AB 12. NOVEMBER 2016 DEBÜT IM DRITTEN SWRFernsehen.de DEBÜT IM DRITTEN DAS HAMBACHER SCHLOSS, SYMBOL DER DEUTSCHEN DEMOKRATIEBEWEGUNG 2 DEBÜT IM DRITTEN INHALT Vorwort Martina Zöllner 5 Einführung 6 Schmidts Katze 8 Dolores 14 Kurzfilme 20 Und morgen Mittag bin ich tot 26 Nachspielzeit 32 Dessau Dancers 38 Übersicht Sendetermine 44 Pressekontakt 46 3 DEBÜT IM DRITTEN 4 DEBÜT IM DRITTEN VORWORT Es freut mich sehr, Ihnen auch in diesem Jahr wieder fünf starke Filmdebüts im Dritten vorstellen zu können. Filme, die thematisch wie stilistisch auf ganz unterschiedliche Weise attraktiv sind. Die wunderbare schwäbische Komödie »Schmidts Katze« von Marc Schlegel ist in der diesjährigen Staffel dabei, ebenso wie Frederik Steiners poetisch-einfühlsames Melodram »Und morgen Mittag bin ich tot«. »Nachspielzeit« von Andreas Pieper greift ein Problem unserer Städte auf - Gentrifizierung mit der Folge stetig steigender Mietpreise - und ist doch viel mehr als ein »Themenfilm«. Die »Dessau Dancers« von Jan Martin Scharf schauen zurück und erzählen ostalgisch-verklärt und mit viel Musik und Tanz, wie der Breakdance als akrobatischer Schautanz in der DDR populär wurde. Und »Dolores« von Michael Rösel ist die Verfilmung einer Graphic Novel und lässt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion magisch verschwinden. Martina Zöllner Seit mittlerweile 31 Jahren engagiert sich der SWR mit dem Debüt im Dritten für die Nachwuchsförderung. Wir geben Absolventen der Filmhochschulen, aber auch Quereinsteigern, die uns auffallen, die Gelegenheit, ihre ersten 90-minütigen Fernseh- oder Kinofilme zu realisieren und dabei ihre eigene Handschrift entscheidend weiterzuentwickeln, gleichzeitig auch, sich der Branche für die Zukunft zu empfehlen. Und natürlich den Zuschauern. Und der Reichtum der »Debüts«, der Einfallsreichtum, die erzählerische wie ästhetische Vielseitigkeit ihrer Macher, erstaunen und beglücken uns immer wieder. Für den SWR bleibt das Debüt im Dritten deshalb eine unverzichtbare Investition in die Zukunft. Oft genug war ein Debütfilm außerdem der Anfang einer langjährigen Zusammenarbeit des SWR mit den Filmemachern und Filmemacherinnen. In diesem Jahr sendet das SWR Fernsehen alle Filme der Staffel gebündelt in einer Woche im November. Den Anfang macht »Schmidts Katze« am Samstag, den 12. November 2016, um 20:15 Uhr. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen! Martina Zöllner, Leiterin der Hauptabteilung Film und Kultur 5 DEBÜT IM DRITTEN EINFÜHRUNG AUFBRUCH Veränderung, Ausbruch aus dem nur halb gelebten Leben, Befreiung von dem, was das Ich beschwert. Immer wieder ein wunderbarer Anlass fürs Filmemachen. Aufbruch, ob aus eigenem Willen oder von außen in Gang gesetzt, ist das Gemeinsame der fünf Langfilme in der diesjährigen Staffel von Debüt im Dritten. Fünf dem Erzählen und den Figuren verpflichtete Filme, die ansonsten ausgesprochen unterschiedlich sind. Nicht immer ist es eigener Wille, der die Figuren zu Neuem treibt, im Gegenteil, es braucht ziemlich starke Impulse von außen, seien es die Katastrophen der Komödie, den Widerstand der DDR-Obrigkeit oder den Einbruch des Magischen, um sie nach vorne zu treiben. Komödiantisch schräg erzählt »Schmidts Katze«, mit Stilwillen gezirkelt »Dolores«, ergreifend, ohne falsches Pathos und mit leisem Humor »Und morgen Mittag bin ich tot«, in der Spannung zwischen Tanz und Politik »Dessau Dancers« und wahrhaftig, genau und klug »Nachspielzeit«. Die Staffel beginnt mit »Schmidts Katze« von Regisseur Marc Schlegel und Autorin Stephanie Töwe. Ihre Hauptfigur mit dem Allerweltsnamen Werner Schmidt versteckt sich geradezu in seinem Allerweltsleben. Aggressionen, Frustrationen, Allmachtsphantasien lebt er aus, wenn er nachts per Fernzünder Autos in die Luft sprengt. Die domestizierte Sprenglust des Durchschnittstypen setzt in »Schmidts Katze« (die gar nicht die Katze von Schmidt, aber trotzdem ziemlich bald tot ist) die Komödie in Gang. Mit einem komödienerfahrenen Ensemble treibt Marc Schlegel seinen Werner Schmidt dann von einer Katastrophe in die nächste, lustig ist das und durchaus durchgeknallt. Gleichzeitig gönnt der Film seiner Hauptfigur inmitten des Chaos aber auch den magischen Moment der romantischen Liebe und eröffnet ihr damit die Chance zum Ausgang aus dem versteckten Leben. Die Zuneigung zum literarisch-bildlichen Genre der Graphic Novel wurde für Regisseur Michael Rösel und Autor Sebastian Feld zum Ausgangspunkt für ihr klaustrophobisches Drama »Dolores«, das in den 50er Jahren angesiedelt ist und mit dem 6 Glamour des Hollywoodfilms als Gegensatz zu einer besonders engen Alltäglichkeit spielt. Auch diese Hauptfigur, Georg Letterer, braucht dringend eine Art Coming-of-middle-Age. Durch eine glückliche Begebenheit schafft er es, aus seinem familiären Gefängnis auszubrechen und am Leben der Diva Dolores teilzunehmen. Doch aus der Bewunderung für die Schauspielerin wird Besessenheit. Und so holen die magischen Kräfte, die er plötzlich in seiner Modellbaufähigkeit entdeckt, das Schlimmste aus ihm hervor. Herzerwärmend und komisch sind keine Adjektive, die man als Beschreibung für einen Film über Sterbehilfe erwartet. Mit »Und morgen mittag bin ich tot« gelingt es Regisseur Frederik Steiner und Autorin Barbara te Kock, von der Sehnsucht einer jungen Frau nach dem selbstbestimmten Tod herzerwärmend und komisch, traurig und optimistisch zu erzählen. Kein Drama, eher schon ein Melodram, aber ein leises, humorvolles, für das Frederik Steiner In Liv Lisa Fries die ideale Hauptdarstellerin fand. Sein Film ist durchpulst vom rhythmischen Geräusch des mühsamen, geräteunterstützen Atems von Hauptfigur Lea und lebt vom ironischen, pathosfreien Ton, in dem Lea ihre Befreiung in den Tod umsetzt. Ganz anders sind Ton und Licht in »Nachspielzeit« von Andreas Pieper, rauher, dunkler, durchdrungen vom Rap. Wem gehört die Stadt? ist die Leitfrage in diesem sehr zeitgenössischen Heimatfilm. Der junge Deutschtürke Cem kämpft für seinen Kiez Berlin-Neukölln, aber seine Mittel gegen Immobilienspekulation und Gentrifizierung sind hilflos und wenig aussichtsreich. Cem ist bereit, sich einzusetzen, aber nur im Fußball bekommt er auch wirklich die Gelegenheit dazu. Das verbindet ihn mit seinem Gegner Roman, der sich als Verlierer fühlt und in die Fremdenfeindlichkeit flieht. Andreas Pieper belässt jede seiner komplexen Figuren in ihrer Ambivalenz und Unschärfe. Auflösung ist hier nicht möglich, aber Hoffnungsmomente gibt es durchaus: Cems Liebe zu Astrid genauso wie die Erkenntnis, dass der Kampf gegen Roman ein Scheinkampf ist. EINFÜHRUNG »Dessau Dancers« von Jan Martin Scharf nach einem Drehbuch von Ruth Toma beginnt gleich mit einem Aufbruch: Mitte der 80er Jahren in Dessau entdecken Frank und seine Freunde den Breakdance als Leidenschaft und als Mittel sich auszudrücken. Das geht nicht lange gut, der DDR-Obrigkeit ist diese amerikanische Mode bei weitem zu subversiv. Zwar gelingt es mit trickreichen Umdeutungsstrategien ein Verbot zu umgehen. Aber Coolness hat es schwer, wenn sie sich in »akrobatischem Schautanz« ausdrücken soll. Und trotz aller Leidenschaft für den Tanz erkennt mit der Zeit auch Frank, dass er sich der Staatsmacht ausgeliefert hat. Die Leidenschaft und den Aufbruchsgeist des Tanzes erzählt »Dessau Dancers« mit einem mitreißenden Soundtrack und vielen Zitaten aus der historischen Dessauer Szene. Ergänzt wird die Staffel auch in diesem Jahr mit einem Kurzfilmprogramm, das fünf Filme der knappen, verdichteten Form präsentiert, skurril, grausam, heiter, menschlich. Stefanie Groß Redaktion Debüt im Dritten 7 DEBÜT IM DRITTEN SA 12. NOVEMBER, 20:15 SCHMIDTS KATZE REGIE: MARC SCHLEGEL