3 FRAGEN AN Birgit Steinborn „Unser Job ist nicht mehr damit getan, einfach eine gute Betriebsvereinbarung zu erreichen. Es geht auch darum, diese beteiligungsorientiert umzusetzen.“ Frau Steinborn, wie müssen Betriebsräte ihre Rolle „neu erfinden“? Birgit Steinborn: Das klassische Stellvertreterprinzip reicht nicht mehr aus, die Beschäftigten erwarten mehr Beteiligung, die wir organisieren müssen. Dazu gehören Kompetenzen der Moderation und Projektmanagement für Betriebsräte. Es ist auch wichtig, dass wir uns stärker in die wirtschaftlichen Zusammenhänge einarbeiten und dafür das Wissen aus der Belegschaft nutzen, um in gemeinsamen Projekten das Beste zu erreichen. Unser Job ist nicht mehr damit getan, einfach eine gute Betriebsvereinbarung zu erreichen. Es geht auch darum, diese beteiligungsorientiert umzusetzen. Darüber hinaus müssen wir auch neue Medien und soziale Netzwerke nutzen, um möglichst alle Beschäftigtengruppen zu erreichen. Hierzu haben wir uns im Gesamtbetriebsrat geschult. Weiterbildung und Qualifizierung ist insgesamt ein wichtiger Bestandteil der Betriebsratsarbeit. Neue technische Möglichkeiten und die Digitalisierung verändern in vielen Unternehmen die Arbeitsorganisation. Wie wirkt sich das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre Arbeitsqualität aus? Birgit Steinborn: Arbeitsverdichtung, Burnout und Stress durch ständige Erreichbarkeit nehmen zu. Die Arbeitswelt hat sich massiv verändert, auch durch neue Bürokonzepte und IT-Entwicklungen sowie zunehmende Internationalisierung und weltweite Zusammenarbeit. Flexibilität ist gefragt und auch von den Beschäftigten gewünscht. Aber Beschäftigte wollen selbstbestimmt arbeiten. Insgesamt darf es nicht zu einer ständigen Verfügbarkeit der Kolleginnen und Kollegen kommen. Bei der bei uns von der Firmenleitung propagierten „work-lifeintegration“ kann zwischen Arbeits- und Privatleben nicht mehr unterschieden werden. Wir brauchen ein Modell der selbstbestimmten „work-life-balance“, eine ausgeglichene Balance zwischen Arbeit und Freizeit- und Familieninteressen. Technische und organisatorische Änderungen sind bei uns an der Tagesordnung. Die Betriebsverfassung bildet aber nicht mehr alles ab, was im Arbeitsalltag dazugekommen ist. Wir haben damit als Betriebsräte nicht mehr die Beteiligungsrechte, die wir brauchen, um diese Veränderungen mit gestalten zu können. Welche Möglichkeiten haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Siemens, eigene Ideen einzubringen und Innovationen im Betrieb voranzutreiben? Vor welche Herausforderungen stellt das den Betriebsrat? Birgit Steinborn: Der Gesamtbetriebsrat hat sich gemeinsam mit der IG Metall und der Firmenleitung auf einen Innovationsfonds geeinigt, damit die Kolleginnen und Kollegen ihre Ideen und Kreativität im Unternehmen einbringen können. Dazu werden in den nächsten drei Jahren weltweit 100 Millionen Euro bereit gestellt. Mit dem Fonds sollen kreative Ideen von Mitarbeitern gefördert werden. Mit den Mitteln werden Freiräume für Mitarbeiterkreativität geschaffen. Das kommt bei den Beschäftigten sehr gut an und ist eine völlig neue Rolle auch für uns als Betriebsräte, hier den Prozess mit zu steuern. Kommissionsmitglied Birgit Steinborn ist Gesamtbetriebsratsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Siemens AG.
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