LÄNDERBERICHT Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. UNGARN FRANK SPENGLER BENCE BAUER Oktober 2016 www.kas.de/ungarn Referendum in Ungarn verfehlt Quorum REGIERUNG UND OPPOSITION BEZEICHNEN SICH ALS SIEGER Das von der ungarischen Regierung initi- Den vorläufigen Höhepunkt dieser Politik ierte Referendum am 2. Oktober gegen markierte das landesweite Referendum vom eine „Zwangsansiedlung“ von Flüchtlin- 2. Oktober 2016 zur Frage: „Möchten Sie, gen hat das Quorum von 50 Prozent wider dass die EU auch ohne Zustimmung der Un- Erwarten mit 43,45 Prozent klar verfehlt. garischen Von den abgegebenen, gültigen Stimmen Zwangsansiedlung stimmten 98,34 Prozent mit „Nein“. Minis- Staatsbürgern terpräsident Viktor Orbán bezeichnete das darf?“. Das Votum der gültigen Stimmen Ergebnis als „großartig“, die Opposition bestätigte zwar mit großer Mehrheit die Po- sprach von einem gewaltigen Sieg über litik der Regierungsparteien, jedoch wurde Fidesz. das Ziel eindeutig verfehlt, die hohe Hürde Nationalversammlung in von die nicht-ungarischen Ungarn vorschreiben des Quorums von 50 Prozent zu nehmen. Die Flüchtlings- und Migrationskrise domi- Das Referendum war damit nicht gültig. Von niert das politische Leben in Ungarn, da in den 8.261.394 Wahlberechtigten nahmen diesem Kontext gerade die für die Ungarn 3.589.888 an der Wahl teil. Für eine Gültig- wichtigen Fragen der nationalen Souveräni- keit hätten mindestens die Hälfte, also tät und Identität angesprochen werden. Die 4.130.697 Personen mit Ja oder Nein ab- Maßnahmen Regierung stimmen müssen, ungültige Wahlzettel wer- stehen dabei vor allem international unter der ungarischen den bei der Wahlbeteiligung nicht gewertet. besonderer und Von den abgegebenen Stimmen entfielen werden häufig massiv kritisiert. Zur Siche- auf „Nein“ 3.282.928, auf „Ja“ 55.555, un- rung ihres nationalen politischen Führungs- gültig waren 223.252. Damit gaben 40,41 anspruchs Prozent (Medien-) und Beobachtung internationalen Verhand- der insgesamt Wahlberechtigten lungsspielraums bemühte sich die Fidesz- eine gültige Stimme ab. Zu wenig, oder „po- KDNP-Koalition gerade in diesen Fragen in- litisch ausreichend“, Erfolg oder Misserfolg, tensiv um ein umfangreiches Mandat und darüber streiten sich nun die Regierung und die Unterstützung durch die ungarische Be- die Opposition. völkerung. 1 1 Bereits nach den Pariser Terroranschlägen im Januar 2015 begann die ungarische Regierung vor einer Migrationswelle illegaler Einwanderer zu warnen. Es folgte eine international sehr umstrittene landesweite schriftliche Befragung der Wähler mittels einer „Nationalen Konsultation“ zur Frage der Migration und des Terrorismus, wo 70%-80% der Befragten mit der Regierungsmeinung kongruente Stellungnahmen zu den genannten Themen abgaben. Im Frühjahr fand dann im ganzen Land eine intensive Medienkampagne mit großflächigen Plaka- ten gegen illegale Einwanderer statt. Im Herbst 2015 folgte eine Unterschriftenaktion der Regierungspartei Fidesz gegen eine verpflichtende EU-Flüchtlingsquote. Die Kampagne gipfelte in einem Parlamentsbeschluss, vor dem EuGH gegen diese Regelung zu klagen. 2 Koalition (DK), Dialog für Ungarn (PM), Ge- Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Referenden in Ungarn UNGARN Die ungarische Rechts- und Verfassungs- Ungarn (MOMA) plädierten für einen Boy- FRANK SPENGLER ordnung beinhaltet umfangreiche plebiszitä- kott. Die grün-liberale Partei „Politik kann BENCE BAUER re Elemente. Die Bürgergesellschaft kann anders sein“ (LMP) nahm einen neutralen also durchaus auf diese Art Einfluss auf die Standpunkt ein. Mitte September erschien Politik ausüben. Das Instrumentarium wird ein Appell von 22 gesellschaftlichen Grup- aber von den Parteien auch als eine Art poli- pierungen, die zum Boykott bzw. der Abga- tisches Wundermittel betrachtet, um einen be einer ungültigen Stimme aufriefen. Für Mobilisierungsschub in der eigenen Anhä- Letzteres