Stellungnahme der Caritas Österreich vom 5. Oktober 2016

Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Stellungnahme zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der
Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes
der inneren Sicherheit
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Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
1. Einleitung
Aufgabe der Caritas ist es, Hilfe von Mensch zu Mensch zu leisten. Aus dieser täglichen
Arbeit schöpft die Caritas Wissen und Erkenntnis über Auswirkungen von gesetzlichen
Regelungen und den Vollzug staatlicher Maßnahmen. Daraus bezieht die Caritas ihre
Kompetenz zu benennen, wodurch Not und Ungerechtigkeit entstehen, wo strukturelle
Defizite bestehen und welche Verbesserungen im Sinne schutzsuchender Menschen in
Österreich notwendig sind. Die Caritas sieht es als ihre Verpflichtung, die Vertretung für
jene, die keine Stimme im öffentlichen und politischen Diskurs haben, zu übernehmen, auch
wenn diese Aufgabe mitunter eine heikle ist. Denn die Caritas ist davon überzeugt, dass der
Blick auf die Ärmsten sowie der Einsatz für benachteiligte Gruppen von großer Bedeutung
für die gesamte Gesellschaft und deren Fortentwicklung ist. Eine Gesellschaft muss sich
immer daran messen lassen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht.
Die Caritas ist ausgesprochen besorgt über die geplante de-facto-Abschaffung des
Zugangs zum Asylverfahren in Österreich, wenn die geplante Verordnung beschlossen
wird. Leidtragende sind die vor Verfolgung und Konflikten schutzsuchenden Menschen. Es
drohen grundlegende Menschenrechte auf mehrfache Weise verletzt zu werden.
Österreich hat 2015 viel geleistet und rund 89.000 Menschen aufgenommen, vor allem auch
mit Hilfe der Zivilgesellschaft. Dies kann aber keine Rechtfertigung dafür sein, nun unser
Engagement zu reduzieren und genau das zu tun, was wir bisher bei anderen europäischen
Ländern kritisiert haben. Die Caritas verkennt nicht, dass die aktuellen Herausforderungen
im Flüchtlingswesen aufgrund gestiegener Antragszahlen große sind. Doch ist weder ein
Notstand noch eine Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
des Schutzes der inneren Sicherheit erkennbar. Die Caritas erachtet es außerdem als
gefährlich für den sozialen Frieden in Österreich, wenn die Regierung – deren Aufgabe es
ist, Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden – im Zusammenhang mit der
Einreise von schutzsuchenden Menschen und gestiegenen Anträgen auf internationalen
Schutz die öffentliche Ordnung gefährdet sieht.
Die Begründung, mit welcher die Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit dargelegt wird, spricht selbst größtenteils
von zu erwartenden „Herausforderungen“ und nur an einer einzigen Stelle von einer
Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren
Sicherheit. Dass Herausforderungen bestehen, ist unbestritten, doch reichen solche
bestimmt nicht aus, um eine derartige Gefährdung zu begründen, die es erlaubt, auf solch
gravierende Art und Weise in zentrale Menschenrechte einzugreifen.
Offenbar sehen auch nicht alle Bundesländer eine derartige Gefährdung gegeben, denn
vier von neun Bundesländern schlossen sich der Begründung in den Erläuterungen nicht
an, darunter Wien, das 2015 mit Abstand die meisten Personen in Grundversorgung
verzeichnete und neben Niederösterreich als einziges Land seine Quote übererfüllte.1 Das
Amt der Wiener Landesregierung führte sogar explizit aus, dass – Stand 20. April 2016 –
„keine Rede“ davon sein könne, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen
Verordnung bereits gegeben sind und warnte nachdrücklich davor, dass das Akzeptieren
Siehe die Grundversorgungszahlen in: BM.I., Sicherheitsbericht 2015, S. 21; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Service/SIB_2015/SIB2015_Hauptteil_V20160627_web.pdf; Zugriff am 23.09.2016
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Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
einer nationalen Notsituation, wie sie § 36 Asylgesetz verlange, bei der derzeitigen Situation
in Österreich „aufgrund der präjudiziellen Wirkung weitreichende negative Folgen auch in
anderen Bereichen nach sich ziehen und so den europäischen Einigungsprozess
insgesamt gefährden“ könne.2 Da die Zahl der pro Monat gestellten Asylanträge seit April
stetig gesunken ist – Stand Ende August 2016 – ist nicht davon auszugehen, dass sich
diese Einschätzung in der Zwischenzeit geändert hat.3
2. Bedenken gegen die gesetzliche Grundlage
Eingangs sei nochmals betont, dass schon die gesetzliche Grundlage für die geplante
Verordnung nach Einschätzung der Caritas wie bereits im Rahmen des diesbezüglichen
Begutachtungsverfahrens ausführlich dargelegt verfassungs- und europarechtswidrig ist.4
Die Verordnung stützt sich auf § 36 Asylgesetz, der sich seinerseits auf Art 72 AEUV stützt,
in der Annahme, dieser erlaube es den Mitgliedstaaten, vom unionsrechtlichen
Sekundärrecht abzuweichen, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und
inneren Sicherheit gefährdet ist.5
Das ist der Bestimmung nicht ausdrücklich so zu entnehmen. Vom EuGH, der das
Auslegungsmonopol zum Unionsrecht hat, gibt es noch keine Rechtsprechung zu dieser
Bestimmung, weshalb noch unklar ist, wie die Bestimmung tatsächlich zu verstehen ist. Im
Schrifttum wird aber überwiegend die Meinung vertreten, die Anwendung dieser
Bestimmung erfordere „außergewöhnliche Umstände“ und eine „stichhaltige“ Begründung.6
Zur Auslegung herangezogen werden könnten die Bestimmungen über die
vorübergehende Wiedereinführung der Binnengrenzkontrollen nach dem Schengener
Grenzkodex, wo als Beispiel für eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder
der inneren Sicherheit eine Bedrohung durch „terroristische Zwischenfälle oder
Bedrohungen“ oder solche ausgelöst durch „organisierte Kriminalität“ genannt ist.7 In den
Erwägungsgründen wird dort auch ausdrücklich festgesetzt, dass Migration und das
Überschreiten der Außengrenzen durch eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen (…)
nicht an sich als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit betrachtet
werden“ sollte. 8
Die Fluchtbewegungen des vergangenen Jahres sind nach Ansicht der Caritas in keiner
Weise mit den genannten Kriterien vergleichbar. Die Flucht auch mehrerer tausend
Menschen hat keine mit organisierter Kriminalität oder terroristischen Zwischenfällen
vergleichbaren Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit in
Österreich. Die Menschen suchen Schutz vor Verfolgung, von ihnen geht aber keine Gefahr
aus. Durch die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention ist Österreich die
internationale Verpflichtung eingegangen, Menschen, die Schutz vor Verfolgung suchen,
Schutz zu bieten. Es besteht keine Notwendigkeit, den österreichischen Staat oder seine
2
Bukovacz/Amt der Wiener Landesregierung, Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005
und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden; Gesamtändernder Änderugnsantrag; Stellungnahme, S. 2 f.; abrufbar unter:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SN/SN_00372/imfname_527169.pdf; Zugriff am 23.09.2016
3
Vgl. BM.I., Vorläufige Asylstatistik August 2016; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/2016/Asylstatistik_August_2016.pdf; Zugriff am 23.09.2016
4
Vgl. Caritas, Stellungnahme zum Gesamtändernden Änderungsantrag der Abgeordneten Schabhüttl und Amon, Kolleginnen
und Kollegen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFAVerfahrensgesetz geändert werden (996 d.B.), Seite 3 ff, abrufbar unter:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SN/SN_00396/imfname_527537.pdf; Zugriff am 03.10.2016
5
Vgl. zur Frage, ob Art 72 AEUV diese Möglichkeit überhaupt einräumt: Scholdan/Suntinger/Tretter, Stellungnahme des des
Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte im Begutachtungsverfahren, 20.04.2016; abrufbar unter:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SN/SN_00361/imfname_527158.pdf; Zugriff am 23.09.2016
6
Vgl. Feik in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV, Art 72 AEUV, Rz 1 mit weiteren Nachweisen.
