GESELLSCHAFT SONNTAG, 2. OKTOBER 2016 / NR. 22 897 Alle sind erleuchtet DER TAGESSPIEGEL S3 Fühlen Sie sich orientierungslos und überfordert? Spirituelle Führer versprechen Seelenheil. Die große Guru-Übersicht zum Beginn der dunklen Jahreszeit Von Moritz Honert ECKHART TOLLE AKA: ULRICH TOLLE Name MARIO MANTESE AKA: MEISTER M SADHGURU AKA: JAGGI VASUDEV Fotos: Fotolia, Promo (5), Laif, Imago GANGAJI AKA: MERLE A. ROBERSON GURMEET RAM RAHIM AKA: SAINT GURMEET SAMARPAN AKA: SAM GOLDEN JOHN DE RUITER AKA: DIE WAHRHEIT Ausbildung Der in Deutschland geborene Tolle arbeitete mal als Sprachlehrer. Prägender aber waren, wie er sagt, seine jahrelangen Depressionen und seine Zeit als Obdachloser in London. Der Schweizer war Bassist der 70er-Jahre-Funkband „Heatwave“. Der 59-jährige Inder besitzt einen Bachelor in Englischer Literatur und war unter anderem Betreiber einer Geflügelfarm. Die Amerikanerin, die zu den wenigen sehr erfolgreichen weiblichen Gurus zählt, arbeitete in San Francisco als Akupunkteurin. Der gebürtige US-Amerikaner besuchte das Priesterseminar und studierte Psychologie. Seine Lehre ist beeinflusst durch den für seine Rolls-Royce-Sammlung bekannten Osho – auch bekannt als Bhagwan. Gurmeet Ram Rahim Singh Ji Insa besuchte die Dorfschule im indischen Rajasthan. Der Kanadier ist gelernter Schuhmacher. Zum Kennenlernen Das Buch „Jetzt“ (Kamphausen, 14,80 Euro) wurde in dutzende Sprachen übersetzt und erreichte eine Millionenauflage. „Das, was du wirklich bist – Ein-leuchtende Antworten von Meister M“ (Drei Eichen Verlag, 15,90 Euro) Auf Englisch erschien jüngst: „Inner Engineering: A Yogi's Guide to Joy“ (Spiegel & Grau, 23,99 Euro) „Der Diamant in deiner Tasche – Licht und Liebe in sich entdecken“ (Goldmann, 8,50 Euro) „Glücklich sein in jedem Moment“ (J. Kamphausen, 17 Euro) Der 197 Minuten lange Action-Film „MSG – The Messenger“ „Die Entschleierung der Wirklichkeit" (Innenwelt Verlag, 2011) Weg zur Erleuchtung Im Alter von 29, so erzählt Tolle, erkannte er, dass zwei Seelen in seiner Brust wohnen: sein „Ich“ und das „Ich, mit dem ich nicht leben will“. Er ging schlafen und erwachte voll der Freude. 1978 wird Mantese niedergestochen und fällt ins Koma. Durch sein Nahtod-Erlebnis erkennt er, dass der Mensch „ein kosmisches, multidimensionales Wesen ist“. Im Alter von fünf Jahren saß er auf einem Stein und konnte nicht mehr zwischen „ich“ und „die anderen" unterscheiden. 1990 traf sie in Indien H. W. L. Poonja und erfuhr nach der Begegnung eigenen Angaben zufolge spirituelle Erleuchtung, woraufhin er sie als Lehrerin in den Westen sandte. Samarpan ereilte während eines Retreats mit Gangaji die Erkenntnis, dass seine Persönlichkeit nie als solche, sondern nur als Konstrukt existiert habe. Das Ergebnis: sofortiger Seelenfrieden. Erleuchtung qua Ernennung: Im Alter von sieben Jahren wird der kleine Gurmeed vom Heiligen Param Pita Shah Satnam Singh Ji Maharaj zum Nachfolger erkoren. Im Alter von 17 Jahren wird de Ruiter urplötzlich von innerem Glück erfüllt. Nach einem Jahr ist alles vorbei. Es folgt der psychische und physische Kollaps, der in einen Zustand der Seligkeit mündet. Die Methode Der im kanadischen Vancouver beheimatete Guru hält regelmäßig Vorträge. Ein geborener Redner ist er nicht, viele Anhänger finden seine naiv anmutenden Auftritte gerade deshalb so anrührend. Mantese sampelt sich munter durch Christentum, Taoismus und Sufismus. Für Jugendliche hat er die Fantasy-Story „Das Geheimnis vom Weissen Stein“ um Elf Cherubino und Zwerg Knorrbronn im Programm. Optisch gibt sich Sadhguru mit Bart und indischen Gewändern überaus