pdf-ausgabe-2016-39 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 39
07. Oktober 2016
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Wirtschaft
Morphosys nach Studienerfolg auf Höhenflug
Ein Durchbruch in der Medikamentenforschung hat die Aktien des Biotechunternehmens Morphosys beflügelt
D
ein Scheinmedikament (Plazebo)
ie Anteilsscheine stiegen um
erhielten, gemessen.
bis zu 18 Prozent auf 43,92
So seien bei den Patienten
Euro, das war der höchste Stand
nicht nur die Krankheitssymptoseit vier Monaten. Sie profitierten
davon, dass erstmals ein Medikame verbessert und eine fast reine
bis reine Haut erreicht worden,
ment aus den Laboren von Morsondern Guselkumab habe auch
phosys auf den Markt kommen
eine Überlegenheit gegenüber
könnte. Denn der Pharma-Partner
dem Mittel Humira gezeigt, das
Janssen, der 2001 die Entwick2015 nach Daten des Marktforlungs- und Vermarktungsrechte
an dem Antikörper Guselkumab
schungsinstituts IMS Health mit
von Morphosys erworben hatte,
Erlösen von knapp 15 Milliarden
Forschung mit Zellkulturen.
Foto: Morphosys
ist einer Zulassung des Mittels zur
Dollar das zweitumsatzstärkste
Behandlung von moderater bis
Medikament weltweit war. Es traten
schwerer Schuppenflechte einen
bei Guselkumab aber auch mehr
großen Schritt näher gekommen.
werden neue Präparate an einer größeren Nebenwirkungen auf.
In einer Studie der dritten und damit Zahl von Menschen untersucht.
Eine Zahlung an Morphosys lösten die
letzten Phase der klinischen Entwicklung
Janssen erklärte, dass Guselkumab positiven Studienergebnisse nicht aus. Die
mit Schuppenflechte-Patienten wurden „signifikante Wirksamkeit verglichen mit Biotechfirma wird aber eine Umsatzbeteimit dem Medikament die wichtigsten dem Tumor-Nekrose-Faktor Blocker Hu- ligung an Guselkumab erhalten, sollte das
Ziele erreicht, wie Morphosys und Janssen, mira® in allen wesentlichen Endpunkten Mittel auf den Markt kommen. Eine solche
eine Tochter des US-Pharma- und Kon- der Studie über eine Behandlungszeit Umsatzbeteiligung liegt nach Angaben
sumgüterkonzerns Johnson & Johnson, von 48 Wochen“ zeigt. Dabei wurde das eines Morphosys-Sprechers in der Regel
am Wochenende mitgeteilt hatten. Bei der Erreichen von reiner bzw. fast reiner Haut im mittleren einstelligen Prozentbereich.
Untersuchung mit 837 Patienten handelte (gemessen durch die Parameter IGA 0 oder Janssen sieht sich auf Kurs für eine Zulases sich um eine Studie der Phase III, die 1 und PASI 90) in Behandlungswoche 16 bei sung bis Ende des Jahres. Morphosys war
letzte Testphase vor der Zulassung eines Patienten, die mit Guselkumab behandelt die Partnerschaft im Jahr 2001 eingeganMedikaments. Bei derartigen Erprobungen wurden, im Vergleich zu Patienten, die gen. Derzeit befinden sich insgesamt drei
Analyse
Häufigste Leiden sind Rückenschmerzen
Fast jeder zweite Patient in Deutschland geht wegen Muskel-Skelett oder
Atemwegserkrankungen zum Arzt. Woran
die Deutschen sonst noch leiden, zeigt die
neue Infografik der KBV. Die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in
Deutschland haben mit rund 552 Millionen Behandlungsfällen im Jahr gut zu tun.
36,7 Millionen Patienten haben im
vergangenen Jahr wegen Muskel-Skelett
oder Bindegewebserkrankungen eine
Arztpraxis aufgesucht. Auf Platz zwei
der größten Krankheitsgruppen stehen
Erkrankungen des Atmungssystems (35,1
Millionen), gefolgt von Endokrinen, Ernäh-
rungs- und Stoffwechselkrankheiten (29,5
Millionen), Erkrankungen des Kreislaufsystems (28,5 Millionen) und psychischen
Verhaltensstörungen (25,6 Millionen).
