Manuskript downloaden

SÜDWESTRUNDFUNK
Anstalt des öffentlichen Rechts
Radio  Fernsehen  Internet
PRESSE Information
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Andreas Hölzel vom ADAC, gab heute, 06.10.16, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Blaue
Umweltplakette (Anlass Verkehrsministerkonferenz in
Stuttgart)“. Das „SWR2 Tagesgespräch“
führte Florian Rudolph.
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Chefredaktion Hörfunk
Zentrale Information
SWR Tagesgespräch
Postadresse 76522 Baden-Baden
Hausadresse Hans-Bredow-Straße
76530 Baden-Baden
Telefon
Telefax
07221/929-23981
07221/929-22050
Internet
www.swr2.de
Datum:
06.10.2016
Andreas Hölzel vom ADAC lehnt die blaue Plakette für besonders schadstoffarme
Fahrzeuge ab. Sollte sie kommen, dann müsse es Ausnahmen geben.
Baden-Baden: Für besonders umweltschädliche Dieselfahrzeuge könnte es in deutschen
Großstädten bald Fahrverbote geben. Voraussetzung ist, dass die blaue Umweltplakette
kommt, die Umweltministerin Hendricks im Frühjahr ins Gespräch gebracht hat. Die Plakette
kennzeichnet besonders schadstoffarme Motoren und über ihre Einführung beraten die
Verkehrsminister von Bund und Ländern bei ihrem Treffen ab heute in Stuttgart.
Bundesverkehrsminister Dobrindt lehnt die blaue Plakette bislang ab und auch vom ADAC
kommt Widerstand.
Andreas Hölzel vom ADAC warnt im SWR-Tagesgespräch davor, rund 13 Millionen Fahrzeuge
aus den Innenstädten zu verbannen, die nicht den Anforderungen der blauen Plakette genügen.
Darunter seien auch Autos, die erst wenige Jahre alt sind und von ihren Besitzern im Vertrauen
darauf gekauft wurden, dass sie sauber sind. Sollte die Umweltplakette kommen, so müsse es
Ausnahmen für Handwerk und Handel sowie Anwohner geben.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Rudolph: Der ADAC lehnt sie ja ab und auch Tempo 30 sehen Sie da nicht als Mittel der
Wahl. Was bleibt denn da noch übrig?
Hölzel: Tempo 30 – das haben wir erst kürzlich mit einer Studie vorgestellt, bringt gar nichts, um
die Luft sauberer zu machen. Das ist ein Mittel, um Verkehrssicherheit zu verbessern in
Wohngebieten oder vor Schulen.
Rudolph: Aber was bringt dann was?
Hölzel: Jede Menge anderer Möglichkeiten auch neben einer Plakette, zum Beispiel das
Thema Verkehrsverflüssigung. Je flüssiger der Verkehr ist, umso besser ist es, umso geringer
sind die Schadstoffe. Das ist mal eine Sache. Dann zum Beispiel die Grüne Welle, die
verflüssigt den Verkehr insgesamt intelligente Verkehrsvernetzungen, Verkehrsleitsysteme, die
den Verkehr intelligent steuern. Das sind Mittel, die unserer Meinung nach schon sehr viel
bringen rund 30 Prozent weniger Stickoxid.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Rudolph: Jetzt ist es ja nicht so, als ob das nicht alles schon einmal probiert worden
wäre. Wenn man jetzt in Stuttgart sogar schon darüber nachdenkt, Moosbewuchs zur
Luftreinigung einzusetzen. Ist das nicht einseitig, jetzt immer allein auf technische
Lösungen zu setzen oder auch zu hoffen?
Hölzel: Ganz und gar nicht. Gerade was die Antriebstechnologie betrifft, also die Motoren sind
längst in der Lage, weniger Stickoxide zu emittieren als das heute der Fall ist, das heißt hier ist
in der Tat die Fahrzeugindustrie in der Pflicht, endlich diese Motoren anzubieten, auf den Markt
zu bringen. Es ist ja nicht so, dass wir uns gegen alles wehren, was die Luft sauberer macht,
das darf man so wirklich nicht sehen, sondern es ist ganz klar, dass da was geschehen muss,
denn schließlich besteht ja auch der Druck seitens der EU und den Grenzwerten. Aber man darf
auch nicht vergessen, es geht hier um die Aussperrung von rund 13 Millionen Fahrzeugen, die
dann theoretisch betroffen wären und ich denke, man sollte schon auch sehen, dass hier
Autofahrer, die erst vor ein oder zwei Jahren ein Auto gekauft haben, im Vertrauen darauf, dass
es sauber ist und dass es den neuesten Ansprüchen genügt, ausgesperrt werden sollen. Das
finde ich, das sollte man zumindest diskutieren, bevor man sie aussperrt und dann überlegen,
ob es nicht doch noch andere Möglichkeiten gibt.
