Den Dialog suchen

ALTKUNSTSTOFFE
Den Dialog suchen
E-Schrott ist eine der größten Herausforderungen in der Abfallwirtschaft. Zwar liegt der Fokus eher auf den
Metallen, der Anteil von Kunststoffen in diesen Geräten ist aber nicht zu vernachlässigen. Die Interessenvertretung
der IT- und Computerhersteller Digital Europe zeigt, wie man diese Kunststoffe im Kreislauf halten kann.
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Foto: Sergey Yarochkin; Fotolia.com
aut Digital Europe hat die IT- und
Computerindustrie ihre ersten Versuche mit recycelten Kunststoffen
Anfang der 2000er Jahre unternommen.
Heute finden sich Recyclingkunststoffe in
zahlreichen Produkten als Teil freiwilliger Verpflichtungen oder größer angelegter „Green Market“-Initiativen. Dennoch
sieht sich die Branche einigen Herausforderungen ausgesetzt, vor allem wie eine ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Post-Consumer-Rezyklat sichergestellt werden kann, das allen technischen,
wirtschaftlichen und ästhetischen Anforderungen genügt.
Die Elektrik- und Elektronikindustrie
ist heute für etwa fünf bis sieben Prozent
des gesamten Kunststoffverbrauchs in
Eu­ropa verantwortlich Die meistgenutzten
Stoffe sind dabei Polypropylen (PP) und
Polyurethan (PU), weitere wichtige Materialien sind PS, ABS und PA. Aufgrund
der extrem heterogenen Produkte in diesem Markt werden unterschiedliche Qualitäten von Kunststoffen benötigt. Abgesehen davon muss das Material, das in Consumer-Produkten verwendet wird, besonderen ästhetischen und mechanischen
Anforderungen genügen. Dies kann die
Einsatzmöglichkeiten von Rezyklaten einschränken, vor allem wenn sie aus PostConsumer-Abfällen stammen.
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Nicht nur Standardware
Neben Standardkunststoffen kommen in
IT-Produkten komplexe Polymermischungen zum Einsatz. Für diese technischen
Kunststoffe wird eine große Bandbreite von
Subtypen (mit Füllmaterial und Additiven)
RECYCLING magazin 18 | 2016
verwendet. In Verbindung mit zum Teil
sehr kleinen Mengen an Altgeräten ist die
Trennung des Materials für das Recycling
oft schwierig. Und da auch das Recycling
dieses Materials schwierig ist, ist Neumaterial sowohl preiswerter als auch besser
verfügbar. Dennoch geht Digital Europe
davon aus, dass sowohl die Zahl der Recycler als auch die Qualität zunehmen werden. Dadurch könnte mehr Sekundärmaterial in den Produkten eingesetzt werden.
Der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen würde zahlreiche Vorteile
bieten, wie die Interessenvertretung weiter ausführt. Neben dem offensichtlichen
ökologischen Aspekt würde dies auch zur
Stärkung und Weiterentwicklung eines
Marktes für Kunststoffrezyklate führen,
von dem die Hersteller umgekehrt auch
wieder profitieren könnten. Digital Europe sieht außerdem ein großes Innovationspotenzial durch neue Ideen beim Design
und Materialeinsatz in Zusammenarbeit
mit der Recyclingindustrie. Und natürlich
kann der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen als Verkaufsargument dienen
und die eigene Marke stärken.
Versorgungslage unklar
Es gibt aber auch weiterhin Hindernisse,
die es zu überwinden gilt. Der Markt für
Sekundärrohstoffe bleibt in Bezug auf Qualität, Quantität, Preise und Zuverlässigkeit
unsicher. Ein Materialwechsel in bestehen-
den Produkten erfordert zudem neue Tests,
um die Erfüllung aller Vorgaben sicherzustellen. Dies ist besonders wichtig in
Bezug auf die zahlreichen EU-Vorschriften
für chemische Substanzen. Und schließlich muss auch die Akzeptanz der Kunden
sichergestellt werden, vor allem bezüglich
optischer Mängel.
