Bundesamt.
Allerdings war auch die Zahl der
Empfänger von Eingliederungshilfen für
behinderte Menschen gegenüber dem
Vorjahr gestiegen. „Die Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen ist finanziell die
mit Abstand wichtigste Leistungsart der
Sozialhilfe: Im Jahr 2014 wurden hierfür
15 Milliarden Euro netto aufgewendet.
Das war über die Hälfte (57 Prozent) der
gesamten Sozialhilfeausgaben in Höhe
von 26,5 Milliarden Euro netto.“
In die Hilfe zum Lebensunterhalt
seien 1,4 Milliarden Euro geflossen (plus
7,6 Prozent). Rund 1,2 Milliarden Euro
(minus 2,5 Prozent) seien für Hilfen zur
Gesundheit, zur Überwindung besonderer
sozialer Schwierigkeiten sowie für die
Hilfe in anderen Lebenslagen aufgewandt
worden.
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enormen Druck auf die Staaten auszuüben, überhöhte Preise zu akzeptieren. In
vielen Ländern Europas führte dies dazu,
dass zahlreiche an Hepatitis C erkrankte
Menschen wegen der hohen Kosten nicht
behandelt werden“, so François de Keersmaeker von Ärzte der Welt Deutschland.
Das Europäische Patentamt hat das
Patent jetzt mit Auflagen aufrechterhalten.
Diese Entscheidung ist nicht ausreichend,
um die Krankenversicherungssysteme eu-
ropaweit zu entlasten. „Die Entscheidung
stärkt aber die Verhandlungsposition der
Regierungen in Europa. Wir erwarten jetzt,
dass sie diese nutzen, um den Zugang
zu Medikamenten zu sichern“, erklärt
François De Keersmaeker.
Ein Rechtsinstrument, das Regierungen sofort anwenden könnten, um eine
Hepatitis C-Behandlung zu einem angemessenen Preis zu ermöglichen, ist die
Zwangslizenz. Diese bietet die rechtliche
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Grundlage, um Generika von patentierten
Medikamenten sofort auf den Markt zu
bringen. „Bisher haben die Regierungen erklärt, die Zwangslizenz wäre ein schwaches
rechtliches Werkzeug, obwohl es durch
die nationalen Gesetze und Regeln der
Welthandelsorganisation gebilligt wird“,
erklärt Olivier Maguet, Kampagnenmanager von Ärzte der Welt Frankreich. Allein
die Androhung einer Zwangslizenz könne
preissenkende Effekte haben.
Pharma
Gerresheimer fokussiert sich stärker auf pharmazeutische Produkte
Laborglassparte wird verkauft, Ausblick dementsprechend angepasst
B
ei der Gerresheimer AG verlief das dritte Quartal erwartungsgemäß gut. Die
Gerresheimer AG ist einer der weltweit führenden Partner der Pharma- und Healthcare-Industrie und stellt Verpackungen für
Medikamente aus Glas und Kunststoff her.
„Im dritten Quartal haben wir ein sehr gutes Ergebnis erreicht. Verbesserungen im
operativen Geschäft sowie der Erfolg der
jüngsten Zu- und Verkäufe zeigen sich in
zweistelligen Zuwachsraten beim Ergebnis.
Jetzt stehen wir kurz vor dem Verkauf unserer Laborglassparte. Somit fokussieren
wir uns noch stärker auf unsere Kernkompetenz, auf das Geschäft mit Primärverpackungen und Produkten zur einfachen und
sicheren Verabreichung von Medikamenten“, sagte Uwe Röhrhoff, Vorstandsvorsitzender der Gerresheimer AG.
Der Umsatz des Herstellers von Pharmaverpackungen stieg im dritten Quartal des
Geschäftsjahres 2016 (1. Juni bis 31. August
2016) um 8,4 Prozent auf 373,1 Millionen Euro
organisch, d.h. bereinigt um Währungseffekte,
Akquisitionen und Desinvestitionen. Beim
Geschäft mit Injektionsfläschchen, Ampullen
und Karpulen aus Glas setzte sich der positive
Trend der letzten Quartale, insbesondere in
Amerika, weiter fort.
