Kerstin Honeit A Game between I and Me 3

Kerstin Honeit
A Game between I and Me
3. September bis 8. Oktober 2016
Vernissage und Season Opening der Basler Galerien: 2. September 2016, 17-21h
Künstlergespräch: 3. September, 15h
balzer projects
Wallstrasse 10
4058 Basel CH
[email protected]
www.balzerojects.com
balzer projects freut sich, die deutsche Künstlerin Kerstin Honeit (*1977 in Berlin, lebt und
arbeitet in Berlin und Kassel) zum ersten Mal einem Schweizer Publikum vorzustellen.
Gezeigt werden Ergebnisse ihre spielerischen wie hintergründigen Forschungen zu
Selbstinszenierung und der Konstruktion von Identität. Ihre Einzelausstellung präsentiert
Arbeiten aus verschiedenen künstlerischen Prozessen, unter anderem Video und Fotografie.
Zu sehen sind "Becoming 10" (2009/10), "Joint Property" (2013), "Pigs in Progress" (2013)
und "On & Off" (2010). Während der Vernissage und dem Künstlergespräch, wird Honeit
über "mi castillo, tu castillo" berichten; ein Projekt, an dem sie gegenwärtig in einem
dreimonatigen Atelier-Stipendium des Deutschen Auswärtigen Amtes in Berlin arbeitet.
Kerstin Honeit, Joint Property (2013), Zweikanal-Videoinstallation
Die Berliner Video und Performance-Künstlerin Kerstin Honeit setzt sich in ihren Filmen,
Installationen und Performances mit gesellschaftlichen, sozialen und gender-politischen
Fragestellungen auseinander. Zentrales Element ihrer Arbeiten ist die Erforschung der
medialen Inszenierung hegemonialer Bilderwelten. Sie untersucht die Technik der
Filmsynchronisation sowie des Lip Syncing, bei der die Lippen zu einem gesprochenen Text
bewegt werden. Honeit hinterfragt die Kohärenz von Köper und Stimme, die Konstruktion
von Figuren, Stereotypen und Identitäten.
In ihrer ersten Basler Einzelausstellung nimmt Honeit den Altmeister der Konzeptkunst
Marcel Duchamp beim Wort (Call it a little game between I and me) und zeigt Ergebnisse ihre
spielerischen wie hintergründigen Forschungen zu Selbstinszenierung und der Konstruktion
von Identität. Es werden vier verschiedene Installationen und Videoarbeiten von 2011 bis
2016 gezeigt.
Honeit geht von einem multiplen Ich aus. Mit Hilfe eines Ichs im Plural, etwas, das sich
ständig neu erfindet, hinterfragt Honeit seit Jahren die Grundfesten sozialer und
künstlerischer Praxis, bei der sie sich selbst als Figur der Künstlerin, Probandin, Platzhalterin
und Moderatorin auftreten lässt.
In On & Off, einer Video Installation von 2010 verleihen vier Frauen unterschiedlichen Alters
und kulturellen Hintergründen ihre persönlichen Erinnerungen an die Beerdigungen ihrer
Väter an Honeit. Diese aufgezeichneten Geschichten werden dann synchronisiert,
verkörperlicht und inszeniert in einer Art Miniatur-Box, die an ein Theatermodell erinnert. Das
Stück setzt Honeits visuelle Studien und Intervention im Bereich der körperlosen Stimme, in
Bezug auf Bilder, über den Weg des Lip Syncing fort.
Bei genauem Hinsehen, bzw Hinhören, bemerkt man, dass es nicht Kerstin Honeit ist, die
gerade spricht. Es sind die vier Frauen, die ihre Stimmen an die Künstlerin verliehen haben.
Vier Frauen, vier Erlebnisse - vier Stücke.