So sind bei den Krankheiten des Atmungssystems die akuten Infektionen
der oberen Atemwege seit 2010 um 16,2
Prozent angestiegen – 20,7 Millionen
Patienten gingen im vergangenen Jahr
deshalb zum Arzt. Eine noch deutlichere
Steigerung ist bei den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen zu
beobachten. Diese Diagnose stieg um 19,6
Prozent und ist damit die häufigste in der
Krankheitsgruppe der psychischen Verhal-
tensstörungen. 13,6 Millionen Patienten
ließen sich 2015 deswegen behandeln.
Mit „Die häufigsten Krankheiten in
deutschen Arztpraxen“ veröffentlicht
die KBV die zweite Infografik in diesem
Jahr. Im Frühjahr wurde das Thema
„ambulant vor stationär!?“ aufgegriffen.
Die damalige Grafik zeigte, dass es im
Jahr 2014 im ambulanten Sektor 552,7
Millionen Behandlungsfälle mit Kosten
von insgesamt 33,4 Milliarden Euro gegeben hat. Demgegenüber standen im
stationären Bereich Kosten in Höhe von
67,9 Milliarden Euro bei 19,1 Millionen
Behandlungsfällen.
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Antikörper aus dieser Zusammenarbeit in
der klinischen Erprobung. An Schuppenflechte, einer chronisch-entzündlichen
Hauterkrankung, leiden weltweit etwa
125 Millionen Menschen, davon rund zwei
Millionen in Deutschland.
„Wir freuen uns sehr über die positiven Studienergebnisse, die unser Lizenzpartner Janssen in der Untersuchung
des Wirkstoffs Guselkumab bei Patienten
mit moderater bis schwerer Schuppenflechte erzielt hat“, sagte Marlies Sproll,
07. Oktober 2016
Forschungsvorstand der MorphoSys AG.
„Wir sind stolz auf unsere langjährige
Kooperation mit Janssen und sehen weiteren Informationen über die zukünftige
Entwicklung von Guselkumab mit Freude
entgegen.“
Wirtschaft
Niedrigzins zwingt zu Unternehmenskäufen
Die Deutsche PalliativStiftung übernimmt „R.S. Schützen und Helfen“
D
er 1. Oktober ist Tag der Stiftungen.
Das nimmt die Deutsche PalliativStiftung (DPS) zum Anlass, ihr Unternehmen
„R.S. Schützen und Helfen“ vorzustellen.
Mit dieser Unternehmensübernahme reagiert die DPS auf die anhaltende Niedrigzinsphase, die Stiftungen dazu zwingt,
nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen.
Die momentane Anlage- und Zinssituation erschwert den Stiftungen ihre Arbeit.
Die Erträge aus dem Grundstockvermögen
der Stiftungen sind durch die anhaltende
Niedrigzinsphase stark zurückgegangen.
Waren vor ein paar Jahren Zinsen in Höhe
von sechs Prozent üblich, so liegen sie heute
bei kaum einem Prozent. Um weiterhin alle
Projekte aufrechterhalten zu können, bedarf
es neuer Finanzierungswege. Die Deutsche
PalliativStiftung (DPS) hat im September
2016 die Firma R.S. Arbeitsschutz Bedarfshandelsgesellschaft mbH übernommen und
dadurch für sich einen unkonventionellen
Weg der Stiftungsfinanzierung gefunden.
„Als Gesellschafter der Firma R.S. erhoffen wir uns, unabhängig von Fremdmitteln
zu werden. Unser Ziel ist es, nachhaltig Projekte umzusetzen sowie den Stiftungsbetrieb allein durch die Gewinne der Firma
zu finanzieren. So können Spenden auch
weiterhin zu 100 Prozent in unsere Projekte
fließen“, so Thomas Sitte, Vorstandsvorsitzender der DPS.
Im Jahr 1982 gründete Roswitha Seibert
die Firma R.S. Arbeitsschutz Bedarfshandelsgesellschaft mbH in Kaltenkirchen
(Schleswig-Holstein). Sie importierte Arbeitsschutzhandschuhe aus Südostasien
und verkaufte diese vom Zentrallager am
Hamburger Hafen aus an Kunden in ganz
Deutschland. Nach über 34 Jahren möchte
die heute 72-Jährige ihre Firma nun abgeben
und gleichzeitig Gutes tun. Warum sie sich
Vorstandsvorsitzender Dr. Thomas Sitte und seine Stellvertreterin Elke Hohmann haben sich erfolgreich
für die Firmenübernahme engagiert.
