109 Bettina Gockel (Hg.) unter Mitarbeit von Julia Häcki und Miriam

I. Kunst-, Bild- und Medientheorie
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Bettina Gockel (Hg.) unter Mitarbeit von Julia Häcki und Miriam Volmert:
Vom Objekt zum Bild. Piktorale Prozesse in Kunst und Wissenschaft, 1600–
2000 (Zurich Studies in the History of Art, Special Issue). Berlin: Akademie Verlag
2011; 334 S.; 125 meist ganzseitige und farbige Abb.; ISBN 978-3-05-005662-3;
€ 49,80
In diesem Buch (deutsche und englische Aufsätze, die auf eine Tagung 2006 an der
Freien Universität Berlin zurückgehen) denken sieben renommierte Wissenschaftlerinnen und (drei) Wissenschaftler über „Transformationen“ (S. 11) des Bildgegenstandes nach: als Objekt im Auge des Betrachters, als Bild und von einem Bild zum
anderen.
Im 21. Jahrhundert gibt es neben neueren medialen Übertragungen wie Fotografie, Kopie, DVD und Film nach wie vor Malerei. Die Frage nach „historischen Auffassungen von der Wirklichkeit des Gegenstandes im Verhältnis zu seiner Darstellung
im zweidimensionalen Medium“ (S. 11) und damit zum Selbstverständnis in der Annäherung an die Geschichte der Kunst sei nach wie vor zu stellen.
Ein Schlüsselbegriff zum Neuanfang nach drei Jahrzehnten Auseinandersetzung zur niederländischen Kunstgeschichte ist hier das Trompe l‘OEil – selbst wenn
es sich vor seiner Instrumentalisierung als Metapher hüten muss: Der Künstler verführt mit detailliert gemalten Gegenständen den Betrachter dazu, seine scheinbar
oder tatsächlich irregeführte Auffassung des Dargestellten – das nicht real vorhanden
ist – zu bemerken. Auf diesem Umweg kann der Betrachter nicht umhin, das Bild
selbst in seiner Kunstfertigkeit zu bemerken. Künstler wie Betrachter erfreuen sich
dieses gefahrlosen Spiels, wie es die bekannten antiken Anekdoten überliefern. Dem
Künstler wird zugestanden, die Flüchtigkeit des Blickes zu fesseln.
Zugleich wird unpolitische Souveränität deklariert: Maler wie Wissenschaftler
finden zu einem kommunizierbaren Abbilden der natürlichen Wirklichkeit und ihrer
prozessualen Vorgänge. Das vorliegende Buch befasst sich vordergründig mit dem
Stillleben, dem Blick auf das Irdische – nicht die Landschaft – und seine Hervorbringungen. Objekte werden spätestens mit der naturwissenschaftlichen Illustration „Erkenntnismedium“. Auch die Darstellungsweise werde „zum Gegenstand des Denkens“ und bringe einen „Denkprozess über das Wissen“ hervor (S. 13).
Im Ergebnis der Lektüre erschließt sich die problematische Sphäre der Berührung mit der Bevorzugung des optischen Bildes: Auch der Künstler berührt seinen
Gegenstand allenfalls, um im Arrangement der Natur sein Werk vorzubereiten.
Nicht nur die Frage beschäftigt, wann etwas in der Welt ist und inwiefern, sondern auch die kontinuierliche Auseinandersetzung des vergleichsweise jungen
Abendlandes, besonders der Moderne, mit der eigenen Vergänglichkeit. Diese Nachdenklichkeit wird anhand frischer Thesen, spannender, exemplarischer wie einzigartiger Werke, klarer Formulierungen und prachtvoller Bildtafeln vorgeführt. Das hervorragend gestaltete Buch mündet mit Szenen aus dem Film „Der Koch, der Dieb,
seine Frau und ihr Liebhaber“ in ein Bildcrescendo, das sich dem Ekel am faulenden
Fleisch in seiner körperlichen Nähe zum eben noch sexuell aktiven preisgibt: Das
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human bedingte, vom Augensinn dominierte „Defizitäre der Bilder“ (S. 277) wird mit
bildforschenden Prozessen kompensiert.