Kerstin Honeit, Pigs in Progress (2013) Mixed Media Installation
In einer thematisch völlig anderen Videoarbeit, Pigs in Progress, geht sie zwei gegenläufigen
Phänomenen urbaner Stadtentwicklung nach: der Verdrängung von MieterInnen aus der
Berliner City durch aktuelle Gentrifizierungsprozesse und dem „Besetzen“ (Inbesitznahme)
von Vorgärten im vorstädtischen Villenviertel durch Wildschweine. Ihre Recherche, deren
empirische Feldarbeit auch nächtliche Exkursionen und Interviews beinhaltet, präsentiert
Honeit in Anzug und Fliege, bequem deplaziert anmutend, inmitten einer Schneelandschaft
zwischen einer Rotte leibhaftiger Wildschweine.
In dem Video Pigs in Progress (2013) vergleicht Honeit die Diskussion um die
Wildschweinfütterer in Berlin-Grunewald mit der Gentrifizierung und sozialen Verdrängung
der Stadt. Sie dokumentiert sowohl die Statements des Fütterers Michael Gericke als auch
die Aussagen von betroffenen BürgerInnen, zu denen sie – im Wildschweingehege im
Schnee sitzend – mit regungsloser Miene ihre Lippen bewegt.
In der raumgreifenden Foto-Installation Becoming 10 fragt sie nach dem eigentlichen
Fundament für die soziale Konstruktion ‚Familie’. Diese Arbeit trägt stark autobiografische
Züge. Aufgewachsen in Berlin und mit der sich permanent wandelnden urbanen Matrix sehr
vertraut, kreiert sie neun Charaktere, die auf den typischen Eigenarten der Kieze und ihrer
BewohnerInnen basieren. Es sind ihre neun in Ost- und West Berlin lebenden
Halbgeschwister, die sie jedoch noch nie getroffen hat. Auch hier fungierten die neun
entstandenen Portraits, die nur bei sehr genauem Hinsehen alle die Künstlerin selbst zeigen,
als Platzhalter für (k)eine Familienzusammenführung mit gesamtgesellschaftlicher
Dimension.
Kerstin Honeit, Becoming (2010) Foto-Installation
Ausstellungsansicht, Berlin Halle am Wasser
Ab Mitte Juli ist die Dozentin der Kunsthochschule Kassel und Mitarbeiterin der Klasse
Virtuelle Realitäten (Bjørn Melhus) Stipendiatin des Auswärtigen Amtes des Bundesrepublik
Deutschland in Berlin (siehe separater Pressebericht im Anhang).
Ihr Atelier auf Zeit befindet sich auf dem Dach des Außenministeriums, dem Amtssitz des
deutschen Aussenministers Frank Walter Steinmeier. In ihrem dortigen Arbeitsraum in
luftiger Höhe recherchiert sie für ihre nächste Videoperformance mit dem Titel mi castillo tu
castillo. In Mein Schloss dein Schloss macht sie die deutsche Identität, die permanente
Großbaustelle ‚Nation’ und deren Mythen zum Thema. Die dafür passenden Bühne, direkt
gegenüber des Auswärtigen Amtes, hat sie auch schon gefunden: Der Rohbau des
wiederaufgebauten Berlin Stadtschlosses– ein politisch, sowie historisch kontroverser Bau.
Das Stadtschloss ist ein exakter Nachbau des preussischen Machtsymbols auf politisch
prekären Fundamenten, nämlich den des Palastes der Republik, der ehemaligen DDR
Volkskammer.
Es ist selbstverständlich für die Künstlerin, dass bei ihrer Baustellen-Inszenierung ein
Kaffeeklatsch mit singenden Cowboys nicht fehlen darf: Call it a little game between I and
me.
Kerstin Honeit (*1977 in Berlin, lebt in Berlin) studierte Bildende Kunst und Bühnenbild an
der Kunsthochschule Berlin Weißensee (2003–2010). 2011 war sie Teilnehmerin des Berliner
Postgraduiertenseminars Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT. Zuletzt waren ihre Arbeiten
u. a. zu sehen: Videonale 15, Kunstmuseum Bonn (2015); Kurzfilmtage Oberhausen (2014);
Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden (2014); Sonntag, Berlin (2014); Les Complices, Zürich
(2013); Site Gallery, Sheffield (2013); Meter Room, Coventry (2012); Gallery 400, Chicago
(2011); CCNY, New York (2011).