3D-Drucker für Metalle Forschung an neuen

Num m e r 3
04. O kt o b e r 2 0 1 6
39. J a h r g a n g
PVSt. DPAG
H 263 0
Entge lt b e z a h lt
3D-Drucker für Metalle
Forschung an neuen
Produktionsverfahren
Lehrerbildung
So profitieren Studierende
vom Projekt PRONET
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Editorial
Inhalt
D
03
Editorial
03
Impressum
ie Lehrerbildung gehört seit
Forschung
den Gründungsjahren zu den
04
Zukunft der Industrieproduktion I Metalldruck optimieren
profilierten
Wissenschafts-
08
Das All im Labor | Astrophysik in Kassel
bereichen der früheren Gesamthochschule und heutigen
10
Projekt PRONET | Millionen für die Lehrerbildung
Universität Kassel. Die Studierenden sind mit ihren Studienbe-
14
Religionspädagogik | Schulklassen diskutieren über Gott
dingungen sehr zufrieden, die Forschungsleistungen zu Fragen
des Lehrens und Lernens weithin anerkannt. Mit dem „Zent-
Transfer
rum für empirische Lehr- / Lernforschung“ wurde eine zentrale
16
wissenschaftliche Einrichtung für die Durchführung kooperati-
Bilder, die im Kopf bleiben | Selbstständig mit
Animationsfilmen
ver Forschungsprojekte etabliert. In den letzten Jahren wurde
die Lehrerbildung an unserer Universität Stück für Stück weiter-
Campus
entwickelt und auf aktuelle politische und gesellschaftliche
18
Glaswerkstatt | Handwerkskunst aus Oberzwehren
Herausforderungen reagiert. So hat die Universität mit dem
20
Projekte zum Thema Flucht | Prof. Westphal im Interview
Projekt „Professionalisierung durch Vernetzung“ erfolgreich am
22
„Hallöchen Professor“ | E-Mails an der Universität
Wettbewerb „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ teilgenommen
24
Tipps von Studierenden | Lieblingsplätze in Kassel
(s. Seite 10).
Menschen
Zudem hat es in den Gremien und in Expertenrunden
26
eine breite Debatte über die Lehrerbildung gegeben; vor
kurzem hat der Senat dem Konzept zur „Organisations- und
verbindet
28
Strukturentwicklung des Zentrums für Lehrerbildung (ZLB)“
zugestimmt, das aus dieser Diskussion hervorgegangen ist.
Zu Gast im Weinberg-Krug | Was Kneipe und Kunst
Studieren als Schüler | Frühstudenten erzählen, wie das
klappt
30
Was mich antreibt | Gerrit Retterath
Danach sollen Promotionen im Bereich der Lehrerbildung
intensiver gefördert werden als bisher; das traditionsreiche
„Kernstudium“ wird auch weiterhin breit ausgerichtet sein
und künftig „Bildungs- und gesellschaftswissenschaftliches
Kernstudium“ heißen; die Governancestruktur des ZLB soll
straffer werden, ohne dass sich an der Verankerung der
Lehrerbildung in den Fachbereichen etwas ändert. Schließlich
werden Themen der Lehrerbildung hervorgehoben, zu denen
Impressum
wir sehr bald Gestaltungsvorstellungen entwickeln müssen:
Inklusion, Mehrsprachigkeit und Internationalität. Mit dem
Konzept werden die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Die
Verlag und Herausgeber: Universität Kassel, Kommunikation, Presse-
Lehrerbildung wird so, wie ich hoffe, auch in Zukunft erheblich
und Öffentlichkeitsarbeit
zum Profil der Universität beitragen – in Lehre und Forschung.
Redaktion: Sebastian Mense (verantwortlich), Beate Hentschel,
Marieke Schmidt, Samantha Pfanzer
Mönchebergstr. 19, 34109 Kassel | [email protected]
Gestaltung: formkonfekt.de | Karen Marschinke
Titelfoto: Andreas Fischer; Foto Editorial: Nikolaus Frank
Druck: Druck- u. Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH | Kassel-Waldau
Anzeigen: Thiele & Schwarz, Helmut Wiegand | Tel. (0561) 95925-0
www.thiele-schwarz.de
Prof. Dr. Andreas Hänlein
Erscheinungsweise: viermal jährlich, Bezugspreis 9,- Euro jährlich.
Vizepräsident der Universität Kassel
Namentlich gezeichnete Beiträge stimmen nicht unbedingt mit der
Auffassung der Redaktion überein.
Bei Nachdruck Belegexemplar erwünscht.
3
Hier werden Metalle druckreif
Das Institut für Werkstofftechnik arbeitet
an der Zukunft der Industrieproduktion
TEXT Marieke Schmidt
FOTOS Andreas Fischer
Mit einem 3D-Drucker unterm Arm in
die Vorlesung? Bei Prof. Dr.-Ing. Thomas
Niendorf kommt das ab und zu vor. Der
Professor schmunzelt, als er erzählt:
„Ich drucke live. Zu Beginn einer Vorlesung schmeiße ich den Drucker an
und am Ende ist dann zum Beispiel ein
kleiner Plastikbecher fertig. So können
die Studierenden am besten lernen,
wie 3D-Druck genau funktioniert.“
Den neuen Drucker des Instituts für
Werkstofftechnik kann Niendorf allerdings nicht mal eben so unter den Arm
klemmen – es ist ein 3D-Drucker für
Metalle. Die schwarze Anlage ist größer
als mancher Kleiderschrank und hinein-
Florian Brenne arbeitet an der Powder-Recovery-Station die fertig gedruckten Teile aus einem
Metallblock heraus.
sehen kann man während des Druckvorgangs nur durch eine Art Bullauge. Seit
Metallpulver heraus – eine Nickelbasis-
– das entspricht in etwa dem Durch-
Juli steht der Drucker einsatzbereit im
Superlegierung. Die Maske schützt
messer eines menschlichen Haares.
Erdgeschoss des Sophie-Henschel-Hau-
seine Atemwege vor den feinen Metall-
ses auf dem Campus Holländischer Platz.
körnern, die aufwirbeln, wenn er das
Betreut wird er von Diplom-Ingenieur
Pulver in den Drucker einführt. Zuvor
Florian Brenne, der die Abteilungsleitung
hat er ein virtuelles Modell des Objekts
der additiven Fertigung übernehmen
angefertigt, das gedruckt werden soll,
Länger als einen Tag kann es dauern,
wird. Während Kunststoff-3D-Drucker
und die Daten am Computer für den
bis die Ingenieure die hochkomplexen
bereits in vielen Druckereien eingesetzt
Drucker übersetzt. In diesem Fall wird
Teile aus dem 3D-Drucker entneh-
werden und somit einer breiten Öffent-
unter anderem ein Auspuff-Teil für das
men können. Dafür kann ein Drucker
lichkeit zur Verfügung stehen, beschränkt
Herkules Racing Team der Uni gedruckt.
aber – je nach Größe der einzelnen
sich der 3D-Druck für Metalle noch auf
Die Mannschaft benötigt es für den
Teile – durchaus mehr als 50 verschie-
Unternehmen der High-Tech-Branchen.
Abgasstrang ihres Rennwagens.
dene Objekte gleichzeitig produzieren.
Der Drucker läuft und
läuft und läuft
Während des Druckvorgangs wird es
Brenne setzt sich eine Atemmaske auf
Jede Schicht, die der Drucker aufträgt,
im Inneren des Druckers unglaublich
und holt ein kleines Fläschchen graues
ist nur etwa 30 bis 150 Mikrometer dick
heiß – abhängig vom Material bis zu
4
publik 03 / 16 | Forschung
Prof. Thomas Niendorf und Florian Brenne vor dem 3D-Drucker
für Metalle. In der Hand halten sie ein Auspuff-Teil, das sie für
den Rennwagen des Herkules Racing Teams der Uni gedruckt
haben.
5
publik 03/ 16 | Forschung
Florian Brenne führt Metallpulver in den Drucker ein. Zum Schutz vor den
feinen Metallkörnern, die dabei aufwirbeln, trägt er eine Atemmaske.
Nach dem Druckvorgang müssen die einzelnen Teile von den Ingenieuren
zunächst aus einem Metallblock herausgearbeitet und von Pulverresten
befreit werden.
