Flyer zum Herunterladen - Braunschweiger Initiative für eine andere

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„Dem Volk aufs Maul schauen ist etwas ganz anderes
als dem Volk nach dem Mund reden.“
(Bertolt Brecht)
Nov 2016
Populistische Strömungen haben Konjunktur. Einige sprechen
von einer neuen „populistischen Situation“. Von links bis rechts
wird die Krise gesellschaftlicher und politischer Repräsentation
als Entstehung einer postdemokratischen oder patrimonialen
Herrschaft gedeutet, die die Kluft zwischen Volk und Eliten
vertieft. Gramsci scheint den Weg zu allen Formen populistischer Kritik und Strategie geebnet zu haben: Er sprach von
einem „gesunden Kern“ des Alltagsverstands. Er zeigte, dass
die unter­geordneten Klassen ohne die Herausbildung eines
„na­tional-popularen Kollektivwillens“ nicht ins politische Leben
treten können. Zugleich aber kritisierte er jede Anbiederung an
die „primitiven“ Momente des Alltagsbewusstseins, da sie nur
„langweilige und papageienhafte Phraseologie“ hervorbringt.
Sie blockiert die Herausbildung einer „neuen Kultur“, die für die
Befreiung der subalternen Klassen erforderlich ist.
Gramsci gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren ist Verrat. – In diesem
Sinn nehmen die Braunschweiger Gramsci Tage ihr 10-jähriges
Jubiläum zum Anlass, Kategorien und Begriffe der praktischen
Philosophie Gramscis historisch-kritisch zu hinter­fragen und
mit aktuellen Entwicklungen zu konfrontieren. Können sich
gegenwärtige populistische Befunde und Strategien tatsächlich
auf Gramscis Konzepte des Alltagsverstands und der Hegemonie berufen? Befinden wir uns wirklich in einer „populistischen
Situation“, die nur durch einen linken Populismus beantwortet
werden kann, um neo-faschistische Entwicklungen abzuwenden? Lassen sich heute Formen eines autoritären Populismus
von popular-demokratischen Ausformungen unterscheiden?
10. BRAUNSCHWEIGER
GRAMSCI TAGE
Vorträge
Diskussionen
Workshops
Literarischwissenschaftliche
Montage
und Jazz
Termin:
Freitag, 04. November 2016 ab 16 Uhr
Samstag, 05. November 2016 von 9.30 -17.00 Uhr
Ort:
Gewerkschaftshaus Braunschweig
Wilhelmstr. 5, 38100 Braunschweig
Tagungsbeitrag:
10 Euro / ermäßigt 5 Euro
Anmeldung erbeten unter:
HEGEMONIE
UND ALLTAGSVERSTAND
[email protected]
oder:
BIAP c/o Norbert Kueß
Roonstr. 17, 38102 Braunschweig
weitere Informationen auf unserer Homepage:
www.biap-braunschweig.de
Veranstalter:
Region SON
Braunschweiger Initiative
für eine andere Politik
Zur Aktualität von linkem und
rechtem Populismus
in Kooperation mit:
Gestaltung: Susanne Hesch
„Brecht gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren ist Verrat“ – so
umriss Heiner Müller einen möglichen Umgang mit dem Werk
des Klassikers der sozialistischen Weltliteratur. Auch das Werk
­Antonio Gramscis gehört inzwischen zum Repertoire der Klassiker. Aus ihm kann scheinbar beliebig abgegriffen werden. Seine
in den Gefängnisheften entwickelten analytischen Begriffe
verwandeln sich dabei oft in inhaltsleeres Geplapper: Hegemonie besitzen immer dann die anderen, wenn eigene Positionen
nicht mehrheitsfähig oder durchsetzbar sind. Sie wird auf Meinungsführerschaft reduziert. Nur durch die Symbiose mit dem
Volk scheint eine andere Hegemonie erreichbar. Nicht mehr die
Überwindung der „primitiven Philosophie des Alltagsverstands“
(Gramsci) gilt als Ziel. Stattdessen wird das Alltagsbewusstsein
zum gegebenen und scheinbar unveränderbaren Maßstab
politischer Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit.
Gewerkschaftshaus
Braunschweig
Braunschweiger Initiative
für eine andere Politik
ANTONIO GRAMSCI wurde 1891 in Ales auf Sardinien, Italien, geboren. Als Journalist ­begleitete und analysierte er die Turiner Fabrikräte­
bewegung. 1921 wurde er Mitbegründer der Kommunisti­schen Partei
Italiens. Bis zu seiner Inhaftierung durch die Faschisten 1926 war er
Abgeordneter des ­italienischen Parla­ments. Im Gefängnis verfasste
er Studien zu e
­ iner marxistischen „Philosophie der Praxis“. Darin
verknüpfte er die schonungslose Analyse der Stabilität bürgerlicher
Herrschaft und der Niederlage der Fabrikräte mit Fragen einer strategischen Erneuerung der Arbeiterbewegung. Sie gelten bis heute
als weg­weisend für jede praxis­orientierte Kapitalismuskritik. Gramsci
starb am 27. April 1937 an den Folgen seiner Inhaftierung.
