null

1
Predigt aus dem Gottesdienst zur Jubelkonfirmation
am 2. Oktober 2016 in der Kreuzkirche.
Pastor Gerhard Bothe
Liebe Gemeinde und, ganz besonders, liebe KonfirmandInnen !
Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Ich habe das Gefühl, dieses Psalmwort ist wie eine Überschrift, wie eine Zusammenfassung für ihr heutiges Fest. Es lädt uns ein, sich zu erinnern, und dabei zu spüren,
wie gut das tun kann. Heute erinnern Sie sich, an Ihre Konfirmation vor – ja bei allen
heute – vor mehr als 50 Jahren, 60 Jahren, 70 Jahren, vor.. 81 Jahren.
Das ist heute der Rekord: Eichenkonfirmation. Herzlichen Glückwunsch, Frau Garbe,
Frau Hahn, Frau Weber. Schön , dass wir Sie heute hier haben!
Aber ob die Goldene, Diamantene, Eiserne, die Kronjuweln, die Gnadenkonfirmation eine Gnade, ein Geschenk ist es in jedem Fall, dass werden Sie wohl auch so sehen.
Dass Sie heute hier sein können, ist ein guter Grund Danke zu sagen: dass Sie
bewahrt geblieben sind bis heute, nicht an allem vorbei, aber doch durch alles
hindurch.
Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an Ihre Konfirmation erinnern können. Viel Wasser
ist inzwischen Ihren Lebensfluss hinuntergeflossen, aber irgendein Bild, eine vage
Erinnerung ist vielleicht noch da. Wie das war bei Ihrer Konfirmation, was Sie
anhatten, wie Sie gefeiert haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch an Ihre Unsicherheit, so im Mittelpunkt zu stehen ( noch nicht erwachsen, aber auch kein Kind mehr)
und an die Wünsche, die diesen Tag begleitet haben.
Wenn wir nachher im Gemeindehaus zusammen sind, ist vielleicht Gelegenheit, das
noch einmal zu erzählen und zu teilen, bis ins Einzelne hinein. Mal sehen, was da als
Erinnerung noch da ist und zusammenkommt!
Aber vielleicht haben Sie auch die Erfahrung gemacht, wie schwer das Eigentliche
Ihrer Konfirmation - dass Ihnen an diesem Tag die Hände aufgelegt worden sind
und Ihnen der Segen Gottes zugesprochen wurde – wie schwer das mitzuteilen und
festzuhalten ist. Einsegnung, hat man früher gesagt.
Wie war das mit diesem Segen, bei Ihrer Konfirmation und dann auch in den Zeiten
über die Konfirmation hinaus ? Das war, bei den Ältesten und Ehrwürdigsten von
Ihnen, noch im Krieg, bei den meisten anderen von Ihnen die Jahre danach, als es
schon wieder aufwärts ging in Deutschland, mit viel Elan.
Sie haben diese Zeit auf Ihre Weise erlebt und mitgestaltet.
Und ich denke, auch das haben Sie erfahren, jede und jeder auf seine Weise: dass
Segen nicht bedeutet, vor Alleinsein, Krankheit , vor Verlusten verschont zu sein.
Dass nicht aus allen Plänen etwas wird und manches anders kommt als gedacht.
Und trotzdem wird es Segen auch in ihrem Leben immer wieder gegeben hat:
Die Erfahrung, dass es immer wieder eine Kraft gibt, die uns trägt, wo wir allein nicht
mehr weiter kommen.
Heute ist ein Tag an dem ihre eigene, unverwechselbare Geschichte ganz im Mittelpunkt steht. Ich möchte Ihnen gern ein Bild dazugeben, das mir zu dem heutigen
Bibeltext eingefallen ist.
2
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm .
Das Bild, dass mir dazu eingefallen ist, und dass sich, glaube ich, für Sie mit Ihrer
Lebensgeschichte und dem heutigen Tag der Jubelkonfirmation gut verbindet, halten
Sie in den Händen. Es ist das Bild eines Brunnens.