1.200 Grad Celsius. Da dauert allein das
Aber zunächst einmal muss jedes Teil,
ihre Versuche den Prozess des Druckens
Abkühlen der Teile mehrere Stunden.
das den Drucker verlässt, von Pulver-
optimieren, um möglichst fehlerfrei zu
resten befreit werden. Dazu schnappt
bauen. Dazu stellen sie vor allem spe-
Und wenn dann alles abgekühlt ist?
sich Brenne die fertig gedruckten
zielle Probenkörper her – die sind klei-
Rausnehmen, einsetzen, loslegen – das
Gegenstände, die sich noch in einem
ner, günstiger und lassen sich schneller
bleibt Wunschdenken. Alle Gegenstände
Metallblock befinden, und öffnet die
drucken als fertige Gegenstände für die
werden von den Ingenieuren nachbe-
Tür zu einem Nebenraum, in dem eine
Industrie. Außerdem suchen die Forscher
handelt und geprüft. Prof. Niendorf ist
kleine Maschine steht – die Powder-
nach weiteren Metallen, die sich gut für
froh, dass an der Uni für diese Arbeiten
Recovery-Station. Vorsichtig legt er
den Druck eignen. Aktuell dominieren
diverse Geräte zur Verfügung stehen.
den Metallklotz in eine Kammer und
Titanlegierungen. Sie machen ca. 80 Pro-
Er hebt hervor: „Nicht alle Institute in
verschließt sie. Von außen kann er nun
zent des Weltmarktes aus. Zertifiziert sind
Deutschland, die 3D drucken, verfügen
durch integrierte Handschuhe fassen
Titanlegierungen unter anderem für die
über Maschinen, mit denen sie die Teile
und die einzelnen Teile vorsichtig her-
Luftfahrtindustrie und die Biomedizin.
so tiefgehend prüfen können. Auch neh-
ausarbeiten. Brenne macht deutlich:
men sie sich oftmals nicht die Zeit, die
„Man darf das nicht unterschätzen. Auch
Gegenstände umfassend auf Beschaffen-
wenn das Ausgangsmaterial pulver-
heit und Stabilität zu testen. Das macht
förmig ist, es bleibt aus Metall. Das sind
die Uni Kassel besonders – wir sind gut
dann schon ein paar Kilo, die man in
„Die Gegenstände, die wir herstel-
ausgerüstet und legen großen Wert auf
der Hand hat.“ Das Vorgehen der Ingeni-
len, sind extrem filigran und komplex.
Nachbehandlung und Prüfung.“ Dazu
eure ist sehr effizient. Alle Pulverreste,
Anders als im 3D-Druck könnte man
stehen den Forschern unter anderem
die nach der Befreiung der Gegen-
sie oft gar nicht produzieren“, erläutert
verschiedene Wärmebehandlungs-
stände übrigbleiben, kommen in ein
Prof. Niendorf. Dafür hat der Drucker
Öfen, diverse Röntgendiffraktometer,
Rüttelsieb und können so beim nächs-
allerdings auch seinen Preis. Ange-
zwei Rasterelektromikroskope und ein
ten Druck wiederverwendet werden.
schafft wurde er für rund 750.000
Computertomograph zur Verfügung.
Die Kasseler Ingenieure wollen durch
Euro, finanziert zu 100 Prozent von
6
Chancen für die deutsche
Volkswirtschaft
publik 03 / 16 | Forschung
Je nach Größe der einzelnen Teile können in einem Druckvorgang bis zu 50 verschiedene Objekte
gleichzeitig produziert werden.
Prof. Thomas Niendorf spannt einen Metallstab
aus dem 3D-Drucker in einen Lastrahmen. Er
möchte untersuchen, ob der Stab auch größeren
Belastungen Stand hält.
der DFG. Eine ähnliche Dimension hat
zum 3D-Laserschmelzen.“ Zudem zeig-
oben kann man in das Gerät hinein-
ein weiterer Drucker, den die Forscher
ten viele Unternehmen Interesse an
sehen und beobachten, wie Schicht
gerne ans Institut holen möchten. Der
Experten für 3D-Druck. Entsprechend
für Schicht ein kleiner rosafarbener
Unterschied: Beim bisherigen Verfah-
groß sei der Bedarf an Fachkräften.
Becher entsteht. Für besondere Anlässe
ren wird das Metallpulver durch einen
Elektronenstrahl geschmolzen. Bei der
zweiten Anlage würde das ein Laser
Probenkörper im
Belastungstest
können Hochschulangehörige bei Prof.
Niendorf auf diesen Drucker zugreifen. Voraussetzung: Sie müssen fertige
Zeichnungen mitbringen. Diese setzen
übernehmen. „Das perfekte Verfahren gibt es nicht“, versichert Niendorf.
Brenne hat mittlerweile alle Teile von
die Mitarbeiter von Prof. Niendorf dann
„Die beiden Verfahren unterscheiden
Pulverresten befreit und trägt sie in eine
am Computer in Infos für den Drucker
sich unter anderem in den Materiali-
große Halle, in der mehrere Geräte ste-
um. Dabei ist Kreativität gefragt, denn
en, die eingesetzt werden können, und
hen. Niendorf übernimmt und zeigt bei-
von individuellen Schachfiguren über
in den physikalischen Eigenschaften
spielhaft an einem kleinen Metallstab,
Kaffeebecher bis hin zu 3D-Visitenkarten
der fertigen Produkte.“ Deshalb wer-
wie ein Belastungstest für die Proben-
ist alles Mögliche denkbar. Aber auf-
den in verschiedenen Industriezweigen
körper aussehen kann. Dazu spannt er
gepasst: Was aus dem Drucker kommt,
unterschiedliche Drucker eingesetzt.
einen gedruckten Stab in einen Last-
muss noch lange nicht perfekt sein. Bei
rahmen. Von oben und unten wird nun
einem Kaffeebecher könnte es passie-
Der Markt insgesamt ist in den letzten
an dem Gegenstand immer kräftiger
ren, dass sich die Flüssigkeit zwischen
fünf Jahren stark gewachsen. Einen
gezogen. Später können die Forscher
zwei Schichten im Boden sammelt. Den-
Arbeitsplatzverlust für die deutsche
dann genauer untersuchen, ob der Stab
noch ist 3D-Druck beliebt. Ob Metall,
Volkswirtschaft erwartet Niendorf
die Belastungen unbeschadet überstan-
Kunststoff oder andere Materialien,
durch die neue Art der Produktion
den hat oder ob Risse entstanden sind.
Prof. Niendorf beobachtet immer wieder: „Mit 3D-Druck kann man Menschen
nicht: „Deutsche Hersteller sind führend bei der Erzeugung von Metall-
Nur ein paar Tische weiter arbeitet der
pulvern und dem Bau von Anlagen
kleine 3D-Drucker für Kunststoffe. Von
aus allen Generationen begeistern.“
7
Orientierungshilfe für die Suche im All
Astrophysiker bauen Moleküle, die helfen,
Geheimnisse des Weltraums zu lüften
TEXT und FOTO Peter Dilling
Wie werden Sterne geboren? Wie ster-
physik. Außerdem reagierten Atome
ben sie? Wo sind in den Weiten des Welt-
in der eisigen Kälte des Alls weitaus
raums „Brutkästen“ zu finden, in denen
seltener miteinander als auf der Erde.
Vorstufen des Lebens entstehen? Auf sol-
Dennoch erhalten die Observatorien eine
che Fragen suchen
Astro-Wissenschaftlerinnen und
Den Weltraum ins
Labor holen
-wissenschaftler
Flut von Daten bei
der Beobachtung
des Weltraums.
Astronomen detek-
seit Jahrzehnten mit immer aufwendige-
tieren Atome und Moleküle mit Hilfe
ren Teleskopen Antworten. Bei der Suche
der Ferninfrarot-Spektroskopie: Diese
ist die Unterstützung des Fachgebiets
Teilchen absorbieren oder senden ext-
Laborastrophysik der Uni Kassel sehr
rem kurzwellige elektromagnetische
begehrt. Das Team gibt mithilfe der Mole-
Strahlung aus – im Giga- bis Terahertz-
kularspektroskopie Observatorien eine
Frequenzbereich (1 Terahertz ent-
Orientierung, wonach die Kolleginnen
spricht 0.3 Millimeter). Doch damit
und Kollegen Ausschau halten müssen.
ist es nicht getan. Denn jedes Atom
oder Molekül aus dem Weltraum hat
Die Forscherinnen und Forscher um
einen charakteristischen „Fingerab-
Prof. Dr. Thomas Giesen helfen ähnlich
druck“. Sie schwingen und rotieren auf
wie Pfadfinder, die interessanten Regi-
unterschiedliche Weise, abhängig von
onen im All aufzuspüren, wo Atome im
ihrer Umgebung. Einige Moleküle, wie
scheinbar leeren Weltraum zu den ver-
Aluminium-Monooxid, existieren nur
schiedensten Molekülen verklumpen.
im Weltraum. „Auf der Erde zerfallen
Dazu müssen die Wissenschaftler nicht
sie in Mikrosekunden“, sagt Breier.
ins All reisen. Sie holen sich den Weltraum gewissermaßen in ihr hochgerüs-
Wenn man also bestimmte Teilchen
tetes Labor und bauen Moleküle unter
im Weltraum aufspüren will, hilft es
weltraumähnlichen Bedingungen nach.
entscheidend, wenn man deren „Fingerabdruck“ bereits kennt. Hier setzt
Die interessanten „chemischen Küchen“
die experimentelle Forschung der
im Weltraum zu finden, ist schwer. „Das
Kasseler Astrophysikerinnen und
gleicht der Suche nach einer Nadel im
-physiker an. „Wir erzeugen im Labor
Heuhaufen“, sagt Alexander Breier, Dok-
unter weltraumähnlichen Bedingun-
torand in der Forschungsgruppe Astro-
gen interstellar relevante Moleküle.