IDEE: STEPHANIE TÖWE Der verklemmte, überaus ordnungsliebende Verkäufer Werner Schmidt sucht nach dem Tod seiner Mutter eine Frau. Bisher völlig erfolglos. Seinen Frust bekämpft er auf eine ihm eigene Weise: beim nächtlichen Brandstiften. Nichts ist entspannender als eine bis ins Detail geplante Auto-Explosion. Eines Nachts verletzt er dabei ungewollt eine Frau, Sibylle. In Panik nimmt Werner sie mit nach Hause. Ein Fehler! Nun hat er zwar eine Frau im Haus, aber eine, die er dort gar nicht haben will und noch dazu vor seinem Kumpel Uwe und seiner Nachbarin Inge verstecken muss. Doch Sibylle hat nicht vor, sein Haus wieder zu verlassen. Sie hat Grund, sich zu verstecken, denn sie wird vom kriminellen Frehse verfolgt und sucht nun Unterschlupf. Bald ist nicht nur Sibylles Leben in Gefahr, sondern auch Werners. Die Immobilien-Mafia ist hinter ihnen her, und sein pyromanisches Geheimnis droht aufzufliegen. Während alles immer schlimmer wird, muss das ungleiche Paar sich wohl oder übel zusammenraufen ... »Schmidts Katze« ist eine Romantic Comedy der etwas anderen Art. Zwei skurrile Figuren treffen ungewollt aufeinander: Werner, der zwanghafte Ordnungsfanatiker und heimliche Pyromane, und die chaotisch-verträumte Sybille, die das zurückgezogene Leben des Feuerteufels Werner auf den Kopf stellt. Regisseur Marc Schlegel beweist in der Inszenierung seines Debüts Talent für das Komödiantische und das richtige Timing. 8 DEBÜT IM DRITTEN 9 DEBÜT IM DRITTEN 10 SCHMIDTS KATZE BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Werner Schmidt Sibylle Rahnisch Uwe Metzner Inge Eisele Frehse Polizist Plötzke Polizist Gerber Luger Die Müllerin Michael Lott Christiane Seidel Michael Kessler Franziska Traub Alexander Fennon Volker Zack Michalowski Georg Alfred Wittner Tom Gerhardt Désirée Nick Regie Idee Drehbuch Kamera Schnitt Musik Szenenbild Kostümbild Produzent Producer Redaktion Marc Schlegel Stephanie Töwe Stephanie Töwe und Marc Schlegel Anselm Hartmann Julia Böhm Jasmin Reuter Désirée Salvador Tanja Gierich & Ulé Barcelos Matthias Drescher & Philipp Knauss Franziska Specht Stefanie Groß Eine Produktion von FFL Film- und Fernseh-Labor Ludwigsburg in Koproduktion mit dem SWR. Gefördert von der MFG Filmförderung MARC SCHLEGEL Marc Schlegel (*1982 in Waiblingen) studierte Regie und Drehbuch an der Filmakademie Wien. Schon mit seinen im Rahmen des Studiums realisierten Kurzfilmen war er auf zahlreichen internationalen Filmfestivals vertreten und wurde vielfach ausgezeichnet. Sein Abschlussfilm »Das Begräbnis des Harald Kramer« gewann 2013 unter anderem beim Internationalen Festival der Filmhochschulen München den Luggi-Waldleitner-Preis für das beste Drehbuch und Bronze beim renommierten Camerimage Festival. Im Jahr 2014 nahm der Film als einzige nicht englischsprachige Produktion am L.A. Comedy Shorts Film Festival teil und gewann dort den Preis für den besten Studentenfilm. STEPHANIE TÖWE Deutschland 2015, 89 Min. Stephanie Töwe wurde 1972 in Hamburg geboren. 2006/2007 besuchte sie die Autorenschule der Filmschule HamburgBerlin. Ihre Kurzgeschichten erschienen in Anthologien und gewannen verschiedene Preise. Für »Grau sind alle meine Farben« erhielt sie von der Filmförderung Hamburg Drehbuchförderung. 11 DEBÜT IM DRITTEN REGISSEUR MARC SCHLEGEL ZU SEINEM FILM Herr Schlegel, wie wichtig ist es Ihnen, Ihr Publikum zum Lachen oder Lächeln zu bringen? War es unausweichlich, dass Ihr erster Langfilm eine Komödie wurde? Die Komödie ist auf jeden Fall ein Genre, das mir sehr liegt und in dem ich mich sehr gerne bewege. Mir gefällt an der Komödie, dass sie einem die seltene Gelegenheit gibt, vom Publikum durch das Lachen eine direkte und ungefilterte Reaktion auf das Gezeigte zu erhalten. Das hat etwas wunderbar Ehrliches, im Kinosaal wird nicht aus Höflichkeit gelacht. Wenn das Publikum lacht, hat man es zumindest geschafft zu unterhalten und man weiß, die wichtigste Hürde ist genommen. Dass mein erster Langfilm eine Komödie wurde, war zwar nicht unausweichlich, aber auch kein Zufall. Die Produktionsfirma hatte mit der Autorin Stephanie Töwe und der verantwortlichen Redakteurin Stefanie Groß schon einige Zeit den Stoff zu »Schmidts Katze« entwickelt. Es wurde dann nach einer Regieperson gesucht, die schon Erfahrungen mit dem Genre gesammelt hat. Da zur selben Zeit mein Abschlussfilm »Das Begräbnis des Harald Kramer«, natürlich eine Komödie, auf den Filmfestivals startete, kam man auf mich. 12 Auf Einheitlichkeit kam es Ihnen bei »Schmidts Katze« offensichtlich nicht in erster Linie an, weder was das Genre betrifft noch in den einzelnen Elementen des Films. Wie sind Sie den Film angegangen? Auch ein sehr bunter und heterogener Film, wie es »Schmidts Katze« ist, bildet letztendlich eine Einheit. Natürlich ist »Schmidts Katze« durch und durch Komödie, aber es ist eben auch die Geschichte eines einsamen Menschen, der auf ungewöhnliche Weise die Liebe findet und am Ende durch diese Liebe erlöst wird. Mir gefällt diese leichte Genreverschiebung hin zum Liebesfilm, da sie die Möglichkeit bot, die Figuren nicht nur in teilweise sehr schrillen Komiksituationen zu zeigen, sondern ihnen auch emotionale Momente zu geben. Mich hat an dem Projekt unter anderem die absolut schräge Prämisse gereizt. Ein vermeintlicher Biedermann, der zum Brandstifter wird, um ein Ventil für seinen seelischen Druck zu finden. So ein Stoff lädt natürlich dazu ein, einen schrägen, außergewöhnlichen und bunten Film zu machen. Ich wollte mutig sein, etwas wagen und dabei stets die Komödie im Blick behalten. Einen Film zu machen, der wild ist, der auch Ecken und Kanten haben SCHMIDTS KATZE darf und der viele Emotionen und Arten von Humor in sich versammelt. Der Film hat einen interessanten Cast. Sie haben gesagt, dass Sie sich genau diese Darsteller gewünscht hatten. Worauf kam es Ihnen bei der Besetzung an? Der Castingprozess stand unter dem Motto: »Wir fragen nur Leute an, die wir toll finden und mit denen wir immer schon mal zusammenarbeiten wollten.« Dass wir dann auf diese Weise ein so hochkarätiges Ensemble für diesen Debütfilm gewinnen konnten, war ein unglaubliches Glück. Da das Genre sehr hohe Ansprüche an die Darsteller stellt, war mir wichtig in vielen Rollen sehr komödienerfahrene Schauspieler wie z. B. Michael Lott, Michael Kessler oder Franziska Traub zu besetzen. Dass wir dann auch noch die Gelegenheit hatten mit Christiane Seidel, die in der HBO-Serie »Boardwalk Empire« gespielt hat und die ab nächstem Jahr in der neuen Netflix-Serie »Godless« zu sehen sein wird, ein wenig internationalen Glanz in unsere schwäbische Produktion zu bringen, war für alle im Team ein kleines Highlight. Es war eine wunderbare Erfahrung, mit diesen großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern diesen Film machen zu können und es freut mich, dass es schon über »Schmidts Katze« hinaus weitere Zusammenarbeiten gab. So habe ich gerade beim Piloten zu Michael Kesslers neuem TVFormat »Meine heile Welt« Regie geführt und am Drehbuch mitgearbeitet. Welche Rolle spielte dabei der Dialekt? Es gibt ja Dialekt sprechende Figuren und andere, wie z. B. Desiree Nick, nutzen ein geradezu spitzes Hochdeutsch. War Ihnen die Regionalität wichtig oder ging es vor allem um eine überschaubare Welt, in der die Nachbarn so nah sind wie sonst nirgendwo und Chinesen ganz besonders exotisch? Für mich stand früh fest, dass dieser Film in großem Maße davon profitieren wird, wenn wir die Handlung klar in BadenWürttemberg verorten. Brennt in Berlin nachts ein Auto, ist das fast schon normal. Im Ländle aber würden sich wahrscheinlich tatsächlich Bürgerwehren gründen, um des Schwaben größtes Heiligtum zu bewachen und zu verteidigen. »Schmidts Katze« ist keine volkstümelnde Provinzkomödie und auch kein Schwabenfilm, sondern ein Film, der die Chance nutzt, aus der Regionalität einen erzählerischen wie humoristischen Wert zu schöpfen. Und da darf der Dialekt am Ende dann auch nicht fehlen. 