Zusammenfassung einer Wirkungs- und Zufriedenheitsstudie über

Wirkungs- und Zufriedenheitsstudie
der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen des
Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt
Zusammenfassende Darstellung
von Markus Rossa
0. Hinführung
Seit seiner Einführung im Jahr 1999 hat sich das Privatinsolvenzverfahren in Deutschland
fest etabliert und stellt mit jährlich über 100.000 eröffneten Verfahren eine häufig genutzte
Strategie zur Bekämpfung der privaten Überschuldung dar. Vielen Menschen und deren
Familien konnten durch die Eröffnung des Verfahrens und die nach Ablauf der
Wohlverhaltensperiode erteilte Restschuldbefreiung wieder eine soziale und wirtschaftliche
Perspektive gewinnen. Seit 1999 bietet auch der Caritasverband für die Diözese Eichstätt mit
seinen Kreisstellen dieses Beratungsangebot an, um zahlungsunfähigen Menschen einen
Ausweg aus dem „modernen Schuldenturm“ zu bieten.
Auch kommerzielle Anbieter haben sich auf dem Markt angesiedelt und werden zu einer
immer stärkeren Konkurrenz. Hierbei sorgt die Ungeschütztheit der Professionsgruppe
„Schuldnerberater“ für großes Gefälle in der Beratungsqualität. Jedoch ist insbesondere
aufgrund von steigender Komplexität in sämtlichen Lebensbezügen der Klienten eine
vielschichtige, versierte und methodische professionelle Vorgehensweise erforderlich.
Daraus folgernd hat sich erfolgreiches sozialarbeiterisches Handeln auch auf das
sozialethische Fundament eines kirchlichen Trägers zu beziehen. Es ist getragen vom Geist
des Evangeliums und möchte die Not des Menschen lindern.
Somit erscheint eine methodische ganzheitliche Herangehensweise, ohne das zentrale
Problem der Überschuldung aus den Augen zu verlieren, für die Beste Hilfe und zielführend,
um Menschen in immer unübersichtlicher werdenden Lebensumständen ein nachhaltiges
Beratungsangebot im Sinne der Caritas zu bieten.
Um dieser in der Beratungspraxis entstandenen These empirischen Nachdruck zu verleihen,
wurden im Sommersemester 2012 zwei Bachelorarbeiten an der Fakultät für Soziale Arbeit
der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Auftrag gegeben. Eine davon setzt sich
mit der Wirkung des Verfahrens und mit der Zufriedenheit der Klienten mit einer
ganzheitlichen Insolvenzberatung anhand eines Fragebogens auseinander (Autorin: Lea
Spill). Zudem wurde in einer zweiten wissenschaftlichen Arbeit der maßgebliche Terminus
„Ganzheitliche Beratung“ und seine theoretische wie methodische Fundierung, sowohl
innerhalb der Sozialarbeitswissenschaft als auch in der Praxis, durch drei Experteninterviews
von Beratern des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt fachlich beleuchtet.
(Autor: Benjamin Döß)
1. Zielgruppe und Aufbau des Fragebogens
Als Zielgruppe wurde der Fragebogen an alle Personen verschickt, die in den Jahren 1999
bis 2005 ein Insolvenzverfahren mit Hilfe der Caritas Schuldnerberatungsstellen eröffnet
haben und somit bereits eine Restschuldbefreiung erhalten haben könnten. An der Umfrage
haben sich fünf Kreisstellen des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt beteiligt:
Eichstätt, Ingolstadt, Neumarkt, Roth und Weißenburg. Insgesamt wurden hier 613
Fragebögen versendet, mit einer Rücklaufquote von insgesamt 22,5%, oder absolut 138
zurückgesandten Fragebögen.
Der Fragebogen orientiert sich an einem von der Semesterpraktikantin Kristina Mascher der
Sozialberatung für Schuldner des Caritasverbandes Diözese Regensburg e.V. entwickelten
Raster, deren Studie als Auslöser für die Eichstätter Wirkungsstudie gilt. Dieser diente als
Basis und wurde vom Schuldnerberatungsteam des Caritasverbandes Eichstätt und
Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt abgeändert und erweitert.
Der Fragebogen besteht insgesamt aus 22 Fragen. 21 der Items sind zum Ankreuzen und
geschlossen gestellt. Eine der Fragen ist offen formuliert, und bei einer der geschlossenen
Fragen hatten die Befragten noch die Möglichkeit, Anmerkungen zu machen.