8
Komplizierte Technik: Alexander Breier
zeigt die Molekülquelle, mit der die
Forscher unter Weltraumbedingungen
experimentieren. In dieser Quelle werden
die Moleküle aus einem etwa 3000 Grad
heißen Plasma, das von einem Laser
erzeugt wird, auf etwa minus 250 Grad
Celsius abgekühlt.
publik 03 / 16 | Forschung
Das fliegende Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie (SOFIA) sucht mit seinem Teleskop nach den interstellaren Gegenstücken der Moleküle,
die die Kasseler Forscher im Labor erzeugt haben. Entwickelt wurde SOFIA von der NASA und dem DLR. Foto: NASA/DLR
Sie sind 100 Mikrosekunden stabil“,
den interstellaren Gegenstücken der
gestellt. Wir haben mit vier Mitarbeitern
erklärt Breier. Das gelingt mithilfe einer
im Kasseler Labor erzeugten Mole-
angefangen und sind stetig gewachsen“,
Vakuumkammer, einer Molekülquelle
küle. „Derzeit beobachtet das ,fliegende
berichtet Breier. Heute sind 16 Mitarbei-
und eines Spektrometers, das den
Teleskop‘ in der Nähe des Galaktischen
terinnen und Mitarbeiter in der Astro-
Terahertz-Bereich abdeckt. Von jedem
Zentrums auf Grundlage unserer Mes-
physik tätig, darunter drei Bachelor- und
neu „gebauten“ Molekül nehmen die
sung kleine Kohlenstoffketten, wel-
drei Masterstudierende. Das Fachge-
Forscher einen „Fingerabdruck“. Sie
che den Anfängen der organischen
biet ist mit rund 30 Studierenden nicht
zeichnen also dessen Spektrallinien auf.
Chemie entsprechen“, sagt Breier.
gerade überlaufen. Das hat aber auch
Anschließend unterziehen sie ihre Labor-
Ihren Erfolg haben die Kasseler Astro-
Kontakt zum Professor. Jede Frage wird
ergebnisse einem Praxistest: Das von
physiker vor allem Prof. Giesen zu ver-
beantwortet“, sagt Breier. Die Studie-
der NASA und dem Deutschen Zentrum
danken. Giesen brachte 2012 bei seinem
renden erhielten im Astrophysik-Labor
für Luft- und Raumfahrt entwickelte flie-
Wechsel von der Universität Köln nach
eine breite technische Ausbildung. Diese
gende Stratosphären-Observatorium
Kassel große Expertise in der modernen
sei beispielsweise in der Vakuum- und
für Infrarot-Astronomie (SOFIA) sucht
Molekülspektroskopie-Forschung mit.
Lasertechnikbranche sehr begehrt.
mit seinem Teleskop im Weltall nach
„Er hat die Forschungsgruppe neu auf-
Vorteile. „Jeder Studierende hat direkten
9
„Es ist ein ambitioniertes
Vorhaben, das vor uns liegt“
Prof. Dr. Frank Lipowsky ist Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Empirische Lehr- und Lernforschung (ZELL).
Dr. Dorit Bosse ist Professorin für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Gymnasiale Oberstufe. Außerdem leitet sie
das Zentrum für Lehrerbildung (ZLB). Gemeinsam leiten sie das Projekt PRONET.
10
publik 03 / 16 | Forschung
Das Projekt Professionalisierung durch
Vernetzung (PRONET) zielt auf noch mehr
Qualität in der Lehrerbildung an der Uni Kassel
INTERVIEW Marieke Schmidt
FOTOS Paavo Blåfield, Marieke Schmidt
Die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an der Uni Kassel ist schon jetzt sehr gut, aber sie soll
noch besser werden. Die Uni erhält dafür 5,6 Millionen Euro aus der bundesweiten „Qualitätsoffensive
Lehrerbildung“ für das Projekt PRONET. Aber was bedeutet das konkret für die Studierenden? Darüber
sprach die publik mit Prof. Dr. Dorit Bosse und Prof. Dr. Frank Lipowsky, die das Projekt gemeinsam leiten.
Worum geht es im Projekt PRONET?
und Aktivierung der Lernenden. Es wird also unmittelbar
Bosse: Wir möchten unsere Lehrerbildung weiter fort-
deutlich, dass die Lehrkraft stets unterschiedliche Kompe-
entwickeln – angesichts der Anforderungen, die Schule
tenzen aus den Bereichen Bildungswissenschaften, Fach-
heute an Lehrerinnen und Lehrer stellt. Durch die Mittel
didaktik und Fachwissenschaften integrieren muss. Im
aus der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und
Rahmen von PRONET fangen viele Dozentinnen und Dozen-
Ländern haben wir dafür jetzt ganz andere Möglichkeiten,
ten jetzt an, ihre Veranstaltungskonzepte gemeinsam zu ent-
Lehrangebote an verschiedenen Stellen noch systema-
wickeln. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit und
tischer weiterzuentwickeln. Hierzu gehört zum Beispiel
erfordert Koordination und thematische Abstimmung.
das große Thema Inklusion, aber auch Diagnostik. Jetzt
erhalten unsere Studierenden zum Beispiel Angebote für
Haben Sie Rückmeldungen darüber, ob die
sprachsensiblen Fachunterricht oder Mehrsprachigkeit.
Studierenden diesen Unterschied bemerken?
Lipowsky: Wir können hier auf Daten aus unserem letzten
Lipowsky: Ein großes Thema bei PRONET ist die Vernetzung.
Lehramtssurvey zurückgreifen. Das Fach Physik pflegt diese
Darunter fallen zum Beispiel die Vernetzung von Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften
in der Lehre und Kooperationen, die das Referendariat und
die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften betreffen.
Weshalb halten Sie diese Vernetzungen für wichtig?
Bosse: Wenn eine Lehrkraft mit einer Schülergruppe zusammenarbeitet, ist sie gefordert, alles miteinander zu verbinden,
was sie an der Universität oder in der letzten Lehrerfortbildung gelernt hat. Es geht im Unterricht nicht nur um eine
fachlich korrekte Darstellung und Erarbeitung von Inhalten, sondern auch um eine konstruktive Unterstützung
11
publik 03/ 16 | Forschung
PRONET in Kürze
Mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ unterstreichen Bund und Länder die herausragende Bedeutung von Lehrkräften für
den Erfolg des Bildungssystems. Im Rahmen der bundesweiten Initiative setzte sich die Uni Kassel mit ihrem Projekt PRONET
gleich in der ersten Runde durch. Die Uni Kassel erhält rund 5,6 Millionen Euro zur Weiterentwicklung der universitären
Ausbildung von Lehrkräften. Der Förderzeitraum startete am 1.7.2015 und läuft bis zum 31.12.2018. Verwendet werden die Mittel
unter anderem zur Stärkung reflexiver Praxisstudien, zur Vorbereitung der Lehrkräfte auf Inklusion und Diversität und zur
Vernetzung von Fachdidaktiken, Fachwissenschaften und Bildungswissenschaften. An dem Projekt sind 30 Professorinnen und
Professoren und 50 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni beteiligt. Insgesamt sind fünf Fachbereiche sowie
die Kunsthochschule Kassel und das Zentrum für Lehrerbildung in das Projekt eingebunden.
Vernetzung zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik schon
und Selbstreflexion an, wir holen die Praxis medial vermittelt
seit längerem. In der Lehramtsbefragung war dann deutlich
an die Uni und wir schaffen durch das Arbeiten mit Medien wie
zu erkennen, dass die Physikstudierenden die Vernetzung von
dem ePortfolio eine nachhaltige Infrastruktur, die zu Diskussion
Fachwissenschaft und Fachdidaktik deutlicher wahrnahmen
und Austausch einlädt. Dabei helfen uns die PRONET-Mittel.
und positiver bewerteten als Studierende anderer Fächer.
Können die Studierenden aus dem LehrveranstaltungsKönnten Sie ein PRONET-Projekt aus Ihrer eigenen Praxis
verzeichnis gezielt PRONET-Projekte auswählen?
kurz vorstellen?