Leicht wachstumsdämpfend wirkte
sich die geplante Erweiterung einer großen
Schmelzwanne in dem Kosmetikglaswerk
in Tettau, Deutschland, aus. Bei medizinischen Kunststoffsystemen entwickelte sich
insbesondere der Verkauf von Inhalatoren
gut. Außerdem lagen im dritten Quartal die
Umsätze mit Entwicklungsleistungen und
Werkzeugen bei neuen Projekten mit me-
dizinischen Kunststoffsystemen über dem
Vergleichswert des Vorjahres.
Im dritten Quartal erwirtschaftete das
Unternehmen ein operatives Ergebnis (Adjusted EBITDA) von 84,4 Millionen Euro, ein
Anstieg von 24,2 Prozent gegenüber dem
Vorjahreswert. Die Adjusted EBITDA-Marge
lag mit 22,6 Prozent deutlich über der Marge
des Vorjahresquartals von 19,8 Prozent. Das
Konzernergebnis erreichte im dritten Quartal
Centor PET-Flaschen von Gerresheimer.
Foto: Gerresheimer
einen Wert von 32 Millionen Euro und lag
damit um 11,8 Millionen Euro über dem Wert
des Jahres zuvor.
Im dritten Quartal investierte Gerresheimer 32,4 Millionen Euro, nach 37,9 Millionen
Euro im gleichen Vorjahreszeitraum. Schwerpunkte der Investitionstätigkeit der letzten
Monate waren weiterhin die weltweite Standardisierung und Modernisierung der Maschi-
nen zur Herstellung von Injektionsfläschchen
und Karpulen. Kleinere Investitionen entfielen
auf den Ausbau des Werks für medizinische
Kunststoffsysteme in Peachtree City, USA,
sowie auf Inspektionstechnologie für die
Spritzenproduktion in Bünde, Deutschland.
Der strategische Fokus von Gerresheimer
liegt auf der Herstellung von pharmazeutischen Verpackungen und Produkten zur
Verabreichung von Medikamenten. Dieser
Strategie folgend hat Gerresheimer am 12.
September 2016 angekündigt, seinen Geschäftsbereich Life Science Research an die
Duran Gruppe, eine Beteiligungsgruppe von
One Equity Partners, zu verkaufen. Gerresheimer erwartet, dass der Abschluss der Transaktion nicht vor Ende des Geschäftsjahres
zum 30. November 2016 stattfinden wird.
Der Ausblick für das Geschäftsjahr 2016
ist unter dem Gesichtspunkt der Bilanzierung
dieses Geschäftsbereiches als aufgegebener
Geschäftsbereich nach den Regelungen des
IFRS 5 anzupassen. Vereinfacht werden ab
dem Zeitpunkt der Klassifizierung als aufgegebener Geschäftsbereich alle Aufwands- und
Ertragspositionen aus der Konzern-Gewinnund Verlustrechnung des laufenden Jahres
sowie rückwirkend alle zu berichtenden
Vergleichsperioden angepasst und in einer
separaten Position gezeigt.
Das Investitionsvolumen des Geschäftsjahres 2016 wird weiterhin bei rund 8 Prozent
des Umsatzes zu konstanten Wechselkursen
liegen. Das durchschnittliche Net Working
Capital soll sich im Geschäftsjahr 2016 um
rund 2 Prozentpunkte auf etwa 17 Prozent des
Umsatzes zu konstanten Wechselkursen – wie
zuvor bereits kommuniziert – verbessern.
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Forschung
Pharmakonzern Novartis streicht Stellen in der Forschung
Der Schweizer Pharmakonzern Novartis strafft seine Medikamentenentwicklung
Im August hatte Novartis seine Zell- und Gentherapie-Einheit aufgelöst.