Foto: obs/Deutsche PalliativStiftung/Annika Vogel
entschieden hat, explizit die Hospiz- und
Palliativarbeit zu unterstützen, ist für sie
ganz klar: „Ich habe mir einige Hospize von
innen angeschaut, da ist mir teilweise Angst
und Bange geworden. Da besteht noch ein
wirklich großer Bedarf. Ich finde die alten
Menschen, die jahrzehntelang schwer gearbeitet haben und unter Umständen zwei
Kriege hinter sich gebracht haben, die sollen
dann auch in den Genuss eines angenehmen
Lebensabends kommen.“
Die Firmenübernahme einer Stiftung
bringt auch Bedenken mit sich. „Wie bei
jeder Firma auch, ist trotz aller Absicherung
immer ein Grundrisiko vorhanden. Es gibt
nie eine Garantie dafür, wie gut die Firma
läuft“, so Sitte. Die DPS gewährleistet, dass die
Übernahme im Sinne des Stiftungsgedankens erfolgt. Als Mitglied von Transparency
International hat sich die DPS u.a. dazu
verpflichtet alle Geldflüsse offenzulegen. So
ist für jeden einsehbar, dass alle Erträge aus
der Firma R.S. in die Arbeit der DPS fließen.
Des Weiteren erfüllt die DPS ihre sozialen Verpflichtungen als Stiftung. „Es ist
uns ein großes Anliegen, dass die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten, von
denen R.S. ihre Produkte bezieht, sozial und
ökologisch korrekt sind. Das wurde schon
von Frau Seibert regelmäßig kontrolliert
und soll auch so beibehalten werden“, verdeutlicht Sitte.
Die DPS plant, die Arbeitsschutzhandschuhe mit einem entsprechenden Label
auszeichnen zu lassen.
Nicht allein der finanzielle Aspekt steht
bei dieser Übernahme im Vordergrund. Die
Firma werde darüber hinaus dazu beitragen,
die Stiftungsziele weiter zu verfolgen. So ist
ein elementarer Bestandteil der Arbeit der
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DPS, breite Kreise der Gesellschaft für das
Thema Tod und Sterben zu sensibilisieren
sowie die Bedeutung von Hospiz- und Palliativarbeit zu verbreiten. Die DPS verkauft
die Schutzhandschuhe unter dem neuen
Namen „R.S. Schützen und Helfen“ an regi-
onale sowie überregionale Betriebe.
In dem Wissen darum, dass die DPS
nach bestem Wissen und Gewissen das
weiterverfolgt, was sie begonnen hat,
freut sich Frau Seibert nun auf ihren
wohlverdienten Ruhestand: „Ich bin jetzt
07. Oktober 2016
frei für mich und kann jetzt endlich mal
alles das machen, was ich möchte. Ich war
mein Leben lang nie richtig im Urlaub und
musste immer Rücksicht auf die Firma
nehmen. Die Zeit für diese Pläne ist jetzt
gekommen.“
Forschung
Nobelpreis für Recycling in Körperzellen
Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr nach Japan. Yoshinori Ohsumi entdeckte eine neue Art des Zell-Recyclings
Der Japaner Yoshinori Ohsumi gewinnt den diesjährigen Nobelpreis für Medizin.
Foto: Flickr/ Tim Ereneta/CC by nc 2.0
D
er Nobelpreis für Medizin geht in
diesem Jahr an den Japaner Yoshinori Ohsumi (71) für die Entschlüsselung der
lebenswichtigen Müllentsorgung in Körperzellen. Mit Hilfe der sogenannten Autophagie baut die Zelle nicht mehr benötigte Bestandteile ab und recycelt sie. Ist der
Mechanismus gestört, können Parkinson,
Diabetes Typ 2, Krebs und andere vor allem
im Alter auftretende Leiden entstehen. Das
teilte das Karolinska-Institut am Montag
in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist mit umgerechnet
830.000 Euro (8 Millionen Schwedischen
Kronen) dotiert.