Daher will Digital Europe Hersteller ermutigen, Produkte und Komponenten mit möglichst geringen Barrieren für
Sekundärrohstoffe zu identifizieren, Produkte unter Einbeziehung der Gesichtspunkte Zerlegung und Recycling zu entwickeln und das Design an die Potenziale
von Kunststoffrezyklaten anzupassen. Vor
allem fordert die Interessenvertretung ihre
Mitglieder auf, mit den Recyclern in einen
Dialog über Mengen und Qualitäten zu treten.
Der Bericht schließt mit einigen Beispielen zum Einsatz von Kunststoffrezyklaten durch wichtige Unternehmen der Branche. Diese werden hier kurz vorgestellt.
Design auf Recycling ausrichten
2013 hat PC- und Notebookhersteller Dell
einen Nachhaltigkeitsplan vorgestellt,
der unter anderem den Einsatz von etwa
25.000 Tonnen Post-Consumer-Kunststoffrezyk laten und anderen nachhaltigen Materialien bis 2020 vorsieht. Seit
2014 setzt das Unternehmen Rezyklate aus
geschlossenen Kreisläufen in 48 Produkten
ein. Bisher hat Dell 3.400 Tonnen von diesem Material verwendet. In den USA arbeitet Dell mit Goodwill Industries zusammen und ermöglicht so den Kunden, Altgeräte aller Hersteller kostenlos zu entsorgen. Seit 2007 wurden hier 770.000 Tonnen
eingesammelt. Das Material aus diesem
Strom wurde dann wieder in der Herstellung von Geräten und Komponenten verwendet. Dell fordert zudem seine Entwickler dazu auf, Wiederverwendung und Recycling durch ihr Design zu unterstützen und
Materialien zu verwenden, die anschließend im Kreislauf gehalten werden können.
Recycling seit 25 Jahren
HP hat bereits 1991 damit begonnen,
gebrauchte Tintenpatronen von seinen
Kunden zurückzunehmen und ab 2000 an
einem Konzept für einen geschlossenen
Kreislauf gearbeitet. Daraus entstand 2005
ein Kunststoffrezyklat, das den Anforderungen an Formung, Herstellung und Produktspezifikationen der Originalpatronen
entsprach. Dieses finale Rezept bestand aus
einer Mischung von zurückgenommenen
Patronen, recycelten PET-Flaschen und
einer Reihe von Additiven, die notwendig
sind, um die Rezyklate auf das Qualitätsniveau von Neuware zu bringen. Bis Ende
2015 hat HP mehr als 50.000 Tonnen Recyclingmaterial verwendet, darunter mehr als
3,3 Milliarden PET-Flaschen und 50 Millionen Kleiderbügel, aus denen über 2,7 Mil-
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liarden Tintenpatronen hergestellt wurden.
Mit einer neuen automatischen Zerlegetechnik gelang es HP, die Menge des aus
den Tintenpatronen zurückgewonnenen
Kunststoffs zu verdoppeln. Inzwischen
stammen zwischen 50 und 75 Prozent des
in den Patronen verwendeten Kunststoffs
aus Sekundärmaterial.
Bis zu 40 Prozent Rezyklat
Lenovo nutzt für seine Produktion ebenfalls bis zu 30 Prozent Rezyklat aus PETFlaschen. Die Firmenpolitik sieht vor, dass
dieses Rezyklat in allen Produkten der PCSparte verwendet wird. 2015 hat Lenovo
mehr als 9.000 Tonnen Kunststoffrezyklat
eingesetzt. Für das laufende Geschäftsjahr
plant das Unternehmen den Einsatz von
Rezyklaten in allen Geschäftsbereichen.
Bereits 2009 hat Lenovo ein HB-ABS-Material für Monitor-Bauteile entwickelt, das zu
65 Prozent aus Post-Consumer- und zu
20 Prozent aus Produktionsabfällen besteht.
Alle Lenovo-Notebooks enthalten mindes­
tens 10 Prozent Kunststoffrezyklat, manche
Businessmodelle sogar bis zu 40 Prozent.
