RENTENBERATUNG ZIEMANN - Kommentar zum Ausfüllen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente Formulare R0100, R0210, R0215 | (R100, R210, R215) - Selbsteinschätzung Zahlreiche Anträge auf Rente wegen Erwerbsminderung werden abgelehnt. Häufig genug auch das sich anschließende Widerspruchsverfahren. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben bleiben nur die Möglichkeiten, die Entscheidung der Rentenversicherung zu akzeptieren oder Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Dann das Blatt noch zu wenden, kann schwer werden. Besser ist es, das Verfahren von Anfang an zielführend zu begründen. Die Selbsteinschätzung ermöglicht es, Auswirkungen der Erkrankung auf Alltag und Berufsleben darzustellen. 1. Bewilligungsvoraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung Die Deutsche Rentenversicherung ist gehalten, vor Bewilligung zu prüfen, ob nicht Rehabilitationsmaßnahmen ausgeführt werden können (siehe Formular DRV-Bund Formular R0101 - Erläuterungen zum Antrag auf Versichertenrente). Der Rentenversicherungsträger wird den Antrag in der Regel zurückweisen, wenn die Erwerbsfähigkeit durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation und / oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert, wiederhergestellt oder der Arbeitsplatz erhalten werden kann. 2. . . . das Rentenverfahren bereits vor Antragstellung auf das richtige Gleis setzen Lautet das Ziel „Erwerbsminderungsrente“ - und nicht etwa Teilhabe am Arbeitsleben - sollte bereits der Antrag auf Renten begründende Tatsachen gestützt werden. Teilhabemaßnahmen (§ 33 SGB IX) dienen dazu, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern oder wieder herzustellen. Teilhabeleistungen haben für die Rentenversicherung Vorrang vor Rentenleistungen. Tatsachen sind Sachverhalte, die möglichst zweifelsfrei erkennen lassen, dass eine Leistungsfähigkeit von wenigstens 6 Stunden täglich nicht mehr gegeben ist. (Fach-)ärztliche Befunde sind oftmals keine Tatsachen im vorgenannten Sinn. 2 Diese geben zwar Auskunft über gesundheitliche Einschränkungen, nicht jedoch über das Leistungsvermögen in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Also über die Fähigkeit, wenigstens 6 Stunden täglich, unter allen nur denkbaren Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, tätig zu sein. 3. Vorüberlegungen zum Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung Sinnvoll ist es, sich frühzeitig - noch vor Antragstellung mit der Begründung und den Erfolgsaussichten des Rentenantrags auseinanderzusetzen - beispielsweise: Formular R0210 - „Anlage zum Rentenantrag zur Feststellung der Erwerbsminderung“ Unter Ziffer 9 fordert die Rentenversicherung dazu auf, den Rentenantrag zu begründen. Die Gesundheitsstörungen und deren zeitlicher Beginn (Ziffer 9.1) sind aus ärztlichen Diagnosen und Befundberichten ersichtlich. Die Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung setzt jedoch voraus, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter sechs Stunden täglich liegt (Ziffer 9.2). Bei der Antwortfindung sollte diese Tatsache berücksichtigt werden. Beispielsweise können wiederholte ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen Indiz dafür sein, dass eine anhaltende Minderung der Leistungsfähigkeit vorliegt. Formular R0215 - „Selbsteinschätzungsbogen der Deutschen Rentenversicherung“ Der (freiwillig auszufüllende) Selbsteinschätzungsbogen zu den Gesundheitsstörungen und Beschwerden läßt viel Raum für eigene Ausführungen. Unter den Ziffern 2.1 bis 2.10 werden Angaben und Wertungen erfragt, die der Rentenversicherung ein näheres Bild darüber vermitteln, wie sich die Gesundheitsstörungen im Alltag und Berufsleben auswirken. 3 Werden versehentlich oder aus Unkenntnis bestimmte Angaben gemacht, kann dies zu einer Ablehnung des Rentenantrags führen. Insbesondere bei psychosomatischen Beschwerden kommt der Selbsteinschätzung Bedeutung zu. Unglaubwürdige Antworten, welche die gesundheitlichen Belastungen übertrieben darstellen, könnten der Behörde den Eindruck vermitteln, den Antrag eines sich selbst limitierenden Rentenbewerbers vor sich liegen zu haben. Eine allgemeingültige Antwort, ob der Antrag ausgefüllt werden sollte, und wenn ja mit welchen Angaben, gibt es nicht. Dies hängt immer vom individuellen Krankheitsbild und den Begleitumständen ab. Tendenziell läßt sich sagen, dass der Antragsteller sich kooperativ und zur Mitwirkung bereit zeigen sollte. Entsprachen die gewährten (rehabilitations)medizinischen Maßnahmen aus Sicht der behandelnden Ärzte den Erfordernissen der gesundheitlichen Indikation? Lassen die sozialmedizinischen Begutachtungsrichtlinien erkennen, dass die Erkrankung einen Rentenanspruch bewirken kann? (Anmerkung: Ärztliche Diagnosen sind nach sogenannten ICD-Schlüsseln klassifiziert. Diese sind für Patienten beispielsweise aus den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (gelbe Scheine), auf der für die Krankenkasse bestimmten Ausfertigung, ersichtlich. Auf Gesundheitsstörungen in der medizinischen Rehabilitation und