traditionell. Begriffe wie „inner engineering“ und „Software für die Seele“ aber appellieren an die Generation iPhone. Podcasts, Bücher, Vorträge und Einzelgespräche: Gangaji und ihr Mann und Geschäftspartner Eli decken die gesamte Palette ab. Ihr Credo: Die Suche endet, wenn man aufhört zu suchen ... Persönliche Frage- und Antwortstunde vor der Kamera. Am Ende segnet Samarpan grimassierend zu Akkordeonmusik mittels Handauflegen. Der Guru setzt auf die Wirksamkeit der Popkultur: Sechs Alben mit Rockmusik hat er produziert, zwei Bollywood-Filme, darüber hinaus Mode etc. Anstarren und Schweigen. Stundenlang! Angeblich transzendiert er so „die Wahrheit“ auf andere. Was wir hier lernen können Hör auf, dich zu definieren, gegenüber dir selbst und anderen. „Dinge passieren, weil sie passieren, und nicht weil wir entschieden haben, dass sie passieren oder nicht passieren sollten.“ „Wir haben uns selbst mit Mauern umgeben: Dabei müssen wir diese Welt in eine Welt der Inklusion verwandeln.“ Und: Finger weg von Auberginen, die sind giftig! Du bist nicht, wer du bist, also leb’ einfach im Moment. Du musst nichts rechtfertigen und nichts verstehen. „You are the love charger Billions battery when goes down You charged up with love So strong your power love“ (aus dem Song „Love Charger“ vom Album „Highway Love Charger“) Wir sind nicht, wer wir glauben zu sein, sondern wir sind Teil eines Bewusstseins, das eins ist mit allem. Weltliche Statussymbole Seine Strickpullis geben keinen Hinweis auf ein geschätztes Vermögen von 15 Millionen Dollar. Zwei Platin-Auszeichnungen und eine Goldene Schallplatte. Ein 60 Hektar großer Campus am Fuß der indischen Vellingiri Berge und ein fast 500 Hektar großes Zentrum in Tennessee, USA . Für seine Wohltätigkeitsarbeit wurde ihm die Indira-Gandhi-Medaille verliehen. Fünf-Sterne-Hotels, Designerkleidung, Erste-Klasse-Flüge, diverse Immobilien, Schönheits-OPs ... Schwer zu sagen. Viel Geld für Show oder Kostüme verpulvert der oft in Jeans und Hemd auftretende Guru jedenfalls nicht. Geschätzte 40 Millionen Dollar. Sein Fuhrpark, mit dem er und seine Entourage unterwegs sind, besteht aus 100 Wagen. Sein Sektenzentrum kostete nach eigenen Angaben 1,7 Millionen Kanadische Dollar und wurde komplett von den Geldern seiner Anhänger finanziert. Was kostet der Spaß? Tickets für einen aktuellen Vortrag im Auditório Celso Furtado in São Paulo kosten 25 bis 75 Euro. Für einen mehrtägigen Workshop in Kalifornien ist man schnell mehr als 1000 Euro los. Die mehrmals im Jahr abgehaltenen zweitägigen Seminare kosten 120 Schweizer Franken. Am ersten Tag kann man Mantese fünf Stunden beim Schweigen zusehen. Ein 7 x 90-Minuten-Online-Lehrgang schlägt mit 115 Euro zu Buche. Wer im November zum Shoonya-Intensiv-Meditationskurs in Brandenburg will, muss 480 Euro zahlen. Ihr Webcast kostet 28 Dollar im Monat. Ein Fünf-Tage-Retreat im kalifornischen San Rafael im Einzelzimmer 1295 Dollar – inklusive Verpflegung. Samarpan empfiehlt einen Beitrag von 35 Euro pro Monat für Online-Sitzungen. Für einen einwöchigen Workshop im Dezember müssen 450 Euro bezahlt werden. Plus Unterkunft und Verpflegung. Seinen Film „MSG: The Messenger“ bekommt man bei Amazon für 11,49 Euro + 3 Euro Versandkosten. Der kurze regelmäßige Podcast kostet nichts, für das Fünf-Tage-Seminar im Dezember in Nordrhein-Westfalen stellt er 300 Euro in Rechnung – ohne Unterkunft und Verpflegung. Was sagen die Fans? „Es verändert Ihr Denken … Das Resultat? Mehr Freude, sofort!“ („Oprah Magazine“) „Es ist zwar hier und da etwas langatmig geschrieben, aber der Inhalt stimmt zu 100%.