Weihnachtsgeschichten

Unverkäufliche Leseprobe des St. Benno-Verlages
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© St. Benno-Verlag GmbH, Leipzig 2010
Eine schöne
B escherung
Humorvolle
Weihnachtsgeschichten
Inhaltsverzeichnis
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in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
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www.st-benno.de
ISBN 978-3-7462-2945-4
© St. Benno -Verlag GmbH
Stammerstr. 11, 04159 Leipzig
Zusammenstellung: Volker Bauch, Leipzig
Umschlaggestaltung: Ulrike Vetter, Leipzig
Gesamtherstellung: Kontext, Lemsel (A)
Sorge, dass dein Feuer brennt
Friedrich von Bodelschwingh
10
Der Laden zur letzten Hoffnung
Axel Hacke
11
Vom Honigkuchenmann
Heinrich Hoffmann von Fallersleben
15
Wenn die Lichter brannten
Gustav Freytag
16
Mit diesem Pfefferkuchen …
Theodor Fontane
19
Das Weihnachtsfest war nahe
Marie von Ebner-Eschenbach
20
Die drei Spatzen im Schnee
Christian Morgenstern
26
Liebe Gäste zum Feste
e. o. plauen
27
5
Es ist Weihnachtstag
Reinhard Mey
30
Die Mutter am Christabend
Johann Peter Hebel
62
Das Weihnachtsbäumlein
Christian Morgenstern
34
Kindheitserinnerungen
Joachim Ringelnatz
64
4’33
Jürgen Werth
35
Schildkrötensuppe
James Krüss
66
Ein Weihnachtslied
Heinz Erhardt
40
Weihnachtsplätzchen
Tilde Michels
80
Besuch einer Christmette
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
41
Das Christkind
Anna Ritter
87
Weihnachtslied vom Eselchen
James Krüss
46
Der Weihnachts-Spatz
Rolf Krenzer
88
Warum es keine Weihnachtslärche gibt
Josef Guggenmos
48
Der Weihnachtskarpfen
Christine Nöstlinger
95
Ein Gleichnis
Eugen Roth
54
Der Baum
Peter Frankenfeld
56
Vom Igel, der zu Weihnachten
Frieden stiftete
Hermann Multhaupt
6
Ein tierischer Christabend
Christoph Maas
111
123
7
Neues Leben
Kurt Tucholsky
137
Der Glückwunsch
Joachim Ringelnatz
142
Gold, Weihrauch – und Karotten
Andrea Schwarz
143
Epiphaniasfest
Johann Wolfgang von Goethe
148
König Mehlohr
Gerhard Schöne
150
Quellenverzeichnis
157
8
S
orge, dass dein Feuer brennt
in den kalten Räumen dieser Erden!
Einmal, einmal wird es Christtag werden.
Jetzt ist erst Advent.
FRIEDRICH VON BODELSCHWINGH
9
Der Laden zur letzten Hoffnung
AXEL HACKE
edes deiner Jahre beginnt mit umfassender
Entspannung. Alles ist geschenkt. Niemand
hat mehr was zu bekommen. Bis Weihnachten:
ein Jahr! Und in diesem Jahr wirst du die Weihnachtsgeschenke nicht kurz vorm Fest kaufen
wie bisher, sondern übers Jahr verteilt erwerben. Hier was mitnehmen, da was auswählen,
dort was bestellen. Sehr locker sein.
Dann vergehen Wochen, Monate. Weihnachten hast du im Griff, denkst du. Weihnachten
ist weit. Nach den Sommerferien ruft Mutter
an: Was du dir zu Weihnachten wünschst. Sie
wolle allmählich … Plane gern … Fahre zur
Kur vorher …
Da steigt ein Gefühl in dir hoch. Weihnachten!
Schon will man wissen, was du dir wünschst.
Dass Weihnachten nicht komme, wünschst du
dir. Oder nicht so bald. Noch drei Monate!
J
11
Anfang Oktober: die Kataloge, Philip Morris
Design Shop. Manufactum. Heine, formschöne
Saftpressen, unbesiegbare Radiowecker, Füllfederhalter, dick wie Maiskolben. Da wird man in
der Not was kriegen. Das ist dein Netz. Das
entspannt dich wieder.