7
Vgl. Art 23a Schengener Grenzkodex.
8
Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1051/2013, 22. Oktober 2013, Erwägungsgrund 5.
3
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
StaatsbürgerInnen vor flüchtenden Menschen zu schützen, sondern vielmehr die
Notwendigkeit, Geflüchtete vor Verfolgung zu schützen.
Selbst wenn die Voraussetzungen für die Abweichung von Sekundärrecht gegeben wären,
muss unionsrechtliches Primärrecht jedenfalls eingehalten werden.
Art 18 Grundrechtecharta – die Teil des Primärrechts ist – räumt ein „Recht auf Asyl“ ein,
das nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zu gewährleisten ist. Das von
der Regierung eingeholte Gutachten, auf das sich diese in den Erläuterungen zur
Einführung des neuen § 36 Asylgesetz im Wesentlichen stützte, geht ohne Hinweis auf
Rechtsprechung oder Literatur davon aus, dass Art 18 Grundrechtecharta nach einhelliger
Meinung keinen subjektiven Anspruch auf Asylgewährung enthält.9 Dem ist zu
widersprechen. Nach einer Reihe von gewichtigen Stimmen lässt sich nämlich aus Art 18
Grundrechtecharta sehr wohl ein subjektiver Anspruch auf Asylgewährung ableiten. Dafür
spricht schon der Titel („Recht auf Asyl“) und die Aufnahme des Rechts in die
Grundrechtecharta.10 Der Ansicht, dass sich aus Art 18 Grundrechtecharta lediglich ein
Abschiebeschutz ergibt, widerspricht Art 19 der Charta. Denn dieser sieht explizit einen
Abschiebeschutz vor und wäre, wenn schon Art 18 nur einen Abschiebeschutz vorsehen
würde, überflüssig. Es kann also keine Rede davon sein, es wäre einhellige Meinung, dass
sich aus Art 18 Grundrechtecharta kein subjektives Recht auf Asyl ableiten ließe. Geht man
von einem solchen subjektiven Recht aus, bedeutet dies, dass Asylsuchende daraus – und
damit aus dem Primärrecht – abgeleitet einen Anspruch darauf haben, „dass ihr Antrag
nach den gesetzlichen, insb sekundärrechtlichen Bedingungen erledigt wird und dass
ihnen, sofern sie die darin aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, Asyl und die damit
verbundenen Rechte gewährt werden“.11 Von dieser Ansicht ausgehend verletzt die
Verordnungsermächtigung Primärrecht der Union, da Asylsuchende bei Anwendung der
Sonderbestimmungen keinen Anspruch darauf haben, dass ihr Antrag auf internationalen
Schutz überhaupt geprüft wird.
Die Verordnungsermächtigung steht auch im Widerspruch zu verfassungsgesetzlichen
Grundsätzen.
Sie widerstreitet wegen der undifferenzierten Ausgestaltung der Verfahrensbestimmungen,
wonach in keinem Fall faktischer Abschiebeschutz und kein Zugang zu einem ordentlichen
Verwaltungsverfahren zur Prüfung des Vorliegens von Gründen, die gegen eine
Außerlandesbringung sprechen, besteht, dem Rechtsstaatsprinzip, einem der Baugesetze
der österreichischen Bundesverfassung.
Da die nachträgliche Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde faktisch nur schwer möglich
sein wird, die gerichtliche Überprüfung wegen der Unmöglichkeit der Durchführung einer
mündlichen Verhandlung nicht umfassend durchgeführt werden kann und die drohende
Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK durch die Zurückweisung oder Zurückschiebung in
einen Nachbarstaat erst im Nachhinein bekämpft werden kann, verletzen die geplanten
Bestimmungen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf eine wirksame
9
Vgl. Obwexer/Funk, „Gutachten Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für den beim Asylgipfel am
20. Jänner 2016 in Aussicht genommenen Richtwert für Flüchtlinge“, 29.03.2016, S. 25
10
Vgl. idS etwa Thallinger, in Holoubek/Lienbacher (Hrsg), GRC-Kommentar (2014), Art 18 GRC, Rz 11 und 14 mwN etwa auf
Grabenwarter; siehe zur reichhaltigen Diskussion im Schrifttum etwa auch Gil-Bazo, The Charter of Fundamental Rights of the
European Union and the Right to be Granted Asylum in the Union’s Law, Refugee Survey Quarterly, Bd. 27 [2008] Heft 3, 3352, 45 von einem „right of individuals“ sprechend oder den Heijer, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward (Hrsg), The EU Charter of
Fundamental Rights. A Commentary, 2014, Art 18 Rz 18.28; Huber, Die Bedeutung der Charta der Grundrechte für das Asylund Flüchtlingsrecht, in: Barwig/Dobbelstein (Hrsg), Den Fremden akzeptieren, Festschrift für Giesbert Brinkmann, 2012, 213222, 219 und Kiel, Asyl als Menschenrecht, in: Krajewski/Reuß/Tabbara (Hrsg), Gesellschaftliche Herausforderungen des
Rechts. Eigentum - Migration - Frieden und Solidarität. Gedächtnisschrift für Helmut Rittstieg, 2015, 163 – 214, insb 176-179
11
Thallinger, in Holoubek/Lienbacher (Hrsg), GRC-Kommentar (2014), Art 18 GRC, Rz 11
4
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Beschwerde gemäß Art 13 in Verbindung mit Art 2, 3 und 8 EMRK.
hinsichtlich des vorgesehenen Verfahrens siehe Punkt 4.
