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Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
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07.10.2016
Von: Axel Stefan Sonntag
JAV-Wahlen
Für unbefristete Übernahmen – gegen Rassismus
Wofür setzen sich junge Menschen ein? Wir haben bei vier Jugend- und Auszubildendenvertretern (JAV)
nachgefragt. Sie sprechen über ihr Engagement gegen Rassismus, ihren Kampf für unbefristete
Übernahmen, Probleme der Azubis und die Bedeutung von Familie und Freizeit.
Linda
Wozniak sagt: "Wir bekamen daraufhin so viel Lob aus allen Ecken, dass uns das enorm motiviert hat,
mehr zu tun."
Linda Wozniak, 24, JAV-Vorsitzende bei Evonik in Marl
Deine JAV engagiert sich gegen jede Form von Rassismus. Was tut ihr konkret?
Bei Evonik in Marl arbeiten Menschen aus 53 Nationen. Im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen
Rassismus“ 2015 haben wir diese Vielfalt, auf die wir sehr stolz sind, mit 53 Flaggen für jeden einzelnen
Mitarbeiter sichtbar und erlebbar gemacht. Zudem haben wir es als JAV aktiv unterstützt, rund 30
Flüchtlinge in das Förderprogramm „Start in den Beruf“ aufzunehmen – und zwar zusätzlich zu den
Plätzen, die ohnehin schon vorgesehen waren. Zehn von ihnen hat Evonik aktuell in eine Ausbildung
übernommen – ebenfalls „on top“. Dass wir so klar für Vielfalt und gegen Rassismus eintreten, haben wir
in der Öffentlichkeit mit einer riesigen Plakatwand entlang des Werkzaunes publik gemacht. Jeder
Mitarbeiter hat hier seinen Handabdruck hinterlassen – und die Presse darüber ausführlich berichtet.
Das bislang wohl größte Event war unser diesjähriges Wochenend-Fußballturnier, der Azubi-Cup, zu dem
der komplette Nachwuchs von zwölf Evonik-Standorten zu uns kam. Das Turnier-Motto lautete
#buntistgeil. Und verbunden haben wir das noch mit einem Holi Festival – einfach um zu zeigen, dass wir
Menschen alle gleich sind.
Was empfiehlst Du anderen JAV’lern, das Thema im eigenen Betrieb voranzutreiben?
Stück für Stück vorzugehen, ist am besten. Wir haben ganz klein angefangen, mit sehr überschaubaren
und zunächst nur regionalen Aktionen im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“. Eben
die bekannten „Bunte Hand“-Abdrücke zum Beispiel. Wir bekamen daraufhin so viel Lob aus allen
Ecken, dass uns das enorm motiviert hat, mehr zu tun.
Aber ein solches Engagement ist längst nicht nur ein Thema für eine einmal jährliche JAV-Besprechung.
Wenn in der eigenen Abteilung jemand mit der Sprache Probleme hat, dann gilt es natürlich, diesen
Menschen an die Hand zu nehmen, ihn in den Berufsalltag zu integrieren. Jeden Tag.
Sebastian Horle, 25, JAV-Vorsitzender bei Renolit in Worms
Andreas Reeg
"Bleibt dran, auch wenn es
nicht im ersten oder zweiten Anlauf klappt."
Was war bislang der größte Erfolg in Deiner JAV-Arbeit?
Ganz eindeutig, in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV)
zur unbefristeten Übernahme abzuschließen. Zwar lag ein erster Entwurf unserer Vorgänger schon vor.
Aber weil der Betrieb den komplett ablehnte, verlief das dann erst einmal im Sande. Unser Gremium
wollte es aber schaffen, die GBV endlich durchzubringen. Ja, und seit Juli, steht die Vereinbarung – für
alle Renolit-Standorte deutschlandweit. Vier Jahre, nachdem die ersten Gespräche liefen.
Konkret heißt das jetzt: Der Betrieb übernimmt alle Azubis, die in Schule, Abschlussprüfung und
Ausbilderbeurteilung besser als 2,6 abschneiden, unbefristet. Und das ist noch nicht alles: Wer es schafft,
mindestens mit 1,9 abzuschneiden, erhält sogar noch eine Prämie – gestaffelt von einhundert bis
eintausend Euro. Eben je nach Note. Die gesamte Regelung gilt nun zunächst für die kommenden drei
Jahre, denn die GBV ist frühestens 2019 kündbar.
Welche Diskussionen waren nötig?
Natürlich haben wir – Betriebsrat und JAV – viel und oft mit der Geschäftsführung gesprochen.
Mehrmals gingen Entwürfe an die Personalabteilung, genau so oft kamen sie „mit viel Rot“ wieder
zurück. Wir wollten als Noten-Kriterium 3,0, der Betrieb 2,2. Der Kompromiss ist jetzt 2,6. Ein
Knackpunkt war ebenso der Ausbildungsberuf Maschinen- und Anlagenführer. Da hatten wir anfangs
Bauchschmerzen, diesen Beruf mit anzubieten. Aber im Rahmen der Sozialpartnerschaft konnten wir
vereinbaren, dass beispielsweise Verfahrensmechaniker nicht durch Maschinen- und Anlagenführer
ersetzt werden.