13 DEBÜT IM DRITTEN SA 12. NOVEMBER, 21:50 DOLORES REGIE: MICHAEL RÖSEL BUCH: SEBASTIAN FELD Georg Letterer ist ein perfektionistischer Modellbauer, der detailbesessene Modelle von Prototypen fertigt. Doch Georg und seinen egoistischen, faulen Bruder Franz plagen existentielle Nöte. Der Auftrag von der weltbekannten, nicht mehr so ganz jungen Hollywood-Diva Dolores Moor, ein Modell ihrer extravaganten Villa anzufertigen, soll die Rettung bringen. Zumal Georg in der Moorschen Villa der Vorstadttristesse und dem perfiden Psychoterror seines Bruders entfliehen kann. Unermüdlich arbeitet er an dem detailgetreuen Modell. Gleichzeitig ergreift mit jedem Tag die Zuneigung zu der unerreichbaren Dolores Moor mehr und mehr Besitz von ihm. Eines Tages macht Georg eine seltsame Entdeckung: Mittels des Modells ist er auf einmal in der Lage, Einfluss auf die physische Realität der Villa und damit auf seine Umwelt zu nehmen. Die Grenzen zwischen Modell und Realität beginnen zu verschwimmen. Aus dem introvertierten Modellbauer wird ein berechnender »Puppetmaster«, der die Lebensfäden seiner Mitmenschen in den Händen hält. Georg eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, Dolores Moor für sich zu gewinnen. Die filmische Adaption der Graphic Novel »Dolores« basiert auf einem Gedankenspiel: Was wäre, wenn jemand die Wirklichkeit zu seinen Gunsten beeinflussen könnte? Michael Rösels Debütfilm bedient sich der surrealen Erzählweise der »Metaliepsie«, bei der die Grenze zwischen der fiktionalen Binnenwelt (die Modellbauvilla) und der fiktionalen Realwelt (die Ereignisse in der realen Villa) allmählich aufgelöst wird. So kann der Modellbauer Georg seine Obsession für die Schauspielerin Dolores ausleben, indem er nach und nach alle Widersacher ausschaltet. Dazu passt Michael Rösels bewusst unterkühlte und artifizielle Erzählweise. 14 DEBÜT IM DRITTEN 15 DEBÜT IM DRITTEN 16 DOLORES BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Georg Letterer Dolores Franz Simone Anton Udo Schenk Franziska Petri Alexander Hörbe Mona Petri Mathias Hermann Regie Drehbuch Kamera Schnitt Musik Szenenbild Kostümbild Produzent Redaktion Michael Rösel Sebastian Feld Willy Dettmeyer André Schönitz Jörg Lemberg Christian Strang Henrike Luz Frieder Scheiffele Stefanie Groß MICHAEL RÖSEL Jahrgang 1971, studierte von 1993 – 1998 an der Universität Hildesheim Angewandte Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Film und Medien. Direkt im Anschluss begann er das Studium der Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg, das er 2003 ebenfalls mit Diplom abschloss. Seither drehte er diverse Werbe- und Imagefilme für verschiedene Produktionsfirmen, Agenturen und Kunden, die zahlreiche Auszeichnungen errangen. 2009 führte er Regie bei der kompletten ersten Staffel der schwäbischen Serie »Laible & Frisch«. Außerdem ist Michael Rösel seit 2008 als Dozent für Werbefilm an der Filmakademie Baden-Württemberg tätig. Basierend auf der gleichnamigen Graphic Novel von Anne Baltus, François Schuiten und Benoit Peeters. Eine Produktion der Schwabenlandfilm in Koproduktion mit dem SWR. Gefördert von der MFG Filmförderung SEBASTIAN FELD Deutschland 2015, 89 Min. Studierter Literaturwissenschaftler, Drehbuch- und Theaterautor, Regisseur, Narrative Designer für Videospiele, Dozent und Mitgründer der Schwabenlandfilm. War nach seinem Abschluss in Literaturwissenschaften als freier Drehbuchautor und Dramaturg für verschiedene Sender wie SAT1, RTL, SWR, uvm. tätig, bevor er an der Filmakademie BadenWürttemberg die Serie »Laible und Frisch« zusammen mit Produzent Frieder Scheiffele entwickelte, deren Produktion 2008 zur Gründung der Schwabenlandfilm GmbH führte. Seither kümmert er sich hauptsächlich um die Stoffentwicklung und Drehbücher der hauseigenen Produktionen. Von 2011 bis 2014 war er als Senior Creative Designer bei Related Designs/ Ubisoft für das Narrative Design und Lead Writing international erfolgreicher PC-Spiele wie »ANNO« oder »Might & Magic« verantwortlich. Als Dozent unterrichtet er an verschiedenen Instituten Drehbuch und Dramaturgie. 17 DEBÜT IM DRITTEN MICHAEL RÖSEL UND SEBASTIAN FELD ZU IHREM FILM Herr Feld, Herr Rösel, sind Sie Graphic-Novel-Fans oder wie kamen Sie auf die Idee, den Comic-Roman »Dolores« zur Vorlage Ihres ersten fiktionalen Films zu machen? Was hat Sie daran fasziniert? Michael Rösel: Sebastian und ich sind beide seit jeher ausgesprochene Comic-Fans. Wir haben das erste Mal bei der Serie »Laible & Frisch« zusammengearbeitet und uns damals über potentiell verfilmbare Graphic Novels unterhalten. Dabei stellte sich heraus, dass wir beide – unabhängig voneinander – »Dolores« schon seit Längerem für eine Verfilmung im Auge hatten. Diese Graphic Novel liest sich bereits wie das Storyboard zu einem Film, der nur noch gedreht werden muss! Sebastian und ich sind beide große Fans der Arbeiten von Schuiten und Peeters, aber nur »Dolores« wirkte ansatzweise finanzierbar, da alle anderen Geschichten der beiden zwar ebenfalls faszinierend, aber leider viel zu aufwändig in der Umsetzung sind. Sebastian Feld: Comics haben es seit jeher – vor allem im Land der Dichter und Denker – schwer, sich neben den etablierten Künsten zu behaupten. In Ländern wie Belgien, Frankreich, Japan oder den USA sieht es anders aus. Namen wie Schuiten und Peeters, Jean Giraud, Otomo, Taniguchi oder Will Eisner sind dort keine Unbekannten. Es gibt seit Jahrzehnten eine Vielzahl von Autoren und Zeichnern, die wunderbare Werke von hoher literarischer Qualität hervorbringen – auch in Deutschland. Wir hoffen, das wir mit »Dolores« einen kleinen Teil dazu beitragen können, die »neuvième art«, wie sie die 18 Franzosen und Belgier nennen, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Mit Georg haben Sie eine Hauptfigur, die zu Beginn fast ein wenig bemitleidenswert scheint, der aber im Laufe des Films unheimliche Fähigkeiten zuwachsen – die er dann auch unheilvoll auslebt. Mit dem Abbild die Realität beeinflussen: Haben Sie eine Verwandtschaft zwischen Filmemachen und Georgs Abbildungsmanie gespürt? Was für eine Figur ist er für Sie? Sebastian Feld: »Dolores« liegt die alte moralphilosophische Fragestellung zugrunde: »Was soll ich tun?« Was geschieht mit einem Menschen, der plötzlich übermenschliche Fähigkeiten erhält und diese nun zum Erlangen seines höchsten Zieles einsetzen kann? Denn erst durch das »Wunderbare«, das in Georgs Leben tritt, wird er vom inaktiven zum aktiven Protagonisten und wird von der ihm gegebenen »Macht« korrumpiert. Im dem Moment, in dem Georg in der Lage ist, die Naturgesetze außer Kraft zu setzen, verlässt er auch den Weg des »vernünftigen« Handelns. Der manische Perfektionist Georg verliert sich immer mehr im Chaos seiner Gefühlswelt, in der seine bisherigen ethischen Werte und Maßstäbe ins Wanken geraten, um die Liebe einer Frau zu erlangen. Parallel zum Verwischen der Grenzen zwischen Modellwelt und Realität verwischen auch für Georg die Grenzen moralisch guten oder moralisch schlechten Handelns. Als Filmemacher sind wir natürlich ein Stück weit mit Georg seelenverwandt, insofern auch wir eine spezifische Welt perfekt abbilden wollen. DOLORES Michael Rösel: Georgs Entwicklung ist im Grunde ein faszinierender character shift: Wir lernen ihn als etwas verschrobenen, aber durchaus sympathischen Protagonisten kennen und gestalten ihn im Verlaufe der