Zu Bedenken
3. Zur Begründung der Gefährdung der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit
Die Begründung des sogenannten „Notstands“ ist aus Sicht der Caritas aus mehreren
Gründen nicht stichhaltig. So werden als Gründe teils seit Jahren bestehende strukturelle
Probleme herangezogen, Kausalitäten und Konnexe hergestellt, die so nicht haltbar sind,
nicht nachvollziehbare Zahlen angegeben und unvollständige Bilder gezeichnet.
Vorab sei darauf hingewiesen, dass sich die Regierung an mehreren Stellen darauf stützt,
dass die Systeme einem nochmaligen „Zustrom“ wie 2015 nicht mehr standhalten können.
Entsprechende Antragszahlen zeichnen sich aber nicht ab, weshalb die genannten
Szenarien nicht wahrscheinlich sind und davon auszugehen ist, dass die derzeitigen und
künftigen Herausforderungen bewältigbar sind.
Zu
den
Bereichen
Verfassungsgerichtshof:
Asyl,
Bundesverwaltungsgericht,
Verwaltungsgerichtshof,
Die Bundesregierung kommt zum Schluss, dass das Asylsystem aufgrund der hohen
Asylantragszahlen im Jahr 2015 erheblich belastet sei und dass die „Prognose eines
anhaltend hohen oder sogar noch stärkeren Migrationszustroms wie jenem des Jahres
2015“ zeige, dass das Asylsystem aufgrund des immer größer werdenden Rückstaus an
offenen Verfahren der Last nicht mehr standhalten werde können. Zuvor wird ein Überblick
über die beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl derzeit offenen Verfahren und die
durchschnittliche Verfahrensdauer gegeben. Außerdem wird der Versuch unternommen
darzustellen, dass eine geradezu enorme Anzahl an Menschen in Nordafrika und den
Nachbarstaaten Syriens lediglich auf die nächste Gelegenheit warte, in die EU und nach
Österreich einzureisen.
Der Begründung ist zunächst entgegen zu halten, dass sich ein anhaltend hoher oder sogar
noch stärkerer Migrationszustrom wie im Vorjahr derzeit in keiner Weise abzeichnet.
Die Regierung versucht einen solchen zu prognostizieren, schlüssig nachvollziehbar und
transparent ist die Begründung dabei nicht:

Einerseits wird ausgeführt, dass die Anzahl der zwischen Jänner und Juni 2016
gestellten Asylanträge ähnlich hoch sei wie im selben Zeitraum des vorigen Jahres.
Dem ist zwar nicht zu widersprechen, wenn man eine Differenz von ca. 2.800
Anträgen als „ähnlich hoch“ betrachten will.12 Allerdings wird mit der Darstellung
lediglich der Zahlen bis Juni 2016 ein unvollständiges Bild wiedergegeben und
dadurch ein wesentlicher Aspekt verschwiegen, nämlich dass die Asylantragszahlen
seit Jänner 2016 insgesamt rückgängig sind: Von Jänner bis August 2016 wurden
ca. 30% weniger Anträge gestellt als im selben Zeitraum des Vorjahres. Im Juni, Juli
und August waren es sogar jeweils rund 60 % weniger.13 Die Tendenz ist also
rückläufig, die Regierung zeichnet durch die Auswertung nur eines Teils der Zahlen
ein falsches Bild.
Von Jänner bis Juni 2016 wurden 2.807 weniger Anträge gestellt als noch im selben Zeitraum 2015, vgl. Asylstatistiken des BM.I für Juni
2016, http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/2016/Asylstatistik_Juni_2016.pdf
13
Jänner bis August 2016: 32.036 Anträge, Jänner bis Juni 2015 45.857 Anträge, vgl. Asylstatistiken des BM.I,
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/start.aspx
12
5
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Quelle: BM.I, http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/2016/Asylstatistik_Juni_2016.pdf

Andererseits wird in der Begründung versucht darzulegen, dass eine große Anzahl
von Menschen außerhalb Europas nur auf eine passende Gelegenheit warte, um so
schnell als möglich nach Europa einzureisen. Dabei wird u.a. von „internationalen
Berichten“ und „Schätzungen“ gesprochen, bezeichnet werden diese Berichte aber
nicht, Quellen der Schätzungen werden nicht genannt. Ein Großteil der Aussagen
ist für die Caritas daher nicht überprüfbar, die Darstellung ist nicht transparent.
Zahlen und Schätzungen, wie viele Menschen etwa nach Libyen geflohen oder aus
anderen Gründen migriert sind, sagen außerdem wenig bis nichts darüber aus, wie
viele Menschen Österreich erreichen wollen, und noch weniger darüber, wie viele
Österreich tatsächlich erreichen werden. Desgleichen sind Behauptungen wie eine
gewisse Anzahl von Menschen würde in Afghanistan eine Migration nach Europa
„ins Auge fassen“ und der Hinweis darauf, dass sich 4,8 Millionen syrische
Schutzsuchende in den Nachbarstaaten Syriens aufhalten, völlig ungeeignet, um
darzulegen, dass in den nächsten Monaten mit einem starken Anstieg an
Schutzsuchenden in Österreich zu rechnen ist. Im Übrigen führt die Regierung
selbst lediglich aus, dass „nicht auszuschließen“ sei, dass mit einer
außergewöhnlich hohen Zahl an Schutzsuchenden zu rechnen sei. Um für 2016
einen „anhaltend hohen oder sogar noch stärkeren Migrationsstrom“ wie 2015 zu
prognostizieren, müsste aber wohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass
ein derartiges Szenario tatsächlich eintritt. Ein solches zeichnet sich, wie im vorigen
Punkt dargelegt, in den nationalen Zahlen aber nicht ab.