Ohsumi „entdeckte und erforschte Mechanismen, die der Autophagie zugrunde
liegen“, teilte das Institut mit. Auto heißt
griechisch „selbst“ und phagein bedeutet
„essen“. Bei der Autophagie verdaut die Zelle
nicht mehr benötigte Bausteine und bereitet sie zur Wiederverwertung auf. Ohne
die Autophagie würde sie wohl im Zellmüll
versinken.
Der Japaner vom Institut für Technologie in Tokio reagierte mit einem Seufzen,
als er den Anruf des Nobelpreis-Komitees
erhielt: „Er wirkte überrascht, seine erste
Reaktion war: Aach“, sagte der Sekretär des
Nobelkomitees am schwedischen KarolinskaInstitut, Thomas Perlmann. „Ich glaube, er
hat das wirklich nicht erwartet.“ Ohsumi
gilt in Forscherkreisen als offen, bescheiden
und warmherzig.
Mit den entscheidenden Experimenten
startete der 1945 geborene Ohsumi erst in
den frühen 1990er Jahren an Hefezellen. Es
war bereits bekannt, dass bestimmte Zellorganellen, die Lysosomen, Zellbestandteile
abbauen. Dafür hatte bereits 1974 Christian
de Duve den Nobelpreis erhalten. Ohsumi
entdeckte nun entscheidende Gene, die bei
unterschiedlichen Situationen aktiv werden.
„Dank seiner Pionierarbeit haben wir
heute ein Verständnis der Mechanismen
von Autophagie“, sagte Nobeljurorin Maria
Masucci. Damit wachse die Hoffnung für
die Behandlung vieler Krankheiten. Ohsumi
habe ein total neues Verständnis darüber
gegeben, wie die Zelle ihren Inhalt recycelt,
teilte das Komitee mit. „Seine Entdeckungen
haben den Weg geebnet, um die immense Wichtigkeit der Autophagie in vielen
physiologischen Prozessen zu verstehen,
beispielsweise bei der Anpassung an Mangelversorgung oder bei der Antwort auf Infektionen.“ Mutationen in den AutophagieGenen können Krankheiten verursachen.
„Autophagie wurde zum ersten Mal in
den 1960ern beobachtet“, sagte Masucci. Die
Forschung habe sich stark weiterentwickelt,
nachdem Ohsumi sich in den 1990ern entschieden habe, den Prozess zu untersuchen.
Mit seiner Strategie habe er herausgefunden,
dass „Autophagie von einer großen Zahl
Genen reguliert wird“.
Mit dem Medizin-Preis startete der
Nobelpreis-Reigen. Der Nobelpreis für
Chemie geht in diesem Jahr an Jean-Pierre
Sauvage, James Fraser Stoddart und Bernard
Feringa für die Entwicklung von molekularen
Maschinen. Und für die Entdeckung unerwarteter mathematischer Regeln in dieser
Quantenwelt bekommen die drei gebürtigen
Briten David Thouless, Duncan Haldane
und Michael Kosterlitz in diesem Jahr den
Physik-Nobelpreis. Später folgen die Träger
für den Friedens-, Literatur- und den von der
schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschaftsnobelpreis. Die feierliche
Überreichung aller Auszeichnungen findet
traditionsgemäß am 10. Dezember statt,
dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
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07. Oktober 2016
Forschung
Depression: Früherkennung mit App
Die Moodpath App ermöglicht einen interaktiven und mobilen Selbsttest
A
llein in Deutschland leiden rund sieben
Millionen Menschen pro Jahr an einer
behandlungsbedürftigen Depression. Den
dadurch verursachten Schaden schätzt das
Statistische Bundesamt auf über 15 Milliarden Euro. Einer der Hauptgründe, warum
weniger als 10 Prozent der Betroffenen den
Weg in die Psychotherapie finden, ist die
Unsicherheit bei den Betroffenen, ob eine
behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt
oder ob es sich nur um ein vorübergehendes
Stimmungstief handelt.
Die Moodpath App ermöglicht einen interaktiven und mobilen Selbsttest, der dem
Nutzer durch Fragen zum psychischen und
körperlichen Wohlbefinden eine fundierte Einschätzung zu dessen psychischer Gesundheit
gibt und Symptome einer Depression erkennt.