Handlung zum eigentlichen Antagonisten, der für seine Liebe zu Dolores bereit ist über Leichen zu gehen. Eine derartige Charakterwandlung kenne ich sonst eigentlich nur aus langlaufenden horizontalen Serien. Die interessante Herausforderung für uns bestand darin eine solche Transformation in einem Spielfilm zu versuchen. Eine tragische und nahezu unheimliche Parallele hat sich während der Dreharbeiten für mich persönlich ergeben: Mein Vater hatte mir seinen Lieblings-Oldtimer – ein rosa Oldsmobile von 1958 – für die Dreharbeiten kostenlos zur Verfügung gestellt. Es kam als Fahrzeug von Dolores sehr häufig zum Einsatz. Als Dank dafür haben wir meinen Vater in einer abwesenden Rolle als Dolores’ Vater besetzt und eine handlungsrelevante Puppe, sowie ein Porträt mit seinem Namen und mit seinem Aussehen anfertigen lassen. Jetzt steht im Film Dolores’ Sekretärin vor dem Porträt meines Vaters und erzählt, dass dieser das Haus erbaut hätte und vor Kurzem an einem Herzinfarkt gestorben sei. Drei Wochen später starb mein Vater tatsächlich – an einem Herzinfarkt. Ein tragischer und extrem merkwürdiger Zufall. Letzten Endes glaube ich jedoch, dass ich meinem Vater kein besseres Denkmal hätte setzen können, da er selbst begeisterter Film-Fan und -Sammler war und sich sogar ein eigenes kleines Kino mit mehreren Projektoren und zahlreichen 35mm-Filmen zugelegt hatte. Ist der Weg von der in Bildern mit Sprechblasen erzählten Geschichte zum Drehbuch bzw. zur visuellen Konzeption des Films ein besonders direkter oder mussten Sie sich erst mal von der gezeichneten Geschichte entfernen? Und wie stark haben Sie sich an die Ästhetik der Zeichnungen gehalten? Michael Rösel: Die Zeichnungen haben uns relativ wenig beeinflusst, wir haben uns vielmehr an dem Grundgerüst der Geschichte orientiert. Die Figuren und ihr Beziehungsgeflecht waren mit wenigen Pinselstrichen schon sehr plastisch und dreidimensional ausgestaltet und der dramaturgische Bogen hat im Großen und Ganzen auch schon sehr gut funktioniert. Aber wir mussten die Geschichte noch stark erweitern, da die Graphic Novel an vielen Stellen sehr verkürzt und gerade am Ende viel zu schnell auserzählt wird. Für einen Spielfilm hätte das niemals ausgereicht, sodass wir den Umfang der Geschichte fast verdoppelt haben. Vor allem der einseitigen Liebesbeziehung zwischen Georg und der Sekretärin haben wir nahezu den kompletten zweiten Akt eingeräumt, da diese in der Vorlage viel zu kurz ausfällt. Als wir unseren fertigen Film den Autoren und der Zeichnerin beim Comic Salon in Erlangen präsentieren konnten, waren diese extrem angetan, wie wir ihre Story erweitert und in das Medium Film transformiert haben. Sebastian Feld: Als Autor, der ein Werk adaptiert, steht man immer vor der Wahl, sich der Vorlage autark oder im Dialog mit dem Urheber zu nähern. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Wichtig ist jedoch, einen persönlichen Zugang zu dem Stoff zu finden und ihn mit dem gebührenden Respekt zu behandeln. Auch wie weit man sich von einer Vorlage entfernen will – oder gar aus dramaturgischen Gründen muss – ist stets eine Gratwanderung. Ich persönlich sehe es als eine Herausforderung an, so nahe wie möglich am Original zu bleiben, wenn es die Übersetzung in ein anderes Medium zulässt. Da ein Comic oder eine Graphic Novel weit mehr als ein Roman in Bildern »denkt«, ist man dem Medium Film natürlich näher als fünfhundert Seiten innerer Monolog in einem Roman. Aber alles ist möglich und gerade Comic und Graphic Novel haben in den letzten Jahren teilweise eine sehr komplexe Bildsprache entwickelt, die auch ganze neue Erzählformen und Leseerfahrungen zulässt. Herr Rösel, für »Dolores« mussten Sie ganz unterschiedliche Ebenen erschaffen, die in den 50ern spielende Geschichte, das lebendig werdende Abbild des Hauptmotivs sowie die Zitate aus zeitgenössischen Filmen. Wie hat das mit der Umsetzung geklappt? Die größte Inspirationsquelle war in diesem Zusammenhang sicherlich Alfred Hitchcock. Die Beziehung zwischen Georg und Simone wurde stark von »Vertigo« inspiriert und auch bei der Komposition der Musik haben wir uns zusammen mit unserem wunderbaren Filmmusiker Jörg Lemberg sehr stark an dem Soundtrack von »Psycho« orientiert. Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden. Ich glaube auch, dass die Tatsache, dass wir trotz des begrenzten Budgets in den 50er Jahren gedreht haben unser extrem motiviertes Team zu Höchstleistungen angespornt hat. Das war einfach eine tolle Zeit, die visuell schön rüber kommt und in der es allen Spaß gemacht hat zu drehen. 19 DEBÜT IM DRITTEN SA 12. NOVEMBER, 23:20 KRYO David kann sich mit dem drohenden Tod seiner erkrankten Frau Evelyn einfach nicht abfinden. Deshalb lässt er sie und sich selbst einfrieren, in der Hoffnung, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ihre Krankheit geheilt werden kann, wieder aufzuwachen und mit ihr weiter zu leben. Hunderte Jahre später wachen sie tatsächlich in einem unterirdischen Labor aus dem Schlaf im Kryoniksarg auf. Doch die Welt hat sich in anderer Weise verändert als die beiden erhofft haben. Und so steht David erneut vor der Frage, wie er mit dem Leben seiner Frau umgeht, und muss begreifen, dass Lieben auch Loslassen bedeutet. Je kürzer der Film desto größer das Thema? Nein, dennoch setzen sich nicht wenige Kurzfilme mit den großen Fragen der Menschheit auseinander, Liebe Tod, Identität. So auch Kryo. Kann man den Tod überwinden? Was bedeutet es, zu lieben? Was macht einen Menschen und sein Wesen aus? Nicht akademisch, sondern in eine spannende Science fiction gekleidet, geht der Film diesen Fragen nach und bringt uns selbst dazu, darauf Antworten zu suchen. BESETZUNG, STAB, PRODUKTION David Evelyn Betty Beat Marti Jana Klinge Eva Probst Regie & Story Buch Kamera Schnitt Produktion Redaktion Christoph Heimer Arend Remmers Frederick Gomoll Helmar Jungmann Eric Bouley Christian Schega Christopher Sassenrath Brigitte Dithard, SWR Daniela Muck, ARTE Eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg in Koproduktion mit SWR und Arte. Länge: 20 29‘23 KURZFILME SA 12. NOVEMBER, 23:50 CORNERSTORYS Mehmet ist der Barbier in einem Kleinstadtviertel, der die Geschichten seiner Kunden kennt und neben Haarpflege auch Seelenpflege betreibt. Die größte Angst des Aufreißers Reza ist, dass seine Freundin schwanger ist. Er weiß aber nicht so genau, wie er das rauskriegen kann. Der Türsteher Pascal hat eine ganz andere Sorge: Er kann seine Eifersucht auf die Kunden seiner Freundin nicht beherrschen, die als WebcamGirl arbeitet. Den Besitzer eines Wettbüros plagt plötzlich das Gewissen und er geht mit einem Spielsüchtigen einen ungewöhnlichen Handel ein, und die Dönerverkäuferin Sergül versucht ihre wahren Gefühle für ihre Stammkundin Steffi vor ihrer Tante Aylin zu verstecken. Und auch Mehmet hat seinen Kummer: die Sehnsucht nach der Heimat. Doch in der Begegnung mit einem heimatlosen Börsenmakler erkennt er, dass Heimat dort ist, wo man die Geschichten der Menschen kennt. Wenn ein Kurzfilm auch noch ein Episodenfilm ist, werden die einzelnen Geschichten noch kleinteiliger erzählt. Dass eine Wette in einem einschlägigen Büro oder der Verkauf eines Döners ausreicht, die Frage nach dem Existenziellen zu stellen, zeigt dieser Film, der mit einem Augenzwinkern den Alltagssorgen der Menschen nachgeht. BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Mehmet Sergül Reza Klaus Hakim Yilmaz Atmaca Judith Goldberg Arman Kaschmiri Michael Specht José Barros Buch Regie Kamera Schnitt Produktion Redaktion Andrej Sorin Tarek Roehlinger Max Christmann Isabelle Kohn Ismo Wolffson Marisa Meier Brigitte Dithard, SWR Sabine