sprach sich von den politischen ngerschaft zu bewirken. Seit der politischen Parteien nur die Satirepartei „Partei des Wende 1989/1990 wurden so bisher insge- Hundes mit zwei Schwänzen“ (MKKP) aus. meinsam (Együtt) und Bewegung Modernes Oktober 2016 www.kas.de/ungarn samt sechs Referenden abgehalten, diese lassen sich in drei Zweiergruppen einteilen. Argumentation Nach den zwei sog. „Wendereferenden“ in und der Opposition der Regierungsparteien den Jahren 1989 und 1990, bei denen es um Fragen der Einrichtung des demokrati- In vorangegangenen Diskussionen wurde schen Rechtsstaates ging und von denen als Hauptargument der Regierungsparteien nur das erste Referendum erfolgreich war, gegen eine von der Europäischen Union fanden 1997 und 2003 zwei weitere Refer- vorgeschriebene Quote zur europaweiten enden über den Beitritt des Landes zur Verteilung der Flüchtlinge wurde immer NATO bzw. zur EU statt. Das Quorum von wieder vorgebracht, dass die Ungarn selber 50 Prozent wurde dabei aufgehoben, statt- entscheiden wollten, mit wem sie zusam- dessen war es erforderlich, dass mindestens menleben. 25 Prozent der Wahlberechtigten mit „Ja“ Migranten in anderen europäischen Ländern oder „Nein“ abstimmen. Die Wahlbeteiligung sei, nach Meinung der Regierung, nicht sehr betrug 49 Prozent bzw. 45 Prozent. Als drit- erfolgreich gewesen. Neben der Forderung ten Block gab es 2004 und 2008 die von der nach Ausübung der nationalen Souveränität damaligen (Fidesz-) Opposition initiierten wurde auch immer argumentiert, dass die Volksabstimmungen. Bei den sog. Oppositi- ungarische und europäische Identität ge- onsreferenden ging es um Fragen der dop- schützt werden müsse. In weiten Teilen der pelten Staatsbürgerschaft für Auslandsun- Bevölkerung besteht die Sorge, dass die garn (2004) bzw. um Praxis-, Krankenhaus- Migranten und Flüchtlinge dauerhaft in Un- tage- und Studiengebühren (2008). Das Re- garn leben und die Zusammensetzung der ferendum 2008 war ein großer Erfolg für Bevölkerung nachhaltig verändern werden. Fidesz und trug entscheidend zur Schwä- In diesem Sinne stellte die politische Füh- chung der damaligen Linksregierung bei. Im rung das Referendum als ein nationales An- Jahre 2011 wurde in der neuen Verfassung liegen zur Sicherung der Zukunft des Lan- wieder ein Quorum von 50 Prozent festge- des schrieben. Kommunen und dar Die und Integration forderte muslimischer insbesondere die staatlichen Institutionen auf, für eine Teilnahme zu werben. In den Stellungnahmen der Parteien vor dem Re- nationalen Medien wurde darüber speku- ferendum liert, dass die Fidesz-Führung wohl genau evaluieren werde, wie sich in den einzelnen Während die Regierungsparteien Fidesz und Wahlkreisen die Wahlbeteiligung und die KDNP geschlossen und eindringlich um eine Unterstützung für die Regierungsposition Teilnahme am Referendum und ein Nein- darstellen werde. Dies solle dann mögliche Votum warben, gab die Opposition in dieser Folgen für die Kandidatenaufstellung für die Frage ein gespaltenes Bild ab. Die rechts- Wahlen zur Ungarischen Nationalversamm- extreme Jobbik sprach sich für ein „Nein“, lung 2018 und für die Kommunalwahlen die Ungarische Liberale Partei (MLP) für ein 2019 haben. „Ja“ aus. Die Parteien der zerstrittenen und gespaltenen linken Opposition Ungarische Die linke Opposition verwirrte anfangs ihre Sozialistische Partei (MSZP), Demokratische Unterstützer durch widersprüchliche Aussa- 3 gen. In der sechswöchigen Referendums- Fokus. Einwanderung und Terrorismus seien kampagne riefen sie ihre Anhänger dann miteinander verknüpft, die Völkerwande- UNGARN dazu auf, dem Referendum fernzubleiben, rung gefährde Europas Zukunft, die europä- FRANK SPENGLER da sie sich nicht an einem Machtspiel der ische Kultur und das europäische Brauch- BENCE BAUER Regierung beteiligen sollten. Es ginge bei tum. Dies waren die mit vielen Graphiken dem Referendum gar nicht um die Sache, angereicherten Kernaussagen der Kampag- sondern um eine sehr teure Volksabstim- ne. Ferner wurde vor den „gefährlichen Plä- mung über die Zustimmung zur Regie- nen“ Brüssels gewarnt, eine Zahlung i.H.v. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Oktober 2016 www.kas.de/ungarn rungsarbeit. Dies sei eine Verschwendung 250.000 Euro pro Person gegen solche Län- von Steuergeldern ohne jegliche rechtliche der einzufordern, die eine Aufnahme von Bindung. Ein Boykott sei daher die best- Flüchtlingen ablehnen würden. mögliche Entscheidung. Anders hingegen argumentierte die rechtsextreme Jobbik: Die Kampagne der Regierung mobilisierte Sie warb für ein „Nein“ bei der Abstimmung, aber auch oppositionelle Kräfte in der Zivil- forderte aber für den Fall eines ungültigen gesellschaft. So erhielt die Satirepartei „Par- Referendums den Rücktritt der Regierung. tei des Hundes mit zwei Schwänzen“ in kür- Andere Oppositionsparteien, wie die grün- zester Zeit beachtliche Spenden für eine liberale LMP betonten, dass die Abstimmung gegen die Regierung gerichtete „humoristi- nur Regie- sche“ Plakataktion. Es kamen dabei mehr rungsparteien von den eigentlichen Proble- Gelder zusammen als die linken Oppositi- men vor allem in der nationalen Bildungs- onsparteien für ihre Kampagne aufbringen und Gesundheitspolitik sei. konnten. Diese im ganzen Land aufgestell- ein Ablenkungsmanöver der ten Satireplakate glichen abgesehen von der „Brüssel aufhalten“ - Umstrittene Bot- Farbe und den darauf vermittelten Botschaf- schaften ten bis ins Detail denen der Regierung. Die Organisatoren wollten mit den teilweise sehr Wie schon anlässlich der „Nationalen Kon- absurden Inhalten die Regierungskampagne sultation“ im Jahr 2015 wurden im ganzen lächerlich machen. Land großflächige Plakate aufgestellt sowie eine 20-seitige Hochglanzbroschüre allen Geplante Verfassungsänderungen Wählern zugesandt. Finanziert wurden diese Kampagnen aus öffentlichen Mitteln, die Noch vor dem Referendum wurde bekannt, Gesamtkosten beliefen sich nach Medienbe- dass im Falle einer gültigen und erfolgrei- richten auf rund 50 Mio. Euro, die Kosten chen Entscheidung die Verfassung mit der der Abstimmung selbst sollen rund 15 Mio. konkreten Formulierung der zur Abstim- Euro betragen haben. Neben den beachtli- mung gestellten Frage ergänzt werden solle. chen Ausgaben wurden vor allem die Bot- Da das Referendum nur konsultativen Cha- schaften auf den Plakaten und Broschüren rakter habe, sei es nach Meinung von Ver- massiv von Teilen der Medien und der Op- tretern der Regierungsparteien notwendig, position vor allem mit der Anschuldigung die Entscheidung vom 2. Oktober auch ver- der Förderung der Fremdenfeindlichkeit kri- bindlich in die Rechtsordnung einfließen zu tisiert. Insbesondere die Bezeichnung von lassen. Es gelte die Stellungnahme der Un- bestimmten europäischen garn „in Stein zu meißeln“, so Viktor Orbán. Großstädten als sog. „No-go-Zonen“ löste Hierbei kommt wieder das zuvor schon den kommunizierte Narrativ zum Tragen, dass Protest Deutschland, Stadtteilen der in betroffenen Schweden, Länder Frankreich und Belgien aus. die Brüsseler Entscheidungsträger sich von den Menschen entfernt hätten, während die ungarische Regierung auf der Seite der Be- „Lasst uns Brüssel eine Botschaft senden, völkerung stehe. Ministerpräsident Viktor damit auch sie es verstehen“, war das Motto Orbán kündigte noch in derselben Nacht ei- der Regierungskampagne. Sie stellte die ne noch nicht konkretisierte Verfassungsän- nationale Souveränität und den von Ungarn derung an, die nach Worten des Leiters des geführten „Abwehrkampf“ gegen Brüsseler Kabinettsbüros des Ministerpräsidenten be- (Flüchtlingsquoten-) Bestrebungen in den reits zu Ende der Woche der Ungarischen 4 Nationalversammlung zur Beratung vorge- Jobbik forderte noch in der Wahlnacht den legt werden soll. Die Regierung fordert da- Rücktritt der ungarischen Regierung. Partei- UNGARN mit vor allem die Parlamentarier der