Foto: Flickr/Rhein Neckar/CC by nc 2.0
D
ie Frühphase der biotherapeutischen
Forschung wird am Konzernsitz in
Basel und am US-Standort Cambridge
nahe Boston zusammengeführt. Eine
Einrichtung in Schlieren bei Zürich mit
73 Mitarbeitern wird geschlossen und
ein Forscherteam in Shanghai aufgelöst,
wie ein Novartis-Sprecher erklärte. In Basel will der Arzneimittel-Hersteller dafür
20 bis 25 neue Stellen in der Entwicklung
schaffen.
Zudem verlegt Novartis sein Forschungsinstitut für Tropenkrankheiten,
in dem rund 100 Beschäftigte arbeiten, von
Singapur nach Emeryville. In der Kleinstadt
in der Nähe von San Francisco arbeiten
die Schweizer bereits an Arzneien gegen
Infektions-Erkrankungen. Wie vielen Stellen in Shanghai und Singapur gestrichen
werden, teilte Novartis nicht mit. Im August
hatte Novartis seine Zell- und GentherapieEinheit aufgelöst und in andere Teile des
Unternehmens integriert, was den Abbau
von rund 120 Stellen bedeutete.
Der seit März amtierende neue Forschungschef James Bradner muss dafür sorgen, dass Novartis im Milliardenmarkt der
Krebs-Immuntherapie nicht den Anschluss
verpasst. Zudem kämpft der weltgrößte
Hersteller von verschreibungspflichtigen
Medikamenten in seinem Kerngeschäft mit
Rückschlägen: Wegen der Kosten zur Ankurbelung der Verkäufe des Herzmedikaments
Entresto und Umsatzeinbußen bei einem
wichtigen Blutkrebsmittel droht dieses
Jahr ein Gewinnrückgang. Im Mai brachte
Konzernchef Joseph Jimenez einen Umbau
der größten Geschäftssparte auf den Weg.
Im September gab es auch Überlegungen zum Verkauf der Augenheil-Sparte
Alcon. Als führender Ausrüster für Augenoperationen erfülle Alcon die strategische Vorgabe, sich auf Geschäftsbereiche
zu konzentrieren, in denen man zu den
Marktführern gehöre, sagte der Leiter der
Rechtsabteilung, Felix Ehrat, bei einer Veranstaltung der Wirtschaftszeitung „Finanz und
Wirtschaft“ zum Thema Übernahmen und
Zusammenschlüsse. Es wäre aber unklug,
eine Trennung von Alcon auszuschließen.
„Sag niemals nie“, erklärte Ehrat.
Novartis-Chef Joseph Jimenez will die
Augenheil-Sparte mit einem Umbau und
zusätzlichen Investitionen zurück auf den
Wachstumskurs bringen. Alcon soll sich
unter dem neuen Spartenchef Mike Ball auf
die Augenchirurgie und das Geschäft mit
Kontaktlinsen konzentrieren. Die Ertragsschwäche und die starke Ausrichtung auf
die Medizintechnik treiben immer wieder
Spekulationen an, dass sich der Konzern aus
Basel von der Sparte trennen könnte. „Alcon
wird entweder in Ordnung gebracht oder
verkauft“, erklärte etwa David Evans, Analyst
beim Broker KeplerCheuvreux, jüngst in
einer Studie.
