Stellungnahme Amt der NÖ Landesregierung vom 3. Oktober 2016

AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Gruppe Landesamtsdirektion
Abteilung Landesamtsdirektion/Verfassungsdienst
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Datum
BMI-LR1330/0013III/1/c/2016
Dr. Wolfgang Koizar
12197
03. Oktober 2016
Betrifft
Verordnung der Bundesregierung zur Feststellung der Gefährdung der Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit; Begutachtung;
Stellungnahme
Die NÖ Landesregierung nimmt zum Entwurf einer Verordnung der Bundesregierung zur
Feststellung der Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des
Schutzes der inneren Sicherheit wie folgt Stellung:
Ergänzend zur Begründung gemäß § 36 Abs. 2 Asylgesetz 2005 wird in Bezug auf
Niederösterreich ausgeführt:
1. Zur Schaffung von zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten:
Die letzten Informationsveranstaltungen im Zusammenhang mit der Planung bzw.
Öffnung neuer Flüchtlingsquartiere hat gezeigt, dass sich infolge der Flüchtlingswelle
2015/2016 die Stimmung in vielen Gemeinden derart verschlechtert hat, dass es
nahezu nicht mehr möglich ist, friktionslos und ohne Widerstand der Bevölkerung neue
Quartiere zu eröffnen. Niederösterreich versorgt derzeit ca. 15.000 hilfsbedürftige
Fremde in der Grundversorgung. Schon die Schaffung von mehr als 1.000 neuen
Quartierplätzen muss als nicht möglich bewertet werden, ohne hier in den Gemeinden
-2auf massivsten Widerstand zu stoßen. Das heißt, jede kleinere Flüchtlingswelle, die die
Schaffung von mehr als 1.000 neuen Quartierplätzen erfordern würde, brächte das
Land Niederösterreich unterbringungstechnisch in enorme Schwierigkeiten. Würde
eine neue Welle wie im Herbst 2015 kommen, müsste Niederösterreich 10.000 neue
Unterbringungsplätze schaffen.
2. Entwicklung der Zahlen – Sicherheitslage:
Im Jahr 2013 wurden in Niederösterreich 2.600 Asylwerber versorgt. Derzeit sind es
schwankend zwischen 14.000 – 15.000 Asylwerber. Zur Bewältigung des Versorgungsund Verwaltungsaufwandes mussten bei der Koordinationsstelle für Ausländerfragen
und bei den Bezirksverwaltungsbehörden die personellen Strukturen verdreifacht
werden. Insofern sind die zuständigen Behörden in diesem Zusammenhang auch
verwaltungstechnisch an die Grenze gestoßen. Während der Spitze der Flüchtlingswelle konnten Flüchtlinge teilweise nicht mehr untergebracht werden und waren
obdachlos bzw. konnten Anträge nicht mehr bearbeitet werden. Sollte abermals eine
neue Welle an unterzubringenden Flüchtlingen auf Niederösterreich zukommen, ist
jedenfalls wieder mit obdachlosen Flüchtlingen zu rechnen. Es ist zu beachten, dass
obdachlose mittellose Flüchtlinge eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit darstellen. Die Steigerung von 2.600 auf 15.000 versorgten Flüchtlingen
birgt an sich schon eine angespannte Situation im Sicherheitsbereich.
3. Öffentliche Gesundheit:
Sollte es abermals zu einer größeren Anzahl an obdachlosen Asylwerbern kommen,
dann wird in diesem Zusammenhang auch wieder die Situation eintreten, dass diese
Personen im Zuge der Erstasylantragstellung keinerlei Gesundheitschecks unterzogen
werden. Daher wäre damit zu rechnen, dass, wie im Zuge der ersten Flüchtlingswelle,
wieder tausende erwachsene aber auch schulpflichtige Asylwerber nicht auf
ansteckende Krankheiten untersucht werden.
-34. Budget – Prognosen:
Im Jahr 2013 betrugen die Kosten für die Grundversorgung in Niederösterreich ca. 30
Mio. €. Für das Jahr 2016 wurden 54 Mio. € prognostiziert. Tatsächlich werden in
Niederösterreich dafür Kosten in Höhe von 115 – 120 Mio. € anfallen. Für das Jahr
2017 wurden 115 Mio. € budgetiert. Sollte auf Österreich und somit auch auf
Niederösterreich nochmals eine kleinere Flüchtlingswelle zukommen, ist mit einer
Steigerung der Grundversorgungskosten auf bis zu 150 Mio. € zu rechnen. Es wird in
diesem Zusammenhang gefordert, dass die Aufwendungen des Landes durch den
Bund abgegolten werden.