Die niederländische Malerei der Neuzeit ist Teil der Wirtschaftsgeschichte.
Fraglich, wieweit ein Kunst- (und Geld-) Begriff eins zu eins in Blumen- und Marktstilleben übertragbar ist. Norbert Schneider beschreibt den Beginn des Kapitalismus,
demnach Bilder prall gefüllter Marktbuden in marxistischer Lesart zu verstehen
seien. Die Warenschau stehe für ästhetische Begehrlichkeit. „Retentive Gehirnsinnlichkeit“ (S. 28) in Zeiten des Calvinismus klingt dann doch kompliziert; ein Thema,
dem eine eigene Bearbeitung anstünde. Um Philosophie, das wird bereits in diesem
Aufsatz zur Oberfläche der Dinge deutlich, führt kein Weg herum: Illusion und Mimesis zeigen im Stillleben unversehrte Dinge, die eine sich „verfeinernde Seherfahrung“ (S. 28) ermöglichen, „analog“ zur zeitgenössischen Philosophie (S. 28).
Nicht angesprochen wird der bloße Hunger. Die neue Wirtschaft hat ihn soweit
vom Markt gedrängt, dass der Genuss der Bilder nicht mehr in der Gewissheit kreatürlicher Sättigung und vielleicht nationalem Stolz liegt. Folgen wir dem Autor, so
wurde der lokale Markt vorgeführt, weil die Außenwelt denknotwendig wurde. Das
Verstehen oblag dem zeitgenössischen Betrachter ebenso wie, in etwas anderer Weise,
dem heutigen. Antwerpen mit seinen Fleisch- und Gemüsebuden mag zum Athen
der Frühen Neuzeit geworden sein.
Im zweiten Beitrag stellt Hanneke Grootenboer anhand von Jean-Luc Nancy, nach
Kant, die Frage, welches Wissen wir durch Bilder erhalten (S. 43). Sie unterscheidet ontologisch „sight“ von phänomenologisch „vision“. Gesucht wird der Gedanke, „thought“,
nicht „meaning“ und Interpretation. Zunächst herrscht ehrliche Sprachlosigkeit. Zwischen dem Bild als Lüge, Trompe l‘OEil, und der „Wahrheit der Malerei“ (Derrida) zeigt
die Autorin Werke von Cornelius N. Gijsbrechts, der unter anderem für den König von
Dänemark malte. Die Erheiterung darüber, dass der eigene Blick nicht sichtbar und eine
Art perspektivisch beeinflussbarer Leere ist (Abb. 4, S. 52-53), feiert eine gewisse Nüchternheit. Vanitas und Memento Mori sind Umschreibungen der Mahnung vor der Hybris, die darin gerechtfertigt ist, den Phänomenen der Welt begegnen zu sollen.
Das bekannte rückseitige Trompe l‘OEil von Samuel van Hoogstraten in der
Karlsruher Kunsthalle zeige Brille und Schere als eher graphische Analogien des Augenrunds, wie Hanneke Grootenboer schreibt. Als werfe der Maler vorbehaltlos den
Blick des Betrachters zurück und führe die Tatsache des Sehens und Gesehenwerdens
vor Augen. Das Trompe l‘OEil verzichtet auf illusionär perspektivische Wege ins
Bild, die die Seherfahrung traumhaftig machen würden. Das Dargestellte ist also mit
Sicherheit nicht das, als was es erscheint. Auch erscheint es nicht, aber man kann es
denken (S. 53).
Das insistierende Auge des Künstlers, das der täuschenden Wahrnehmung
(„deception“) ebenfalls nicht entkommen kann, zeigt ein Stillleben von Willem Heda
in Amsterdam (Fig. 5, S. 56). Zwischen Vorder- und Hintergrund ist, was der Künstler
über das Sehen weiß – denn was wollte oder könnte er sonst zeigen – im Gegenständlichen vorgeführt bis hin zu den die vordere Tischkante überragenden Platten. Gilt
das die Perspektive unterlaufende Trompe l‘OEil als „provoking our eyes to the level
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of insult, and of doubt [...]“ (S. 54), so erreicht Hedas Werk mit Gefäßen, verschobenem Tischtuch und der halb geschälten Zitrone annähernd eine „pictorial anatomy“
(S. 55) – auch des Betrachtenden, sofern sein Bewusstsein sich dem Bild anschließt.