Wirtschaft
Nur wenige werden vom Wearables-Boom profitieren
Bis 2020 wird der Umsatz mit tragbaren Geräten weltweit ein Volumen von 18 Milliarden US-Dollar haben
D
ie Zeiten, in denen ein neuer FitnessTracker kommerziellen Erfolg garantierte, sind vorbei“, so Dr. Mirko Warschun,
Leiter des Beratungsbereichs Konsumgüterindustrie und Handel in Europa, dem
Mittleren Osten und Afrika bei A.T. Kearney. „Trotzdem gehen wir davon aus, dass
sich der Umsatz mit Wearables bis 2020
verdoppelt. Vom Trend profitieren werden
allerdings nur Unternehmen mit einer klaren Digitalstrategie und starken Partnern.“
In einer aktuellen Studie mit dem Titel
„Coach. Physician. Friend. Three roles of
modern wearables“ hat A.T. Kearney die wichtigsten Trends rund um Fitness-Armbänder,
Smartwatches, Brillen, vernetzte Sportbeklei-
dung und Bewegungs-Apps untersucht. Auf
der Basis von 2015 – dem Verkaufsstart der
Apple Watch in Deutschland – werden die
Umsätze mit tragbaren Geräten und elektronisch aufgerüsteter Kleidung in Europa
demnach bis 2020 ein Volumen von 4 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Weltweit
prognostizieren die Berater ein Volumen
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von 18 Milliarden US-Dollar. Angetrieben
wird der Höhenflug vom ungebrochenen
Trend zur Selbstoptimierung. So stellt die
Erfassung von Trainingseinheiten nach wie
vor das wichtigste Anwendungsgebiet für
Wearables dar. Zunehmend rückt daneben
die Erhebung gesundheitsbezogener Daten
wie Ernährung oder Schlaf in den Fokus.
Wie die Untersuchung zeigt, sind neben
bekannten Sportmarken (z. B. Adidas, Nike,
Under Armour) und Geräteherstellern (Garmin, Fitbit, Polar) auch Anbieter wie Apple,
Google und LG im Bereich Wearables aktiv.
Mit ihren hochpreisigen „Smart Watches“
erlauben sie ihren Nutzern nicht nur die
Erfassung von Trainings- und Körperwerten,
sondern über das Wearable eine umfassende
Vernetzung – und damit echten Mehrwert.
So kann der Freizeit-Läufer auch unterwegs
Anrufe annehmen oder E-Mails checken,
außerdem hat er Zugriff auf sogenannte
Location Based Services wie Landkarten
oder Informationen zu Einkaufsmöglichkeiten. Für großes Aufsehen sorgte in den
vergangenen Monaten auch die Allianz
von Google und Nintendo, aus der mit
Pokémon Go ein Blockbuster im Bereich
soziale Interaktion und Bewegungsspiele
entstanden war.
Vor allem traditionelle Sportmarken
wie Adidas müssen sich der Untersuchung
zufolge neu ausrichten, um vom Boom zu
profitieren. Zwar hat das Unternehmen mit
der Übernahme der Lauf-App Runtastic für
220 Millionen Euro im vergangenen Jahr
einen ersten Schritt gemacht, doch das ist
nach Ansicht der A.T. Kearney-Berater nicht
genug: „Die große Herausforderung besteht
jetzt darin, eine schlüssige Digitalstrategie
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Vor allem traditionelle Sportmarken wie Adidas müssen sich der Untersuchung zufolge neu ausrichten,
um vom Boom zu profitieren.
Foto: Flickr/emulibra/CC by nc 2.0
zu entwickeln“, so Warschun.
Statt ständig neue Produkte in den
verschiedensten Bereichen zu entwickeln,
müssten sich die Unternehmen auf etablierte Märkte – im Fall Adidas Laufen und
Fußball – fokussieren und die erfassten
Kundendaten als Wertschöpfungsquelle
kapitalisieren. Gemeinsam mit HealthAnalytics-Experten können außerdem neue
Angebote entwickelt werden, die die besondere Expertise in ausgewählten Sportarten
unterstreichen und den Nutzern in Form
von maßgeschneiderten Trainings- oder
Ernährungsplänen neue Anwendungsmöglichkeiten erschließen.