linken vorsitzender Gábor Vona bedauerte die Er- FRANK SPENGLER Oppositionsparteien heraus, die sich dann folglosigkeit des Referendums. Er rief Fidesz BENCE BAUER eindeutig Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. äußern müssen. Jobbik hatte dazu auf, die Verantwortung dafür zu über- schon seit einiger Zeit eine entsprechende nehmen und die Niederlage anzuerkennen. Oktober 2016 Verfassungsänderung gefordert. Vona sprach hinsichtlich des Referendums www.kas.de/ungarn Erste Reaktionen von einem Fidesz-Eigentor. Auch die linke „Demokratische Koalition“ Ministerpräsident Viktor Orbán sprach noch des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc in der Wahlnacht vor seinen Anhängern. Er Gyurcsány reklamierte den Rücktritt der bezeichnete das Ergebnis der Volksabstim- Regierung. Der eigentliche Sieger dieser ge- mung als großartig und verwies darauf, scheiterten Volksabstimmung sei die demo- dass 2003 insgesamt nur 3.056.000 Perso- kratische Opposition, also auch die eigene nen für den EU-Beitritt votiert, dem Refe- Partei, so die Parteiführung. Für MSZP er- rendum jedoch mehr als 3,2 Millionen Men- klärte der neue Parteichef Gyula Molnár, schen zugestimmt hätten. Es hätten ca. 50 dass es Hoffnung für eine mögliche Abwahl Prozent mehr Wähler an dem Referendum von Viktor Orbán gebe. Die Kategorie des teilgenommen, als vor zwei Jahren bei den „politisch wirksamen“ Referendums, in An- EP-Wahlen. „Die Waffe ist auch in Brüssel spielung auf frühere Aussagen des stellv. stark Ministerpräsident. Parteivorsitzenden von Fidesz, Gergely Gul- Nunmehr gelte es, den Willen der Menschen yás, gebe es nicht. Die Veranstaltung vom auch im ungarischen Grundgesetz durch ei- 2. Oktober sei nur eine sehr teure Mei- ne Verfassungsänderung zu dokumentieren nungsumfrage gewesen, so Molnár. genug“, so der und Brüssel zu signalisieren, dass man dort nicht Entscheidungen gegen die Menschen Vonseiten der LMP wurde verkündet, dass treffen könne. Außerdem sei er stolz darauf, die ungültige Volksabstimmung die Position dass Ungarn das einzige Land in der gesam- der Regierung in Verhandlungen mit dem ten EU sei, in dem die Menschen zu dieser Ausland schwäche. „Der Ministerpräsident Thematik befragt worden seien. Es müsse ist aus einer von ihm selbst gestalteten Si- nun geklärt werden, wie Brüssel mit der tuation schlecht herausgekommen und mit Herausforderung der „neuzeitlichen Völker- ihm auch das Land“, so die Kovorsitzende wanderung“ umgehe wolle. Bernadett Szél. Der Leiter des Kabinettsbüros des Minister- In der nationalen Presse wurde das Ergebnis präsidenten Antal Rogán ergänzte diese unterschiedlich bewertet. Während die kon- Aussagen dahingehend, dass im Vergleich servative regierungskritische Magyar Nem- zu 2014 eine Million Personen mehr die Po- zet sition von Fidesz unterstützt hätten, was ein sprach, großer Erfolg sei. Er argumentierte, dass Magyar Idők die Erfolglosigkeit und sprach von einem eindeutigen relativierte die Misserfolg regierungsnahe man das Ergebnis von 98 Prozent Zustim- vom „Gewicht der Nein-Stimmen“. Die links- mung genauso als Verpflichtung und Auf- liberale Népszabadság nannte die Zahl von trag sehe, wie seinerzeit die Zustimmung 5 Millionen, die sich „Orbán widersetzt“ hät- zum EU-Beitritt. Es darf dabei aber nicht ten und deutete die niedrige Wahlbeteili- übersehen werden, dass auch Anhänger von gung somit als Protest gegen die Regierung. Jobbik und Teile der linken Wählerschaft Auch hier werden die Anhänger von Fidesz diese Fidesz-Position unterstützen. Rogán und Jobbik einfach addiert und damit der fügte noch hinzu, dass es bei den von der Schluss gezogen, dass sich die Unterstüt- Regierung angestoßenen Referenden, im zung für die Regierung nicht verändert hät- Gegensatz zu denen von der Opposition ini- te. Die sozialdemokratische Népszava be- tiierten, nicht auf die Gültigkeit ankomme, mängelt an der „Siegesrede“ von Viktor sondern nur darauf, ob die Regierungspolitik Orbán die Frage der Gültigkeit und die Re- bestätigt wurde. kordzahl der ungültigen Stimmen. 