Eines Brunnens mit konzentrischen Kreisen, wie er zum Beispiel im Garten des
schwäbischen Klosters von Maulbronn steht. Dieser Brunnen aus Maulbronn ist auf
ihrem Blatt abgebildet, ich mag ihn sehr. Wahrscheinlich haben Sie ähnliche Brunnen
auf Ihren Reisen auch schon gesehen.
Mit diesem Brunnen ist es so: Übereinander geordnet stehen die Schalen.
Von unsichtbar aus der Tiefe ergießt sich das Wasser in die oberste Schale.
Wenn die randvoll ist, die obeste Schale, läßt sie das Wasser über ihren Rand in die
nächste, darunter liegende fliessen. Und wenn die wiederum randvoll gefüllt ist,
lässt sie ihren Überfluss ihrerseits überfließen in die Schale, die nach ihr kommt.
So fließt der Brunnen unaufhörlich: randvoll gefüllt von Empfangenden, randvoll
füllend mit Weitergebendem. Und die Verbindung mit dem unsichtbar aufsteigenden
Wasserstrom aus der Tiefe macht es möglich und hält den Brunnen in Gang.
Ohne diese Verbindung wäre er nichts als ein steinerndes Denkmal - ohne Leben.
Und vielleicht können Sie auch so Ihr bisheriges Leben sehen und begreifen.
Auch Sie sind eingeschlossen gewesen in dieses System von einander empfangender
und einander immer neu von dem ihrem abgebender Schalen. Und sind es hoffentlich noch, mit Kindern und Enkelkindern, mit Freundinnen und Freunden, durch die
Zeiten hindurch, ehemaligen Arbeitskollegen und Nachbarn.
Und es kann sein, dass Sie, wenn Sie heute Ihr Leben bedenken, dabei auch Dankbarkeit empfinden. ( Heute ist ja Erntedanktag; und Bedenken und Danken hängt
eng zusammen ) Dass Sie dann auch darauf stossen: Gottes Güte und Gottes Gaben
sind eigentlich immer wieder auf mich gekommen. Ganz oft durch andere Menschen.
Menschen, die mir weitergegeben haben von dem, was sie selbst vorher empfangen
haben. Und manches von dem, was ich so von anderen Menschen empfangen habe,
habe ich versucht, weiterzugeben, so gut es mir möglich war.
Es ist dann von mir, hoffentlich, wieder übergeflossen auf andere. Natürlich war es
so, es kann ja gar nicht anders sein! Und vielleicht merken Sie: Dieser Brunnen da
im Klostergarten von Maulbronn mir seinen drei Schalen und dem Becken ist ein sehr
3
bescheidendes und armseliges System im Vergleich zu der Fülle von Beziehungen
und Begegnungen, in denen wir Liebe empfangen und Liebe weitergegeben haben.
Und wir stehen da noch mitten drin!
Die Vorstellung, die ich Ihnen also heute zu Ihrem Konfirmationsjubiläum vor Augen
stellen möchte, ist also die: Ich kann mein Leben begreifen lernen und sehen als angeschlossen an mir von Gott unsichtbar aus der Tiefe unaufhörlich und unversiegbar
zuströmendes Gutes, dass meine Leere und meine Bedürftigkeit immer wieder füllt
bis zum Rand, so voll, das ich es gar nicht alles halten kann, sondern daß vieles
davon durch mich hindurch weiter fließt, anderen zu und auf andere hin.
Von Gott her fließt Liebe in unser Leben ein, und von uns fliesst es weiter zu
anderen. Es sei denn, wir blocken diesen Strom ab. Es sei denn wir lösten uns von
der Quelle oder weigerten uns, weiterzugeben. Dann versiegt vermutlich alle Freude,
das meiste von dem, was unser Leben bunt und farbig macht, ihm Lebendigkeit und
Frische verleiht. Ohne Durchströmtsein von Liebe wird Leben blass und fad, hart und
verbissen. Nur wo Liebe weiter fließen kann, bleibt das Leben im Gang, vertrocknet
und verdorrt es nicht. Durch alle Veränderungen hindurch.