Ein weiterer wichtiger Handlungsbereich liegt der Studie zufolge im Bereich
strategische Allianzen – etwa mit Anbietern
aus dem Bereich Virtual Reality. „Wie wir am
Erfolg von Pokémon Go sehen, haben immer mehr Menschen Spaß an immersiven
Spielen“, so Studien-Co-Autor Imran Dassu.
„Mit seiner unangefochtenen Marktposition
im Profi-Fußball könnte Adidas zusammen
mit Marken-starken Partnern wie Bayern
München oder Manchester United in neue
Dimensionen vordringen.“
Im Wearables-Markt herrsche Goldgräber-Stimmung, resümiert A.T. KearneyExperte Warschun. „Wer sich als klassischer
Sportausrüster Marktanteile sichern will,
muss jetzt drei Dinge beachten: Fokussierung, Digitalisierung und strategische
Allianzen.“
Wirtschaft
Krankenhäuser profitieren von Mehrfachnutzung
Allein bis zu 23 Millionen Euro Kostenersparnis bei Wiederaufbereitung von Kathetern
D
ie Wiederaufbereitung von Einwegprodukten wird in der Fachwelt
kontrovers diskutiert. Eine neue Studie
kommt nun zu dem Schluss: Werden medizinische Produkte nach einem validierten Verfahren professionell wiederaufbereitet, birgt dies kein erhöhtes Risiko für
Patienten. „Die Diskussion um die Aufbereitung von Einweg-Medikalprodukten
ist im Wesentlichen ökonomisch veran-
lasst, beinhaltet aber auch eine ethische
Komponente, sofern mit einer NichtAufbereitung Rationierung einhergeht
beziehungsweise mit einer Aufbereitung
Patientengefährdung zu befürchten ist“,
so Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff, Akademischer Direktor am Ludwig Fresenius
Center for Health Care Management and
Regulation an der HHL Leipzig Graduate
School of Management.
Seine Studie „Aufbereitung und Reparatur: Im Spannungsfeld zwischen Qualitätsanspruch und Kostendruck“ kommt zu dem
Schluss, dass die meisten Anwender keine
Probleme mit der Mehrfachnutzung von
Einmalprodukten haben. Handhabungsund Funktionalitätseinbußen, so die Untersuchung, treten jedoch bei wiederaufbereiteten Einmalprodukten insbesondere
dann auf, wenn dafür ungeeignete Produkte
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Die Krankenhäuser kämpfen seit Jahren mit ihren
Ausgaben.
Foto: Flickr/ Presidencia de la
República Mexicana/CC by 2.0
benutzt wurden und/oder wenn die Organisations- und Prüfabläufe fehlerhaft sind.
„Die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten nach einem validierten
Verfahren, durchgeführt von einem professionellen Dienstleister, wird von den
Anwendern als wesentliche Maßnahme
zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des
Medizinbetriebs und als Beitrag zu Umweltschutz und Ressourcenschonung beurteilt,“
so Studienleiter Prof. von Eiff.
Durch die Untersuchung konnte zudem ermittelt werden, dass die Anwender
ein großes Interesse an sogenannten Limited Patient Use-Produkten haben. Von
diesen für eine mehrmalige beherrschte
Wiederaufbereitung speziell konstruierten
Produkten erwarten die Anwender – auch
etwa 60 Prozent der Anwendungsgegner –
Rechtssicherheit, erhöhte Wirtschaftlichkeit
und gesicherte Funktionalität.
Kritsch wird von den Anwendern gesehen, dass Hersteller von Einwegprodukten
ihre Produkte teilweise umkonstruieren,
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um eine Wiederaufbereitung gezielt zu
erschweren. Dieses Herstellerverfahren
habe die Materialkosten in den Krankenhäusern um bis zu 25 Prozent steigen
lassen.
