LANDSCHAFTSPARK BINNTAL «LandArt Twingi 2016» Die LandArt Twingi feiert dieses Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Seit dem Beginn der LandArt Twingi im Jahre 2007 haben sich bis dahin insgesamt 46 Künstler und Künstlerinnen mit 136 Installationen und Werken beteiligt. In den ersten Jahren waren es vor allem Kunstschaffende aus dem Oberwallis, die ihre Werke ausstellten. Die Ausstellung stiess aber mit den Jahren auf immer grösseres Interesse, so dass ein Auswahlverfahren eingeführt werden musste. Seit vier Jahren können eingeladene Interessierte ein Bewerbungsdossier einreichen, das von einer Fachjury bewertet wird. Die Jury bestand aus: • Sibylle Omlin, Direktorin der École Cantonale d’Art du Valais • Monique Rubin, Präsidentin des Kunstvereins Oberwallis 2004–2012 • Dr. Klaus Anderegg, Kurator der «LandArt Twingi 2016» Dieses Jahr haben sich 23 Künstlerinnen und Künstler für die Teilnahme mit einem Projektdossier beworben. Davon hat die Jury 13 Projekte ausgewählt. Auch wurden zusätzlich zwei Schulen, die 1. Primarschule von Brig und die Orientierungsschule von Fiesch, eingeladen, sich an der Ausstellung zu beteiligen. Die Twingischlucht bietet eine einmalige Situation, in der sich Kunstschaffende mit der Landschaft als Medium der Gestaltung auseinandersetzen können. Wie in den vorhergehenden Jahren führt auch die diesjährige Ausstellung zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Twingischlucht: mit aus an Ort und Stelle zusammengetragenen Materialien geschaffenen Werken bis hin zu im Atelier verfertigten und in der Twingi den jeweiligen Standorten angepassten Skulpturen. «Fremdlinge» «Gletschermilch» «Eschuchar la Naturaleza» Rudolf Tschudin Sissach Eva-Maria Pfaffen Luzern Kardo Kosta Bienne / Argentinien Die Installation von Rudolf Tschudin besteht aus Inoxblechen, die mit Druckluft kissenförmig geformt wurden: Schillernde, nicht definierbare Objekte besiedeln die Felswand, fremdartig gewachsen wie aus einer anderen Welt. Der Kontrast, der durch den Eingriff mit den Objekten in der Landschaft entsteht, ist Auseinandersetzung mit ihr und zugleich wieder auch der Bezug zu ihr. Geboren 1980. Nach einer Lehre als Metallbauschlosser und anschliessenden Berufsjahren besuchte er 1985– 1987 die Schule für Gestaltung in Basel. Tschudin lebt als freischaffender Künstler in Sissach (BL). Aus zwei Öffnungen eines Twingi-Tunnels fallen weisse Stränge aus Tyvek, einem Kunststoff für Astronautenanzüge. Die Installation Pfaffens korrespondiert mit der gegenüberliegenden Talseite, mit dem Wasser, das in die Binna strömt und mit dem Weiss eines Lawinenkegels. Das natürliche Fliessen der Bäche und der Wind in der Schlucht tragen zusätzlich zum Eindruck vom Fliessen der künstlichen Milch bei. Geboren 1963 in Ausserberg (VS), 1992–1995 Bachelor in Design & Kunst an der Hochschule Luzern. Pfaffen lebt und arbeitet seit 1995 als freischaffende Künstlerin und Dozentin an der HSLU in Luzern. www.rudolftschudin.ch www. kunst-forum.ch/profil/person/eva-maria-pfaffen 1 Auf einer rund vierzigminütigen, flachen Wanderung durch die atemberaubende Twingischlucht zwischen Ausserbinn (PostAuto Haltestelle «Steinmatten») und Binn (PostAuto Haltestelle «Langthal») können die Kunstwerke bestaunt werden. Fahrplan PostAuto: Fiesch – Binn Fiesch ab 08.58 09.58 11.48 14.08 15.08 15.58 17.58 Ernen 09.08 10.08 12.04 14.18 15.18 16.08 18.08 Steinmatten 09.15 10.16 12.12 14.26 15.26 16.16 18.16 Barbara Gschwind Luzern Kari Joller Dierikon Niklas Göth Zürich / Tirol 09.27 11.21 12.40 15.27 16.29 17.27 18.27 09.36 11,30 12.49 15,36 16.36 17.38 18.36 www.kunst-forum.ch/profil/person/barbara-gschwind Fiesch an 09.52 11.45 13.07 15.54 16.52 17.52 18.52 10.18 12.14 14.28 15.28 16.18 18.18 10.23 12.19 