Das jedenfalls hat mir immer gefallen an dem biblischen Satz: Gott ist Liebe, und wer
in der Liebe bleibt der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. Da ist dreimal von Bleiben
die Rede, und der Satz ist doch voller Bewegung: Fliessen, Veränderungen, sicher
auch Abbrüche, aber der Brunnen der Liebe bleibt.
Natürlich ist der Brunnen aus Maulbronn, wie ich ihn beschrieben habe, auch ein sehr
ideales Bild für das Leben , dass wissen Sie aus Ihrer Lebensgeschichte wahrscheinlich besser als ich. So ruhig und gleichmäßig fließt die Liebe in keinem Leben.
Das haben Sie in Ihrem Leben sicher auch erlebt: da gibt es alles: Austrocknen,
Ungeduld, Krisenzeiten, Platzregen.. Störungen sind normal, gehören zum Brunnen
dazu (auch in Maulbronn).
Dann kommt der Kreislauf vom Geben und Nehmen schnell zum Erliegen.
Lebendigkeit geht uns verloren. Dann können wir nicht aus uns heraus, sondern sind
in uns zusammengezogen, enttäuscht, verletzt, und manch einer wird dabei einsam
und fühlt sich wie abgeschnitten.
Und Sie wissen wahrscheinlich aus Ihrer Lebensgeschichte auch, wie man da wieder
herausfindet. Dass da Mut dazugehört, eigener Lebensmut, und helfende Hände. Und
dass man wieder einen Schritt herausfindet, wenn man sich eingeigelt hat, auf das
Leben zu und sich öffnet für das Gute, was da ist. Dann kommt das Leben auch
wieder auf einen zu. Nennen Sie diese Kraft ins Leben hinein ruhig Gottvertrauen!
Und ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie das heute so sagen und vielleicht auch spüren
können: So wie Sie Ihren Weg gegangen sind, sind Sie gut geführt worden, alles in
allem, war Gottes Segen bei Ihnen, auf einmalige und in vielem auch geheimnisvolle
Weise.
Wir haben ja heute Erntedanktag, da danken wir für Ernte und natürlich auch Ernte
im übertragenen Sinn. Wir haben keine Früchte heute hier - die Früchte sind Sie!
Was wir haben sind Rosen auf dem Altar, die sollen Sie nachher bekommen. Rosen
sind für mich die spirituellsten Blumen überhaupt, weil keine Blüte ohne Dornen und
umgekehrt auch: keine Dornen ohne Blüte.
Und so ist am Erntedanktag immer die Frage: wie weit reicht mein Dank?
4
Umschließt er nur das Helle, die sofort vorzeigbaren Früchte meines Lebens, oder
habe ich einen Dank für alles in allem, wenigstens für Augen-blicke, in dem dann
auch das Schwierige in meinem Leben seinen Platz hat und seine Aufgabe.
Auch da hindurch ist der Brunnenfluss des Lebens geflossen, auch mit Tränen, und
fliesst doch immer noch.
Und darum ist es immer gut, das neu zu hören und sich immer wieder neu sagen zu
lassen: Du bist immer noch drin in diesem Brunnensystem, dass der nimmt, gibt und
weitergibt, du gehörst immer noch dazu.
Der Segen Gottes, der dir in deiner Konfirmation zugesprochen worden ist, gilt immer
noch. Ist hindurchgeflossen durch deine Lebensgeschichte, hat sich durchgearbeitet
durch manches, und ist doch immer noch da.
Gott sagt immer noch: Du bist mein geliebtes Kind, meine geliebte Tochter, mein
geliebter Sohn, und manchmal, wie in der biblischen Geschichte von der Taufe Jesu,
reißt der Himmel auf, und wir spüren etwas von der Friedenstaube und dass wir
bewahrt worden sind und reich beschenkt.
Und sind damit noch längst nicht am Ende, sondern immer noch unterwegs.
Vielleicht erzählen wir uns davon, wenn wir nachher zusammensitzen oder es
schwingt doch wenigstens zwischen den Zeilen mit.
So dass wir mit lebendigen Geschichten füllen, wovon das Psalmwort spricht:
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat,
der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen. Amen.