„Unser Ziel ist es, der akuten Unterversorgung bei der Früherkennung und Aufklärung
zu psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken und Betroffenen eine niedrigschwellige,
digitale Lösungen an die Hand zu geben. Deshalb ist die Nutzung unserer Moodpath App
einfach und intuitiv verständlich, kostenlos
und 100 Prozent anonym“, sagt Mitgründer
Felix Frauendorf.
Das 14-tägige Screening ist die zentrale
Funktion der App. Dreimal am Tag erhält der
Nutzer Fragen zu seiner aktuellen Stimmung.
Das Screening passt sich dabei stets an das
Antwortverhalten des Nutzers an. Parallel
zum Screening erhält der Nutzer im Bereich
„Wissen“ jeden Tag spielerisch aufbereitet und
einfach verständlich Informationen, wie man
eine Depression erkennt, wie sie ausgelöst und
behandelt werden kann. „Diese Aufklärung
und Wissensvermittlung hilft dem Nutzer
beim Reflektieren der eigenen Stimmung und
ist wichtiger Bestandteil einer regulären Psychotherapie“, sagt Mitgründer und klinischer
Psychologe Mark Goering.
Nach den 14 Tagen erhält der Nutzer die
Ergebnisse seines Screenings und damit die
Gewissheit, ob Symptome einer Depression
vorliegen oder nicht. Falls Hinweise auf eine
behandlungsbedürftige Depression vorliegen,
empfiehlt die App das Aufsuchen eines Arztes
oder Psychotherapeuten. Für ein Erstgespräch
mit diesen kann sich der Nutzer die gesammelten Informationen als pdf-Dokument ausdrucken oder direkt an den Arzt oder Therapeuten
schicken. Darüber hinaus kann der Nutzer ein
Beratungsgespräch mit einem Psychologen
von Moodpath buchen, um mehr über sein
Ergebnis und mögliche Behandlungswege
zu erfahren.
Moodpath richtet sich grundsätzlich an
jeden, der sich emotional belastet fühlt und
befürchtet, an Depression oder Burnout zu
leiden. Das Moodpath Screening wurde in
enger Kooperation mit dem Arbeitsbereich
für Klinisch-Psychologische Intervention an
der Freien Universität Berlin entwickelt und
getestet. Die Ergebnisse der Studie sollen Ende
des Jahres veröffentlicht werden.
Moodpath ist nicht die einzige App, die
sich mit Depressionen beschäftigt. Ein For-
Als App kostenlos und anonym auf dem iPhone in D/A/CH verfügbar.
Foto: obs/Mindrise Labs GmbH
scherteam der Northwestern University in
Chicago hat eine App entwickelt, die genau
dabei helfen könnte. Neben Apps zur sportlichen Betätigung oder Anwendungen, die vor
zu hoher Strahlung warnen, gibt es auch bereits
Apps, die sich mit dem Thema Depression
befasst haben. Allerdings wurde in diesem Fall
meist auf eine regelmäßige und zeitintensive
Befragung gesetzt.
Die App der Chicagoer Wissenschaftler
benötigt dafür die GPS-Daten und die Nutzungszeiten des Handybesitzers. Für die Studie
wurden 40 Erwachsene damit beauftragt, ein
Handy mit der App (Purple Robot) zwei Wochen
zu nutzen. Zu Beginn der Studie unterzogen
sich die Probanden einem psychologischen
Standardtest, in dem ermittelt wurde, ob sie
Anzeichen für eine schwere bis mittlere Depression aufweisen – die Hälfte der Teilnehmer
hatte tatsächlich eine Depression dieser Art.
Unabhängig davon analysierten die Wissenschaftler zwei Wochen lang die entsprechenden
Daten von 28 der Probanden. So wurde beispielsweise alle fünf Minuten die Position der
Probanden über den GPS-Sensor übermittelt.
Tatsächlich konnten die Wissenschaftler anhand der analysierten Daten mit einer
Trefferwahrscheinlichkeit von 87 Prozent
die an Depression leidenden Teilnehmer erkennen, da es deutliche Unterschiede in der
Handynutzung und bei den GPS-Daten gab.
Die gesunden Teilnehmer nutzten ihr Handy
durchschnittlich 17 Minuten pro Tag, die depressiven Probanden im Schnitt 68 Minuten
und damit deutlich länger.
Die von der App gesammelten und analysierten Daten „zeigten Verhaltensmuster, die
stark mit der Schwere der depressiven Symptome zusammenhängen“, so die Wissenschaftler.