14.33 15.33 16.23 18.23 Fahrplan PostAuto: Binn – Fiesch Binn ab 09.23 11.17 12.36 15.23 16.23 17.23 18.23 Langthal 09.25 11.19 12.38 15.25 16.25 17.25 18.25 3 «Genève – Albrun – Milano» Steinmatten 09.18 09.23 2 «Schützen – Beschützen» Ernen Langthal Binn an 18. Juni bis 9. Oktober 2016 Der Natur zuhören bedeutet für Kosta sich entspannen, hinhören und interpretieren. Wenn Wanderer auf der Bank in der Twingi sich hinsetzen, nehmen sie das Zusammenspiel verschiedener Klänge wahr: das Plätschern des Wassers, das Säuseln des Windes und den Gesang der Vögel. An den Bäumen hinter der Bank montierte Kosta farbige Ohren, die Teil der Landschaft werden. Die Bäume verwandeln sich in Wesen, die auch uns zuhören. Und so schaffen wir es, im Gleichgewicht mit der Natur zu sein. Geboren 1952 in Buenos Aires. Abbruch des Architekturstudiums in der Zeit der Militärdiktatur. Lebt als freischaffender Maler, Bildhauer und Objektkünstler in Biel/Bienne. http://landartkosta.blogspot.ch/ «Umbelliferae» (Doldengewächse) Weisse Linien bewegen sich über die Felsen und zeigen Doldengewächse, die in vielen Varianten auf den Wiesen wachsen. An einigen Stellen in den Felsen sind zudem Blütendiagramme des Laserkrautes zu entdecken. Mit dieser Darstellungsform wird in der Botanik der Aufbau einer Blüte dargestellt. Die Twingischlucht steht mit ihrer Vertikalität in einem Gegensatz zu den sich horizontal ausbreitenden Wiesen rund um Binn. Die Felszeichnungen schaffen eine Verbindung zwischen diesen zwei Welten. 1962 in Metzerlen (SO) geboren und aufgewachsen, 1991– 1994 Kunstausbildung an der F+F in Zürich. Gschwind wohnt und arbeitet seit 1996 in Luzern. LandArt 2016 In den letzten drei Jahren stiess Joller bei seinen Installationen in der Twingi öfters auf lose Felsbrocken, die von Bäumen gehalten wurden. Diese stabilisierende Funktion von gewachsenen Strukturen hat er nun mit seinem Objekt «Schützen – Beschützen» – einem verzweigten Baumstamm, der zwischen Felswand und Weg eingeklemmt ist – aufgenommen. Es soll damit symbolisch zur Wahrnehmung komplexer Naturzusammenhänge anregen. Geboren 1952 in Neuheim im Kanton Zug. Nach einer Buchdruckerlehre von 1974 bis 1976 Besuch der Schule für Gestaltung in Luzern. Lebt als freischaffender Künstler in Dierikon (LU). 2013 wurde er mit dem Schweizerischen Umweltpreis ausgezeichnet. www.karijoller.ch Verkehrswege durch die Twingi Ein Saumweg durch die tief eingeschnittene Twingischlucht wurde bereits in vorgeschichtlicher Zeit begangen. Er führte zum Siedlungsgebiet des inneren Binntals und war Verbindungsweg zum Albrunpass, einem in dieser Zeit überregionalen Passübergang. Erst in den 1930er Jahren wurde der Saumpfad durch eine Fahrstrasse ersetzt. Und 1964 wurde die Twingischlucht – um die Winterzugänglichkeit der Siedlungen im Binntal zu gewährleisten – mit einem 1.8 km langen Tunnel umfahren. In der Folgezeit gab es an der alten Strasse kaum mehr Unterhaltsarbeiten und die Kunstbauten der Strasse verfielen zusehends. Der Landschaftspark Binntal hat in Zusammenarbeit mit den Gemeinden Binn und Ernen in den Sommermonaten 2010 bis 2013 in einem aufwendigen Projekt die historische Fahrstrasse durch die Twingi saniert. Die Bausubstanz der Twingistrasse wurde vom IVS (Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz) als Baudenkmal von nationaler Bedeutung eingestuft. Mit ihren Begrenzungsmauern, Entwässerungsrinnen und Tombinos (Schächte für die unterirdische Wasserabfuhr) sowie den Tunnels und der ungeteerten Fahrbahn ist sie ein Beispiel historischen Strassenbaus, welches das Landschaftsbild auf einzigartige Weise prägt. Mit der Renovation der Fahrstrasse durch die Twingischlucht konnte die Originalsubstanz der Strasse wieder hergestellt werden. Ein – auch im