All die, die an ähnlichen Regelungen arbeiten, möchten wir sagen: Bleibt dran, auch wenn es nicht im
ersten oder zweiten Anlauf klappt. Stimmt Euch eng mit dem Betriebsrat ab. Und setzt Euch
Zwischenziele – beispielsweise, dass ein bestimmter Abschnitt der BV bis zum Zeitpunkt X steht.
Elissa Lo Coco, 23, JAV-Vorsitzende bei Aurubis in Hamburg
Martin Lukas Kim
"Doch wir sind jetzt endlich
auf einem guten Weg."
Wie setzt Du Dich für junge Menschen ein?
Gerade konnte ich einem Azubi, den ich von einem JAV-Seminar her kenne, ermöglichen, dass er mit
seinem dritten Ausbildungsjahr zu uns wechseln konnte. In seinem alten Betrieb starb ein wichtiger
Ausbilder, die Ausbildung plätscherte so vor sich hin. Zudem lief es wirtschaftlich nicht so gut, manch
einer – auch er – war verunsichert. Jetzt aber kann er wieder nach vorne schauen.
Überhaupt sind die JAV-Seminare total nützlich. Da tauscht man sich aus und erfährt, dass zum Beispiel
andere die Ausbildungsrahmenpläne viel besser umsetzen als der eigene Betrieb. Das war für mich
Anlass, da eigenes Engagement reinzusetzen. Meine Leute und ich haben uns Regelungen von Kollegen
abgeschaut und dafür gesorgt, dass die entsprechenden Rahmenpläne künftig ebenso bei uns noch besser
praktiziert werden. Also ist bald auch bei Aurubis sichergestellt, dass jeder Azubi in jeder Abteilung das
gleiche lernt.
Was war bislang Deine schwierigste Diskussion mit dem Betrieb?
Ganz klar die tarifvertraglich festgelegte, unbefristete Übernahme als Regelfall hier bei uns im Betrieb
fest zu verankern. Seit fast anderthalb Jahren gibt es regelmäßige Treffen mit der Personalabteilung, wie
wir das bei uns handhaben möchten. Seit einem Jahr liegt zwar ein Papier auf dem Tisch, aber wir wollen
dieses ganz klar als Betriebsvereinbarung durchsetzen. Und das dauert eben. Doch wir sind jetzt endlich
auf einem guten Weg. Es hakt momentan an Details. Im bisherigen Entwurf ist beispielsweise die Rede
von „guten“ Bewertungen und „guten“ Schulnoten, wobei damit nicht unbedingt die Note „gut“ gemeint
ist. Also ist das noch schwammig formuliert – und wiederum nicht fair. Um das aber eindeutig und für
jeden nachvollziehbar zu gestalten, fordern wir einen konkreten Notenschnitt in Zahlen. Das motiviert ja
zusätzlich.
Mark Fleckenstein, 22, JAV-Vorsitzender bei Johns Manville Schuller in Wertheim
Daniel Peter
"Karriere ist längst nicht
mehr das einzige auf der Welt. Familie und Freizeit sind dem Beruf mindestens gleich wichtig."
Du engagierst Dich als International Business-Student in der JAV. Ein Widerspruch?
Nein, ganz und gar nicht. Für meine Kommilitonen und mich, ich denke sogar für meine ganze
Generation, ist Karriere längst nicht mehr das einzige auf der Welt. Familie und Freizeit sind dem Beruf
mindestens gleich wichtig. Dass sich eine Gewerkschaft für diese, allseits zitierte „Work-Life-Balance“
tatsächlich einsetzt, registrieren deshalb auch Studenten. Überhaupt stimmt das Klima hier zwischen
Azubis und Studis. Wir gehen zusammen in die Pause, sitzen an einem Tisch, manche gehen nach der
Arbeit gemeinsam fort. Ebenso in der JAV setzen wir uns für beide „Gruppen“ gleichermaßen ein – und
begrüßen natürlich ebenso gleichberechtigt den gesamten JM Schuller-Nachwuchs auf unseren
JA-Versammlungen. Im Anschluss an jedes Treffen setzen wir zusätzlich auf direkte, persönliche
Gespräche - und natürlich darauf, hierbei Menschen für die IG BCE zu gewinnen. Auf diesem Wege
haben wir schon von so manchen Studenten eine „Och, ist ja ganz interessant“-Reaktion geerntet – und
Mitglieder gewonnen. Übrigens, ich bin fest davon überzeugt, dass ein einziges persönliches Gespräch
deutlich erfolgreicher ist, als zehn vor einer Menschenmasse abgehaltene Power Point-Präsentationen.
Am 10. November finden Eure JAV-Wahlen statt. Wie gewinnst Du Mitstreiter für Dein Gremium?
Wir haben auf der JA-Versammlung Ende Juli auf die Neuwahlen hingewiesen und gesagt, dass jeder der
kandidieren möchte, kandidieren soll. Denn wenn einer sagt, dass er im Betrieb etwas verändern möchte,
dann ist das jetzt seine Chance. Grundsätzlich aber hüte ich mich davor, jemand die Pistole auf die Brust
zu setzen. Ich bin eher der Typ, der über sein Ehrenamt spricht und auf diesem Wege versucht, Interesse
zu wecken. Oder der den einen oder anderen Erfolg der JAV in der Whats App-Gruppe der Azubis postet.
Ein Schritt in die Richtung war beispielsweise, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und dem
Betrieb vereinbaren konnten, dass die Auszubildenden und Studierenden in der Betriebskantine Rabatte
auf das Menü erhalten.
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