Zur Stellungnahme - Transparency International

Stellungnahme von Transparency International
Deutschland e. V. zum dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III)
Datum: 12.10.2016
Transparency International Deutschland e. V. nimmt anlässlich der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am 17. Oktober 2016 zum vorliegenden Gesetzentwurf folgendermaßen
Stellung:
Mit dem PSG III will der Gesetzgeber den bekannten Betrugsfällen im Bereich ambulanter Versorgung durch Pflegedienste einen Riegel vorschieben. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Transparency Deutschland hat den vorliegenden Gesetzentwurf speziell auf mögliche Einfallstore für Korruption geprüft. Die Stellungnahme greift dabei drei problematische Bereiche auf: das Entlassmanagement, die Unabhängigkeit von Pflegestützpunkten und Qualifikation und Zulassung von Mitarbeitern.
1. Entlassmanagement in Kliniken und Krankenhäusern
Nicht bedacht wurden im vorliegenden Entwurf die Korruptionsanfälligkeit im Rahmen des Entlassmanagements/Überleitungsmanagements in Kliniken und anderen stationären Einrichtungen.
Fallberichte häufen sich, wie vor allem intensiv pflegebedürftige Menschen regelrecht an bestimmte Pflegeanbieter verhökert werden. Dies geschieht nicht selten ohne Beteiligung der Betroffenen
bzw. ihrer Angehörigen/Bevollmächtigten/Betreuer.
Für Kliniken mit Fallpauschalen (DRGs) bestehen starke finanzielle Anreize, die Liegezeiten zu
verkürzen. Wegen fehlender sektorübergreifender Kontrollen bevorzugen diese die Zusammenarbeit mit Pflegediensten, die ihnen jeden Patienten rasch abnehmen. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob der Pflegedienst die personellen und sonstigen Voraussetzungen für eine Versorgung des
Patienten überhaupt gewährleisten kann. Seriöse Anbieter, die von der Anfrage bis zur Übernahme eines Patienten länger brauchen, haben dadurch das Nachsehen. Alleine der bestehende Zeitdruck birgt die Gefahr, dass Abmachungen getroffen werden, die für den Patienten gefährlich sind
und zudem viel Raum für Betrug und Korruption bieten.
Oft müssen Schwerkranke, kurz nach einer solchen Entlassung, wieder notfallmäßig eingewiesen
werden, weil ihre sichere Versorgung nicht gewährleistet werden konnte. Für die Klinik ist das kein
großes Risiko, denn bei Neuaufnahme sind die Kassen wieder in der Zahlungspflicht (siehe DRG
System).
Unsere Forderungen an den Gesetzgeber:
Transparency Deutschland fordert, dass zum Schutz vor Schäden, Korruption und Betrug am Entlassmanagement folgende konkreten Punkte ins Gesetz aufgenommen werden:
a) Bundeseinheitliche Vorgabe einer verbindlichen Regelung des Verfahrens der Überleitung
von Patienten/Pflegebedürftigen aus Kliniken in den ambulanten/außerklinischen Bereich,
sowie in stationäre Pflegeeinrichtungen unter Einbeziehung der Betroffenen und ggf. ihrer
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gesetzlichen Vertreter (oft Angehörige). Die Vorgaben im Antikorruptionsgesetz sind ausdrücklich auch auf das Entlassmanagement in Kliniken/Krankenhäuser anzuwenden.
b) Transparenz im Entlassmanagement durch Vorschrift einer fallbezogenen Dokumentation
des Verfahrens und Sicherstellung externer Kontrollen durch die beteiligten Kostenträger.
2. Unabhängigkeit von Pflegestützpunkten
Das PSG III will die Beratung kommunalisieren und setzt dabei auf den Ausbau regionaler Pflegestützpunkte. Diese sollen als Anlaufstelle für Pflegebedürftige bzw. ihrer rechtlichen Vertreter eine
zentrale Rolle spielen. Sie sollen in allen Fragen zur Pflege beraten und außerdem für die Bearbeitung von Beschwerden zuständig sein. Transparency Deutschland bewertet den Ausbau kommunaler Hilfe- und Beratungsstrukturen als wichtigen Schritt in die richtige Richtung, sieht jedoch vor
der Umsetzung weiteren Regelungsbedarf.