In weiterer Folge wird in der Begründung die derzeitige Situation beim Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl (BFA) dargelegt. So sei die durchschnittliche Verfahrensdauer
aufgrund der gestiegenen Antragszahlen mittlerweile (im ersten Halbjahr 2016) auf 7,6
Monate gestiegen. Die geplante Ausweitung der Personalressourcen werde „bei einem
abermaligen Zustrom an Schutzsuchenden wie dem des Jahres 2015“ nicht ausreichend
sein, um den Rückstau an offenen Verfahren eindämmen zu können. Auch die hohe Qualität
der Verfahren könne diesfalls nicht mehr sichergestellt werden.
Dass von gleichen Antragszahlen wie 2015 nicht auszugehen ist, wurde bereits
ausreichend dargestellt. Es ist also davon auszugehen, dass die genannten Probleme nicht
eintreten werden.
Inwiefern lange Verfahrensdauern eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren
Sicherheit darstellen sollen, kann außerdem nicht nachvollzogen werden. Im Übrigen kann
es nur als zynisch bezeichnet werden, wenn einem Menschen der Zugang zum
6
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Asylverfahren mit der Begründung verwehrt wird, dass sein Verfahren zu lange dauern
würde.
Wenn von der sicherzustellenden hohen Qualität der vom BFA geführten Verfahren die
Rede ist, weist die Caritas darauf hin, dass laut Tätigkeitsbericht des
Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) für das Jahr 2015 im Fachbereich Fremdenwesen und
Asyl in fast 44% der Verfahren dem/der Beschwerdeführer/in Recht gegeben und die
Entscheidung des BFA vom BVwG aufgehoben oder abgeändert wurde.14 Aufgrund der
durchschnittlichen Dauer der Beschwerdeverfahren beim BVwG ist davon auszugehen,
dass ein Großteil dieser Aufhebungen Entscheidungen des BFA betraf, die bereits vor dem
Anstieg der Antragszahlen erlassen wurden und daher Mängel in diesen Entscheidungen
nicht auf die hohe Belastung der Behörden aufgrund der gestiegenen Antragszahlen
zurückgeführt werden können. Vielmehr darf angenommen werden, dass dies u.a. mit den
zahlreichen Novellierungen im Bereich zusammenhängt, die zu permanenten Änderungen
der Verfahrensabläufe und einer steigenden Komplexität der Rechtslage führen, auf die
sich EntscheiderInnen immer wieder neu einstellen müssen. Verbesserungspotential in der
Qualität der Verfahren bestand jedenfalls schon vor Anstieg der Antragszahlen und
unabhängig davon, was die Aufhebungsquote belegt.
Wenn die Regierung argumentiert, dass es beim BVwG „bei gleichbleibend hohem
Beschwerdeeingang“ zu einem stetigen Anstieg der Verfahrensdauer und der Anzahl an
offenen Verfahren komme, kann nur das oben Gesagte wiederholt werden: Weder sind
gleichbleibend hohe Zahlen zu erwarten, noch ist nachvollziehbar, weshalb lange
Verfahrensdauern eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit
darstellen sollen. Noch dazu wird die Prognose, dass die Anzahl offener Verfahren bei
gleichbleibendem Beschwerdeeingang zunehmen werde, in Relation zur schrittweisen
Reduktion der Ressourcen beim BVwG gestellt, die ab 2018 erfolgen soll. Die Caritas
kommt nicht umhin, diese Argumentationslinie als absurd zu bezeichnen:
Mittel und Ressourcen zu kürzen, obwohl eine die Gefährdung der öffentlichen Ordnung
und inneren Sicherheit bewirkende Mehrbelastung prognostiziert wird, widerspricht
jeglichen Gesetzen der Logik. In diesem Fall scheint die Regierung die dargestellten
Befürchtungen wie längere Verfahren und einen größeren Rückstau jedoch vollständig in
Kauf zu nehmen, um nicht zu sagen selbst herbeiführen zu wollen.
In die Irre führt außerdem die Ausführung zu den beim BVwG anhängigen Verfahren, da sie
nicht die Zahlen der Tätigkeitsberichte des BVwG wiederspiegeln.15 Wenn die Zahl
anhängiger Beschwerdeverfahren und damit die Verfahrensdauer steigt, ist das zwar nicht
erfreulich, die Caritas weist jedoch darauf hin, dass zum Beispiel bei Errichtung des
Asylgerichtshofes mit 1. Juli 2008 dieser 23.600 offene Beschwerdeverfahren des
seinerzeitigen Unabhängigen Bundesasylsenates zu übernehmen hatte.16 Damals wurde
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht als gefährdet gesehen.
Intransparent bleibt die Darstellung der Regierung in Bezug auf die erwarteten Mehrkosten
durch einen erhöhten Beschwerdeeingang im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts. Aus
der Darstellung geht nicht hervor, ob sich „[d]ie im Zusammenhang mit dem hohen Anfall
an Beschwerdeverfahren entstehenden Kosten“ (3 Mio. Euro im Sachaufwand und 8,2 Mio
Euro im Personalaufwand) nur auf Beschwerdeverfahren im Bereich des Asyl- und
Fremdenwesens – und hier nur auf die Mehrkosten oder die Gesamtkosten für den Bereich
Bundesverwaltungsgericht, Tätigkeitsbericht 2015, Seite 33, abrufbar unter https://www.bvwg.gv.at/allgemeines/taetigkeitsbericht/BVwGTaetigkeitsbericht_2015_bf.pdf?5i84tj
15
Vgl. BVwG, Tätigkeitsberichte 2014 und 2015, Seiten 22 bzw. 30, abrufbar unter
https://www.bvwg.gv.at/allgemeines/taetigkeitsbericht/Taetigkeitsbericht.pdf?5i84rx und
https://www.bvwg.gv.at/allgemeines/taetigkeitsbericht/BVwG-Taetigkeitsbericht_2015_bf.pdf?5i84tj
16
Vgl. Asylgerichtshof, Tätigkeitsbericht 2009, Seite 3, abrufbar unter
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/III/III_00203/imfname_203914.pdf Diese Zahlen bezogen sich sogar nur auf Asylverfahren
und nicht den erweiterten (fremdenrechtlichen) Kompetenzbereich, den das BVwG hat.