Lipowsky: Wir kennzeichnen die Lehrveranstaltungen und
Bosse: Bei PRONET laufen aktuell 44 Teilprojekte. Es gibt zum
Lernumgebungen, die Teil von PRONET sind, nicht explizit.
Beispiel im Rahmen der „Reflexiven Praxisstudien“ ein Teilpro-
Dass sich die Studierenden in einer PRONET-Veranstaltung
jekt, in dem wir für Lehramtsstudierende mit dem ePortfolio
befinden, bemerken sie aber vielleicht daran, dass sie im Rah-
eine digitale Lernumgebung entwickeln, die einen reflexiv
men der Veranstaltung befragt werden oder dass die Dozenten
ausgerichteten Aufbau von Kompetenzen bis ins Referendariat
darauf verweisen. Die Befragungsdaten benötigen wir für die
ermöglicht. Dazu arbeiten wir mit typischen Unterrichtsszenen,
Meta-Evaluation von PRONET. Wir untersuchen unter anderem
entweder in Form von Unterrichtsmitschnitten aus unserem
die Entwicklung der Studierenden über das ganze Studium
Videoportal „Unterricht unter der Lupe“ oder mit textbasierten
und prüfen, ob sich der Besuch von PRONET-Veranstaltungen
Fallvignetten aus dem „Online Fallarchiv“. Wir schauen uns zum
in besonderer Weise auf die Entwicklung von Kompetenzen
Beispiel die ersten Minuten einer Unterrichtsstunde an und
auswirkt. Dabei versuchen wir, den Befragungsaufwand für
erarbeiten dann gemeinsam Kriterien für einen guten Unter-
die Studierenden und die Lehrenden in Grenzen zu halten.
richtseinstieg. Eigene Erfahrungen mit Unterricht als Schüler
oder als Praktikant fließen ebenso mit ein wie Forschungser-
Binden Sie die Studierenden auch aktiv in die Evaluation ein?
gebnisse zu effektivem Unterricht. Hieran erkennt man drei
Bosse: Wir haben die Möglichkeit, Studierende in den ver-
Dinge: Wir regen unsere Studierenden verstärkt zur Reflexion
schiedenen Teilprojekten in Forschungsvorhaben miteinzu-
12
publik 03 / 16 | Forschung
beziehen. Mit Blick darauf, dass die Studierenden später als
Bewegung ist und dass Lehrende neue Kooperationen einge-
Lehrkräfte immer auch interne oder externe Evaluationen
hen, was ganz im Sinne unseres Mottos ist. Die drei Treffen,
an ihren Schulen durchführen müssen, ist das wichtig.
die wir bislang durchgeführt haben und an denen jeweils ca.
70 PRONET-Mitarbeitende teilgenommen haben, sind ein
Welche Herausforderungen sehen Sie für
sichtbares Zeichen für diese verstärkte Kooperation und Kom-
die nächsten Projektphasen?
munikation im Bereich der Lehrerbildung. Aber wir haben
Lipowsky: Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, das wir ver-
das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Kasseler
folgen und das vor uns liegt. Was Abstimmung, Vernetzung
Lehrerbildung ist schon sehr gut – aber da, wo es möglich ist,
und Kohärenz betrifft, bemerken wir bereits, dass vieles in
möchten wir uns noch weiter entwickeln und verbessern.
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13
Gott und die Welt im Klassenzimmer
Lehramtsstudierende sprechen mit Jugendlichen
über Religion – ist das nicht schwierig?
TEXT und FOTOS Samantha Pfanzer
Jugendtheologie im
Zentrum der Forschung
Wer ist Gott? Gibt es ihn überhaupt?
zur Beantwortung derzeit noch offener
Für viele war das irgendwann sicher ein
Forschungsfragen in der Religionspäda-
Thema. Vielleicht als Kind, vielleicht als
gogik“, erklärt Freudenberger-Lötz. Auch
Erwachsener. Aber als Jugendlicher mit
die Jugendlichen haben regelmäßig die
Das Besondere an diesem Ansatz ist,
Freunden über Gott zu sprechen, gar in
Möglichkeit, Themenwünsche zu äußern.
dass Schüler eines Jahrgangs in ihrer
der Schule? Uncool, könnte man vermu-
Entwicklung vom Kind hin zum Jugend-
ten. Doch die Schülerinnen und Schüler
Freudenberger-Lötz bildet mit zehn Schü-
lichen begleitet werden. Die Jugend-
in Kaufungen sind begeistert von den
lern einen Stuhlkreis und ist gespannt.
theologie erfuhr laut der Kasseler
religionspädagogischen Gesprächen, die
Was denken die Teenager über den Glau-
Wissenschaftlerin im Gegensatz zur Kin-
dort seit Jahren stattfinden. Initiiert hat
ben und wie fanden sie den Unterricht
dertheologie lange Jahre eine zu geringe
die Gespräche Dr. Petra Freudenberger-
mit den Studierenden? Gleich wird sie
Aufmerksamkeit in der Forschung. Dabei
Lötz, Professorin für Evangelische Reli-
bombardiert mit Handmeldungen, denn
seien die grundlegenden Unterschiede
gionspädagogik. Die Kasseler Theologin
es zeigt sich, dass das Interesse an theo-
zwischen Kind und Jugendalter offen-
hat ein neues, in Deutschland einmaliges
logischen Gesprächen auch nach drei
sichtlich: etwa das komplexere Wissen,
Konzept entworfen, das Studierende
Jahren noch groß ist. Linnea zum Bei-
die erweiterten kognitiven Kompeten-
stark einbezieht und mit dem Jugendli-
spiel würde gerne im nächsten Schuljahr
zen und die veränderten Interessen.
che über mehrere Jahre begleitet wer-
über das Thema „Leben und Tod“ reden,
den. Sie nennt es den „Kasseler Weg“:
weil es dabei vieles gebe, das „man
Oft fällt es Teenagern anfangs schwer,
gar nicht so genau wissen kann“. Luca
offen über ihre Gefühle und Deutungen
In der „Forschungswerkstatt Theologi-
würde gerne darüber sprechen, wie man
zu sprechen. Die Sicht, die andere von
sche Gespräche“ unterrichten Studie-
die Bibel modern und bildlich deuten
ihnen haben sollen, erschwert die freie
rende an Partnerschulen für die Dauer
kann, „so als guten Ratschlag oder Ähn-
Meinungsäußerung. Die theologischen
eines Semesters Kleingruppen von
liches. Es kann ja nicht alles so wörtlich
Fragen erscheinen vielleicht auch zu
sechs bis acht Teenagern. Die Ergeb-
gemeint sein, wie es in der Bibel steht.“
weit weg von der eigenen Lebenswelt
nisse jeder Unterrichtsstunde münden
Selina möchte selbst Umfragen darüber
und den Interessen. Doch letztlich sind
in die Vorbereitung der nächsten. „Sie
machen, was die Leute über Gott den-
sie auf der Suche nach ihrem Lebensstil,
dienen einerseits zur Professionalisie-
ken und ob sie sich damit beschäftigen.
nach einem neuen Selbstbewusstsein
rung der Studierenden, andererseits
14
und ihrer eigenen Identität. Theologische
publik 03 / 16 | Forschung
Mittlerweile sind schon etliche Veröffentlichungen
aus den Forschungswerkstätten erwachsen. Die
Reihe „Beiträge zur Kinder- und Jugendtheologie“
(kassel university press) präsentiert sehr gelungene
Examensarbeiten, die im gesamten deutschsprachigen
Raum Beachtung finden.
Gespräche können den Jugendlichen Ori-
im Vorfeld
entierung geben, so Freudenberger-Lötz.
einen kur-
Während sie von den Studierenden als
zen Brief
kompetente Gesprächspartner betrachtet
schreiben,
werden, lernen sie selbst, ihren eigenen
in denen
Standpunkt zu finden und zu vertreten.
sie über sich
erzählen und
Für die Schüler ist es immer etwas
worauf sie
Besonderes, wenn die Studierenden
sich in den
an die Schule kommen. Arvid bemerkt
Gesprächen
dazu: „Es war so gar kein klassischer
freuen. Eine
Religionsunterricht. Man hat im Stuhl-
tolle Möglich-
kreis darüber gesprochen, was man
keit, das Eis
denkt. Da kann man auch schon mal
schon früh zu
eine ganze Stunde lang diskutieren.
brechen!