Brantus, Arte Eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg in Koproduktion mit dem SWR und Arte. Länge:24‘58 21 DEBÜT IM DRITTEN SA 12. NOVEMBER, 0:15 DIE STILLE Astrid ist 24 Jahre alt und klassische Balletttänzerin. Kürzlich hat sie gemeinsam mit ihrem Freund beschlossen, eine Schwangerschaft abzubrechen. Sie war noch nicht bereit, ihre Leidenschaft zu tanzen, ihren Körper, ihre Träume aufzugeben. Doch Astrid hat nicht damit gerechnet, dass ihre Entscheidung sie im Nachhinein so verfolgt. Alles scheint wie vorher, doch immer wieder wird sie von der Welt verunsichert und fragt sich: Was ist mein Leben wert? Nach dem Beginn des Lebens fragt »Die Stille« und danach, was es für eine Frau bedeutet, dieses Leben zuzulassen oder auch nicht. Die rationale Bewertung ist kalkulierbar, die emotionale nicht. Wie wir selbst Opfer unserer existentiellen Entscheidungen werden können, zeigt dieser Film. Und er zeigt auch, dass wir das überwinden können. BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Astrid Astrid (Tänzerin) Friedemann Clara Isabel Thierauch Oihane Herrero Moritz Vierboom Sabine Bach Buch und Regie Kamera Schnitt Produzentin Koproduzent Redaktion Lily Erlinger Anne Bolick Dennis Lutz Leslie-Alina Schäfer Marvin Rössler Brigitte Dithard, SWR Claudia Gladziejewski, BR Sabine Brantus, ARTE Eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg in Koproduktion mit SWR, BR und ARTE. Länge: 22 27‘24 KURZFILME SA 12. NOVEMBER, 0:40 FLEISCH Ein Mann kehrt mit einem riesigen Wildschwein von der Jagd zurück. Weil er nicht alles einfrieren kann, fasst er sich ein Herz und bringt der schönen Nachbarin ein Stück. Die isst es mit viel Genuss, so dass er ihr noch mehr Fleisch bringt. Eine ungeahnte Nähe zwischen den beiden Karnivoren stellt sich ein, die zu einer extremen Verbindung führt. Wie weit geht Hingabe, wenn zuvor Einsamkeit herrschte? Mit den Geheimnissen der Menschen in einem französischen Provinznest spielt dieser Film auf dem Grat zwischen Landdrama und Horrorfilm. Fast sprachlos gehen die Figuren den Weg, den sie sich suchen und der gleichzeitig schon von ewig her bestimmt zu sein scheint. BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Pierre Nachbarin Geoffroy De La Taille Diana Fontannaz Regie Buch Kamera Schnitt Produktion Redaktion Anne Brouillet & Cécile Paysant Manon Verdeil Mathieu Gaudet Baptiste Ribrault Leslie Saussereau Georg Neubert Brigitte Dithard, SWR Barbara Häbe, Arte Eine Produktion des Atelier Ludwigsburg/Paris in Koproduktion mit dem SWR und Arte. Länge: 8‘45 23 DEBÜT IM DRITTEN SA 12. NOVEMBER, 0:50 METALOPHOBIA Uwe ist Rettungssanitäter und daran gewöhnt, bei Großveranstaltungen Verletzte, Betrunkene, Bewusstlose wieder auf die Beine zu bringen. Freilich sollte die Veranstaltung nach seinem Geschmack sein. Als eingefleischter Techno-Fan ist für ihn nichts schlimmer, als eine Metal-Veranstaltung. Als er zum Deutschland-Treffen der Metaller eingeteilt ist, versucht er alles, um diesen Einsatz zu umgehen. Sein Plan ist, die Betriebspsychologin von seinem klaustrophobisch bedingten Burnout zu überzeugen. Wikipedia hilft ihm dabei. Da hat er aber die Betriebspsychologin unterschätzt. Die ist nicht nur clever, sondern auch noch musikbegeistert. Ob eine Frage existenziell ist, ist mitunter sehr subjektiv. Eine Fehleinschätzung und die daraus erwachsenden Bemühungen, einem scheinbar unerträglichen Schicksal auszuweichen, kann dazu führen, dass man gerade in die Schwierigkeiten gerät, die man vermeiden wollte. Ein komisch-tragischer Held wird Opfer seiner Leidenschaft. BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Uwe Kessler Dr. Alice Kuper Thomas Klaus Jürgen Dr. Ressler Philippe Reinhardt Victoria Sordo Kailas Mahadevan Florian Mania Michael Gaedt Dr. Kuhn Regie Drehbuch Kamera Schnitt Produzenten Redaktion Dominik Kuhn Axel Melzener Heiko Burkardsmeier Matthias Reisser Nils Landmark Thomas Reisser Marcus Machura Brigitte Dithard Eine Produktion der Niama-Film GmbH in Kooperation mit SWR und STARPATROL Entertainment. Länge: 24 12’46 KURZFILME 25 DEBÜT IM DRITTEN MO 14. NOVEMBER, 20:15 UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT REGIE: FREDERIK STEINER BUCH: BARBARA TE KOCK »Glück ist eine Frage der richtigen Perspektive« – diese Lebensmaxime gefällt der 22-jährigen Lea. So gesehen hat sie ihren eigenen Chauffeur und immer 20 Liter Sauerstoff dabei. Das klingt komfortabel. Die Wahrheit ist aber: Lea leidet an Mukoviszidose und wird daran sterben. Nach langen Jahren des Leidens hat die junge Frau genug und beschließt, in die Schweiz zu fahren, um in einem Sterbehospiz ihrem Leben würdevoll ein Ende zu setzen. An ihrem Geburtstag soll es so weit sein. Noch weiß niemand davon, aber Lea will unbedingt ihre Familie bei sich haben und ruft ihre Schwester, Mutter und Großmutter zu sich. Doch die wollen Lea nicht kampflos aufgeben. Frederik Steiner ist ein zutiefst berührender, poetisch-zärtlicher Film gelungen, der trotz seines schweren Themas niemals kitschig oder rührselig wird. Eine Glanzleistung auch von Liv Lisa Fries, die diese schwere Hauptrolle einer Mukoviszidosekranken unglaublich vielschichtig interpretiert: humorvoll und zerbrechlich, authentisch und verzweifelt. Dieser Film geht wirklich zu Herzen. 26 DEBÜT IM DRITTEN 27 DEBÜT IM DRITTEN 28 UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Lea Hannah Rita Maria Moritz Heiner Liv Lisa Fries Lena Stolze Sophie Rogall Kerstin de Ahna Max Hegewald Johannes Zirner Regie Drehbuch Kamera Schnitt Musik Szenenbild Kostümbild Produzenten Redaktion Frederik Steiner Barbara te Kock Florian Emmerich Bernd Schlegel Daniel Sus Renate Schmaderer Tanja Erdmann Mo Vorwerck Peter Heilrath Andreas Bareiss Bernd Burgemeister Stefanie Groß, SWR Barbara Häbe, ARTE Eine Produktion der Peter Heilrath Filmproduktion in Koproduktion mit Andreas Bareiss Pictures, Goldkind Pictures, SWR und ARTE Gefördert vom FFF Bayern Deutschland 2013, 90 Min. Der Film erhielt u. a. den DEFA-Förderpreis und den Hauptpreis »Best Picture« beim Greenwich Film Festival. Liv Lisa Fries wurde sowohl beim Bayerischen Filmpreis 2013 als auch beim Festival Max Ophüls Preis 2014 für »Und morgen Mittag bin ich tot« mit dem Nachwuchsdarstellerpreis ausgezeichnet. FREDERIK STEINER Der Regisseur und Drehbuchautor studierte bis 2002 Regie an der Filmhochschule Babelsberg. In dieser Zeit schrieb er erfolgreiche Kurzfilme wie »Fortissimo« (1996), »Vol de nuit« (1998) und »Der Gedächtniskünstler« (1999), bei denen er auch die Regie führte. Im Jahr 2000 erschien sein erster Fernsehfilm »Die Todeswelle – Eine Stadt in Angst«, in dem der Ingenieur Sven Todt (Jochen Horst) einen Baufehler in einer Staumauer entdeckt und damit ein Dorf vor dem Ertinken rettet. Mit dem Drama »Und morgen Mittag bin ich tot« feierte er 2013 sein Kinodebüt. BARBARA TE KOCK Nach einem Studium in Theaterwissenschaft, Psychologie und neuerer deutscher Literatur (1993 – 1996) in München und einer einjährigen Fotoassistenz bei Herlinde Koelbl zog es Barbara te Kock zunächst ans Theater, wo sie diverse Stücke entwickelte und inszenierte (Wien, Basel, München). 2008 besuchte sie die Drehbuchwerkstatt München und entwickelte dort ihr erstes Drehbuch »Und morgen Mittag bin ich tot« (2013). Seitdem schreibt sie Drehbücher und Kurzprosa. 