14
7
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
– beziehen oder auf die insgesamt gestiegene Zahl an Beschwerdeverfahren beim BVwG.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der Verfahrensanstieg beim
BVwG 2015 nicht nur auf einen Verfahrensanstieg im Bereich Fremden- und Asylwesen
zurückzuführen ist, sondern auch auf einen Zuwachs in den Bereichen Marktordnung und
Dienst- und Disziplinarrecht der Beamten.17
Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen,
- dass ein erhöhter Anstieg an Beschwerden entsprechend der Einschätzung des
Verwaltungsgerichtshofs (s.u.) auch aufgrund der letzten Novellierung des
Asylgesetzes („Asyl auf Zeit“, Einschränkung des Familiennachzuges) zu erwarten
sein wird und somit zu einem nicht unwesentlichen Teil „hausgemacht“ erscheint.
Auf diese Folge hat beispielweise die Caritas im Rahmen des
Begutachtungsverfahrens zu dieser Novelle nachdrücklich hingewiesen.
- dass eine höhere Qualität der Entscheidungen des BFA – fast 44% der
Entscheidungen des BFA wurden im letzten Jahr vom BVwG aufgehoben oder
abgeändert18 – zu einer Entlastung des BVwG beitragen würde, und
- dass Mehrkosten in Verwaltung und Justiz wohl keine Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
darstellen können.
Für die Bereiche des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) und Verfassungsgerichtshofs
ergibt sich nichts Neues: Die Regierung argumentiert mit steigenden Kosten durch einen
Zuwachs an Verfahren. Dass nicht erkennbar ist, inwiefern dadurch die öffentlichen
Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind, wurde bereits mehrmals dargelegt.
Erwähnenswert
erscheint
aber
doch,
dass
die
derzeitige
Anzahl
der
Beschwerden/Revisionen von Asylsuchenden an die Höchstgerichte nicht in den letztjährig
gestiegenen Antragszahlen begründet liegt. Aufgrund der Verfahrensdauer beim BFA und
BVwG ist nämlich anzunehmen, dass bisher nur wenige dieser Fälle bereits die
Höchstgerichte erreicht haben (ausgenommen allenfalls Dublin-Verfahren). Der VwGH
selbst führt den letztjährigen Anstieg an Verfahren im Asylbereich übrigens darauf zurück,
„dass das neue System der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit mittlerweile auf allen
Ebenen angelaufen ist“.19 Für 2016 prognostiziert der VwGH einen weiteren Anstieg an
Revisionsverfahren im Asylbereich. Diese Annahme stützt er jedoch nicht allein auf
gestiegene Antragszahlen und eine Aufstockung der Ressourcen beim BFA und BVwG,
welche zu einer erhöhten Entscheidungstätigkeit und in der Folge Revisionen führen werde.
Den Grund für eine erwartete Steigerung des Verfahrensanfalles in Asylsachen führt der
VwGH auch auf die jüngste Novelle im Asylgesetz zurück, welche dazu führen wird, dass
Asylsuchende im Zusammenhang mit der Einschränkung der Familienzusammenführung
und der Aberkennung des Status („Asyl auf Zeit“) vermehrt den Rechtsmittelweg bestreiten
werden.20
Auch der erwarteten Steigerung der Verfahrenszahlen beim VwGH stehen Reduktionen
des Budgets des VwGH gegenüber21. Zur fehlenden Logik einer solchen Vorgangsweise,
durch die Engpässe bewusst in Kauf genommen bzw. produziert werden, wird auf die
obigen Ausführungen zum BVwG verwiesen.
Vgl. BVwG, Tätigkeitsbericht 2015, Seite 26, abrufbar unter https://www.bvwg.gv.at/allgemeines/taetigkeitsbericht/BVwGTaetigkeitsbericht_2015_bf.pdf?5i84tj
18
BVwG, Tätigkeitsbericht 2015, Seite 33, abrufbar unter https://www.bvwg.gv.at/allgemeines/taetigkeitsbericht/BVwGTaetigkeitsbericht_2015_bf.pdf?5i84tj
19
Vgl. VwGH, Tätigkeitsbericht 2015, Seite 4, abrufbar unter
https://www.vwgh.gv.at/gerichtshof/taetigkeitsberichte/taetigkeitsbericht2015.pdf?5koply
20
Vgl. VwGH, Tätigkeitsbericht 2015, Seiten 5-6.
21
Ebda.
17
8
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Freilich wird die im letzten Jahr gestiegene Zahl der Anträge früher oder später auch in
deutlich mehr Verfahren beim Verwaltungs- und beim Verfassungsgerichtshof Niederschlag
finden. Aber auch die Verordnung selbst kann zu einem Anstieg an (Beschwerde-)
Verfahren führen: Nach Ansicht der Caritas ist nicht abschätzbar, wie viele Asylsuchende
im Falle des Inkrafttretens der Verordnung ein Rechtsmittel ergreifen werden, um ihre
Rechte aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Grundrechtecharta
der EU durchzusetzen (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Schutz vor
Abschiebung in einen Staat, in dem unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht,
Recht auf Asyl). Dies wäre in die Überlegungen einzubeziehen, um ein vollständiges Bild zu
malen.
Zum Arbeitsmarkt
Die angespannte Lage am Arbeitsmarkt wird als weitere Begründung für das Bestehen der
Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit angeführt. Zweifelsohne ist die
Lage am Arbeitsmarkt angespannt und eine Erholung dieser Lage in nächster Zeit nicht zu
erwarten. Dass diese Anspannung auf die Anzahl der Schutzberechtigten in Österreich
zurückzuführen wäre, ist allerdings ein Scheinargument. Wie alle Zahlen belegen, war die
Arbeitslosigkeit auch vor der großen Fluchtbewegung von 2015 in Österreich auf einem
Höchststand. Die entscheidende Frage ist, ob der prognostizierte zusätzliche Anstieg der
Arbeitslosigkeit überhaupt ein Argument für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sein
kann. Hier lohnt ein Blick über die Grenzen, denn selbst bei einem, in den Erläuterungen
angeführten, Anstieg der Arbeitslosenrate auf 6,1%, wäre Österreich noch immer weit unter
dem EU-Schnitt von 8,6%.