2. Zentrale Ergebnisse
Folgende Tabelle zeigt die zentrale Datenbasis der Studie, sowie die wichtige Quote, die
sich mit der erteilten Restschuldbefreiung auseinandersetzt. Auffällig ist vor allen Dingen der
Unterschied zwischen der Rücklaufquote in der „Großstadt“ Ingolstadt und den eher in
„ländlichen“ Regionen angesiedelten Kreisstellen. Es lässt sich hier eine größere Fluktuation
im Wohnungswechsel hypothetisieren. Es könnte in der Summe möglicherweise auf ein
allgemein schwierigeres Klientel schließen lassen; was sich vor allem in einer geringen
finanziellen Allgemeinbildung, aber auch in prekären Lebensumständen zeigt. Alles in allem
ist eine gemeinsame Restschuldbefreiungsquote von 89,3% ein sehr guter Wert, welcher
sich klar von anderen veröffentlichen Studien absetzt (z.B. Ahrens in ZVI, 2011, S. 273 ff.).
Dies ist ein starkes Zeichen für die erfolgreiche Wirkung der sozialpädagogischen,
ganzheitlichen Beratungsmethoden der Schuldnerberatungsstellen des Caritasverbandes für
die Diözese Eichstätt.
Zurück
Versandt geantwortet
(z.B.: unbekannt
verzogen,
verstorben)
Rücklauf
-quote
Restschuld
-befreiung
erteilt?
Eichstätt
90
27
26
30%
88,5 %
Ingolstadt
255
35
6
13,7%
82,1 %
Neumarkt
118
27
40
22,9%
92,6%
Weißenburg
45
18
-
40%
88,9%
Roth
105
31
49
29,5%
96,8%
Gesamt
613
138
121
22,5%
89,3%
2.1 Persönliches Wohlergehen nach und während des Beratungsprozesses
Als weiterer Indikator für eine hohe Wirkung der Beratung wurde das persönliche
Wohlergehen in verschiedenen Lebensbereichen erfragt. Eine Verbesserung der
Lebenszufriedenheit von 89,1% der Befragten kann hier als herausragender Wert erachtet
werden. Zudem gaben 68,8% an, nun eine höhere Selbstsicherheit zu haben, sowie 69,6%
empfinden ihren Umgang mit Geld nach der Beratung für verbessert. Mehr als die Hälfte
(55,1%) gaben an, eine allgemein bessere gesundheitliche Konstitution aufzuweisen und
52% stellten eine positive Wandlung in ihren Einkommensverhältnissen fest.
2.2 Beratungszufriedenheit
Insgesamt acht Fragen beschäftigten sich mit der Zufriedenheit der Klienten mit der
Beratung, wovon nun vier in kurzen Auszügen dargestellt werden. Eine überwältigende
Mehrheit von insgesamt 99,3% fühlte sich durch den/die Berater/in in ihrem Sinne
unterstützt. 96,4% gaben an, allgemein zufrieden mit der Beratung zu sein und insgesamt
97,10% fühlten sich fachlich gut bis sehr gut in ihre Überschuldung betreffenden
Lebensbereichen unterstützt.
Eine gute bis sehr gute Erreichbarkeit bescheinigten 98,3% der befragten Klienten den
Caritas Beratungsstellen. 136 der 138 befragten Personen würden die Beratungsstelle
weiterempfehlen, 124 haben das bereits getan. Auch dies ist ein Zeichen für eine hohe
Zufriedenheit mit der Beratung.
3. Ganzheitliche Beratung
Wie bereits geschildert, ist die Ganzheitliche Beratungsform, welche Deutschlandweit in den
Beratungsstellen der Caritas angeboten wird, ein Qualitätsmerkmal, welches sicherlich
sowohl für die oben empirisch bestätigte Zufriedenheit der Klienten, als auch sich für die
hohe Wirkung der Beratung verantwortlich zeigt. Doch was bedeutet diese „Ganzheitlichkeit“
nun in der Praxis und vor allem, wie lässt sich diese Beratungsform fachlich-methodisch
begründen? Herr Benjamin Döß setzte sich damit in seiner Bachelorarbeit auseinander und
brachte anhand von Experteninterviews und Literaturrecherche folgende Ergebnisse zu
Tage.
Die ganzheitliche Schuldnerberatung als Beratungsform in der sozialen Arbeit will
überschuldete Menschen in ihrer Not sowohl wirtschaftlich als auch psychosozial
unterstützen. Sie ist vor dem Hintergrund entstanden, dass eine Beschränkung auf rein
kaufmännische, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte als nicht umfassend und nachhaltig
genug erachtet wurde. (Vgl. Schruth et al, 2011, S. 52f.)
Um diesen weiteren Blick auch schon konzeptionell auszudrücken wird das Arbeitsfeld auch
„Sozialberatung für Schuldner“ genannt.