Durch die Kleingruppen wurde es auch
viel persönlicher und intensiver.“
Die Studierenden empfinden die Gespräche mit den Schülern ebenfalls als einen
großen persönlichen Gewinn, da sie
ihnen früh in ihrer Ausbildung einen
Praxisbezug für ihre spätere Lehrtätigkeit
ermöglichen. Um ihnen den Einstieg in
die Gespräche mit den Jugendlichen zu
erleichtern, hat Frau Freudenberger-Lötz
noch eine besondere Aufgabe für die
Schüler: Sie können den Studierenden
15
Geschichten in 45 Sekunden
Das Startup „Raum 230 GbR“ produziert
Animationsfilme mit schlichten, teils
poetischen Bildern
TEXT Gabriele Hennemuth
FOTOS „R230“
In Raum 230 an der Kunsthochschule
er drei von Absolventen gegründete
sitzen Studierende zusammen, um Pro-
Studios und leitete Erfolgsfaktoren für
jekte zu bearbeiten. Hier haben sich
ein eigenes Startup ab. Martin, der sei-
auch Dennis Stein-Schomburg (30) und
nen Abschluss bereits ein Jahr zuvor
Martin Schmidt (33) kennengelernt.
gemacht hatte, war begeistert und beide
Die beiden sind Absolventen der Trick-
beschlossen, gemeinsam zu gründen.
filmklasse und haben gemeinsam ein
Derzeit nutzen sie ein Inkubator-Büro
erfolgreiches Startup aufgezogen. Ihre
in der Gottschalkstrasse. Dort arbei-
Filmprojekte laufen inzwischen welt-
ten aktuell sechs Gründerteams, die
weit auf Festivals wie der Berlinale und
ihre Geschäftsideen weiter ausarbeiten
wurden vielfach preisgekrönt. Auch mit
und erste Schritte am Markt testen.
kommerziellen Clips sind sie erfolgreich.
Die Zeit, in der sie an einem Film arbeiten, beschreibt Dennis als sehr intensiv:
Ein Mix aus analogen
und computeranimierten
Aufnahmen
„Da schläft man auch schon mal unter
dem Schreibtisch.“ Viele ihrer erfolgrei-
Heute realisiert die „Raum 230 GbR“
chen Filmprojekte wie „Emil“ oder „The
kommerzielle Filmproduktionen, bei-
Old Man and the Bird“ sind in der Kunst-
spielsweise Werbeclips oder Erklär-
hochschule entstanden. Im Raum 230
videos. Was ein Realfilm in fünf Minuten
saßen die Trickfilmstudierenden zu fünft
erzählt, packt das Startup in 45 Sekun-
oder sechst zusammen, haben an ihren
den. Die Clips funktionieren auf der
Projekten gearbeitet und sich gegenseitig
Kinoleinwand, aber auch auf dem Smart-
geholfen. „Man merkt sehr schnell, ob
phone oder dem Computer. Bei der
man mit dem anderen klarkommt, unter
Produktion kommen den Gründern ihr
Stress, engen Deadlines oder bei Hitze“,
Talent zum Geschichtenerzählen und
erzählt Dennis. Und so ist in zwei Jahren
unterschiedliche Techniken zugute, die
ein Netzwerk aus verschiedenen Exper-
sie sich im Studium angeeignet haben.
ten entstanden, die sehr genau wissen,
So können sie zum Beispiel komplexe
welche Kompetenzen jeder einzelne hat
Inhalte so reduziert wie möglich dar-
und mit wem sie gut zusammenarbeiten.
stellen. Das Ergebnis sind Filme mit
schlichten, teilweise poetischen Bildern.
Ende 2014 stellte Dennis in seiner
Abschlussarbeit „Raum_230 – ein Weg
Bei ihrer Arbeit profitieren die Trickfilmer
zur gemeinsamen Selbständigkeit“, ein
von ihren unterschiedlichen Talenten:
Geschäftskonzept für die Gründung eines
Dennis arbeitet gerne analog, Martin
Studios vor. Für seine Arbeit besuchte
lieber am Computer. So entstehen
16
Ein Blick hinter den Kulissen vom Dreh:
„The Old Man and the Bird“.
publik 03 / 16 | Transfer
Beim Dreh ist das Team der Raum 230 GbR
hoch konzentriert.
Spots mit einem Mix aus analogen und
computeranimierten Bildern – diese Kombi-
Gründer-Blog
nation bleibt im Kopf. Das Team ist froh, zu
wachsen und weitere Talente an Bord zu
holen. „Auch einsame Wölfe sollten sich
ein starkes Team zur Gründung suchen,
Die Universität Kassel informiert
ab sofort in einem eigenen Blog
um die Fähigkeiten zu vereinen“, rät Martin
über Themen von und für Gründer
angehenden Gründerinnen und Gründern.
und Startups:
Filmprojekte in Eigenverantwortung an der
Kunsthochschule Kassel zu produzieren
www.gruenderblog-uni-kassel.de
war eine gute Schule für die Gründung,
davon sind Dennis und Martin überzeugt.
Sie mussten sich nicht nur mit der Ideenentwicklung und der Kalkulation beschäftigten,
Der Blog bietet Tipps für
Gründerinnen und Gründer,
sondern auch Marketingkonzepte erstellen.
hilfreiche Links und Informationen
Außerdem war die Arbeit im Raum 230
sowie News und Reportagen von
eine wichtige Team-Erfahrung. Das Startup
und über Existenzgründer-Teams.
zieht noch im Oktober 2016 in ein größeres
Büro im Science Park um. Ihren Namen
„Raum_230 GbR“ behalten sie aber.
17
Handwerkskunst für
Forschung und Lehre
Seit 1973 fertigt die Glaswerkstatt
Apparate für Wissenschaft und Kunst
TEXT Samantha Pfanzer
FOTOS Samantha Pfanzer
„Wenn man Glas erhitzt, wird es flüssig.
zähler oder Destillen. Besonders bei den
Das ist am Anfang für die Auszubilden-
naturwissenschaftlichen Instituten und
den die größte Herausforderung: Die
in den Ingenieurwissenschaften ist ihre
Glasröhren, die sie bearbeiten, so über
Handwerkskunst gefragt – und wenn
dem Feuer zu drehen, dass die Mitte
etwas kaputt geht, ist das Team der Werk-
nicht zerfließt und alles dazu noch in der
statt zur Stelle und repariert die Geräte.
Achse bleibt“ erläutert Michael Meyer,
Auch für die Kunsthochschule hat die
Leiter der glastechnischen Werkstatt. „Es
Glaswerkstatt schon Kunstwerke und
dauert Monate, bis man den Dreh raus
Alltagsgegenstände hergestellt. So etwa
hat.“ Meyer betreut die beiden Auszu-
2013 eine Glasskulptur des Künstlers
bildenden Marius Gertz (21) und Annina
Urs Lüthi, die der ehemalige Professor
Klotz (28). Gertz lächelt bei dem Gedan-
für Visuelle Kommunikation in seinem
ken an seine Anfangszeit. Er musste bis
Münchener Atelier ausgestellt hat.
vor kurzem durch diesen schmerzhaften
Prozess und führt am Tischbrenner vor,
Derzeit arbeiten in der Werkstatt zwei
was sein Ausbilder meint. Jetzt zeigt
Angestellte: Matthias Schäfer (56) war
er stolz, woran er gerade arbeitet: Ein
1976 einer der ersten technischen Aus-
Gärrohr für das biologische Institut.
zubildenden der Uni. Michael Meyer
(61) ist schon seit 1978 dabei und so
Seit 1973 und damit schon kurz nach
begeistert von seinem Beruf wie am ers-
der Gründung der Gesamthochschule
ten Tag. Das merkt man ihm schnell an,
Kassel wurde die Glaswerkstatt am
wenn er in seiner Werkstatt von Gerät
Standort Heinrich-Plett-Straße in Ober-
zu Gerät springt. Er weiß gar nicht,
zwehren eingerichtet. Seit 1976 ist sie
was er als erstes zeigen soll: Etwa die
ein Ausbildungsort für Fachkräfte des
Kreationen seiner Auszubildenden, die
Glasapparatebauhandwerks – die ein-
Drehmaschinen, die den Handwerkern
zige in der größeren Umgebung mit
bei größeren Arbeiten das Glasdrehen
diesem Equipment. Die Handwerker
abnehmen oder gleich das Schmuckstück
stellen überwiegend filigrane Werkzeuge
im hinteren Bereich der Werkstatt? Dabei
und Behälter für Forschung und Lehre
handelt es sich um die selbst angefer-
her wie etwa Gärrohre, Kühler, Blasen-
tigte H2O-Bi-Destille. Sie destilliert das
18
publik 03 / 16 | Campus
Die Auszubildenden Annina Klotz (links) und Marius Gertz (oben) werden vom Leiter der glastechnischen Werkstatt, Michael Meyer (im Kittel), betreut.