gesamtschweizerischen Kontext – hervorragendes Baudenkmal blieb damit der Nachwelt erhalten. Niklas Göths Werk stellt den alten Handelsweg durch die Twingi und über den Albrunpass dar und ist eine Hommage an Säumer, Kaufleute mit ihren Maultieren, die mit schweren Lasten den gefährlichen Saumpfad überwanden. Göth arbeitet bei seinen Installationen mit Naturmaterialien, die er vor Ort findet. Bei seinen Installationen lässt er sich von der Stimmung der ihn umgebenden Natur, von der topographischen Gegebenheit sowie von der Form und Beschaffenheit der gefundenen Materialien lenken. Geboren 1972 im Tirol. Ausbildung als Gärtner und Ranger. Lebt seit 2001 als international tätiger Landart-Künstler in Zürich. www.landartniki.com Standorte der Objekte und Installationen Steinmatten 1 Langthal 2 3 4 5 67 89 10 11 12 13 14 15 4 5 6 «Gratzug» «z’Bätti» (Rosenkranz) «Raccard» «Chaos & Ordnung» «Kreislauf» Herbert Theler Visp Ulrich Bloch Fribourg Thierry Godet Berlin Urs Becker Lenzburg Wilhelm Wenger Lax Für Ulrich Bloch ist «z’Bätti» Erinnerung an die unzähligen Perlen des glorreichen, freudenreichen, schmerzhaften Rosenkranzes, gebetet in der Twingi auf dem Wallfahrtsweg zur Heilig-Kreuz-Kapelle im Lengtal. Ulrich Bloch wurde 1946 in Basel geboren. Er unterrichtete dreissig Jahre Kunst im Kanton Freiburg – vor allem am Kollegium St. Michael. Ulrich Bloch begleitete mehrere Maturaarbeiten zur Landart und leitete Weiterbildungsprojekte für Lehrer. Seit Jahren äussert er sich künstlerisch durch politisch gefärbte Installationen und Aktionen zu den Themenbereichen Herkunft, Heimat, Nationalität, Grenzen und Emigration. In den Walliser Sagen gibt es viele Erzählungen vom Gratzug: Totenprozessionen, die über die Berggräte zogen. Um Busse zu tun, kehrten die Armen Seelen ins Diesseits zurück und wanderten barfuss in weissen Totenhemden betend über Gletscher, durch Wälder und über die Matten, vorbei an den Weilern und Dörfern. Laut Theler haben im Laufe der Zeit die in den 1960er und 1970er Jahren beliebten Radiowanderungen und neuerdings das Nordic Walking den sagenumwobenen Gratzug vergessen gemacht. Geboren 1941 in Eggerberg (VS). Lebt als freischaffender Künstler in Visp. Er arbeitet meistens in der Acryltechnik auf Leinwand und mit Siebdruck auf Papier. www.herberttheler.ch 8 7 «Binntal unter der Lupe» Godet ist fasziniert von der Walliser Holzbauweise aus gestrickten Balken, abgestützt auf Stelzen und Bruchsteinmauern – öfters «akrobatisch» errichtet in steilen Hanglagen. Wenn sie am Hang stehen, sind sie meistens nur von unten oder oben zu sehen. Für die Installation seines «Raccards» wählte Godet eine kleine Geländeebene an einem Felsen über der Strasse. Sie besteht aus versetzt aufgeschichteten und miteinander verbundenen Ästen über quadratischem Grundriss. Geboren 1949 in der Normandie. Studium Grafikdesign und visuelle Kommunikation in Lausanne und Basel. Zwischen 1974 und 1992 lebte er in Paris und in Schweden. Lebt seit 1992 als freischaffender Künstler in Berlin. www.natur-kunst.de 9 Barbara Jäggis fünf tropfende Gräser aus Stahlblech glitzern wie die echten Gräser im Morgentau. Mit ihren rund drei Metern Länge lassen sie die Wanderer und Bikerinnen als Winzlinge erscheinen. Die Natur rundum wird noch gewaltiger, unbändiger wahrgenommen, fast als wäre es ein romantisches Schauspiel. Bis im Herbst setzen die Gräser Rost an und leuchten dann gelb, orange, dann braun mit den Bäumen und Sträuchern um die Wette. Vorbei ist der Spuk. 1956 geboren und aufgewachsen in Madiswil (BE). Lehre als Textilentwerferin. Schule für Gestaltung in Basel und Luzern. Seit 1985 freiberufliche Metallplastikerin. Lebt in Luzern. www.kunst-forum.ch/profil/person/barbara-jaeggi www.ursbecker.ch www.naturskulptur.ch