5 änderung zur Aufnahme von Flüchtlingen Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. wird das Thema zwar noch einige Zeit auf der Tagesordnung halten, doch dürfte sich UNGARN die Diskussion darüber schnell abkühlen und FRANK SPENGLER BENCE BAUER Schlussbemerkung Oktober 2016 Nach www.kas.de/ungarn einer Umfrage auf eine sachlichere Ebene verlagern. des Meinungsfor- Den Vorwurf der Förderung der Fremden- schungsinstituts Médián vor dem Referen- feindlichkeit durch die Referendumskam- dum befürworteten fast 75 Prozent der pagne in Ungarn werden gerade ausländi- Wähler, auch die überwiegende Anhänger- sche Organisationen wohl zukünftig stärker schaft der linken Parteien, die Abstimmung in die politische Debatte einbringen. Dar- am 2. Oktober. Den Regierungsparteien ge- über hinaus gibt es Hinweise, dass nun die lang es aber anscheinend nicht, das Refe- Frage nach der Vereinbarkeit der ungari- rendum im ausreichenden Maße als nationa- schen Asylgesetze mit europäischen Recht le Angelegenheit fernab der Parteipolitik und der Umgang mit den Migranten und platzieren zu können. Die Wähler konnten Flüchtlingen vor allem an der Südgrenze des sich weitgehend nicht von ihren parteipoliti- Landes verstärkt von Gegnern der Regie- schen Präferenzen lösen. Fidesz konnte in rung thematisiert werden könnten. den eigenen Hochburgen stark mobilisieren, die Opposition mit ihrem Boykottaufruf eher Die Flüchtlingspolitik der ungarischen Regie- in den Wahlkreisen, wo sie auch bei den rung findet heute die Unterstützung weiter Parlamentswahlen mehr Unterstützung hat- Kreise der Bevölkerung, einschließlich von te. In Budapest wurden beispielsweise 11,8 Teilen der grünen und der linken Wähler- Prozent ungültige Stimmen abgegeben. Für schaft. So gewannen die Regierungsparteien die Regierungsparteien ist dieses Ergebnis, ab Mitte 2015 kontinuierlich wieder viele, gemessen an den eigenen Erwartungen und vor allem ins Lager der Unentschlossenen trotz der guten Zustimmung, eine herbe abgewanderten, Unterstützer zurück. Nach Enttäuschung. letzten Umfragen vor dem Referendum kämen die Regierungsparteien wieder knapp Politische Beobachter verwiesen schon im an eine Zweidrittelmehrheit bei den Wahlen Vorfeld darauf, dass es beim Referendum für wohl weniger um die Sachentscheidung, heran. Im Vorfeld der Wahlen wurde des- sondern eher um die Mobilisierung der eige- halb auch darüber spekuliert, dass Fidesz die Ungarische Nationalversammlung nen Anhänger gehen werde. Elemente der mit dem Referendum einen Testlauf für vor- direkten Demokratie werden in der Tat ja gezogene Wahlen abhalten wolle. Eine sol- oft auch als ein Mittel der politischen Kom- che Möglichkeit wurde umgehend auch von munikation eingesetzt. Die praktischen Kon- Ministerpräsident Orbán abgelehnt. Wahlen sequenzen des Referendums sind über- finden somit in Ungarn regulär erst wieder schaubar. Sicherlich wurde die Verhand- im Frühjahr 2018 statt. Mit Spannung wer- lungsstärke der ungarischen Regierung ins- den aber die nächsten Meinungsumfragen besondere auf internationaler Ebene durch über die Unterstützung der Parteien erwar- das Referendumsergebnis nicht gestärkt. tet. Erst dann wird sich sich vielleicht die Minister Rogán erklärte, dass die ungarische eigentliche Bedeutung und Wirkung des Re- Regierung wegen der verpflichtenden Auf- ferendums zeigen. nahme von Flüchtlingen keine Änderung der europäischen Verträge anstrebe, da seiner Meinung nach die europäische Rechtslage eine solche Zwangsquote nicht zulasse. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in dieser anhängigen Frage wird erst für das zweite Quartal 2017 erwartet. Seiner Meinung nach müsse aber das Dubliner Übereinkommen konsequenterweise reformiert werden. Die angestrebte Verfassungs-
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