Bild unten: Die Destille ist mehr als einen Meter hoch und wurde von der Werkstatt selbst angefertigt. Ein beeindruckendes Kunstwerk mit Spiralen,
verwinkelten Wasserdurchflüssen, einem „integrierten Wasserkocher“ und zwei Heizstäben.
Leitungswasser gleich zweimal und sorgt
dadurch für ein besonders sauberes und
Mit dem Glashandwerk Kunst und Nützliches verbinden
kalkfreies Wasser. Nur diese Flüssigkeit wird zum Spülen und Säubern des
Klotz war schon früh von dem Materi-
eingespannt, während sie 13 Wochen
empfindlichen Materials benutzt, damit
al Glas fasziniert. Mit der Ausbildung
im Jahr die Schulbank drücken.
es nicht durch Kalk angegriffen wird.
in der Uni-Werkstatt konnte sie diese
Leidenschaft mit der Vorliebe für eine
Auf die Frage, was sie denn mehr inte-
Für die Auszubildenden geht es am
handwerkliche Arbeit verbinden. Gertz
ressiere: die Herstellung von Glas-
Anfang vor allem darum, „Spitzen zu
hat sich direkt nach der Schule für das
apparaten für die Wissenschaft oder
ziehen“. Das Glasrohr wird so bearbeitet,
Glashandwerk entschieden. Kassel
von Kunstwerken, betonen beide ein-
dass es an beiden Seiten zu einer zulau-
war da seine erste Adresse. Beiden
stimmig: „Beides ist Kunst!“ Klotz
fenden Spitze geformt wird. Dadurch
war außerdem klar, sie wollen nicht
sagt: „Ich entdecke zunehmend die
ist man später weit weg von der heißen
einfach nur eine Glasfachschule besu-
Schönheit an den Kühlern oder Gär-
Schmelzstelle. Im nächsten Schritt wird
chen, sondern gleichzeitig im Betrieb
rohren, die wir herstellen. Und die
geübt, wie man Kugeln aus dem durch-
arbeiten. „In der Schule stellt man zwar
sind dazu auch noch nützlich.“
sichtigen Werkstoff bläst. Mittlerweile
auch Sachen her, die landen dann am
sind Annina Klotz und Marius Gertz
Ende aber meist in der Tonne. Hier weiß
schon viel weiter. Sie setzen ihre Schutz-
ich, meine Arbeit wird gebraucht und
brillen auf. Während Klotz einen Kühler
unsere Geräte werden benutzt. Das ist
formt, schaltet Gertz den Brenner auf
ein tolles Gefühl!“, betont Gertz. In der
große Flamme. Er stellt eine Schaum-
Werkstatt werden sie praxisnah ausge-
bremse für das Institut für Chemie her.
bildet und gleich in größere Projekte
Mehr zur Ausbildung an der
Universität Kassel:
www.uni-kassel.de/go/ausbildung
19
„Viele unserer Studierenden arbeiten
aktuell mit Geflüchteten“
Prof. Dr. Manuela Westphal über
laufende Projekte und Kooperationen
zum Thema Flucht
INTERVIEW Marieke Schmidt
FOTO Marieke Schmidt
Welche Seminare bieten Sie aktuell
zum Thema „Flucht“ an?
Im letzten Semester ist ein Theorie-Praxis-Seminar gestartet, das ich gemeinsam mit der Lehrkraft für besondere
Aufgaben im BA Studiengang Soziale
Arbeit, Sina Motzek-Öz, anbiete. Mit
den Studierenden bearbeiten wir theoretische Fragen aus der Sozialarbeit
mit Geflüchteten, sehen uns aber
auch die Praxis an. Dazu kooperieren
wir aktuell mit dem Projekt „Meine
Chance“ des Jugendmigrations-
Prof. Dr. Manuela Westphal hat bereits in ihrem
eigenen Studium zum Thema Flucht geforscht.
Mit der publik spricht sie darüber, wie das
Thema aktuell in ihre Lehre am Fachgebiet
„Sozialisation mit dem Schwerpunkt Migration
und interkulturelle Bildung“ einfließt.
dienstes der Caritas in Kassel. In dem
Projekt werden junge Geflüchtete im
Alter von 18 bis 25 Jahren auf ihren
die Sozialpädagogin Hacer Toprakoglu
men, in denen Märchen zum Thema
Hauptschulabschluss vorbereitet.
vom Jugendmigrationsdienst.
„Familie“ behandelt werden.
Welche Aufgabe übernehmen
Gibt es weitere Kooperationen
Und auf der Forschungsebene – welche
die Studierenden?
mit Einrichtungen in Kassel?
Fragen sind da gerade aktuell?
Sie evaluieren das Projekt. „Meine
Gemeinsam mit Prof. Dr. Norbert Kruse
Im größten Projekt am Fachgebiet, das
Chance“ läuft über zwei Jahre und wir
vom Institut für Germanistik denke ich
von der Stiftung Mercator gefördert wird,
wollen den gesamten Zeitraum auswer-
aktuell über eine Art „Quasi“-Schule
geht es allgemeiner um migrations-
ten und auch darüber hinaus fragen,
nach, die wir in der Aufnahmeein-
und kindheitspädagogische Fragen. Wir
wo die Geflüchteten einen Ausbildungs-
richtung Niederzwehren aufbauen
untersuchen aus Sicht von Eltern in der
platz oder Arbeit gefunden haben. Dazu
möchten. Dabei geht es um eine Vorbe-
Türkei und aus der Türkei die Themen
hospitieren unsere Studierenden im
schulung für Grundschulkinder. In
frühe Kindheit, Entwicklung und Erzie-
Unterricht und führen Gespräche mit den
einem anderen Projekt kooperieren
hung. Dann gibt es zum Beispiel noch
Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ent-
wir mit der GRIMMWELT und brin-
ein Projekt über adoleszente Entwicklun-
standen ist diese Kooperation übrigens
gen Einheimische, Geflüchtete und
gen von begleiteten und unbegleiteten
durch eine Absolventin der Uni Kassel,
Studierende in Workshops zusam-
jugendlichen Geflüchteten. In diesem
20
publik 03 / 16 | Campus
Sprachkurs für Geflüchtete. Auch viele Studierende der Uni Kassel arbeiten beruflich, ehrenamtlich oder in Praktika in der Flüchtlingssozialarbeit.
Foto: Frank Gärtner / Fotolia.com
Rahmen arbeitet die wissenschaftliche
geändert. Viele unserer Studierenden
und Erziehung dringend gebraucht. In
Mitarbeiterin Samia Aden in ihrer Pro-
arbeiten aktuell mit Geflüchteten: beruf-
diesem Zusammenhang ist die Arbeit
motion zu der Frage, welche Handlungs-
lich, im Praktikum oder im Ehrenamt.
mit Geflüchteten zwar gesondert zu
und Orientierungsmuster Geflüchtete
Oft sind es die Arbeitgeber oder die
betrachten, sie ist aber zugleich in
aus Somalia durch transnationale soziale
Institutionen, die auf die Studierenden
das große Thema sozialer Inklusion,
Beziehungen haben und wie diese ihre
zugehen und sie bitten, den Bereich
Diversität und Teilhabe einzubinden.
Zukunftsvorstellungen beeinflussen.
der Flüchtlingssozialarbeit zu betreuen.
Eine Traumatisierung oder ein Sprach-
Das verstärkt wiederum das Interesse
defizit sind auch eine Beeinträchtigung.
der Studierenden für das Thema.
Eine wichtige Aufgabe der Sozialpä-
Wie werden die Veranstaltungen zum
dagogik sehe ich deshalb darin, das
Thema Flucht von den Studierenden
angenommen?
Und nach dem Studium – finden Ihre
Integrations-/ Inklusionsthema an den
Bis vor zwei Jahren hatten wir noch Stu-
Studierenden schnell einen Job?
Kitas, Schulen und Hochschulen zu
dierende, die das Thema Flucht vielleicht
Sozialpädagogen mit migrationsgesell-
stärken und weiterzuentwickeln.
nur am Rande ihres Studiums behan-
schaftlichen Kenntnissen und reflektier-
delt haben – das hat sich bedingt durch
ter interkultureller Kompetenz werden
die Nachfrage aus der Arbeitspraxis
im gesamten Bereich von Bildung
21
Die Etikette bleibt wichtig – aber welche?
Eine Germanistin hat untersucht, welche
Erwartungen Kasseler Lehrende an die E-Mails
ihrer Studierenden haben
TEXT Sebastian Mense
FOTOS Uni Kassel
„Hey Herr Professor“ – Flapsigkeiten wie diese
lässt kaum ein Lehrender in einer E-Mail von Studierenden durchgehen. Darauf deuten Ergebnisse einer empirischen Studie an der Universität Kassel hin, in der erstmals
„Angemessenheitserwartungen“ in der Mail-Kommunikation an einer Hochschule untersucht wurden. Aber, so ein
Befund: Wenn Studierende mit Formulierungen Anstoß
erregen, muss dies nicht unbedingt an ihnen liegen.