Quelle Wifo (Zahlen für Österreich Juli 2016)
Die o.a. Abbildung verdeutlicht eindringlich die Absurdität dieser konstruierten „Notlage“
und Gefährdung im Bereich Arbeitsmarkt, wenngleich man selbstverständlich sagen muss,
dass die Lage herausfordernd ist (in ganz Europa).
Das Wifo bewertet die Zukunftsaussichten als „generell nicht schlecht“, aber es gäbe
„wichtige Probleme, die einer Lösung harren“. Beispielsweise seien aufgrund der auch
weiterhin prognostizierten niedrigen Wachstums- und höheren Arbeitslosenrate
sozialpolitische Vorkehrungen und Investitionen in Bildung besonders wichtig.
9
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Zum Sicherheits- und Strafvollzugsbereich:
Zur Begründung der Gefährdung wird auch von einem Anstieg der Kriminalität von
AsylwerberInnen und Fremden gesprochen.
Das dargestellte Bild ist zum einen unvollständig, da nicht erwähnt wird, dass die
Gesamtkriminalität seit Jahren rückläufig ist22 und 2015 einen erneuten Tiefstand erreichte.
Die neuesten öffentlichen Zahlen zur Kriminalität liegen zu 2015 vor. In diesem Jahr gab es
um 1,9 % weniger Anzeigen23 und 2,6 % weniger Verurteilungen als 2014,24 sowie die
wenigsten Anzeigen der letzten 10 Jahre25 und so wenige Verurteilungen wie noch nie.26
Unerwähnt bleibt ebenso, dass die Anzahl der tatverdächtigen AsylwerberInnen in Relation
zu den gestellten Asylanträgen von 2014 auf 2015 stark zurück gegangen ist: So waren
2014 von 1.000 AsylwerberInnen 371 tatverdächtig, 2015 aber nur noch 161. Dass die
Anzahl der tatverdächtigen Asylsuchenden in absoluten Zahlen gestiegen ist (um 38,8%27),
ergibt sich naturgemäß daraus, dass sich diese Personengruppe schlicht vergrößert hat.
Darüber hinaus wird das Bild verzerrt, weil verschiedene Personengruppen miteinander
vermischt werden. Einerseits ist festzuhalten, dass „Tatverdächtige“ nicht gleich
„Verurteilte“ sind und somit bei ersteren überhaupt nicht erwiesen ist, ob die Person eine
Straftat begangen hat, sie wird dieser vielmehr nur „verdächtigt“. Nur ein Bruchteil der
Verdächtigten wird tatsächlich rechtskräftig verurteilt: 2014 gab es z.B. 525.000 Anzeigen,
aber nur knapp 33.000 rechtskräftige Verurteilungen. 28 29
Andererseits dürfen „Fremde“ nicht mit „AsylwerberInnen“ gleichgesetzt werden. Die
Erläuterungen erwähnen Anzeigen und Urteile gegen „Fremde“ neben jenen gegen
Asylsuchende, sowie „fremde“ Gefängnisinsassen, ohne zu spezifizieren, wer damit
gemeint ist. „Fremde“ sind alle, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Die meisten fremden Tatverdächtigen kamen 2015 jedoch nicht aus den Staaten, aus
welchen die meisten Asylsuchenden kamen (Afghanistan, Syrien, Irak), sondern aus
Rumänien und Deutschland.30
Hierzu sei noch bemerkt, dass es keine Zahlen zu Verurteilungen von AsylwerberInnen gibt,
es sich also nicht eruieren lässt, wie viele Geflüchtete nun tatsächlich kriminell geworden
sind. Aus Erfahrung der Caritas ist es außerdem nicht auszuschließen, dass Geflüchtete
angesichts wiederholter Fälle von falschen Nachrichten zu angeblichen Überfällen oder
sonstigen Verbrechen Gefahr laufen, öfter als andere Personengruppe fälschlich angezeigt
zu werden.
Schlicht nicht nachvollziehbar ist, was der Hinweis auf die gestiegene Zahl der
Strafverfahren wegen Terrorismusstraftatbeständen zur Begründung beitragen kann. Die
Vgl. Bundeskriminalamt, Sicherheit Österreich 2015, S. 12; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BK/publikationen/krim_statistik/2015/1342016_Web_Sicherheit__2015.pdf; Zugriff am 17.07.2016
23
Vgl. Bundeskriminalamt, „Sicherheit Österreich 2015“, S. 56; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BK/publikationen/krim_statistik/2015/1342016_Web_Sicherheit__2015.pdf; Zugriff am 17.05.2016
24
Vgl. BM.J., Sicherheitsbericht 2015, S. 39; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Service/SIB_2015/SiB_2015_Endfassung_BMJ.pdf; Zugriff am 17.07.2016
25
Vgl. Bundeskriminalamt, Sicherheit Österreich 2015, S. 12; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BK/publikationen/krim_statistik/2015/1342016_Web_Sicherheit__2015.pdf; Zugriff am 17.07.2016
26
Vgl. Bundeskriminalamt, „Sicherheit Österreich 2015“, S. 56; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BK/publikationen/krim_statistik/2015/1342016_Web_Sicherheit__2015.pdf; Zugriff am 17.05.2016
27
Vgl. Bundeskriminalamt, „Sicherheit Österreich 2015“, S. 31; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BK/publikationen/krim_statistik/2015/1342016_Web_Sicherheit__2015.pdf; Zugriff am 17.07.2016; Die Zahl der
Asylanträge verdreifachte sich im selben Zeitraum von 28.064 Asylanträgen 2014 auf 88.340 Asylanträge 2015, Vgl. BM.I., Asylstatistik
2015; abrufbar unter: http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/Asyl_Jahresstatistik_2015.pdf; Zugriff am 17.07.2016
28
Vgl. Statistik Austria, „Gerichtliche Kriminalstatistik 2014“, S. 20
29
152.195 Fälle wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt, 41.534 diversionell erledigt und bei 10.677 kam es zu einem gerichtlichen
Freispruch; Freilich kann man die Statistiken nicht 1:1 gegenüberstellen, denn sie erfassen die Taten zu verschiedenen Zeitpunkten und nach
verschiedenen Erfassungsmodalitäten. Z.B. waren 2014 bei der Justiz noch Fälle aus Vorjahren anhängig und nicht alle 2014 angezeigten
Fälle wurden auch 2014 endgültig erledigt. Nicht jede polizeiliche Anzeige mündet in ein gerichtliches Strafverfahren; Vgl. BM.I.,
Sicherheitsbericht 2014 Anhang, S. 6; Statistik Austria, „Gerichtliche Kriminalstatistik 2014“, S. 21
30
Vgl. BM.I., Kriminalitätsbericht Statistik und Analyse 2015, S. B 27; abrufbar unter:
http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Service/SIB_2015/Kriminalitaetsbericht_Statistik_2015.pdf; Zugriff am 23.09.2016
22
10
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Regierung bleibt eine Erklärung schuldig, inwiefern diese in einem
Zusammenhang mit der Anzahl von Schutzsuchenden in Österreich steht.