Die Erfahrung mit bisherigen Pflegestützpunkten zeigt, dass eine unabhängige Beratung in vielen
Fällen beeinträchtigt wird. Eine unabhängige Beratung ist zum Beispiel nicht gewährleistet, wenn
Pflegestützpunkte in räumlicher Nähe oder gar in Liegenschaften einzelner Leistungsanbieter
(Caritas, Diakonie, AWO etc.) untergebracht sind.
Leistungsanbieter, die die Genehmigung erhalten, einen Pflegestützpunkt in ihrem Hause zu betreiben, haben es in der Hand sich Ratsuchende nach Belieben als Kunden zu sichern. Eine neutrale Beratung ohne Begünstigung des Angebotes des Pflegedienstes, der die Räume zur Verfügung stellt, kann bei diesen Konstellationen nicht erwartet werden.
Zudem können Krankenkassen, die Pflegestützpunkte/Beratungsstellen betreiben, diese nutzen,
um sich zu Lasten der Betroffenen Kosten zu ersparen oder Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Transparency Deutschland liegen Berichte vor, dass zwischen solchen Beratungsstellen und bestimmten Leistungsanbietern Absprachen ohne Einbeziehung der Betroffenen und zu deren Lasten
bestehen. Der Verdacht liegt nahe, dass große Anbieter in der Region, durch finanzielle oder sonstige Zuwendungen, Einfluss auf Beratungsstellen nehmen, die ihnen wiederum Kunden zuführen.
Unsere Forderung an den Gesetzgeber:
a) Pflegestützpunkte/Beratungsstellen müssen strukturell und wirtschaftlich von Leistungsanbietern und Kostenträgern unabhängig sein. Durch Dokumentation der Beratungskontakte
und Ergebnisse soll Transparenz für die Verantwortlichen gesichert werden.
b) Mitarbeiter von Pflegestützpunkten müssen zur Beachtung von Antikorruptionsbestimmungen verpflichtet werden.
3. Erweiterung der Prüfung auf Qualifikation und Zulassung von Mitarbeitern
Das PSG III reagiert auf die bekannt gewordenen Betrügereien im Bereich der ambulanten Pflege
durch eine erhebliche Verstärkung von Kontrollen und Prüfungen. Auch dies ist grundsätzlich zu
begrüßen, wenngleich die praktische Umsetzung viele Fragen aufwirft.
Transparency Deutschland hält z.B. eine Erweiterung der Zulassungsbestimmungen für Pflegedienste für notwendig, die auch eine Prüfung der Qualifikation des eingesetzten Personals in der
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Praxis beinhaltet. Hierdurch könnte ein Großteil der Scharlatane und Betrüger unter den Pflegeanbietern erkannt, ausgeschlossen oder zur Verantwortung gezogen werden.
Bisher fragt niemand nach der Vorgeschichte von Personen, die einen Pflegedienst anmelden.
Diese müssen auch selbst keinerlei Pflegeerfahrung haben. Es reicht wenn sie die geforderte Pflegefachkraft auf dem Papier benennen. Niemand prüft die Qualifikation der Mitarbeiter. Auch
dadurch wird es ambulanten Pflegeanbietern sehr leicht gemacht, auf dem Papier Fachkräfte anzugeben, tatsächlich jedoch Hilfskräfte einzusetzen und mit den Stundensätzen von Fachkräften
abzurechnen.
Da Pflegedokumentationen noch nach der Abzeichnung verändert und Leistungen in Rechnung
gestellt werden können, die nicht erbracht worden sind, halten wir es für wichtig, dass diesbezüglichen Meldungen in Zukunft bei Krankenkassen konsequent nachgegangen wird.
Unsere Forderung an den Gesetzgeber:
a) Die Zulassung von Pflegediensten und ihre Vertragstreue sollten durch Kontrollen der Qualifikation des vor Ort eingesetzten Personals ergänzt werden müssen.
b) Es ist auf Landesebene ein gemeinsames Melderegister für Abrechnungsbetrügereien und
Fehlverhalten anzulegen und unter allen Kostenträgern – auch den kommunalen Stellen abzugleichen. Meldungen muss von den betroffenen Trägern nachweislich und ggf. gemeinsam nachgegangen werden.
Kontakt
Adelheid von Stösser, Arbeitsgruppe Pflege und Betreuung
Prof. Dr. Bernd-Rüdeger Sonnen, Leiter der Arbeitsgruppe Pflege und Betreuung
Dr. Wolfgang Wodarg, Mitglied des Vorstandes
Transparency International Deutschland e.V.
Tel.: 030 - 54 98 98 0
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