Katharina Böhm hat in ihrer Abschlussarbeit untersucht, welche
Erwartungen Dozentinnen und Dozenten an die E-Mails von
Studierenden haben.
„Hi Prof, wann schreiben wir Klausur?“ Mit diesem Zitat überschrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor einiger Zeit
So akzeptiert eine Mehrheit der Lehrenden eine Anre-
ein Interview mit einem Gießener Professor, der mangelnde
de ohne Titel. Auch die eher vertrauliche Anrede „Liebe/r
Etikette in E-Mails vieler Studierender beklagte. Die Rede von
Frau/Herr XY“ wird weitgehend als angemessen emp-
einem allzu laxen Ton in den Schreiben von Studentinnen und
funden – auch bei Studierenden, zu denen kein enges
Studenten hört man seitdem immer wieder. Katharina Böhm
Verhältnis besteht. Die noch von der Elterngeneration
(26), Absolventin der Universität Kassel, hat in ihrer Abschluss-
beherzigte Regel, kein Schreiben mit „ich“ zu beginnen,
arbeit nun erstmals untersucht, welche Erwartungen Dozen-
können die Studierenden ebenfalls getrost vergessen.
tinnen und Dozenten an die E-Mails ihrer Studierenden haben.
Auch wenn sich diese Untersuchung – so viel vorweg – auf das
Bitte keine Chat-Sprache
Lehrpersonal der Geistes- sowie der Naturwissenschaften an
der Universität Kassel beschränkt und die Gruppe der Befrag-
Dennoch gibt es auch in der digitalen Kommunikation an
ten relativ klein ist: Die Ergebnisse sind teils überraschend.
einer Hochschule jede Menge Fauxpas: So empfindet es
22
publik 03 / 16 | Campus
Viele Dozentinnen und Dozenten empfinden es als unangebracht, wenn E-Mails ohne Namensnennung beginnen oder die Groß- und Kleinschreibung
nicht beachtet wird.
die Mehrheit der Dozentinnen und Dozenten als unange-
Bei der Analyse der E-Mails zeigte sich, dass die meisten Stu-
bracht, E-Mails ohne Anrede zu beginnen oder mit einer
dierenden es richtig machen: „Etwa zwei Drittel aller Mails
Anrede, aber ohne Namensnennung. Auch „Hey Frau
werden von den Adressaten als angemessen beurteilt“, berich-
XY“ oder „Hi Herr XY“ sollten Studierende tunlichst ver-
tet Böhm. „Ausrutscher wie die viel zitierten allzu flapsigen
meiden. Die online inzwischen häufig anzutreffende
Anreden wie ,Hey‘ oder ,Hallöchen‘ konnte ich kaum finden.
durchgehende Kleinschreibung wird ebenso wenig gou-
Ab und an allerdings E-Mails, die wie WhatsApp-Nachrich-
tiert wie häufige Rechtschreib- oder Tippfehler. Und ganz
ten wirkten.“ Aber auch dort, wo die Studierenden nicht die
falsch machen es alle, die Chatsprache verwenden, even-
Erwartungen der Adressaten treffen, müsse die Schuld nicht
tuell noch ergänzt durch Sternchen: „***seufz***“.
immer bei ihnen liegen. „Oft können sie nicht wissen, welche
Erwartungen der Adressat hat“, erläutert Böhm. So empfindet
„Aus dem Internet oder aus privaten Nachrichten ist diese
zwar die Mehrheit der Empfänger eine Anrede mit Titel wie
Sprache geläufig“, sagt die Lehramts-Absolventin Böhm.
„Dr.“ oder „Prof.“ als angemessen, manche halten sie sogar
„Aber wird sie tatsächlich auch in E-Mails an Lehrende ver-
für dringend erforderlich. Andere aber hielten den Titel gera-
wendet? Und wie reagieren die Empfänger? Das wollte ich
de für unangebracht. Auch hätten Dozenten in einigen Fällen
wissen.“ Für ihre Examensarbeit befragte die Germanistin
E-Mails als im Ton unangemessen beurteilt, obwohl alle ihre
34 Dozentinnen und Dozenten der Fachbereiche Geistes-
Erwartungen erfüllt worden waren. Hier, vermutet Böhm,
wissenschaften und Naturwissenschaften der Universität
spielten möglicherweise situative Faktoren eine Rolle – etwa
Kassel. Außerdem wertete sie 284 E-Mails aus, die Studie-
wenn ein Referat am Vorabend per Mail abgesagt wird.
rende an die Befragten geschrieben hatten. Dabei handelte es sich um erste Gesprächsaufnahmen; ausgenommen
waren Antworten auf vorangegangene E-Mails und auch
der Schriftverkehr mit näher bekannten Studierenden.
23
Lieblings-Orte
Feiern oder entspannen: Studierende
verraten, wo sie an der Uni und in der
Stadt gerne hingehen
AUFGEZEICHNET von Samantha Pfanzer und Marieke Schmidt
FOTOS Marieke Schmidt, Samantha Pfanzer
Kevin Octavio, 25 Jahre, 8. Semester
Berufspädagogik in den Fächern
Metalltechnik und Sport
Niklas, 23 Jahre, und Lennart, 21
Valentina, 24 Jahre, 3. Master-
Ich mag die Bibliothek am HoPla. Wenn
Semester in Biologie
man die ruhigen Insider-Orte kennt, kann
Jahre, 5. Semester Elektrotechnik
man sich da stundenlang aufhalten.
In Kassel gibt es viele schöne Orte –
Mein Lieblings-Ort an der Uni ist der
Besonders während der Semesterferien
schwer sich da zu entscheiden. Am
Pavillon. Da treffe ich Leute oder setze
bin ich da oft. Das Sportinstitut ist dann
Standort Wilhelmshöher Allee sind wir
mich einfach zum Lesen und Kaffeetrin-
der Kontrast, aber das mag ich auch
am liebsten auf dem Mensavorplatz.
ken hinein. In Kassel bin ich gerne im
sehr. Das ist nahe der Aue und bietet
Da kann man sich gut mit Freunden
Vorderen Westen unterwegs. In dem
viel Natur. Das Irish Pub in der Friedrich-
zusammensetzen. Im Sommer ent-
Stadtviertel habe ich mal eine Woh-
Ebert-Straße ist ein familiärer Ort, wo
spannen wir zum Beispiel am Buga-
nung angeguckt und mein erster Ein-
ich mich abends wohl fühle. Ich habe
See oder treffen uns auf der großen
druck war, dass es dort sehr gemütlich
dort auch meine Freundin kennenge-
Wiese vor der Orangerie. Zum Feiern:
ist. Ich mag etwa das Westend-Café.
lernt. Es macht einfach Bock, da zu sein.
FES geht immer. Außerdem hatten wir
Abends findet man mich oft im Fiasko in
im Irish Pub schon gute Abende. Die
der Schönfelder Straße. Auf der Select
veranstalten auch Karaoke-Partys und
Party gibt’s da ganz schön was auf die
ein Pub-Quiz. Und noch eine Empfeh-
Ohren. Vor allem Ska und Punkrock.
lung: die Uniparty in der Ing.-Schule.
Das macht einfach Lust auf Tanzen.
24
publik 03 / 16 | Campus
Tobias, 22 Jahre, 6. Semester Lehramt
Physik und Sportwissenschaften
Auch in meiner Freizeit bin ich gerne am
Institut für Sport und Sportwissenschaften. Das ist ja direkt an der Aue. Aber
Sahba, 25 Jahre, 10. Semester
vor allem mag ich die Leute dort, meine
Lehramt Englisch, Französisch
Kommilitonen, aber auch die Dozenten.
Cornelia, 25 Jahre, 10. Semester
Die sind dort alle sehr offen und locker.
Lehramt Mathematik, Französisch
Das finde ich toll! Mein Lieblingsort in
Kassel ist auf jeden Fall der Bergpark.