5. Minderjährige Fremde:
Niederösterreich hat im Jahr 2013 ca. 200 unbegleitete minderjährige Fremde (umF)
versorgt. Im Laufe des Jahres 2015 wurden die Betreuungsplätze für diese Personengruppe von ca. 250 auf 1.000 vervierfacht – zur Schwierigkeit der Schaffung weiterer
Plätze im Falle einer neuen Flüchtlingswelle siehe oben. Derzeit (Stand: Ende September 2016) werden rund 1.000 umF, welche zum Asylverfahren zugelassen sind,
versorgt. Neben den enormen Kosten ist auch die Versorgungslage um die umF
besonders schwierig. Die laufenden Berichte über Vorfälle bei und um die umF sind
evident. Hinzu kommt die Entwicklung, dass immer mehr Fälle von umF auftreten, bei
denen die Betreuung besonders schwierig ist (schwersttraumatisierte umF).
Darüber hinaus sind in Niederösterreich rund 4.000 begleitete Minderjährige (Stand:
Ende September 2016) aufhältig, für welche auch entsprechende Kindergarten- und
Schulplätze vorgesehen werden müssen.
Im Jahr 2015 wurden rund 350 Flüchtlingskinder in NÖ Landeskindergärten betreut,
was zu zusätzlichen Gesamtkosten in der Höhe von ca. 1 Mio. € für das Land
Niederösterreich geführt hat. Für das Jahr 2016 ist festzuhalten, dass derzeit (Stand
Ende September 2016) bereits 1.000 Flüchtlingskinder in den NÖ Landeskindergärten
betreut und gebildet werden.
Ebenso ist mit einer erheblichen Kostensteigerung im Bereich der Schulen zu rechnen.
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6. Kosten in der Mindestsicherung:
Die Ausgabensteigerung bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung wird wie folgt
dargestellt:
Jänner - Juli 2016
Jänner - Juli 2015
Ausgaben BMS für
Asylberechtigte
10.633.564,15
4.836.313,80
Juli 2016
Juli 2015
Anzahl BedarfsAnzahl Personen
gemeinschaften
1.789
5.096
839
2.557
Das heisst, dass die auf die Flüchtlingswelle zurückzuführenden Ausgaben für die
bedarfsorientierte Mindestsicherung für Asylberechtigte im ersten Halbjahr 2016
gegenüber dem selben Zeitraum 2015 um ca. 5,8 Mio. € angestiegen sind. In diesem
Zeitraum erhöhte sich auch die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften um 950 und der
Mindestsicherung beziehenden Personen um 2.539 Personen.
7. Kosten in der Wohnungsförderung:
Im Jahr 2015 wurden rund 26.000 Anträge auf Wohnbeihilfe und Wohnzuschuss
gestellt mit einem Fördervolumen von 51 Mio. €.
Es wird bis Ende 2016 mit rund 7.000 Asylberechtigten gerechnet, die bedarfsorientierte Mindestsicherung erhalten. Sofern 2000 Asylberechtigte in geförderten
Wohnungen leben werden und aufgrund der bedarfsorientierten Mindestsicherung das
höchste Ausmaß an Wohnbeihilfe bzw. Wohnzuschuss zuerkannt wird, ergibt sich ein
Mehrbedarf von ca. 10%, somit eine Mehrbelastung von ca. 5 Mio. €.
Zu den durch den Entwurf entstehenden Kosten wird darauf hingewiesen, dass – je nach
Umsetzung der Verordnung in der Praxis (ob Ungarn bereit ist, zurückgeschobene Fremde
-5aus Österreich zu übernehmen) – es zu einer erheblichen zusätzlichen Anzahl von
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – u.a. Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der
Anhaltung gemäß § 39 FPG 2005 (§ 82 Abs. 2 FPG 2005) mit einer kurzen Entscheidungsfrist von einer Woche – kommen wird.
Dies führt dann auch zu einem erheblichen Mehraufwand für das Land Niederösterreich.
Es wird daher die Abgeltung der Kosten durch den Bund gefordert.
NÖ Landesregierung
Im Auftrag
Dr. S e i f
Landesamtsdirektor
Dieses Schriftstück wurde amtssigniert.
Hinweise finden Sie unter:
www.noe.gv.at/amtssignatur