Obwohl ein Künstler wie Jan Brueghel d. J. dazu nicht verpflichtet war, versammelte er, wie von Elisabeth Oy-Marra ausgeführt wird, kostbare Blüten aus verschiedenen Jahreszeiten zu komponierten Stillleben, die das Blumenstillleben als eigene Gattung geltend machen: als selektive Dokumentation seltener Pflanzen in sorgsam
präsentierten Exemplaren – und als reine Naturnachahmung. „Wissen zu erzeugen und
auf Dauer zu stellen“ (S. 66) ist auch Ehrgeiz heutiger Wissenschaft. Warum aber malen?
Überwiegen die Freuden des Sinnlichen oder gibt es ein „eigenes Bildkonzept“ (S. 73)?
Blütenkränze wurden um steinerne Kartuschen inszeniert, so von Jacob Marrel
mit einer Ansicht der Stadt Frankfurt (Abb. 8, S. 83). Der gestochen scharfe Visus zitiert – eine Öffnung im Stein, ein „Schlüssellochbild“ (S. 85) – die städtische Welt.
Schnirkelschnecke, Libelle oder Schmetterling begleiten den arglosen Blick.
Im 21. Jahrhundert wendet er sich einer verfallenden Welt zu, nicht dem Augenblick, sondern seiner Übergängigkeit. Bekannt ist das schimmelnde Stillleben von
Sam Taylor-Wood (Abb.1 im Beitrag von Monika Wagner, S. 244).
Mit einem „methodischen Lehrstück“ führt Werner Busch in die Welt der extrem dekorativen niederländischen Muschelstudien ein. Die „Platte Krabbe“, eine
Gouache von Bartholomeus Assteyn (Abb. 8, S. 99), zeigt die atemberaubende Begabung des Künstlers, der leeren Muschelschale plastische, differenzierte Gestalt und
Gewicht zu geben. Seine Kunstfertigkeit scheint dem Maler bewusst gewesen zu sein,
da er die Muschel an einem – ebenfalls mehr gezeichneten als gemalten – Faden ins
Bild hängte. Jene phantastisch geformten Gebilde sind als Zeichen von Leblosigkeit
und Zerbrechlichkeit zu lesen, als Zeugen exotischer Orte oder als leere Schlünde, aus
denen der Tod gähnt (S. 103) – womit sie zu der Arbeit „Deep Throat“ von Mona
Hatoum aufzuschließen scheinen (Abb. 5, S. 252 im Beitrag von Monika Wagner).
Unmittelbar dient die geläufig niedere und somit von Deutungshoheiten freie
Kunst der Conchylien-Abbildung (S. 108) der Würdigung des von Rembrandt in einen tief verschatteten Raum gesetzten „Conus marmoreus“. Der niederländische
Name der Hirschhornmuschel, „Herts Horen“ (Abb. 7, S. 98) klingt im Deutschen wie
ein Wortspiel.
Auch Karin Leonhard fügt ein vortreffliches Stück Wissenschaft hinzu, das die
Herkunft der Muscheln aus erwärmtem Schlamm und Elementen der Weltschöpfungszeit – so die damalige Auffassung – beschreibt. Mit dem Aufkommen naturwissenschaftlichen Denkens im 17. Jahrhundert wurden sie deshalb zunehmend wertvoll.
Die beeindruckende Pigmentierung exotischer Muscheln, ihre „Gitterungen“ in skulpturalen Formationen, die zum Beispiel an gedrehte Elfenbeine erinnern (S. 132-133),
wurden als biografisch aufgefasst. Daraus resultierte die Frage, ob die Muster akzidentiell waren, wie man annahm, oder mit der Substanz wuchsen. Heute weiß man,
dass sie sich sowohl parallel zum Rand als auch senkrecht zur Oberfläche bilden.