kausalen
Zu den Bereichen Grundversorgung, Integration, Gesundheit:
Grundversorgung: Nach den Erläuterungen könnte die Versorgung und Unterbringung der
Schutzsuchenden bei neuerlichen Antragszahlen wie 2015 – die wie dargestellt nicht zu
erwarten sind – nicht mehr sichergestellt werden. Hierzu sei angemerkt, dass die
Kapazitäten in der Grundversorgung deutlich ausgebaut wurden. Die Erfahrung hat also
gezeigt, dass ein Ausbau möglich ist. Im Übrigen sind derzeit hunderte
Grundversorgungsplätze ungenutzt. Eine Gefahr der Obdachlosigkeit besteht also derzeit
nicht und es kann daraus keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren
Sicherheit abgeleitet werden.
Integration: Die Caritas verkennt nicht, dass die Integration von zuwandernden Menschen
eine Herausforderung auf beiden Seiten darstellt. Wenn Integration ernst genommen wird,
sind diese Herausforderungen jedoch bewältigbar. Hierfür ist es notwendig, frühestmöglich
zu investieren und Integrationsmaßnahmen ab dem Tag der Ankunft in Österreich zu
setzen. So können z.B. die in den Erläuterungen angesprochenen Kosten für
DolmetscherInnen und muttersprachliches Gesundheitspersonal durch früh einsetzende
flächendeckende Deutschkurse für Asylsuchende verringert werden. Die Caritas begrüßt im
Sinne der Rechtssicherheit die angestrebte Verbesserung der Rahmenbedingung für
nachhaltige Integration, wie insbesondere die Erstellung eines Katalogs an gemeinnützigen
Tätigkeiten, die Asylsuchende in Gemeinden ausüben dürfen. Was den Wohnraum und
Bildungsbereich betrifft, so schließt sich die Caritas den Erläuterungen insofern an, als die
Bereiche durch einen „Mangel an personellen und materiellen Strukturen“ gekennzeichnet
sind. Strukturelle Mängel sind aber nicht geeignet, eine Gefährdung der Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit durch neu ankommende
Geflüchtete zu begründen. Die angesprochenen Mängel bestehen seit vielen Jahren und
wurden nicht durch Schutzsuchende verursacht.
Zu den Belastungen des Staatshaushaltes:
Die Belastungen des Staatshaushaltes werden nicht nur in einem eigenen Punkt der
Erläuterungen ausgeführt, sondern das Kostenargument zieht sich durch die gesamte
Begründung. Es entsteht der Eindruck, die von der Regierung gesehene Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit liege ausschließlich
in Mehrkosten, die durch ankommende Geflüchtete in verschiedenen Bereichen entstehen.
Dies ist auf mehrfache Weise irritierend. Zum einen ist fraglich, ob derartig schwere Eingriffe
in grundlegende Menschenrechte überhaupt mit einer Belastung des Staatshaushalts
begründet werden können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Österreich das
viertreichste EU-Land ist31, und dass die zusätzlichen Belastungen Griechenlands, die
durch die geplante Verordnung und den befürchteten Dominoeffekt eintreten würden, nicht
absehbar sind, erscheint dieses Argument nicht schlagend. Dies abschließend zu
beurteilen wird jedoch Sache des EuGH sein.
31
Vgl. http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?query=BOOKMARK_DS-053404_QID_-251D042F_UID_3F171EB0&layout=TIME,C,X,0;GEO,L,Y,0;INDIC_NA,L,Z,0;AGGREG95,L,Z,1;INDICATORS,C,Z,2;&zSelection=DS053404INDIC_NA,EXP_PPS_EU28_HAB;DS-053404AGGREG95,00;DS053404INDICATORS,OBS_FLAG;&rankName1=INDICATORS_1_2_-1_2&rankName2=AGGREG95_1_2_1_2&rankName3=INDIC-NA_1_2_-1_2&rankName4=TIME_1_0_0_0&rankName5=GEO_1_2_0_1&sortC=ASC_1_FIRST&rStp=&cStp=&rDCh=&cDCh=&rDM=true&cDM=true&footnes=false&empty=false&wai=false&time_mode=ROLLING
&time_most_recent=true&lang=EN&cfo=%23%23%23%2C%23%23%23.%23%23%23; Zugriff am 23.09.2016
11
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Zudem wird hier ein unvollständiges Bild gezeichnet, wenn aufgezählt wird, welche Kosten
ein „weiterer Zustrom wie 2015“ verursachen würde, aber kein Wort darüber verloren wird,
welche Kosten durch die Verordnung selbst, die dafür notwendigen Grenzkontrollen und
die einzurichtenden Registrierzentren entstehen würden.
Außer Acht gelassen werden ebenso positive Effekte der Fluchtbewegungen von 2015, wie
die Schaffung von Arbeitsplätzen, der sofortige expansive Effekt auf die Wirtschaft und das
Faktum, dass die Auswirkungen der Fluchtbewegungen von 2015 auf den Staatshaushalt
mittel- und langfristig von verschiedenen Faktoren abhängen. Langfristig hängen die
wirtschaftlichen Auswirkungen davon ab, wie schnell die Geflüchteten in den Arbeitsmarkt
integriert werden. Rasche Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen bringt wichtige
wirtschaftliche, fiskale und soziale Vorteile. Damit würden ihre Beiträge zum Staatshaushalt
langfristig
maximiert
werden.
Verdrängungseffekte
gegenüber
einheimischen
32
ArbeitnehmerInnen werden als kurzfristig und gering eingeschätzt.
4. Verfahren
Für den Fall des Inkrafttretens der Sonderverordnung käme es zu einer weitreichenden
Einschränkung des Zugangs zum Asylverfahren in Österreich, die rechtsstaatlichen
Grundsätzen widerspricht.