www.holzkult.ch 11 Informationen «Gemeinschaft» «Le Secret» Orientierungsschule Fiesch Barbara Jäggi Luzern Kerstin Zumthurm und Adrienne Arnold, Lehrerinnen, zur Installation der 1. Primarklässler von Brig: Da wir regelmässig im Wald Landart-Objekte gestalten, sind die Kinder gewöhnt, so zu arbeiten. Die Installation stellt neun Lupen dar, die vergrössern, was den Kindern wichtig war. Vorgängig sind wir mit ihnen mehrmals in den Wald gegangen, um Material wie Schwemmholz, Steine, Moos und Tannenzapfen zu sammeln – Material, das wir «unter die Lupe» nehmen konnten. In der Schule haben wir dann die «Lupen» soweit als möglich vorbereitet und gestaltet. Und am Montag vor der Ausstellung machten die Kinder noch den «Feinschliff» und installierten die Bilder [Lupen] im Gelände. Die überdimensionalen Tannzapfen versinnbildlichen den Kreislauf von Vergehen und Entstehen. Bei Spaziergängen in den Wäldern des Binntals begegnet uns das Symbol der Wiedergeburt in der Form des Tannzapfens auf Schritt und Tritt. Geboren 1956 in Ernen. 2003 als Autodidakt zur Bildhauerei gefunden, doch seit frühester Jugend arbeitet er mit seinem vertrauten Kunst-Stoff «Holz» und versucht, ihm immer wieder neue Formen abzugewinnen. Das Leben inmitten der Natur und Stille prägen nachhaltig sein kreatives Schaffen. Lebt und arbeitet als freischaffender Künstler in Lax (VS). 10 «Hängendes Gras – tropfend» Primarschule, 1. Klasse Brig Urs Becker interessieren im künstlerisch-gestalterischen Schaffen und auch im Sozialen achtsame, offene Prozesse. Mit Holz und Schiefer hat er in der Twingi – ausgehend von chaotischem Tun – zu immer mehr Klarheit und Form gefunden. Am Schluss hat sich eine Ordnung ergeben, die man Schiff nennen kann. Sollte es in diesem Sommer weiterhin stark «schiffen» [regnen], so verfügt die Twingi nun über ein Schiff, womit man aus dem Twingi-Fjord hinaus fahren kann. Geboren 1950. Selbständiger Redenschreiber, Mediator und Coach. Seit zwanzig Jahren leidenschaftlicher Gestalter in der Natur. Stein- und Holzbildhauer. OS-Lehrerin Sonja Guntern zur Installation der OSSchülerinnen und Schüler aus Fiesch: Gemeinsam mit unseren Schulfreunden und Schulfreundinnen haben wir uns gestalterische Gedanken gemacht zum Thema «Gemeinschaft». Unsere Charakterköpfe sollen alle Betrachter und Betrachterinnen einladen, sich mit der eigenen Andersartigkeit auseinanderzusetzen. Dabei können wir uns trotz unseren – äusseren und inneren – Ecken und Kanten wohl fühlen in der Gemeinschaft mit den anderen. Ein Blick aus der Mitte der skurrilen Figuren ermöglicht uns hoffentlich, mit unseren Fehlern etwas toleranter umzugehen. Anna Schmid Spiez Der Landschaftspark Binntal dankt allen, die mit finanziellen Beiträgen die «LandArt Twingi 2016» des Landschaftsparks Binntal unterstützt haben. Schmid hat für ihre Installation in der Twingi eine künstliche Höhle ausgewählt. Der Eingang der Höhle hat sie – bis auf einen kleinen Spalt in der Mitte – mit einer Trockenmauer verschlossen. Da durch die Lücke nur die tiefe Schwärze des Inneren sichtbar wird, bildet sich ein Raum, der Platz für Gedanken, Geheimnisse und Wünsche offenlässt. Die Idee steht in Anlehnung an die vielen kleinen Kapellen im katholischen Goms und ist somit auch Einladung, «am Wege innezuhalten». Geboren 1964 in Bern. Seit 1999 Arbeiten vorwiegend in Holz (mit der Motorsäge bearbeitete, grossdimensionierte Holzskulpturen). Lebt und arbeitet in Spiez (BE). www.annaschmid.ch Landschaftspark Binntal 3996 Binn Telefon: 027 971 50 50 [email protected] www.landschaftspark-binntal.ch © Landschaftspark Binntal Redaktion und Produktion: Klaus Anderegg Fotos: Josef Ulrich – Klaus Anderegg – Oliver C. Ritz 12 13 14 15
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