Für seine Thinkpad-Serie nutzt das Unternehmen gezielt einheitliches Material mit
einheitlichen Farben, um den Recyclingprozess zu erleichtern. Zudem werden alle
Plastikteile, die mehr als 25 Gramm wiegen,
materialkodiert.
Keine Deponierung von Patronen
Die Recyclinginitiative des Druckerherstellers Lexmark hat sich von der ersten Verwendung von Post-Consumer-Rezyklaten
in Patronen 2007 über den Einsatz von
4 Prozent Rezyklat in einem Highend-Drucker 2009 bis hin zum Einsatz von Rezyklaten in allen Geräten und Druckerpatronen
weiterentwickelt.
Die aktuelle Drucker-Produktlinie enthält bis zu 50 Gewichtsprozent Kunststoffrezyklat. Für seine Druckerpatronen verfolgt Lexmark eine strikte Nicht-Deponierungspolitik, das gesamte Material geht in
die Wiederverwendung oder das Recycling.
Neue Patronen erhalten derzeit durchschnittlich 18 Prozent Kunststoffrezyklat,
das Ziel für 2018 sind 25 Prozent.
Für den Massenmarkt
Das koreanische Elektronik-Schwergewicht Samsung setzt Kunststoffrezyklate
Plastikbedarf* in Europa
Automobilbranche
8,6%
Elekrotechnik
5,7%
Sonstige
26,1%
26
PA
An
de PC
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Bau und
Konstruktion
PP
39,5 %
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PE , PE
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PS
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D
Verpackung
Quelle: PlasticsEurope (PEMRG)/Consultic/myCeppi; * EU 28 + NO/CH
Aufgeteilt nach Branche und Polymertyp 2014
in verschiedenen Produktgruppen ein. Das
Unternehmen hat neue Spezifikationen
für die Qualität von Kunststoffrezyklaten
entwickelt und informiert seine Zulieferer
von Sekundärrohstoffen über die neuesten technischen Entwicklungen. 2015 hat
Samsung 34.222 Tonnen Kunststoffrezyklat in Bildschirmen, Druckern, Waschmaschinen, Kühlschränken und Kopfhörergehäusen verwendet. Das ist ein Anteil
von 6,3 Prozent am gesamten Kunststoffverbrauch.
Alle Monitore, die seit 2015 gefertigt
werden, enthalten mindestens 30 Prozent
Rezyklat und haben einen PVC-freien Korpus. Für die Smartphone-Ladegeräte verwendet Samsung 20 Prozent Rezyklat.
Eigenes Rezyklat entwickelt
Auch Sony hat einen größer angelegten
Umweltplan, der unter anderem die Reduzierung von Neumaterial um 10 Prozent bis
2020 (im Vergleich zu 2013) vorsieht.
Im Geschäftsjahr 2014 hat das Unternehmen mehr als 19.000 Tonnen Kunststoffrezyklat verwendet, wovon zwei Drittel aus
dem Produktionsprozess und ein Drittel aus
Post-Consumer-Abfällen stammten. Sony
hat sogar eine eigene Marke für sein Rezyklat entwickelt: Sorplas (Sustainable oriented recycled plastics).
Der Anteil an Sekundärrohstoffen kann
bis zu 99 Prozent betragen und im Herstellungsprozess entsteht 80 Prozent weniger
CO2 als bei der Herstellung von Neumaterial.
Laut Sony hat das Material sehr gute mechanische Eigenschaften und kostet weniger
oder genauso viel wie andere Kunststoffrezyklate. Allerdings hat das Unternehmen
im Geschäftsjahr 2015 lediglich 400 Tonnen
Sorplas verwendet.
Die Beispiele zeigen, dass die IT-Industrie zahlreiche Anstrengungen im Hinblick
auf das Recycling unternimmt. Sie zeigen
aber auch, dass noch viel Luft nach oben
ist. Ein intensiver Dialog zwischen Herstellern und Recyclern sollte daher im Interesse beider Seiten sein – und letztlich auch
von Vorteil.
Michael Brunn
RECYCLING magazin 18 | 2016
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