Dann aber ist Dezember. Komischerweise hast
du da immer besonders viel Arbeit. Eines
Abends fragst du deine Frau: was sie sich wünsche. (Vielleicht sagt sie ja was.) Im September
hat sie mal gesagt, was sie sich wünsche, so en
passant. Das hast du vergessen. Sie, jetzt
schnippisch. Ob dir nichts einfalle? Natüüüüürlich, sagst du, du wolltest nur wissen, ob zusätzlich zu dem, was du bereits habest, noch
ein klitzekleiner Wunsch da sei … Nein, nichts.
Sie freue sich auf die Überraschung. Ächz. Ein
Fehler! Der Druck wird groß. Du spürst ihn,
oh, wie du ihn spürst. Du kaufst jetzt kleinere
Dinge, Onkels, Tanten. Dann die schwierigeren, Schwiegereltern. Den Sohn, dafür sorgt
deine Frau. Und deine Frau selbst? Noch drei
Tage.
12
Du hast nichts. Du musst den Christbaum …
Und den Wein … Noch zwei Tage. Mal in die
Schmuckgeschäfte! Letztes Jahr hast du ihr
einen Ring geschenkt, vorletztes eine Kette.
Diesmal: Armreif? Armreife sind schwierig. Die
Schmuckidioten machen alles Mögliche, nur
keine guten Armreife. Alles mächtig, fett, protzig. Nichts Feines, Zartes, das ihre Persönlichkeit, ihr Fühlen träfe. Noch einen Tag. Vor
sechs Monaten hast du einen tollen Reif gesehen. Hast aber nicht an Weihnachten gedacht.
Idiooooott! Jetzt gibt es nichts. Warum musstest du dich auf Armreife festlegen? Zu eng gedacht. Bist nicht flexibel genug. Steckst nun in
der Sackgasse.
In der Maximilianstraße hast du mal was Schönes für sie gekauft. Arschteuer. Schweißausbruchteuer. Egal jetzt. Noch zwei Stunden! Du
kannst nicht ohne was kommen. Kannst ihr
keinen Gutschein geben. Kannst nicht sagen,
das Geschenk sei gestohlen worden. Kannst
nicht sagen, auf der ganzen Welt gebe es keinen Gegenstand, schön genug für sie.
13
Ob der Laden noch offen hat? Du schwitzt.
Kann sein, dass heut Abend alles zu Ende ist.
Dass deine Hände leer sein werden. Dass es
dein letztes Weihnachten ist. Dass sie weint.
Dass dein Sohn sie trösten muss.
Du stürzt ins Geschäft. Der Laden zur letzten
Hoffnung. Geben Sie mir einen Armreif, Mann!
Sie haben nur noch diesen einen? HER! Hier
geht’s um die Existenz.
Du wirst sagen, dass er zur ihr passt. Du weißt
genau, dass er nicht zu ihr passt. Du weißt, dass
sie das auch sagen wird. Du wirst ihr sagen,
dass du es anders siehst. Wirst quatschen. Dass
der klobige Reif ihre Zartheit betont. Die Eleganz ihres Handgelenks hervorhebt. Dass aus
diesem Widerspruch Spannung erwächst. Dass
du das schön findest.
Kann man umtauschen? Kann man. Wird man.
Ich komme wieder. Erst mal schenken. Das ist
jetzt das Wichtigste. Nächstes Jahr wirst du die
Geschenke übers Jahr verteilt kaufen. Hier was
mitnehmen, da was auswählen, dort was
bestellen. Sehr locker sein. Nächstes Jahr.
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Vom Honigkuchenmann
HEINRICH HOFFMANN VON FALLERSLEBEN
K
eine Puppe will ich haben –
Puppen gehn mich gar nichts an.
Was erfreun mich kann und laben,
Ist ein Honigkuchenmann,
So ein Mann mit Leib und Kleid
Durch und durch von Süßigkeit.
Stattlicher als eine Puppe
Sieht ein Honigkerl sich an,
Eine ganze Puppengruppe
Mich nicht so erfreuen kann.
Aber seh ich recht dich an,
Dauerst du mich, lieber Mann.
Denn du bist zum Tod erkoren –
Bin ich dir auch noch so gut,
Ob du hast ein Bein verloren,
Ob das andre weh dir tut:
Armer Honigkuchenmann,
Hilft dir nichts, du musst doch dran!
15
Es ist Weihnachtstag
REINHARD MEY
E
s ist Weihnachtstag,
und es ist Viertel nach zwei.
Ich kann aufatmen,
der Weihnachtsstress ist endlich vorbei.