“ (Amazon) Sadhguru sprach schon beim Weltwirtschaftsforum in Davos und vor der UN. Die Mode-Schöpferin Donna Karan schwärmte: „Sadhguru, du warst eine Inspiration. Eine wahre Inspiration!“ „Gangaji ist eine der klügsten, klarsten und poetischsten spirituellen Führer unserer Zeit.“ (Alanis Morissette) „Ein Guru zum Anfassen“ Die angeblich 50 Millionen Jünger weltweit loben seine Organisation DSS für ihre Wohltätigkeitsarbeit, die Blutspenden organisiert und Waisenkindern und ehemaligen Prostituierten hilft. „Größer als Jesus!" Was sagen die Kritiker? „Die Zeit“ schrieb: „Eckhart Tolle ist die inszenierte Verkörperung des Antizeitgeists, der die Logik spätkapitalistischer Wunschbefriedigung mit vormoderner Mystik aushebelt.“ „Die teilweise widersprüchlichen und oft unzusammenhängenden Aussagen von Mario Mantese können weiter zur Verwirrung und Verunsicherung beitragen“, warnt die Schweizer Webseite infosekta.ch. Der Guru wurde beim Bestellen von Auberginen-Curry beobachtet. Viel Kritik erntete Gangaji von Fans, als herauskam, dass sie eine Affäre ihres Mannes lange verschwiegen hatte. Das passe nicht zu Menschen, die alle Eitelkeit überwunden haben wollen. „Aus psychologischer Sicht (muss) betont werden, dass es nicht zu einer gelingenden Alltagsbewältigung beiträgt, Grenzen zu sprengen, sondern sie zu akzeptieren.“ (Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) Die Polizei ermittelt wegen des mutmaßlichen Mordes an einem Journalisten. Außerdem soll er 400 Anhänger zur Kastration genötigt haben. Seinen Film bewertete eine indische Zeitung als „dreistündige Folter.“ De Ruiter gilt als überaus autoritär. Aussteiger kritisieren seinen Führungsstil und berichten von sexuellen Beziehungen mit diversen Anhängerinnen. Die GENIESSER Der FRAGEBOGEN Was ich liebe, was ich hasse Illustration: Marie und Feline Grub / www.diegeniesser.com Schmeckt … genießen ein ausgiebiges Sofafrühstück. Ein Buch zum Verschenken Ein Traum Idol Schöne russische Redewendung Toller Ort in Berlin Beste Idee Mag ich Für einen Tag wäre ich gern mal Eine Zehnerpackung Socken, die ich gekauft habe. 20 Tage keine Sockensorgen – denkwürdig geil Liniwiji Wareniki, russische Knödel mit saurer Sahne „Tewje der Milchmann“ von Scholem Alejchem Spanischer Fußballnationalspieler werden Mos Def Wsjat sebja w ruki – sich selbst in die Hände nehmen, als Ausdruck, dass man sich beruhigt Das „Monarch“ mit Panoramablick auf den rechtsfreien Raum am Kotti Mama türkisches Gebäck aus Berlin mitbringen. Massagesessel, Orgasmen, Plattenspieler Die NSA Zuletzt geärgert über Dmitrij Kapitelman AUTOR Foto: Nadine Kunath Zuletzt gefreut über Der gebürtige Kiewer kam mit acht Jahren nach Deutschland. Aus seinem Buch „Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters“ liest er am 6.10. im Georg-Büchner-Buchladen. Befragt von Norbert Thomma Braucht kein Mensch Nie in der Sauna treffen Schmeckt nicht Ein abschreckender Mensch Blöde russische Redewendung Letzter Eindruck von Deutschland Scheußliche Ecke Berlins Mein größter Fehler Unnützes Tier In seiner Haut will ich nicht sein Mag ich nicht Nie wieder verreisen nach Die „Analyse“, dass der AfD-Erfolg eine logische Folge von Merkels Flüchtlingspolitik sei Die NSA Frauke Petry Bananen Robert Mugabe Wsö Putöm. Wortspiel aus „Alles geht seinen guten Gang“ und Putins Namen „Wallah, isch brauch die neuen Nikes, Brudah“ Regierungsufer Habe einem tollen Mädchen gesagt, dass ich sie nicht mag Innerer Schweinehund Donald Trumps Redenschreiber Ticketautomaten, die keine Münzen annehmen, Formulare aller Art Eilat, das Mallorca Israels
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