Welche Kostensenkungseffekte die
professionelle Wiederaufbereitung von
Einmalprodukten hat, beschreibt Prof. von
Eiff am Beispiel des elektrophysiologischen
Katheters. Eingesetzt wird er bei Ablationen
bei circa 46.000 bis 50.000 Interventionen
pro Jahr in Deutschland. „Nur allein bei
diesem Produkt“, so der Medizinökonom
„ergibt sich durch unsere Forschung allein in
Deutschland jährlich ein Einsparpotenzial
von 16 bis 23 Millionen Euro.“ Entsprechend
seien auch die Effekte in anderen europäischen Ländern.
Wirtschaft
Krankenversicherungen wollen mit Start-ups kooperieren
Innovative Produkte und Services sind der Schlüssel, um auch künftig Kunden gewinnen und an sich binden zu können
U
m dies gewährleisten zu können, will
die Branche nun durch die Zusammenarbeit mit Start-ups setzen. Das sind zentrale
Ergebnisse der Studie „Die Zukunft der Privaten Krankenversicherung“. In Zusammenarbeit mit den Versicherungsforen Leipzig hat
der Softwarehersteller Adcubum für die umfassende Untersuchung der zukünftigen Ausrichtung der Privaten Krankenversicherung
(PKV) zahlreiche Versicherer und Experten
aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
befragt.
Allein die Bandbreite der von den sogenannten Insurtechs angebotenen Dienstleistungen reicht vom reinen Vergleichsportal
über das Schaden- und Vertragsmanagement
bis hin zum Backend. „Die Frage, ob man das als
Bedrohung oder Chance sieht, stellt sich insofern
gar nicht, als es da Kooperationen gibt und geben
wird“, schätzt Dr. Volker Leienbach, Direktor des
Verbandes der Privaten Krankenversicherung,
im Rahmen der Studie die aktuelle Situation ein.
Tatsächlich hat sich aus Kundensicht in den
vergangenen Jahren im Angebot der Versicherer
nur wenig verändert. „Wichtige Eigenschaften
wie Stabilität und Beständigkeit hindern die
Versicherungen manchmal daran, die erforderliche Flexibilität und Geschwindigkeit an den
Tag zu legen“, hat Michael Süß, Geschäftsführer
von Adcubum Deutschland, beobachtet. „Hier
können junge – mitunter auch branchenfremde
– Unternehmen die notwendigen Impulse für
neue Angebote geben.“
Bis jetzt konzentrierten sich die Kooperationsaktivitäten vor allem auf den Leistungsund den Vertriebsbereich. Künftig dürfte es
aber auch in der Produktentwicklung zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit Partnern
– sowohl innerhalb als auch außerhalb der
Branche – kommen. In diesem Zuge wird das
Kooperations- und Schnittstellenmanagement
einen immer wichtigeren Stellenwert in den
Versicherungsunternehmen bekommen. Mehr
als 70 Prozent der für die Studie Befragten
sehen hier einen großen bis sehr großen Handlungsbedarf.
„Nicht zuletzt die in den vergangenen Wochen fast täglichen Meldungen über Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen
und Start-ups zeigen, wo sich künftig die Differenzierung vom Wettbewerb abspielen wird“,
so Adcubum-Geschäftsführer Süß. „Gerade vor
Krankenversicherungen hoffen, sich mit Hilfe von
Start-ups etwas stärker beim Kunden hervortun
zu können. Foto: Flickr/Lily Monster/CC by nc 2.0
dem Hintergrund der zu beachtenden Datenschutz- und Compliance-Anforderungen dürfen
die damit verbundenen Herausforderungen an
die IT aber nicht unterschätzt werden.“
Die Studie „Die Zukunft der Privaten Krankenversicherung“ liefert damit auch wertvolle
Erkenntnisse mit Blick auf die vom 25.-27. Oktober in Dortmund stattfindende DKM. Auch
die Fachmesse für die Finanz- und Versicherungswirtschaft beschäftigt sich in diesem Jahr
intensiv sowohl mit den Herausforderungen
durch die neuen Start-ups als auch mit den
Auswirkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels auf die PKV.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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