10. BRAUNSCHWEIGER GRAMSCI TAGE
Die Braunschweiger Gramsci Tage finden seit 2007 jährlich statt. Sie
verknüpfen aktuelle politökonomische Diskussionen mit der Vermittlung von theoriegeleiteten Fertigkeiten zur dialektischen Analyse
kapitalistischer Zusammenhänge, die Marx als historisch geworden
und vorübergehend analysiert. Der Nachweis der „Vergänglichkeit
aller Dinge“, so Bertolt Brecht, ist nicht „umstürzend“. Die „Große
Methode“, mit der Brecht die marxsche Kritik der politischen Ökonomie
benannte, verlangt, „dass man davon spricht, wie gewisse Dinge zum
Vergehen gebracht werden können“. In der Tradition von Gramscis
Philosophie der Praxis wollen die Braunschweiger Gramsci Tage
einen Raum bieten, in dem die Aneignung von Wissen sich mit der
lebendigen Debatte über theoretische und praktische Probleme der
Emanzipation von Herrschaft und Unterwerfung paart.
Populismus: etymologisch aus dem lateinischen populus, ‚Volk’,
aber auch ‚Pöbel’ (aus dem französischen peuple), bezeichnet ein
weit gefächertes Repertoire politischer Praxen, die an der Kluft zwischen ‚Volk’ und ‚Herrschaftseliten’ ansetzen, um gesellschaftliche
Veränderungen zu bewirken. Populismus bezeichnet eine Strategie des Machterwerbs „ohne gesellschaftstheoretisches Substrat“
(Karin Priester). In einer an Gramsci anknüpfenden anti-ökonomistischen Strömung des Marxismus werden linkspopulistische Strategien zur Bedingung von „Volksrevolutionen“. Sie gründen ­weniger
auf dem Antagonismus zwischen Arbeit und ­Kapital, sondern auf
dem Gegensatz „Volk/Machtblock“. Ernesto Laclau gilt als Begründer einer „popular-hegemonischen Neuorientierung“ der Linken.
FREITAG, 04. NOVEMBER 2016
SAMSTAG, 05. NOVEMBER 2016
ab 16.00 h | Einlass, Anmeldung
ab 09.30 h | Einlass bei Kaffee und Tee
15.00 h | Kaffeepause
17.00 h | Begrüßungen
Andreas Klepp / BIAP, Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen
Hansi Volkmann / DGB Region SüdOstNiedersachsen
10.00 h | Streitgespräch
Wozu Populismus? Theorien, Geschichten und Praxisformen
emanzipatorischer Bewegungen zwischen Anspruch und Alltagsverstand
mit:
Prof. Dr. Uwe Hirschfeld / Evangelische Hochschule Dresden, Schwerpunkt Politische Theorie, Bildung und Soziale Arbeit
Ingar Solty / Institut für Gesellschaftsanalyse, Rosa-Luxemburg-­
Stiftung Berlin
N.N.
Moderation: Dr. Bernd Röttger
15.30 h | Abschlussdiskussion
Zwischen Anpassung, Aufklärung und Widerstand.
Alltagsverstand und politische Praxis
mit:
Oliver Holzhauer / VK-Leitung VW Braunschweig
David Janzen / Bündnis gegen Rechts, Braunschweig
u. a.
Moderation:
Andreas Klepp
17.30 h | Einführung ins Thema
Dr. Bernd Röttger / freier Sozialwissenschaftler, Autor, Lehrbeauftragter
18.00 h | Vortrag und Diskussionen
Prof. Dr. Alex Demirovic / Vorstand Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin,
Redaktion Prokla
Repräsentative Demokratie und populistische Herausforderung.
Entwicklungstendenzen moderner Klassengesellschaften
anschließend: Debatte im Plenum
12.00 h | Möglichkeit zum Imbiss
19.30 h | Pause mit der Möglichkeit zum Imbiss
ab 13.00 h | Parallele Workshops
20.15 h | Kultur im Restaurant –
Literarisch-wissenschaftliche Montage und Jazz
„Und du wärest schon froh, [...] die Gülle flösse ab.“
Streifzüge durch das Leben des Antonio Gramsci zwischen
Volksbewegungen und marxistischer Erneuerung
Dr. Bernd Röttger / Text, Rezitation
Bernd Dallmann / Saxophon und Klarinette
Peter Haas / Akkordeon
Dominik Lamby / Bass
(1) Zur Einführung in die Theorie Antonio Gramscis
Orhan Sat / Ver.di Bezirk Region Süd-Ost-Niedersachsen
danach gemeinsamer Ausklang
(2) Zu Alltagsverstand und Emanzipation bei Antonio Gramsci
Prof. Dr. Uwe Hirschfeld / Evangelische Hochschule Dresden, Schwerpunkt Politische Theorie, Bildung und Soziale Arbeit
(3) Zu den Chancen eines neuen linken Populismus
Ingar Solty / Institut für Gesellschaftsanalyse, Rosa-Luxemburg-­
Stiftung Berlin
17.00 h | Ende