Die Forscher gehen demnach auch davon
aus, dass Depressive mehr Zeit mit Spielen
und Surfen verbringen als mit Telefonieren.
Sie lenken sich damit von unangenehmen
Gedanken ab, ein Vermeidungsverhalten. Zudem wurde deutlich, dass die depressiven
Teilnehmer mehr Zeit an ein und demselben
Ort verbrachten – überwiegend zu Hause. Die
Wissenschaftler wollen die entwickelte App,
wenn sie ausgereift ist, entsprechend nutzen,
um Menschen wie ein Frühwarnsystem vor
einem neuen depressiven Schub zu warnen.
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07. Oktober 2016
Gesundheitssystem
Arztpraxen betriebswirtschaftlich nicht tragfähig
Eine eigene Praxis erzielt heutzutage kaum mehr ein angemessenes Honorar
D
ass sich immer weniger Haus- und
Fachärzte in eigener
Praxis niederlassen, ist
inzwischen kein Geheimnis mehr: Gerade
in ländlichen Regionen
werden die Wege für die
Patienten immer weiter.
Doch oft wird in der Debatte über die Gründe
für diese Entwicklung
um den heißen Brei
herumgeredet. Fakt ist:
Einem freiberuflich tätigen Arzt in der eigenen
Praxis ist es heutzutage
nicht möglich, ein angemessenes Honorar zu
erzielen.
Dies geht zumindest
aus einem Gutachten des
Instituts für GesundAuch die Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten können das Blatt nicht wenden.
heitsökonomik München
Foto: Flickr/ is abel/Cc by nc nd 2.0
(Prof. Günter Neubauer)
hervor, das dem Ärztenachrichtendienst (änd) vorliegt. Der Die ermittelte Kostenspanne reicht von müssten zum Teil verdoppelt werden,
Analyse aus Bayern zufolge ist das heutige 147.400 Euro im Jahr (Allgemeinmedizin) damit ein angemessenes Einkommen
erreicht – und die eigene Praxis für den
Niveau der Kassenarzthonorare in Bayern bis 219.400 (Orthopädie).
Im zweiten Schritt wurde ein „ange- Ärztenachwuchs wieder attraktiv werde.
zu gering, „um eine betriebswirtschaftlich
Auch die Einnahmen aus der Behandtragfähige Praxisführung in ländlichen messenes Arzteinkommen“ ermittelt:
Praxen sicherzustellen und ein angemes- Neben dem Gehalt eines angestellten lung von Privatpatienten können das Blatt
senes Arzteinkommen zu ermöglichen.“ Oberarztes als Ankerpunkt wurden auch nicht wenden: Selbst mit diesen zusätzliBesondere Brisanz erhält das im Auf- Einkünfte anderer Freiberufler sowie das chen Einnahmen werde das angemessene
trag der Kassenärztlichen Vereinigung kalkulierte Einkommen von Honorarärz- Arzteinkommen in den Praxen „zumeist
Bayerns erstellte Gutachten durch sei- ten herangezogen, um das unternehme- weiterhin deutlich“ unterschritten.
Das ungeschminkte Fazit der Studiennen Fokus auf die oft als „Versorgerärzte“ rische Risiko abbilden zu können. „Als ein
bezeichneten Gruppen: Die große Zahl angemessenes Arzteinkommen für einen autoren: Das heutige Niveau der Honorare
der Hausärzte, Frauenärzte, Urologen, niedergelassenen Arzt in Deutschland aus der Behandlung von Kassenpatienten
Hautärzte, Orthopäden, Augen- und wurde im Rahmen dieser Untersuchung in Bayern sei zu gering, „um eine betriebsHNO-Ärzte, die in ihren Praxen in den eine Spanne von 159.544 Euro bis 175.136 wirtschaftlich tragfähige Praxisführung in
ländlichen Regionen als Freiberufler die Euro ermittelt“, heißt es im Gutachten.
ländlichen Praxen sicherzustellen und ein
wohnortnahe medizinische Versorgung
Schließlich wurden Kostenstruktur angemessenes Arzteinkommen zu ermögsichern.