29 DEBÜT IM DRITTEN REGISSEUR FREDERIK STEINER ZU SEINEM FILM Herr Steiner, was hat Sie bewogen, sich für Ihren ersten Kinofilm für das hochemotionale Thema Sterbehilfe zu entscheiden? Das Projekt wurde an mich von der Redakteurin Stefanie Groß herangetragen, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Ich selbst hatte mich zu dem Zeitpunkt mit dem Thema Sterbehilfe nur sehr wenig befasst, habe aber sofort gespürt, dass in dem von der Münchner Autorin Barbara te Kock entwickelten Stoff großes Potential steckt. Vor allem die Hauptfigur der Lea mit ihrer unmittelbaren und frechen Art, mit ihrem großen Herzen und ihrem Humor hat es mir von Anfang an angetan. Gerade weil ich auch selbst angesichts des schwierigen und angstbesetzten Themas zu Beginn große Berührungsängste hatte, dachte ich, hier steckt vielleicht der Ansatz für den Film: Indem ich sage, hier bin ich als Mensch und als Filmemacher, und ich habe vor diesem Thema genauso Angst und Respekt wie vielleicht viele andere auch, aber ich will versuchen, diese Geschichte so liebevoll und vor allem auch ehrlich wie möglich zu erzählen. Wenn man seiner Angst begegnet und sich mit ihr auseinandersetzt, kann man daran eigentlich nur wachsen. »Und morgen Mittag bin ich tot« ist eine sehr persönliche Geschichte einer jungen Frau und ihrer Familie, nicht etwa ein Thesenfilm für eine bestimmte Haltung. War es trotzdem wichtig, eine Haltung zu finden und die womöglich dann wieder beiseite zu legen? Und haben Sie eine besondere Verantwortung gespürt? Ja, diese Verantwortung habe ich sehr deutlich gespürt, schon 30 allein deshalb, weil zum Thema Sterbehilfe zu dem Zeitpunkt in Deutschland ja wirklich sehr lebhaft diskutiert wurde und Film nun einmal ein sehr kraftvolles Medium ist, das in den Köpfen und Herzen der Menschen Spuren hinterlässt. Ein guter Film sollte meines Erachtens immer auch leidenschaftlich sein – man sollte als Zuschauer spüren, dass ein brennendes Anliegen dahinterstand, diese Geschichte zu erzählen. Und ich wüsste gar nicht, wie das möglich sein soll, ohne dass man als Macher eine Haltung zu seiner Geschichte entwickelt. Vor allem war mir wichtig, Leas Entscheidung nicht zu verurteilen, selbst wenn ich mich persönlich vielleicht anders entschieden hätte als sie. Aber was weiß ich denn schon, wie ich mich unter solch extremen Umständen verhalten würde? Mir war es wichtig, mit Bescheidenheit, vielleicht sogar einer gewissen Demut, an dieses Thema heranzugehen und mich als Geschichtenerzähler gewissermaßen in den Dienst der Figuren zu stellen – so wie das ja auch jede gute Schauspielerin, jeder gute Schauspieler tut. Wenn ich für mich persönlich keinen Weg gefunden hätte, nicht nur Lea zu verstehen, sondern jede Figur im Film – auch die Sterbehelferin, auch den Arzt, der das Mittel verschreibt – , hätte ich den Film nicht machen können. In dem Zusammenhang: War es wichtig für den Film, zu recherchieren und nicht nur in den Gefühlen, sondern auch in den Abläufen genau zu sein? Sowohl was die Abläufe der Sterbehilfe angeht als auch Leas Leiden. Absolut. Ohne Recherche, die in diesem Fall sehr lang und ausführlich war, wäre es nicht gegangen. Wie soll man seine UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT Haltung finden, wenn man nicht weiß, worüber man spricht? Das hat mir am Anfang viele Sorgen bereitet. Aber zum Glück haben uns viele Menschen, denen ich ganz besonders zu Dank verpflichtet bin, ihre Tür geöffnet und uns ihr Vertrauen geschenkt, dass wir mit dem Thema behutsam und sensibel umgehen werden. Dadurch konnten wir dann am Ende wirklich sehr genau und präzise, ja eigentlich fast schon dokumentarisch erzählen. So ist zum Beispiel das Formular, das die Sterbehelferin am Ende ausfüllt, bis auf leichte Abänderungen ein Original. Auch zu Mukoviszidose haben wir sehr genau recherchiert. Wir wollten die Krankheit so authentisch wie möglich zeigen und nichts beschönigen, sie aber auch nicht als plakatives Aushängeschild für den Film behandeln. Diese Gefahr zu umgehen war mir eigentlich am wichtigsten von allen, und ich habe mich nach dem Film auch über die Komplimente der Menschen, die beruflich mit Mukoviszidose zu tun haben oder davon betroffen sind, am meisten gefreut. Eine Frau meinte nach einer Vorführung im Kino sogar zu mir, sie arbeite jetzt seit 20 Jahren in der Betreuung Mukoviszidosekranker und hätte den ganzen Film über mit einem Auge auch nach Fehlern im Detail geschielt, hätte aber keinen gefunden. Ein so schönes Kompliment erklärt sich natürlich vor allem auch durch die meiner Meinung nach wirklich sensationelle Leistung von Liv Lisa Fries. mich ganz wichtige Elemente. Bei einer Hauptfigur, die uns vergleichsweise gleichgültig ist, weil sie verschlossen und unzugänglich, vielleicht sogar zynisch ist, wäre es mit einem solchen Handlungsbogen sicher sehr schwer geworden. Doch weil Lea uns mit offenen Armen begegnet und sie das Leben – trotz allem – so sehr liebt, steht viel weniger die Frage im Vordergrund, wie es am Ende ausgeht, als vielmehr die Frage, wie sie ihre Reise dorthin und letztlich auch das Ende selbst erlebt. Was war Ihre ästhetische Strategie für die Umsetzung der Geschichte? Uns waren vor allem zwei Punkte wichtig: Die Kamera bzw. die erzählerischen Mittel sollten eher im Hintergrund stehen und sich in den Dienst der Geschichte und der Figuren stellen. Ähnlich wie später auch die Filmmusik haben wir die Kamera stets als so etwas wie Leas besten Freund empfunden, der sie behutsam begleitet, ihr manchmal auch sehr naherückt, sie aber niemals bloßstellt. Das sieht man finde ich besonders anschaulich in einigen sehr intimen Momenten gegen Ende des Films, in denen die Kamera ganz mit Lea allein ist und wir als Zuschauer wie selbstverständlich, wie von Lea ins Vertrauen genommen, Zeuge ihrer Todesangst werden. Außerdem wollten wir in der Farb- und Lichtdramaturgie ein gewisses Gegengewicht zu der sehr düsteren und schweren Thematik der Geschichte setzen. Wir haben das aus der Überlegung heraus getan, dass auch Lea in ihrem Leben nach diesem Gegengewicht suchen würde, um die Situation so für sich selbst erträglicher zu machen. Deshalb trägt sie auch so farbenfrohe Kleidung, aber auch sonst gibt es im Film immer wieder Farbakzente, die wir meistens bewusst gesetzt haben. Eine junge Frau sagt am Anfang des Films, dass sie sterben will, nimmt das in Angriff und bringt sich am Ende um – haben Sie sich Gedanken um die Spannung gemacht? Hier habe ich immer darauf vertraut, dass wir als Zuschauer an Leas Schicksal interessiert sein werden, wenn wir sie erst einmal in unser Herz geschlossen haben. Ihr Humor, ihre Offenheit und ihre unkomplizierte Direktheit waren hier für 31 DEBÜT IM DRITTEN MI 16. NOVEMBER, 22:00 NACHSPIELZEIT BUCH UND REGIE: ANDREAS PIEPER Der Neuköllner Cem träumt von einer guten Zukunft und will seinen Kiez gemeinsam mit seinem Kumpel Marc gegen Nazis und Spekulanten verteidigen. Dabei übertritt er mehr als einmal die Grenzen des Gesetzes. Im Pflegeheim arbeitet Cem als Bundesfreiwilligendienstler und dort verdreht ihm die Pflegerin Astrid den Kopf. Beim Fußball kämpft Cem mit Leidenschaft um jeden Punkt, wie auch sein Rivale Roman. So unterschiedlich die politischen Ansichten der beiden jungen Männer sind, ringen sie doch beide mit ihrem prekären Leben, den Problemen in ihren Elternhäusern und dem Vorbild ihrer passiven Väter. Doch der frustrierte Roman kennt nur fremdenfeindliche Parolen. Als er sich eines Nachts von Astrids punkigem Auftreten provoziert fühlt, verprügelt er sie. Cem und Roman treffen im Pflegeheim aufeinander, wo Cem Romans Großvater pflegt. Als er sich zu einer Schlägerei hinreißen lässt, verliert Cem seine Stelle als Pfleger, und Roman wird von seinem Großvater vor die Tür gesetzt. Aus der politischen Konfrontation eines linken Türken und eines rechten Ostberliners wird ein gewalttätiger Konflikt, in dem es bald um Leben und Tod geht. Der kriminelle Immobilienspekulant Calli, der auch Cems Vater aus dessen Restaurant zu vertreiben versucht, will davon profitieren und heuert Roman an. Schaffen es die beiden, einem fatalen Zusammenstoß aus dem Weg zu gehen? Andreas Piepers zweiter Langfilm »Nachspielzeit« ist ein Film mit politischem Anliegen: Es geht um die Gentrifizierung in Berlin, Kreuzberg und Neukölln. Und es geht um verschiedene Gruppen in der Gesellschaft: die Deutschtürken, das FußballTeam, die Neonazis, die Hausbesetzer, die Kriminellen, die Makler, die Reichen und die Armen. Das Zusammenleben ist komplexer geworden, die Kämpfe härter. Aber es geht auch um Menschen, die etwas bewegen möchten. Der Film ist also ein moderner Heimatfilm. Man spürt, dass der Regisseur sein Milieu sehr gut kennt. Und dass er Emotionen im Alltäglichen erzählen kann. Der Kampf seiner Figuren findet eine passende Bildsprache und Inszenierung, die ihnen Raum lässt, aber doch persönlich und nah erzählt. 