Biografie Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) Am 6. Mai 1880 wurde Ernst Ludwig Kirchner in Aschaffenburg geboren – seine Jugend verbrachte er in Chemnitz. 1901 begann er in Dresden ein Studium der Architektur, vertiefte aber in der Freizeit seine künstlerischen Neigungen. Zusammen mit weiteren kunstinteressierten Kommilitonen, darunter Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl gründete er 1905 die Künstlergruppe „Brücke“. Zum Ziel hatten sie den Aufbruch zu neuen Ufern in der Kunst wie im Leben erklärt, wollten sich von der als verstaubt empfundenen Kunst der Akademien abwenden und einen unmittelbaren und intuitiven Zugang zur künstlerischen Gestaltung finden. Weitere Mitstreiter fanden die jungen Künstler unter anderem in Emil Nolde, Max Pechstein und Otto Mueller. Im gemeinsamen Malen von Akten, im Atelier und in der Natur, strebten die „Brücke“-Künstler nach dem Ideal des ursprünglichen Menschen. Ein Vorbild wurde auch die außereuropäische Kunst, die in den Völkerkundemuseen und aus Publikationen rezipiert wurde. In dem Gedanken, Kunst und Leben als Einheit zu verbinden, gestalteten die „Brücke“-Künstler ihre Ateliers mit selbst geschnitzten Möbeln und Gebrauchsgegenständen sowie bemalten Stoffen zu Gesamtkunstwerken. 1911 verlegten alle „Brücke“-Künstler ihren Wohnsitz vom beschaulichen Dresden in die Hauptstadt Berlin. Hier begann die Individualisierung der einzelnen Künstler – besonders Kirchner stürzte sich mit Enthusiasmus in den Trubel der Großstadt. Er sammelte Eindrücke und Ideen in den Vergnügungsvierteln der Stadt, besuchte Bars und Musikcafés und beobachtete das nächtliche Treiben auf den Straßen, immer mit dem Stift in der Hand. In den Kokotten, verführerisch und bedrohlich zugleich, entdeckte er ein Sinnbild der Entfremdung des modernen Menschen. Als Ausgleich zu dem hektischen Leben der Stadt verbrachte Kirchner die Sommermonate auf der Ostseeinsel Fehmarn, die für ihn ein unbeschwertes Südseeparadies im Norden wurde. 1913 löste sich die „Brücke“ auf, die Vorstellungen der einzelnen Mitglieder hatten sich auseinanderentwickelt. Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Kirchner zunächst freiwillig. Bereits während der Rekrutenausbildung jedoch kündigten sich psychische Probleme an, da er als Soldat sein Selbstverständnis als Künstler hätte aufgeben müssen. Mehrere Aufenthalte in Sanatorien folgten, doch Kirchner litt weiter an Angstzuständen und Panikattacken. Erst als er 1917 ins Schweizerische Davos zu einer Kurbehandlung reisen konnte – und damit einer erneuten Einberufung entging –, trat eine Besserung seines Zustands ein. Kirchner ließ sich dauerhaft in Davos nieder. In den beiden Almhäusern, die er bewohnte, richtete er erneut umfassend gestaltete Wohn- und Atelierräume ein und befasste sich mit Entwürfen für gewebte Teppiche. Kirchner erfuhr zunehmende Anerkennung für sein Schaffen und wurde durch museale Ausstellungen gewürdigt. Auch empfing er zahlreiche Besucher – Künstler, Sammler und Kunsthistoriker – in seinem alpinen Domizil. Unter dem Pseudonym Louis de Marsalle veröffentlichte Kirchner mehrere Schriften über sein künstlerisches Schaffen. Zutiefst getroffen über die Verfemung seiner Kunst durch die Nationalsozialisten, vor allem in der 1937 durchgeführten Aktion „Entartete Kunst“, nahm sich Ernst Ludwig Kirchner im Juni 1938 das Leben. Janina Dahlmanns
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