Jetzt gibt’s gar nichts mehr zu kaufen,
alle Läden sind zu:
Klappe zu, Affe tot, jetzt ist endlich Ruh’.
Ich hab’ den Baum im Ständer,
die Geschenke eingehüllt,
Alle Karten abgeschickt,
kurz – alle Pflichten sind erfüllt.
Jetzt bring’ ich nur noch so,
als kleine Aufmerksamkeit,
’ne Dose Weihnachtskeks
zu Müller-Wattenscheidt.
Zu Müller-Wattenscheidt,
da führt der Weg mich nun mal genau
30
Vorbei am Haus von Dr. Zickendraht
und seiner Frau,
Die hat mir ’ne Autofensterkloroll’nhäkelmütz
geschenkt.
Und wenn sie nichts von mir kriegt,
ist sie zu Tod’ gekränkt.
Also kling’le ich bei ihr
und überreich’ ihr gradewegs
Die für Müller-Wattenscheidt bestimmte
Dose Weihnachtskeks.
Sie nötigt mich auf ein Glas Persiko
und Erdnussflips
Und schenkt mir dann
ein selbstgegoss’nes Fachwerkhaus aus Gips.
So, die Zickendrahts sind gut bedient,
doch, andererseits,
Was schenke ich denn jetzt bloß
den Müller-Wattenscheidts?
Die Läden zu, die Kekse weg,
der Ofen ist aus,
Ach, dann schenk’ ich ihnen halt
das gips’ne Fachwerkhaus.
31
Es macht sie glücklich,
und sie hängen es auch gleich an die Wand,
Loben mein Basteltalent
und preisen meinen Kunstverstand,
Und schenken mir,
so sehr ich mich auch wehre und empör’,
’ne Krawatte und dazu ’ne Flasche Eierlikör.
wir sind grade auf dem Weg
zu Müller-Wattenscheidt!“
Was lehrt uns dieses Gleichnis?
Dass auch mit Hinterlist
Geben nun mal seliger denn nehmen ist!
Mann, jetzt aber nichts
wie auf dem schnellsten Wege nach Haus.
Da treff‘ ich vor Zickendrahts
doch noch Roswitha und Klaus.
Und die drücken mir gleich großzügig
’ne Dose in die Hand,
Und zwar die mit meinem Keks,
die hab’ ich gleich wiedererkannt.
Also rück’ ich schweren Herzens
nun auch meine Beute raus,
Die Krawatte kriegt Roswitha
und den Eierlikör Klaus.
„Frohe Weihnacht“, säuseln sie,
„wir müssen weiter, tut uns leid,
32
33
Das Weihnachtsbäumlein
4’33
CHRISTIAN MORGENSTERN
JÜRGEN WERTH
E
s war einmal ein Tännelein
mit braunen Kuchenherzelein
und Glitzergold und Äpfeln fein
und vielen bunten Kerzelein;
das war am Weihnachtsfest so grün,
als fing es eben an zu blühn.
Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stand’s im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
Die grünen Nadeln war’n verdorrt
die Herzlein und die Kerzlein fort.
Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm –
Hei! Tat’s da sprühn und funkeln!
Und flammte jubelnd himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.
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UHE BITTE! RUHE!“ Der Moderator des
klassischen Konzerts im piekfeinen Konzertsaal von Harvard konnte das Zischeln und
Tuscheln im Publikum kaum noch eindämmen.
Schwarzbefrackt und abendgekleidet warteten
die 426 zahlenden Besucher nun schon seit dreieinhalb Minuten darauf, dass es endlich losging.
Zu einer Premiere waren sie gekommen. Ein
neues Klavierstück des amerikanischen Komponisten John Cage sollte an diesem Abend uraufgeführt werden. Der Titel klang merkwürdig.
Aber das war man bei John Cage gewöhnt.
4’33. Ein Datum in der Geschichte? Eine Ortsbestimmung? Eine Zeitangabe?
Viele John-Cage-Fans waren gekommen. Gespannt, was der Meister sich diesmal ausgedacht
hatte. Der Meister der musikalischen Avantgarde, der immer für eine Überraschung gut war.