32 DEBÜT IM DRITTEN 33 DEBÜT IM DRITTEN 34 NACHSPIELZEIT BESETZUNG, STAB, PRODUKTION Cem Astrid Roman Herr Liebach Marc Torsten Liebach Ülkü Ecevit Mahmut Ecevit Nurhan Ecevit Calli Soric Mehmet Atesci Friederike Becht Frederick Lau Horst Westphal Jacob Matschenz Uwe Preuss Pinar Erincin Vedat Erincin Siir Eloglu Aleksandar Tesla Buch und Regie Kamera Schnitt Musik Szenenbild Kostümbild Produzent Redaktion Andreas Pieper Armin Dierolf Christian Griebe Stefan Kobe Uwe Bossenz Maria Schöpe Sandra Klaus Martin Heisler Stefanie Groß, SWR Georg Steinert, ARTE ANDREAS PIEPER Andreas Pieper studierte an der Babelsberger Filmuniversität. »Nachspielzeit« ist sein zweiter Langspielfilm nach seinem Debüt »Entzauberungen«. Der moderne Heimatfilm aus Berlin-Neukölln feierte 2015 beim Festival Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken Premiere, lief auf dem Neisse Filmfestival, bei »achtung berlin«; und im Wettbewerb des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen. Eine Produktion der Lichtblick Media in Koproduktion mit SWR und ARTE. Deutschland 2014, 82 Min. »Nachspielzeit« wurde unter anderem mit dem Förderpreis der DEFA-Stiftung ausgezeichnet sowie dem »new berlin film award« für die beste Produktion. 35 DEBÜT IM DRITTEN ANDREAS PIEPER ZU SEINEM FILM Der Film »Nachspielzeit« hat mehrere Handlungsstränge. Da ist zum Beispiel das Einzelschicksal von Cem oder das Thema der Bandenkriege im Berliner Kiez. Welche Thematik war für Sie ausschlaggebend für das Drehbuch? len, die weder den gängigen Negativ-Klischees entspricht, noch dem Zerrbild des edlen aber schlichten Wilden. Eine Figur aus eigenem Recht. Ein handelndes Subjekt, kein Objekt. Andreas Pieper: Für mich ist »Nachspielzeit« ein moderner Heimatfilm. Heimat als identitätsstiftender Ort, oft in der Abgrenzung gegen das vermeintlich Fremde. Wenn es in Deutschland neben der Mehrheitsgesellschaft zwei große Minderheiten gibt, dann die Ostdeutschen und die Migranten. Wie Cem und Roman gegeneinander ausgespielt werden bis es kracht. Stehen die Hauptfiguren Cem und Roman repräsentativ für eine perspektivlose Jugend oder handelt es sich hierbei um eine Geschichte abgelöst von realen Vorbildern? Im Film wird der Berliner Bezirk Neukölln bewusst aus einer extrem verdichteten Perspektive beleuchtet. Inwiefern spiegelt der Film Ihre eigene Sicht auf Neukölln? Der Film beruht auf intensiver Recherche, widersetzt sich aber gerade deswegen einer allzu glatten Linearität. Kein Film, der eine Antwort auf die komplexen Probleme einer Großstadt behauptet. Vielmehr ein offenes Ende, das dem Zuschauer im Brechtschen Sinne eine eigene Haltung abfordert. Selbst zu entscheiden, ob die gemeinsame Polonaise im Altersheim Realität ist – oder doch eher die schöne Fiktion eines einsamen alten Mannes. Was hat Sie dazu bewogen, Cem als Hauptfigur zu wählen? Auslöser war die plakative Debatte um die Sarazzin-Thesen: Deutschland schaffe sich durch falsche – sprich muslimische – Einwanderung ab. Ich wollte eine vielschichtige Figur erzäh- 36 Ich glaube nicht, dass Cem und Roman perspektivlos sind. Vielmehr dass die Komplexität vieler Probleme zu einer Überforderung führt, die ein Freund-Feind-Denken so attraktiv erscheinen lässt. »Regeln sind eher wie Kochrezepte. Man muss sich jetzt nicht sklavisch dran halten, sondern abschmecken und verfeinern.« Das ist Cems Devise, wenn es um die Anwendung von Gewalt geht. Glauben Sie, dass Cem diese Devise auch nach dem Film aufrecht erhält? Gewalt gegen Dinge, vor allem indirekte Gewalt, deren Folgen man nur abstrakt erlebt, lässt sich in einem pop-revolutionären Kontext schnell legitimieren. Was ist schon eine brennende Baustelle? Deshalb drückt Calli, der diese Baustelle beschützen soll, Cem einen Baseball-Schläger in die Hand und zwingt ihn, endlich einmal richtig zuzuschlagen. Wenn Cem den Schläger zitternd fallen lässt, ist ihm klar, dass jedes Spiel Folgen hat. NACHSPIELZEIT Wann beginnt, Ihrer Meinung nach, die »Nachspielzeit« im Film – etwa direkt mit dem Verlassen des Fußballplatzes oder erst am Ende des Films? In der Nachspielzeit spitzen sich Dinge zu, nach 90 Minuten muss es zu einer Entscheidung kommen. In diesem Fall die direkte Konfrontation zwischen den Gegnern. Die Frage, ob Cem wirklich zuschlägt, um dann aber auch die volle Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Die Szene, mit der der Film beginnt und endet. Dazwischen erzählt »Nachspielzeit« den Weg in diese ausweglose Situation. Wie jeder so lange Schuld auf sich nimmt, bis alle nur noch verlieren können. Bleiben Sie bei Ihren weiteren Projekten im Berliner Kiez oder tauchen Sie in neue Welten ein? Für mich liegt ein Reiz des Filmemachens in der Recherche neuer Milieus. Im Erkunden neuer Räume. Gerade fahre ich zur See. (Das Gespräch führte Theresia Mayer für ARTE) 37 DEBÜT IM DRITTEN SA 19. NOVEMBER, 21:50 DESSAU DANCERS REGIE: JAN MARTIN SCHARF BUCH: RUTH TOMA Im Sommer 1985 entflammt ein amerikanischer Kinofilm auch die Jugendlichen in der DDR: »Beatstreet« sorgt für volle Kinos und in der Folge für ein neues Phänomen in den Straßen – Breakdance. Der 18-jährige Frank ist wie elektrisiert und gründet mit gleichgesinnten Freunden in Dessau die »Break Beaters«. Die Truppe tanzt auf der Straße und bildet bald die Speerspitze der Breakdance-Bewegung in der DDR. Doch schneller als es ihnen lieb ist, wird auch die Staatsmacht auf die Straßentänzer aufmerksam. Und die behält gern die Kontrolle über die Freizeitaktivitäten ihrer Jugend. Denn was die DDR nicht verbieten kann, versucht sie zu kontrollieren – ergo muss das Vorhaben sozialistisch werden! So wird aus Breakdance »akrobatischer Schautanz« und die »Break Beaters« werden als Vorzeigetruppe aufgebaut, durch das Land geschickt und bald gefeiert wie Rockstars. Doch der Ruhm hat seinen Preis und Frank wird langsam bewusst, dass dieser ganz schön hoch ist. Dessau Dancers ist ein Feelgood-Movie mit gesellschaftlichhistorischem Hintergrund. Der Film beleuchtet einen kleinen Ausschnitt der Breakdance-Kultur der DDR und knüpft damit an die öffentliche Auseinandersetzung mit DDR-Jugendkulturen und ihrer Rolle als gesellschaftliche Opposition an. Gleichzeitig ist Jan Martin Scharf ein gut erzählter Tanzfilm gelungen, der glaubhaft schildert, wie eine Bewegung von »unten« in die Mühlen eines Systems gerät und dabei ihre Seele zu verlieren droht. Der Film zeigt DDR-Geschichte, doch die Frage, wie viele seiner Überzeugungen man für den Erfolg aufzugeben bereit ist, ist eine universelle, sie zeigt sich auch anderswo. 