18 2.3 Eröffnung: Die Festredner Am Dienstagabend, dem 18. Oktober, findet die Eröffnung der Buchmesse statt. Der Ehrengast Flandern und die Niederlande wird in diesem Jahr nicht nur von einem, sondern gleich zwei Autoren vertreten. Arnon Grunberg, Autor, Kolumnist und „Sexrabbi“, vertritt die Niederlande, Flandern trägt die jüngste Gastlandsprecherin in der Geschichte der Buchmesse bei: die Dichterin Charlotte Van den Broeck. Die Entscheidung für zwei Vortragende/Autoren, die an Hand einer Korrespondenz/eines Dialogs gemeinsam eine Eröffnungslesung gestalten, betont die Intention Flanderns und der Niederlande: teilen — wie es der Untertitel vermeldet. Auf der Bühne vertreten Arnon Grunberg und Charlotte van den Broeck beide eine Generation. Der renommierte Belletristikautor trifft die junge Dichterin. Arnon Grunberg *1971, Amsterdam. Schriftsteller, Kolumnist, Essayist und Drehbuchautor. Seinen literarischen Durchbruch hatte Grunberg 1994 mit dem Roman Blauwe maandagen, einer tragikomischen Geschichte, in der er das angespannte Verhältnis zu seinen Eltern, beide Überlebende des Holocaust, thematisiert. Das Buch wurde ein großer Erfolg, sowohl in den Niederlanden wie auch im Ausland. Ihm folgten zahlreiche weitere Romane. In Tirza (2006) geht es um die verhängnisvolle Liebe eines Vaters zu seiner Tochter; das Werk wurde nicht nur mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit der Goldenen Eule (Gouden Uil) und dem Libris-Preis, sondern auch verfilmt und als Theaterstück auf die Bühne gebracht. Die 2015 erschienene Novelle Het bestand ist eine kritische Satire auf das moderne Leben im virtuellen Raum und zugleich ein Experiment, denn Grunberg ließ seine Gehirnaktivität beim Schreiben aufzeichnen. Im Herbst 2016 kommt sein neuestes Buch Moedervlekken (Muttermale) auch in Deutschland heraus. Es handelt von seiner im Jahr zuvor verstorbenen Mutter. Veröffentlicht werden auch deren Memoiren, in denen sie u.a. ihre Zeit in Auschwitz beschreibt. Seit 2010 ist Grunberg Kolumnist der Tagesseitung Volkskrant; seine Beiträge erscheinen täglich auf der Titelseite. Für seine in zahlreiche Sprachen übersetzten Werke wurde er in den Niederlanden wie auch andernorts mit vielen Preisen bedacht. Muttermale Erscheint im Kiepenheuer & Witsch Verlag, am 13.10.2016 Übersetzung von Rainer Kersten und Andrea Kluitmann Originaltitel: Moedervlekken (Lebowski, 2016) Über das Buch Otto Kadoke arbeitet als Psychiater in einem Krisenzentrum. Er versucht, Menschen mit Selbstmord-absichten von ihren Plänen abzubringen. Als er eines Tages seine pflegebedürftige Mutter besucht, öffnet eine nepalesische Hilfskraft die Tür, nur in ein Handtuch gehüllt. Der Psychiater, sonst immer tadellos professionell, verliebt sich augenblicklich in die junge Frau. Und sieht sich wenig später mit der Situation konfrontiert, dass er sich von nun an alleine um die Pflege seiner Mutter kümmern muss. Als er auch bei einer suizidalen Frau die professionelle Distanz nicht wahrt, kommen sein Privat- und Berufsleben ganz durcheinander. Das Haus seiner Mutter wird ab da zum ambulanten Krisenzentrum für alle, und Kadoke dekliniert Liebe auf ganz neue Weise: fürsorglich. 19 Charlotte Van den Broeck *1991, Borgerhout. Studiert Sprachkunst. Performing Poet. Steht gerne auf der Bühne. Charlotte Van den Broeck studierte Sprachwissenschaft, Literatur, Englisch und Deutsch. Momentan absolviert sie die Ausbildung Sprachkunst am Konservatorium von Antwerpen. 2012 und 2013 stand sie in der Top 100 des nationalen Turing Gedichtewettbewerbs. Ein Jahr später, 2014, veröffentlichte sie einige Gedichte in der Zeitschrift Het Liegend Konijn, worauf 2015 ihr Erstlingswerk erschien: Kameleon. In dem Gedichtband bringt sie in einem fließenden Stil bildreiche, erzählende Gedichte darüber, wie aus einem Mädchen eine Frau wird, über die Suche nach einem Platz im Leben und der Suche nach einer Identität. Es wurde eines der besten Lyrikdebüts des Jahres. Van den Broeck veröffentlicht ihre Gedichte nicht nur in Buchform, sondern bringt sie auch auf die Bühne. Sie findet selbst, dass Menschen Poesie so direkter erleben. 2013 schaffte sie es ins Finale von DichtSlamRap. 2016 gewann sie mit Kameleon den Herman-de-Coninck-Debütpreis. (ausgewählte Gedichte) Erscheinen auf lyrikline.org, 2016 Übersetzung von Janet Blanken Originaltitel: Kameleon (De Arbeiderspers, 2015) Über das Buch Kameleon (Chamäleon) unternimmt einen Roadtrip zu einer möglichen weiblichen Identität, die irgendwo zwischen Körper und Sprache konstruiert wird. Über eine Vielzahl von Erinnerungen, Gestalten und Landschaften wird – als könne man es bereisen – das Gebiet eines Mädchenkörpers erkundet, und stets erklingt derselbe naive Wunsch nach einem symbiotischen Dasein, das sich – trotz der Dehnfähigkeit von Poesie – um ein Haar nicht erreichen lässt. 2.4 Else-Otten-Übersetzerpreis Am Samstag, dem 22. Oktober 2016, wird im Pavillon des Ehrengastes Flandern und die Niederlande und Flandern der Else-Otten-Übersetzerpreis überreicht, eine Auszeichnung, die alle zwei Jahre für die beste deutsche Übersetzung eines bemerkenswerten niederländischsprachigen literarischen Werks vergeben wird. Den Preis stifteten im Jahr 2000 die niederländische Literaturstiftung Nederlands Letterenfonds und das Literarische Colloquium Berlin; er wird vom Nederlands Letterenfonds und der flämischen Literaturstiftung Vlaams Fonds voor de Letteren finanziert. Frühere Preisträger sind Gregor Seferens (2000), Waltraud Hüsmert (2002), Marlene Müller-Haas (2004), Hanni Ehlers (2006), Helga van Beuningen (2008), Andreas Ecke (2010), Christiane Kuby (2012), sowie Bettina Bach und Rainer Kersten (zu gleichen Teilen, 2014). Die Namensgeberin für den Preis, Else Otten (1873-1931), war im vergangenen Jahrhundert eine der aktivsten Übersetzer(innen) niederländischsprachiger Literatur ins Deutsche.
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