und SOLL-Honorare der Realität im Frei- lichen“. Ändere sich dies nicht, könnten
Die Gesundheitsökonomen analy- staat gegenüber gestellt. Das Fazit: Mit den die Praxen mittel- und langfristig dem
sierten zunächst die Kostenstruktur der Honoraren aus der Behandlung der Kas- medizinisch-technischen Fortschritt nicht
Praxen: Es wurden rechnerische Muster- senpatienten in Bayern kann das angemes- mehr folgen, da das Geld für Investitionen
praxen für mehrere Fachgruppen angelegt sene Arzteinkommen im Durchschnitt in fehle. Darüber hinaus verlören Praxisüberund die durchschnittlichen Ausgaben keiner Fachgruppe erreicht werden. Die nahmen und Neugründungen gerade in
– von Fortbildungskosten bis zur Miete für Ökonomen sehen „deutliche Deckungs- ländlichen Gebieten mehr und mehr an
die Praxisräume – zusammengerechnet. lücken“. Die Honorare je Patientenfall Attraktivität.
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07. Oktober 2016
Umwelt
Französischen AKWs droht akuter Störfall
Fehlerhafte Bauteile aus der Stahlschmiede Creusot Forge können zu massiven Störfällen führen
I
n 55 Prozent aller französischen Atomreaktoren droht ein massiver Störfall.
Betroffen sind auch Meiler an den Standorten Fessenheim und Cattenom unweit
der deutschen Grenze.
Ein aktuelles Gutachten (http://gpurl.
de/nBeWY) des Londoner Ingenieurbüros
John Large im Auftrag von Greenpeace
In Betrieb befindliche französische Risiko-AKWs.
kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt 107
Bauteile an 14 französischen AKW-Standorten gravierende Probleme mit mangelhaftem Stahl aufweisen. „Die französische
Atomaufsicht muss sofort handeln und
die betroffenen Meiler vom Netz nehmen“,
sagt Greenpeace-Atomexpertin Susanne
Neubronner. „Frankreichs AKWs sind eine
akute Gefahr für Millionen Europäer.“
Large hat eine umfassende Dokumentation der französischen Atomaufsicht
ASN ausgewertet. Sie beschreibt Mängel
an Dampferzeugern und anderen AKWBauteilen aus der Stahlschmiede Creusot
Forge des französischen Areva-Konzerns.
Der verwendete Stahl weist eine zu hohe
Kohlenstoffkonzentration auf, die bei star-
eine Kernschmelze verursachen. Derzeit
sind lediglich vier Reaktoren wegen weiterer
Untersuchungen vom Netz, darunter ein
Reaktor in Fessenheim bei Freiburg. Die
restlichen 15 AKWs laufen ungedrosselt
weiter.
Fehlerhafte Bauteile müssen umgehend ausgetauscht werden.
Erstmals wurden beim
AKW-Neubau in Flamanville im
Jahr 2014 Mängel am verbauten
Stahl des Reaktordruckbehälters festgestellt. Daraufhin
veranlasste die ASN weitere
Untersuchungen, die enthüllten, dass hunderte Produktionsunterlagen für Bauteile der
Stahlschmiede Creusot Forge
unvollständig und fehlerhaft
waren. Kontrollen der betreffenden Bauteile deckten die
normwidrigen Anormalitäten
des Stahls auf.
Der Large-Report kritisiert,
dass die derzeitigen Untersuchungsmethoden von Areva
und dem AKW-Betreiber EdF
bei weitem nicht ausreichen.
Einzige Konsequenz müsse
sein, so Large, die AKWs stillzulegen und die betroffenen
Bauteile umgehend auszu
Grafik: Greenpeace
bauen. Dies hätte jedoch zur
Folge, dass mehr als die Hälfte
aller französischen Atomreker Beanspruchung zu einem Bersten des aktoren auf unbestimmte Zeit keinen
Materials führen kann. Bei 19 Reaktoren Strom produzieren könnten. „Frankreich
sind die Kohlenstoff-Anomalien an den hat die Energiewende verschlafen, daher
Dampferzeugern festgestellt worden.
klammert sich der Staat an einen WeiDas ist besonders riskant, denn auch terbetrieb seiner Atomkraftwerke um
nach Ansicht der französischen Sachver- jeden Preis. Ein Preis, den die Menschen
ständigenorganisation Institut de Radio- in benachbarten Ländern wie Deutschprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN) land nicht mehr bezahlen wollen“, sagt
kann das Versagen eines Dampferzeugers Neubronner.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected].
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