„R
35
Wir haben schon überlegt, was wir gegen den
Gestank in diesem Stall machen können!“
Der zweite König hatte auch ein Gedicht vorbereitet: „Der König Kaspar, das bin ich, auch
mein Geschenk ist königlich. Die beste Myrrhe,
die es gibt, ist auch als Salbe sehr beliebt!“ Damit legte er seine große Salbendose ab. „Danke!“, lächelte ihm Maria entgegen, „damit können wir unserm Baby endlich den wunden Po
einsalben!“
Der kleine König Mehlohr wurde knallrot, weil
jetzt er dran war. Er kramte seinen Goldzahn aus
dem Taschentuch und sagte nur: „Hier von mir,
für neue Windeln!“ „Ja, die können wir gut gebrauchen“, seufzte die Mutter und fragte zurück:
„Und wie ist dein Name, kleiner König?“
„Ichi heiße Mehl-chi-ohr!“, antwortete König
Mehlohr.
So kommt’s, dass in der Weihnachtsgeschichte
nichts steht vom kleinen König Mehlohr, sondern immer nur von Kaspar, Balthasar und Melchior.
156
Quellenverzeichnis
Texte
Heinz Erhard, Ein Weihnachtslied. Entnommen aus: Das
große Heinz Erhardt Buch © 2009 Lappan Verlag,
Oldenburg
Peter Frankenfeld, Der Baum. Entnommen aus: Peter
Frankenfeld, Humor ist Trumpf. © 1980 F.A. Herbig
Verlagsbuchhandlung GmbH, München
Axel Hacke, Wenn es weihnachtet. Entnommen aus: Axel
Hacke, Alle Jahre schon wieder © Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2009
Rolf Krenzer, Der Weihnachtsspatz. Entnommen aus: R.K.
Der Weihnachtsspatz. Illustriert von Vlasta Baránková. Zürich/Wien/Kiel, bohem press, 1991 © bohem
press
James Krüss, Schildkrötensuppe. Entnommen aus: James
Krüss, Weihnachten im Leuchtturm auf den Hummerklippen © 2008 Boje Verlag GmbH, Köln
James Krüss, Weihnachtslied vom Eselchen. © James
Krüss Erbengemeinschaft
Christoph Maas, Ein tierischer Christabend © Alle Rechte beim Autor
Reinhard Mey, Es ist Weihnachtstag. Entnommen aus
Textbuch "Alle Lieder" © Edition Reinhard Mey, Berlin
Tilde Michels, Weihnachtsplätzchen. Entnommen aus: Es
kratzt ganz leis' an meiner Tür. 24 Kalendergeschichten zur Weihnachtszeit. Hrsg. von Hannelore West-
157
hoff © Deutscher Taschenbuch Verlag, München
2001, S. 30-33.
Hermann Multhaupt, Vom Igel, der zu Weihnachten Frieden stiftete. Entnommen aus: Hermann Multhaupt,
Die Heilige Nacht © St. Benno-Verlag GmbH, Leipzig
Christine Nöstlinger, Der Weihnachtskarpfen. Entnommen aus: Christine Nöstlinger, Fröhliche Weihnachten, liebes Christkind! © 1997 Patmos Verlagsgruppe/Sauerländer Verlag, Mannheim
Eugen Roth, Ein Gleichnis. Entnommen aus: Sämtliche
Werke. Bd. 1: Heitere Verse 1. München, Hanser
1977 © Thomas Roth, München
Gerhard Schöne, König Mehlohr. Entnommen aus: Gerhard Schöne, Wenn Franticek niest. Geschichten zu
Bildern seines Sohnes Jona © Buschfunk Musikverlag
Berlin, 2009
Andrea Schwarz, Gold, Weihrauch - und Karotten. Entnommen aus: Andrea Schwarz, Eigentlich ist Weihnachten ganz anders. Hoffnungstexte © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau, 2. Auflage 2009
Jürgen Werth, 4'33 Entnommen aus: Petra Hahn-Lütjen
(Hrsg.), WeihnachtsFestGeschichten © 2009 Brunnen Verlag, Gießen
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Illustrationen
Cover: © Agata Dorobek/shutterstock, Paginierungen:
manu/fotolia.de
Seite 27-29: e.o.plauen, Liebe Gäste zum Feste (Bildgeschichte). Entnommen aus: e.o. plauen, "Vater und
Sohn" in der Gesamtausgabe Erich Ohser © Südverlag
GmbH, Konstanz, 2000
Alle weiteren Illustrationen: © Michaela Steininger/fotolia.de
Wir danken allen Inhabern von Text- und Bildrechten für
die Abdruckerlaubnis. Der Verlag hat sich bemüht, alle
Rechteinhaber in Erfahrung zu bringen. Für zusätzliche
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