Just sieht die Aufgaben einer ganzheitlichen Hilfe innerhalb der Sozialen Arbeit vor allem in
folgenden
Punkten:
Existenzsicherung,
Schuldenregulierung,
Budgetberatung,
Schuldnerschutz, psychosoziale Hilfen, und Hilfen zur Überwindung der materiellen Notlage
und Wirkung der Überschuldung. (Vgl. Gastiger/Stark, 2012, S. 16)
Die drei interviewten Schuldnerberater des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt
nannten alle ein ähnliches Verständnis von Ganzheitlicher Beratung, den Menschen in der
Beratung in seinen verschiedenen Lebensbereichen zu sehen und nicht nur seine Schulden,
sprich in welchem sozialen Systemen bewegt er sich, welche Erfahrungen und Ressourcen
bringt er mit und wo sind hier relevante Schwierigkeiten.
Auch Herausforderungen einer ganzheitlichen Sozialberatung für Schuldner werden von den
Experten gezeichnet. Diese werden zum einen in der Anfangsphase eines
Beratungsprozesses gesehen und umfasst vor allen Dingen die passgenaue Anamnese im
Sinne einer Analyse problemrelevanter Lebensbereiche und die daraus folgenden
spezifischen Interventionen. Ebenso wurden hier die Anforderungen an das kompetente und
situationsabhängige Einsetzen verschiedener Gesprächsführungsmethoden genannt, um
individuelle Lösungen zusammen mit den Klienten zu erarbeiten.
Alles in allem ergibt sich durch die Interviews ein erweitertes Verständnis ganzheitlicher
Schuldnerberatung, welches die Betrachtung des Menschen und seines Umfeldes in allen
Belangen, aber auch eine gewisse Motivationsarbeit für notwendig erachtet. Dabei ist die
Mitwirkung der Klienten am Beratungsprozess unerlässlich. Außerdem kann als weiteres
Ergebnis eine Weitervermittlung im Netzwerk, wie sie eben von einem Case Manager am
Besten ausgeführt werden kann, als zusätzlich sinnvolle Variante ganzheitlicher
Schuldnerberatung genannt werden (z.B. Zusammenarbeit mit anderen Fachdiensten).
Durch die Experteninterviews hat sich ein erweitertes Verständnis des Begriffs
„Ganzheitlichkeit“ ergeben und auch die Herausforderungen für die Berater wurden deutlich.
Da viele Ideen des Case Managements umgesetzt werden und auch zwei der Berater laut
Analyse als solche gesehen werden können, scheint diese Methode auch gut anwendbar auf
die Umsetzung einer ganzheitlichen Schuldnerberatung zu sein. Will man Case Management
als Methode kurz definieren, so soll hier der ökosozialen Theorie nach Wendt entsprechend
das Bewältigungssystem des Klienten mit dem formalen Ressourcensystem
zusammengebracht werden. Letzteres setzt sich aus der sozialen Umwelt, Mitmenschen,
dem natürlichen Netzwerk und professionellen Einrichtungen zusammen. (Wendt, 1990)
Um diese anspruchsvolle Beratung besser bewerkstelligen zu können, gaben alle drei
Experten an, dass eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung notwendig wäre, um
eine noch höhere Zufriedenheit der Klienten und zukünftig gleichbleibende hohe Qualität der
Sozialberatung für Schuldner im Deutschen Caritasverband in Zukunft gewährleisten zu
können. Dazu gehören auch regelmäßige Fortbildungen, Studium von Fachliteratur und
kollegialer Austausch.
Literatur
Ahrens, Martin: Restschuldbefreiung und Versagensgründe, in: ZVI – Zeitschrift
für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht, 10 Jahrgang, Heft 8, 2011, S. 273ff.
Döß, Benjamin: Theoretische und methodische Ansätze der Sozialberatung für
Schuldner: eine qualitative Untersuchung anhand von Experteninterviews
im Caritasverband für die Diözese Eichstätt e.V., Abschlussarbeit Bachelor of Arts
(B.A.) an der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt –
Ingolstadt vom 10.07.12
Gastiger, Sigmund (Hrsg.): Schuldnerberatung : eine ganzheitliche Aufgabe für
methodische Sozialarbeit, Freiburg im Breisgau : Lambertus-Verl., 2012.
Schruth, Peter (Hrsg.): Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit :
sozialpädagogische, juristische und gesellschaftspolitische Grundkenntnisse
für Theorie und Praxis (6. Aufl.)
Weinheim: Juventa, 2011.
Spill, Lea: Das Verbraucherinsolvenzverfahren als Strategie der Bewältigung
privater Überschuldung in Deutschland und dessen Wirksamkeit untersucht
anhand einer
Wirkungs- und Zufriedenheitsbefragung der Schuldner- und Insolvenzberatung
des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt e.V., Abschlussarbeit Bachelor of
Arts (B.A.) an der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt –
Ingolstadt vom 10.07.12
Wendt, Wolf Rainer, Ökosozial denken und handeln – Grundlagen und
Anwendungen in der Sozialarbeit, 1. Auflage, Freiburg im Breisgau: LambertusVerlag, 1990
Kontakt unter: [email protected]