38 DEBÜT IM DRITTEN 39 DEBÜT IM DRITTEN 40 DESSAU DANCERS BESETZUNG, STAB, PRODUKTION JAN MARTIN SCHARF Frank Satzke Gordon Kämmerer Martina »Matti« Willner Sonja Gerhadt Alex Oliver Konietzny Michel Sebastian Jäger Hartmann Dietz Rainer Bock Walter Satzke Arved Birnbaum Tim Maximilian Wohlfahrt Meinhart Wolfgang Stumph Rasche Bernd Stegemann Buchner Godehard Giese Renate Fuchs Ramona Kunze Libnow Bastian Patrick Wudke Der 1974 in Köln geborene Jan Martin Scharf ging nach seinem Abitur erst einmal nach New York und besuchte dort die Film Academy, um daran anschließend in Köln an der Kunsthochschule für Medien sein Diplom in den Fächern Regie / Dramaturgie für Film und Fernsehen zu erwerben. Mit seinem Diplomfilm »Wahrheit oder Pflicht«, der auch in den deutschen Kinos lief, gewann Scharf u. a. den Studio Hamburg Nachwuchspreis in der Kategorie bester Langfilm. Bereits während seines Studiums erhielt Scharf ein Stipendium der Drehbuchwerkstatt Niedersachsen. Nach seinem Diplomabschluss nahm er u. a. am ERKAN-Workshop in Warschau teil. Neben zahlreichen Kurz- und Dokumentarfilmen drehte Jan Martin Scharf mehrere Folgen für Actionserien wie »Alarm für Cobra 11«. Gemeinsam mit seinem Ko-Autor Arne Nolting entwickelte er unter anderem die Fernsehserie »IK1Touristen in Gefahr« (RTL) und schrieb diverse Drehbücher für die Serie »Der letzte Bulle« sowie für mehrere Spielfilme der »Wilsberg«-Reihe. Regie Drehbuch Kamera Schnitt Szenenbild Kostümbild Casting Produzentin Co-Produzenten Redaktion Jan Martin Scharf Ruth Toma Felix Novo de Oliveira Martin Wolf Jenny Roesler Elena Wegner Iris Baumüller Janna Velber Helge Sasse, Solveig Fina Stefanie Groß, SWR Andrea Hanke, WDR Eine Produktion von Boogiefilm und Senator Film in Koproduktion mit SWR und WDR. Gefördert durch die Mitteldeutsche Medienförderung, die Filmund Medienstiftung Nordrhein-Westfalen, den DFFF, den Deutschen Filmförderfonds, das Kuratorium junger deutscher Film und das BKM. Deutschland 2014, 84 Min. 41 DEBÜT IM DRITTEN JAN MARTIN SCHARF ZU SEINEM FILM Wie sind Sie auf den Stoff gestoßen? Die Story beruht also auf wahren Begebenheiten? Dem Stoff sind die Produzentin Janna Velber und ich auf verschiedene Weise begegnet. Nachdem wir einen Dokumentarfilm über die Breakdancer-Szene in der DDR gesehen haben, sind wir neugierig geworden und haben angefangen zu recherchieren. Mich persönlich hat das Thema vor allem durch meine eigene Sozialisierung als Hip-Hopper interessiert. Wir hatten damals ziemlich viel Streit darüber, ob man nun »real« war oder »sellout«. Später auf der Kunsthochschule ging es bei uns um die Frage: Kunst oder Kommerz. An solchen Problemen sind Freundschaften zerbrochen, dabei waren sie unter den westdeutschen Bedingungen vor allem von Eitelkeiten geprägt, denn es stand wenig mehr auf dem Spiel als das eigene Ego. Vor dem Hintergrund der DDR gewann die Frage, inwieweit man bereit ist für seine Überzeugung, seine eigene Ausdrucksform einzustehen, eine ganz andere, existentiellere Dimension. Ja, das sind authentische Begebenheiten, natürlich erzählerisch verdichtet. Schließlich haben wir einen Spielfilm gedreht. Wir haben an der Leipziger Uni einen Wissenschaftler, dessen fast 300-seitige Dissertation sich mit der Thematik befasst, damit beauftragt, unser Drehbuch daraufhin zu überprüfen, dass die Haltungen und Vorgehensweisen der verschiedenen staatlichen Institutionen der DDR im Umgang mit der Jugendkultur Hip-Hop historisch korrekt sind. Wie konnten Sie die erfahrene Drehbuchautorin Ruth Toma gewinnen? Nachdem wir etwa zehn Seiten der uns vorschwebenden Geschichte in ein Exposé gegossen hatten, haben wir dieses Ruth Toma geschickt. Sie war ebenfalls sofort begeistert und hat den Stoff mit uns weiterentwickelt. 42 Darsteller für einen Breakdance-Film zu finden, ist bestimmt schwieriger als bei anderen Filmen. Wie sind Sie vorgegangen? Ja, das war ein sehr großer Aufwand, den wir betreiben mussten. Schauspieler zu finden, die auch breakdancen können, ist nicht so einfach, zumal sie dann auch noch glaubhaft junge Leute aus der DDR um die 18/19 darstellen müssen. Über anderthalb Jahre sind hunderte junge Leute gecastet worden. Wir waren dann sehr glücklich, als wir auf die beiden frischen Absolventen der Theaterschule Leipzig und der Münchner Falckenberg-Schule Gordon Kämmerer und Oliver Konietzny gestoßen sind. Sonja Gerhardt hat ja schon in ihrer Kindheit und Jugend im Friedrichsstadt-Palast getanzt. Und Killa Sebi hat ja gerade wieder die deutschen BreakdanceMeisterschaften gewonnen. DESSAU DANCERS Was können im Hier und Jetzt verwurzelte junge Menschen aus Ihrem Film ziehen? Wir glauben, dass wir zuerst einmal – um es in den Worten der DDR-Funktionäre auszudrücken – »akrobatischen Schautanz« vom Feinsten zeigen. Und dann geht es um Menschen, die sich für etwas einsetzen, was ihnen selbst am Herzen liegt und sich dabei über ihre Eltern und den Staat hinwegsetzen. Das berührt die Frage: Wie weit bin ich bereit, mich anzupassen? Das Finden einer eigenen Position ist doch immer eine aktuelle Frage für junge Menschen, egal ob damals oder heute. Der Filmtitel trägt zwar die Stadt Dessau im Namen, gedreht wurde aber im benachbarten Halle und in Köln. Wieso das? Der Filmtitel hängt damit zusammen, dass uns bei der Recherche aufgefallen ist, dass eine außergewöhnlich große Anzahl von Breakdance-Crews aus der vergleichsweise kleinen Stadt Dessau stammte. Wir haben dann über zwei Jahre nach geeigneten 80er Jahre DDR-Motiven gesucht, doch das war sehr schwierig. Schlussendlich haben wir die meisten Drehorte in und um Halle an der Saale gefunden, wo sich die wohl ziemlich einmalige Gelegenheit bietet, in einigen Ecken noch die DDR abfilmen zu können. Der Großteil der Innenaufnahmen wurde in Köln gedreht. Interessanterweise ist das Kölner Rathaus noch sehr original 50er Jahre. Dort konnten wir mit relativ geringem Aufwand die Innenräume der damaligen DDR-Zeit anpassen. 43 DEBÜT IM DRITTEN SENDETERMINE IM SWR FERNSEHEN SA 12. NOVEMBER 20:15 SCHMIDTS KATZE REGIE: MARC SCHLEGEL IDEE: STEPHANIE TÖWE SA 12. NOVEMBER 21:50 DOLORES REGIE: MICHAEL RÖSEL BUCH: SEBASTIAN FELD SA 12. NOVEMBER 23:20 KURZFILME 23:20 KRYO 23:50 CORNERSTORYS 0:15 DIE STILLE 0:40 FLEISCH 0:50 METALOPHOBIA 44 DEBÜT IM DRITTEN SENDETERMINE IM SWR FERNSEHEN MO 14. NOVEMBER 20:15 UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT REGIE: FREDERIK STEINER BUCH: BARBARA TE KOCK MI 16. NOVEMBER 22:00 NACHSPIELZEIT BUCH UND REGIE: ANDREAS PIEPER SA 19. NOVEMBER 21:50 DESSAU DANCERS REGIE: JAN MARTIN SCHARF BUCH: RUTH TOMA 45 DEBÜT IM DRITTEN PRESSEKONTAKT Leitung Presse und Public Relations Anja Görzel Telefon: 0711 929 11046 Fax: 0711 929 11035 [email protected] Presse Fernsehfilm Annette Gilcher Telefon: 07221 929 2406 [email protected] Fotoredaktion Gabriele Genißer-Baudisch Telefon: 07221 929 22287 Fax: 07221 929 22059 [email protected] Redaktion »Debüt im Dritten« Stefanie Groß Telefon: 07221 929 24483 stefanie.groß@SWR.de Fotos ard-foto.de Redaktion Presseheft Annette Gilcher Gestaltung SWR Design 2016 | Katharina Flamm Fotos Anselm Hartmann Schmidts Katze (Stills) Sabine Hackenberg | Peter A. Schmidt Dolores Frederick Gomoll Kryo (Stills) Max Christmann Cornerstorys (Stills) Anne Bolick Die Stille (Stills) Mathieu Gaudet Fleisch (Stills) Matthias Reisser Metalophobia (Stills) Jacqueline Krause-Burberg | Peter Heilrath | Julienne Pascale Karzig Und morgen Mittag bin ich tot Armin Dierolf Nachspielzeit (Stills) Stephan Rabold Dessau Dancers, Titelfoto Frank Egel Foto Stephanie Töwe 46 DEBÜT IM DRITTEN 47 DEBÜT IM DRITTEN IMPRESSUM Herausgeber Südwestrundfunk Kommunikation Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden SWR.de/kommunikation © SWR 2016 Pressemappe des SWR. Nutzung nur zu Pressezwecken. Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere ist eine Veräußerung im freien Verkauf nicht gestattet. SWR.de 48
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