Rudolph: Das können wir gleich noch einmal vertiefen, aber es gefällt mir, dass Sie die
Hersteller ansprechen. Jetzt wissen wir ja aus dem Dieselskandal, dass auf
Herstellerangaben zum Schadstoffausstoß kein Verlass ist. Außerdem was bringt es,
Verkehr umzuleiten oder zu steuern, wenn der Schadstoffausstoß am Ende gleich bleibt?
Hölzel: Wir müssen natürlich den Punkt, die tatsächlichen Abgasmesswerte, die wirklich
rauskommen, zusammenbringen - auch mit den gesetzlichen Grenzwerten. Es hat keinen Sinn,
wenn da eine Lücke klafft. Das Ganze ist ja der Fall, das wird ja in den nächsten Jahren
geschehen, aber erst dann, ich denke ab dem Jahr 2020 werden wir wirklich auch die neuen
typzugelassenen Modelle haben, wo dann tatsächlich die Real-Drive-Emissionen tatsächlich
auch so gelten. Dann sind wir schon einen Schritt weiter.
Rudolph: Müsste man die Automobilindustrie vielleicht noch härter ran nehmen?
Hölzel: Warum seitens der Automobilindustrie da bei diesem Thema doch relativ beharrlich
geschwiegen wird, weiß ich nicht, aber die Möglichkeiten, Fahrzeuge sauberer anzubieten, die
gibt es auch heute schon. Deswegen denke ich, könnte man, bevor man an Aussperrungen
geht, hier schon auch etwas mehr tun.
Rudolph: Diesel verteuern und damit den Anreiz abschaffen, wäre das auch eine
Möglichkeit?
Hölzel: Das ist sicher keine Möglichkeit. Der Diesel ist ja nicht billig in dem Sinn, sondern er ist
einfach billiger. Dafür zahlen aber Dieselfahrer eine höhere KFZ-Steuer. Warum der Diesel so
billig ist – es gab mal einen Grund dafür, das war einfach, um die Nutzfahrzeuge um das
Speditionswesen damit ein bisschen zu fördern.
Rudolph: Im Kampf gegen die blaue Plakette, wen sehen Sie denn da politisch an Ihrer
Seite, wenn man guckt, dass ja selbst die CDU in Baden-Württemberg dafür ist und
Bundesumweltministerium und Naturschutzverbände ja sowieso?
Hölzel: Zur Situation der CDU in Baden-Württemberg kann ich jetzt nichts sagen, aber ganz
allgemein denke ich, dass schon auch in der Bundesregierung es Stimmen gibt, die jetzt nicht
zwingend für eine blaue Plakette sind, sondern die sich das ganze Thema schon sehr überlegt
anschauen.
Rudolph: Im Moment ist es ja allein unser Verkehrsminister, Herr Dobrindt von der CSU,
der die Plakette auf Eis legen will, gegen mächtigen Widerstand.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Hölzel: Aber auf Eis gelegt hatte sie ja auch die Umweltministerin, Frau Hendricks, im Sommer.
Klar, wie das weitergeht, muss man abwarten. Ich weiß auch nicht einmal genau, ob es wirklich
schon ganz konkrete Vorschläge gibt, wie das Ganze gehen soll. Sollte es eine blaue Plakette
geben, wovon man ja auch ausgehen kann, dann sind wir allerdings schon sehr dafür, dass es
auf jeden Fall Ausnahmeregelungen geben muss, wenn ich beispielsweise an Handwerk denke
oder Handel in betroffenen Gebieten. Man sollte auch bitte die ganzen Anwohner, die
Dieselfahrzeuge haben, die betroffen sind, berücksichtigen. Die auszusperren, denke ich, das
verbietet sich, das geht nicht. Da sollte man auf jeden Fall Lösungen finden, die irgendwo
verträglich sind.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)