Wurde an Muscheln die „Gerichtetheit“ der Form (S. 140) entdeckt, war Rembrandt in der erwähnten Darstellung die biologisch falsch dargestellte Drehrichtung
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im spiegelverkehrten Druck unwichtig. Damals wurde auch verstanden, dass diese
Körper sich ausdehnen, nicht eindrehen („Quelle, nicht Sog“, S. 141). Mit dem nicht
in der Symmetrieachse sitzenden menschlichen Herz überein, konnte ein Ungleichgewicht am Ursprung der Entwicklung vermutet werden.
Näher zur Schöpfung leitet Susanne B. Keller mit Darstellungen des Unterirdischen im 18. Jahrhundert, die der Bildwissenschaft wie der Wissenschaftsgeschichte
Erkenntnisse liefern. Höhlen, Zeugnisse früherer Erdkatastrophen, Sedimente, Minenstollen und Querschnitte durch den Ätna (Jean Hoüel) ließen sich zeichnerisch bewältigen und dem Betrachter plausibel erklären. Das Verstehen geologischer Zusammenhänge löste die Idee der christlichen Hölle ab. Das Narrativ der Wissenschaft ist der
Neugierde geschuldet, zu der die damalige Bevölkerung aufgerufen war: ihre Umgebung zu erkunden und den Wissenschaftlern Entdeckungen mitzuteilen (S. 167).
Um 1800 und mit der Romantik war, nach Friedrich Weltzien, das Stillleben
nicht mehr, jedoch das wissenschaftliche Bild wichtig. Techniken auch der Reproduktion und formulierte Theorien sowie Sammlungen führten zu einem neuen Kenntnisstand, der die „Möglichkeit der Übersetzung von Natur ins Bild“ sah (S. 190): Die
Einsicht in die Unmöglichkeit einer echten Wiedergabe verschob den Blick vom isolierten Objekt zum Eindruck des Lebendigen an sich. In Zufalls-Experimenten von
Georg Christoph Lichtenberg, Adolph Traugott von Gersdorf, Ernst Florens Friedrich
Chladni, Martinus van Marum und Christoph Nathe – die sich, in teils räumlicher
Nähe, bei wechselnden Modalitäten der Durchführung aufeinander bezogen – kommt
Stillstand durch Bewegung zustande.
Harzstaub, durch Reibung elektrisch aufgeladen, erzeugt allerfeinst verästelte,
darin nur dem Blutkreislauf vergleichliche und mit künstlerischen Mitteln nicht erreichbare Muster, die, auf Leimpapier abgedrückt, konserviert wurden: ein „schönes,
lehrreiches Spiel“ der Autopoiesis (S. 196), indem „die Darstellung des produktiven
Prinzips“ für die „Bildwahrheit“ sorgte (S. 206): „Das Leben kam ins Bild, ohne dabei
zu sterben.“ (S. 210).
Petra Lange-Berndt setzt mit Jean-Baptiste Oudrys „Hase und Hammelkeule“
von 1742 ein (Abb. 1, S. 214), dessen höchst lebensechte Darstellung wie ein durch
Malerei reanimiertes Wunder am Haken hänge. Abzusehen ist von der sich aufdrängenden Reminiszenz, ihm werde nun die Kunst erklärt; Petra Lange-Berndt geht es
um Tiermalerei, die Art Animalier des 19. Jahrhunderts, für die sie ausführlich Rosa
Bonheur vorführt. Sie habe ihre Werke als Legitimation ihres unkonventionellen,
„protolesbischen“ Lebensstils verstanden. Um „die Seele der Tiere zu erfassen“ (S.
220), stellte sie sie nach lebenden Modellen dar, über die sie als „Basis der Selbstinszenierung“ verfügte (S. 224). Sanfte Dressur bereitete sie auf ihre Aufgabe vor. Die Versagenden wurden, gegebenenfalls gewaltsam, beseitigt. Die doppelte Absicherung
durch Modell und Beruf war der erfolgreichen Künstlerin demnach trotz ihres aufwendigen Lebensstils notwendig, um sich der Erforschung der Natur, soweit ihr als
Frau erlaubt, widmen zu können. Rosa Bonheur wird allerdings, im Kontext des Buches, pars pro toto zum gedanklichen Fokus und definiert den Anschluss an die Gegenwart in der Erwähnung des Kollektivs subRosa, das seinen Namen von ihr herleite.