Anträge auf internationalen Schutz sollen dann nur mehr beim Grenzübertritt persönlich vor
einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeibeamte bzw. Grenzkontrollorgane)
gestellt werden können. Nach Antragstellung sollen Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes prüfen, ob die schutzsuchende Person an der Einreise in das
Bundesgebiet gehindert werden kann bzw. in das Land, aus welchem sie nach Österreich
kam, zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden kann. Eine Zurückweisung oder
Zurückschiebung wäre nur dann unzulässig, wenn dadurch eine Grundrechtsverletzung,
konkret eine Verletzung des Rechts auf Leben, des Verbots der unmenschlichen oder
erniedrigenden Behandlung oder Strafe oder des Rechts auf Achtung des Privat- und
Familienlebens33 zu befürchten ist. Ob eine Verletzung dieser Grundrechte vorliegt,
entscheidet in diesem Verfahren aber keine Spezialbehörde, sondern die Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes. Dafür ist kein förmliches Verfahren und kein
(bekämpfbarer) Bescheid vorgesehen. Es sind auch keinerlei Ausnahme- oder
Sonderregelungen für besonders vulnerable Gruppen vorgesehen (im Gesetz ist
beispielsweise lediglich festgehalten, dass bei der Entscheidung das Kindeswohl
„besonders zu berücksichtigen“ ist).
Mangelhafter Rechtsschutz
Eine Überprüfbarkeit der Entscheidung der Grenzkontrollorgane soll nur sehr
eingeschränkt möglich sein: Gegen die Zurückweisung bzw. Zurückschiebung ist die
Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht (LVwG)
zulässig.34
32
Vgl. IWF-Studie: International Monetary Fund
(Aiyar/Barkbu/Batini/Berger/Detragiache/Dizioli/Ebeke/Lin/Kaltani/Sosa/Spilimbergo/Topalova – authorized by Thomsen),
Jänner 2016, “The Refugee Surge in Europe: Economic Challenges”, S. 32 f.
33
Vgl. Art. 2, 3 und 8 EMRK
34
§ 41 Abs 2 AsylG
12
Stellungnahme Caritas Österreich zur Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit
Die Caritas hat bereits in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, mit dem die
gesetzliche Möglichkeit der Erlassung einer Sonderverordnung geschaffen wurde, auf den
mangelhaften Rechtsschutz in den damit einhergehenden Verfahren hingewiesen35:
- Es besteht kein faktischer Abschiebeschutz für den Fall, dass eine
Maßnahmenbeschwerde erhoben wird, d.h. die betreffende Person kann sofort
zurückgeschoben werden, ohne dass die Überprüfung der Entscheidung der
Grenzkontrollorgane durch das LVwG abgewartet werden müsste.
- So besteht lediglich die Möglichkeit, nach einer Zurückschiebung/Zurückweisung –
vom Ausland aus – Rechtsmittel zu ergreifen. Für zurückgewiesene/
zurückgeschobene Menschen wird es aber so gut wie unmöglich sein, aus den
Staaten, in welche sie zurückgewiesen/zurückgeschoben wurden, ihre Rechte
durchzusetzen.
- Im Rahmen dieser Verfahren ist kein Zugang zu einer Rechtsberatung gegeben, da
die betreffenden Menschen während der Prüfung, ob eine Zurückschiebung/
Zurückweisung möglich ist, in einem sog. Registrierzentrum angehalten werden. Es
ist daher auch fraglich, wie die Menschen überhaupt Kenntnis von ihren Rechten
erhalten sollen.
- Sie müssen die Beschwerde bei einem österreichischen Verwaltungsgericht in
deutscher Sprache einbringen. Sie werden dazu also mit dem österreichischen
Recht vertrauter rechtlicher Vertretung und/oder Beratung bedürfen, zu der sie
keinen Kontakt herstellen werden können.
- Das LVwG wird nur schwer eine mündliche Verhandlung durchführen können, da die
betroffenen Personen nicht zur Einreise in das Bundesgebiet berechtigt sind und
daher auch nicht an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen werden können.
Ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird eine effektive Prüfung, ob
eine Grundrechtsverletzung vorgefallen ist, aber nicht erfolgen können.
- Das Maßnahmenbeschwerdeverfahren ist zudem kostenersatzpflichtig.36
Dass der Rechtsschutz in derartigen „Grenzverfahren“ nicht rechtsstaatlichen
Verfahrensstandards
entspricht,
haben
mehrere
Entscheidungen
des
37
Landesverwaltungsgerichts Steiermark gezeigt : Es erkannte mehrere Zurückweisungen
Schutzsuchender im Frühjahr 2016 an der steirisch-slowenischen Grenze als rechtswidrig.
Das LVwG stellte dabei u.a. Mängel in der Begründung der Entscheidung der
Grenzkontrollorgane fest. Diese hätten die Einreiseverweigerung lediglich rudimentär
begründet. Weiters hätten die Grenzkontrollorgane Feststellungen getroffen, die in einem
Asylverfahren relevant wären und daher nur von der Asylbehörde getroffen werden könnten
(beispielsweise dass die Betreffenden aus keinem Kriegsgebiet kämen). In diesem
Zusammenhang hätten die Grenzkontrollorgane sich überdies mitunter von der
„präjudiziellen Beurteilung“ des/der Dolmetschers/in leiten lassen. Das LVwG führte aus,
dass die Behörde verpflichtet gewesen wäre, die Qualifikation der DolmetscherInnen zu
prüfen und diese in „fundamentale Grundlagen ihrer Arbeit“ einweisen hätte müssen. Die
eingesetzten DolmetscherInnen hatten teilweise so rudimentäre Deutschkenntnisse, dass
eine Verständigung kaum möglich war.
35
Vgl. Caritas, Stellungnahme zum Gesamtändernden Änderungsantrag der Abgeordneten Schabhüttl und Amon, Kolleginnen
und Kollegen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFAVerfahrensgesetz geändert werden (996 d.B.), Seite 3 ff, abrufbar unter:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SN/SN_00396/imfname_527537.pdf, Zugriff am 03.10.2016
36
Die Beschwerdeerhebung selbst verlangt die Bezahlung von Bundesgebühren in Höhe von EUR 30,00, im Falle des
Unterliegens können Verfahrenskosten zwischen EUR 426,20 und EUR 887,20 anfallen.
37
LVwG, 20.3-870/2016, 20.3-873/2016 20.3-912/2016, 20.3-915/2016 und 20.3-918/2016, jeweils vom 9.9.2016
13