Frühverrentung bezieht sich der ergänzende Diagnoseschlüssel der Rentenversicherungsträger. Ausgehend vom Diagnoseschlüssel lassen sich den Begutachtungsrichtlinien der Sachaufklärung dienende Beurteilungsmerkmale entnehmen). Lässt die aktuelle Rechtsprechung erkennen, dass die mit der Erkrankung einhergehende Leistungsminderung Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bewirken kann? Können antragsbegleitende Maßnahmen ergriffen werden? Beispiel: Es kann sinnvoll sein, neben dem Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht zu stellen. Der Grad der Behinderung läßt allerdings nicht erkennen, über welches gesundheitliche Leistungsvermögen der Rentenantragsteller noch verfügt. Insoweit hat die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft keinen unmittelbaren Einfluß auf das Rentenverfahren - oftmals jedoch einen mittelbaren. 4 Integrationsamt und Integrationsfachdienst sind gehalten, schwerbehinderte Menschen mit integrativen Maßnahmen (Hilfen im Arbeitsleben) zu unterstützen. Aus deren Stellungnahmen und begleitendem Schriftwechsel ergeben sich in der Praxis oftmals Sachverhalte, die begründete Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Rentenantragstellers zulassen. 4. Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bevor die Deutsche Rentenversicherung einen ablehnenden Bescheid erlässt, wird sie die ihr bekannten Tatsachen würdigen. Überwiegend handelt es sich dabei um (fach-)ärztliche Gutachten, Rehabilitationsberichte und die Selbsteinschätzungen des Antragstellers (Formular Selbsteinschätzungsbogen zur Feststellung der Behinderung - Formular R 0215). Wenn im Widerspruchsverfahren keine neuen Sachverhalte vorgetragen werden, wird die Rentenversicherung an ihrer Entscheidung festhalten und den Widerspruch zurückweisen. Deshalb versuchen Antragsteller durch weitere (fach-)ärztliche Befunde ihre gesundheitlichen Einschränkungen zu belegen. Ein Weg, der nur bedingt Erfolg versprechend ist. Denn auch diese lassen zumeist nicht zweifelsfrei erkennen, dass der Antragsteller nicht doch arbeiten kann - wenn er nur entsprechend gefördert wird. Praxistipp: In der Praxis hat sich gezeigt, dass es von Vorteil ist, den Antrag nicht allein auf ärztliche Befunde zu stützen. Im Sozialrecht kommt dem sogenannten „Ermessen“ erhebliche Bedeutung zu. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung einen Beurteilungsspielraum. Im Widerspruchsverfahren kann überprüft werden, ob die für den Antrag zuständige Stellte das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Ein erster Ansatzpunkt ist es, sich näher mit dem Ablauf der Begutachtung auseinanderzusetzen. Wurden beispielsweise die (fach-)ärztlichen Befunde hinreichend gewürdigt? Fanden die auf etwaigen Teilhabemaßnahmen getroffenen Feststellungen Berücksichtigung? Es ist auch zu überlegen, auf die aktuelle Rechtsprechung Bezug zu nehmen. Diese ist im Internet in freien juristischen Datenbanken für jedermann einsehbar. 5 5. sozialgerichtliche Klage möglichst vermeiden Einen hohen Stellenwert haben gutachterliche Stellungnahmen, die vom Sozialgericht veranlasst werden. Allerdings erfolgt die gerichtliche Bestellung eines unabhängigen Sachverständigen erst im Klageverfahren. Ein Verfahrenschritt, der aufgrund der Unwägbarkeiten nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Solange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, eine Verrentung zu vermeiden, tut die Deutsche Rentenversicherung sich schwer, dem Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zuzustimmen. Die Praxis zeigt, dass sich die Sozialgerichte der Auffassung der Rentenversicherungsträger oftmals anschließen. Um Erfolg zu haben, müssen die Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung widerlegt werden. Diese stützt den Bescheid in der Regel nicht nur auf (sozial-)medizinische Beurteilungen. Deren Juristen prüfen, ob sich die medizinische Leistungsbeurteilung unter formalen Gesichtspunkten vertreten läßt. 6. Fazit: Durch (fach-)ärztliche Gutachten alleine ist es nur eingeschränkt möglich, vorgenannten rentenrechtlichen Erfordernissen zu entgegnen. Welcher behandelnde Arzt stellt zweifelsfrei fest, dass sich Leistungseinschränkungen durch Maßnahmen der (ambulanten) medizinischen Rehabilitation oder auch der Teilhabe am Arbeitsleben nicht mindern lassen? Feststellen kann dies auch ein Rentenberater nicht. Er kann jedoch gegenüber der Rentenversicherung begründet darlegen, dass die vorgetragenen Tatsachen keine andere, als die vom Mandanten angestrebte, Feststellung zulassen. Deshalb ist es sinnvoll, bereits vor Beantragung der Rente wegen Erwerbsminderung, einen beratenden Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Martin Ziemann Master in Commercial Law | Diplom-Kaufmann (FH) vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht als Rentenberater registriert Postanschrift: Klaus-Groth-Strasse 8 23843 Bad Oldesloe Telefon: 04531-8976249 / Fax: -8941328 Mobil: 0160-90877244 [email protected] http://rentenberatung-ziemann.de
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