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Unter anderem Pia Maria Martin zeigt filmische Darstellungen des Vergänglichen in Monika Wagners Beitrag. Erstaunlicherweise – da Geschwindigkeit vom
Überschuss an Lebenskraft zeugt – wird der Zeitraffer verwendet, so dass auch komische Effekte entstehen, bis das Ende der schwindenden Substanz erreicht ist. Der Betrachter müsste sonst vielleicht lange warten: Nicht Verlangsamung, wie bei Bill Viola oder Andrei Tarkowskij, lässt das Leben in seiner Dauer aufscheinen, sondern
dem Betrachter wird die Ungewissheit abgenommen, wie das Physische, und dies mit
einer gewissen Vollständigkeit, endet.
Das welthaltige Buch nährt den Verdacht, mit dem Problem der Sterblichkeit sei
weder dem Individuum noch kollektiv zu leben möglich: Das 17. Jahrhundert hatte
„die vollendete Form der Dinge“ bewahrt. Die Gegenwart unterliege einer technisch
bedingten „Vanitas-Obsession“ (S. 261). Es gibt „kein Verweilen“ (S. 255). Leben und
Tod geraten in der Nahrungsaufnahme zum grässlichen Paradox. Fast meint man, im
Rauschen der Muschel das Schmatzen der verzehrenden Fleischmaden zu hören.
Bettina Gockel sieht die “Dominanz des Sehsinns zur Disposition” gestellt
(S. 265–266). Nach einer ausgereiften Methode sei daher erst zu suchen. Eine Vokabel
wie „Magie“ (S. 268) bezeichnet vorläufig das Veränderliche zwischen Kunst und
Leben. Das künstlerische Stillleben wird, nach seiner Rückkehr in die Gegenwart, in
einer Wendung zum anfänglich Primitiven, während es sich dem Diesseitigen widmet, mit Margit Rowell als „Reflexionsmedium gesellschaftlicher Verhältnisse“ begriffen. Wie Wolfgang Tillmans sagt, ermögliche es ihm das Bewusstsein, nicht allein
zu sein (S. 277).
Das an sich gleichgültige, durch Vermehrung Austauschbare wird als unersetzlich anerkannt, wenn es vom Menschen gestaltet ist. Die „Gratwanderung“ zwischen
seiner Analyse und Konstruktion sei im Historischen möglich. Indem die Füße des
Fotografen und einige private Papiere verschwommen sein zu fotografierendes Blumenstillleben begleiten und zu dessen Teil werden, verschaffen sie dem Subjektiven
Zugang zum Bild und mildern – oder verstärken? – den Schrecken vor der Welt. Für
die Fotografie (des Stilllebens) „Shells“ (Abb. 10, S. 282) inszenierte Wolfgang Tillmans das weibliche oder zum Theater gehörende Attribut des Puderpads und eines
rot getränkten Tüchleins neben Muschel- und Schneckengehäusen.
Einen anderen Weg findet die Malerin Karin Kneffel mit Obststillleben, üppigen
Trauben auf dramatischem Großformat, die, wie Bettina Gockel anmerkt, allzu künstlich prall wirken, als dass sie illusionistisches Wohlbehagen erzeugten (Abb. 18, S.
294; Trauben anderer Maler Abb.19-22).
Das Bild, nicht Welt und Sprache, wird durchleuchtet als „Ort des Denkens über
Objekt und Wahrnehmung, Geschichte und Gegenwart“ und als „animierendes, aktives Medium“. Man bekomme jedoch – eine gleichnishafte Konstruktion – nicht, was
man sieht (S. 302).
Das vorliegende Buch erprobt Denkschritte. Englische Abstracts und deutsche
Kurzviten der Verfasserinnen und Verfasser beschließen es.
Heike Wetzig
Braunschweig