Wir finden die Terrasse auf dem Pavil-
Hasim, 24 Jahre, 2. Semester
Dort gehe ich oft joggen und genieße
lon toll! Wenn die Sonne scheint, könn-
Wirtschaftsrecht
die Natur. Abends bin ich dann eher auf
ten wir da den ganzen Tag sitzen, Leute
der Friedrich-Ebert-Straße unterwegs.
beobachten und Kaffee trinken. Die Sitz-
Hier im Pavillon am HoPla gefällt es mir
Zum Feiern gehe ich beispielsweise
kissen im Campus Center sind auch zu
am besten. Einfach rumsitzen, Kaffee
gerne Mal ins FES oder den Club 22.
empfehlen, total gemütlich, allerdings
trinken und nette Gespräche mit allen
beliebt, da muss man Glück haben,
möglichen Leuten führen. Dasselbe
dass ein Kissen frei ist. Der Bergpark
mache ich in der Stadt an der Orangerie.
ist unser place to be. Besonders die
Um auszugehen, gefällt mir der Club 22
Wiese am Schloss ist nicht so voll wie
sehr gut. Er hat zwei Floors. Wenn man
etwa die Goethe-Anlage. Da kann man
tanzen will, geht man hoch, ansonsten
gut ausspannen. Für abends ist die
bleibt man in der Bar und kann sich mit
Lollibar im ARM eine gute Adresse zum
den anderen Feierwütigen unterhal-
Feiern. Schön sind aber auch das K19
ten. Das Alex am Friedrichsplatz hab
und der Schlachthof. Da gibt es viele
ich auch letztens für mich entdeckt.
kulturelle Veranstaltungen und Konzerte.
Wenke, 29 Jahre, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache,
Weiterbildendes Studienprogramm
Mein Lieblingsort an der Uni ist die Bank unter der Weide. Ansonsten
finde ich diese ganzen kleinen verwinkelten Mini-Gärten und das kleine Amphitheater versteckt in den Gassen der Klinkergebäude toll. Im
Café DesAStA bin ich auch oft und trinke einen Kaffee. In Kassel mag
ich den Weinberg, da ist es wie im Märchen. Abends gehe ich gerne in
den Weinbergkrug, aber auch in die Goldgrube oder die Mutter. Letzter
Tipp: Der Nachtflohmarkt in der Kesselschmiede alle drei Monate.
25
Von der Kunst
zur Kneipe
zum Kafé
Christof Lutz ist Absolvent der Kunsthochschule Kassel. Seine Ideen für Kunst und
visuelle Kommunikation setzt er heute in Gastronomie- und Musikprojekten um.
TEXT Sonja Fischer
FOTO privat
Ein abgewetzter Tresen mit Thekenschrank aus den Fünfziger-
Im Weinberg-Krug sei jeder Abend anders, sagt Lutz. „Das
jahren, Altkanzler Helmut Schmidt im Portrait und ein Skelett
ist eigentlich kein Tanzladen, aber manchmal feiern und
an der Wand: „Trash
tanzen die Leute richtig ab. An anderen Tagen sitzen alle
bis Punk“, so beschreibt
„Trash bis Punk“
an der Bar und würfeln.“ Vom Queer-Abend über House-
Christof Lutz (37) den Stil seiner Kneipe „Weinberg-Krug“ an
Partys bis zu Geburtstagsfeiern variieren die Veranstaltun-
der Frankfurter Straße, die er seit fünf Jahren gemeinsam mit
gen. Eine richtige Institution sind die Retro-Games zweimal
dem befreundeten Musiker Craig Bjerring betreibt. Den Som-
im Monat, wo auf alten Konsolen Videospiele gespielt wer-
mer haben die beiden zum Renovieren genutzt: die Wände in
den. Aber wo bleibt eigentlich die Kunst bei so viel Ver-
Taubenblau gestrichen und die alte Holztheke frisch geölt.
anstaltungs- und Thekenplanung? „Für mich ist das kein
Widerspruch“, sagt Lutz. „Visuelle Kommunikation heißt
Lutz hat bis 2008 Visuelle Kommunikation an der Kunst-
ja Atmosphäre machen. Ich habe hier einen Gestaltungs-
hochschule Kassel studiert und danach als wissenschaft-
raum, in dem ich meine Ideen frei umsetzen kann, wenn ich
licher Mitarbeiter die Basisklasse unterrichtet. In dieser
zum Beispiel unsere Veranstaltungen bewerben möchte.“
Zeit veranstaltete er mit Bjerring Konzerte und Partys,
für die sie nur Mundproganda gemacht haben. Schnell
Für intensive Kunstprojekte ließ die Kneipe aber keine Zeit
wurde der Andrang so groß, dass sie sich etwas ande-
mehr. Im ersten Jahr standen Lutz und Bjerring sogar noch
res überlegen mussten. „Wir wollten gern in der Süd-
jeden Abend selbst hinter dem Tresen. „Ich bin ganz froh,
stadt weitermachen, denn hier gab es bis dahin fast kein
dass das jetzt vorbei ist und wir immer Leute finden, die gern
Angebot für Studenten und Künstler“, erzählt Lutz.
bei uns arbeiten“, sagt Lutz. Die freie Zeit haben die beiden
gleich ins nächste Gastro-Projekt investiert: Im Winter 2014
Im Jahr 2011 haben die beiden den damals geschlosse-
eröffneten sie das Kafé am Weinberg – direkt neben dem
nen Weinberg-Krug entdeckt, eine der ältesten Kneipen in
Weinberg-Krug und der Galerie „Warte für Kunst“. Das Kafé
Kassel. „Die Pils-und-Korn-Ästhetik fanden wir richtig gut,
ist ein richtiges Kontrastprogramm zum wilden Weinberg-
das wollten wir genau so lassen und auch den Namen und
Krug. Hier treffen junge Familien, Rentnerinnen und Rentner
das alte Kneipenschild behalten. Eigentlich mussten wir
und Studierende in entspannter Umgebung aufeinander, um
nur eine bessere Anlage und gutes Licht installieren und
selbstgebackenen Kuchen zu bestellen. „Passt gerade viel bes-
alles mit ein bisschen Ironie dekorieren.“ Die „neue“ Kneipe
ser zu meiner eigenen Lebenssituation“, sagt Lutz, „ich habe
kam insbesondere bei den Kunststudierenden und Künst-
ja inzwischen auch zwei kleine Kinder.“ Obwohl die Konzepte
lern sofort richtig gut an. Inzwischen ist das Publikum et-
verschieden sind, vermischt sich das Publikum beider Läden
was gemischter, auch Leute aus der Nachbarschaft und
bei gemeinsamen Veranstaltungen sehr gut. Künftig bleibt
Studierende anderer Studiengänge kommen gern vorbei.
das Kafé bis in den späten Abend geöffnet und die Gäste
können je nach Lust zwischen den Angeboten wechseln.
26
publik 03 / 16 | Menschen
Craig Bjerring (links) und Christoph Lutz im
Kafé am Weinberg.
27
Als Schüler an die Uni
Das Frühstudium ermöglicht einen
ersten Einblick in die Universität
Robin Ole Heinemann hat dieses Jahr sein Abitur gemacht und interessiert
sich vor allem für theoretische Astrophysik.
TEXT Samantha Pfanzer
FOTOS Samantha Pfanzer, privat
Robin Ole Heinemann (17) hat dieses Jahr sein Abitur gemacht.
belegte zusammen mit Patricia Asemann, ebenfalls eine
Birk Magnussen (16) steht es im nächsten Schuljahr bevor.
ehemalige Frühstudentin, für die Simulation einer Planeten-
Beide verbindet eins: Sie haben bereits an der Uni Kassel stu-
Entstehung im Bundeswettbewerb 2015 den 1. Platz, Birk für
diert – naja nicht wirklich studiert, aber sie haben schon Lehr-
einen Energiemanager den 3. Platz. Was ihre Noten angeht,
veranstaltungen besucht, und das während ihrer regulären
muss man sich nicht unbedingt Sorgen machen, und so er-
Schulzeit. Sie sind so genannte Frühstudenten, also Schüler,
halten sie leichter die Erlaubnis der Schule, während der
die schon während ihrer Schulzeit in ihr späteres Studium
Unterrichtszeit auch mal für Kurse an der Uni zu fehlen.
reinschnuppern möchten. Ganz regulär erhalten sie in den belegten Kursen Scheine, die sie sich für ihr späteres Studium
Robin, der dieses Jahr sein Abitur an der Albert-Schweitzer-
in Kassel, aber auch andernorts anrechnen lassen können.
Schule gemacht hat, interessiert sich besonders für die theoretische Astrophysik: „Mit Physik kann man die Welt noch
Robin und Birk haben noch mehr gemeinsam: Sie engagie-
einmal mit ganz anderen Augen betrachten und ich will
ren sich in ihrer Freizeit im Schülerforschungszentrum Nord-
wissen, was es noch da draußen im Universum gibt“, erklärt
hessen (SFN) der Uni Kassel. Sie haben auch schon mehrere
er begeistert. Bei Birk, Abiturient am Wilhelmsgymnasium,
Male am landes- oder bundesweiten Wettbewerb der Stiftung
sind es die Fächer Elektrotechnik und Informatik, die er später
Jugend Forscht teilgenommen und Preise gewonnen: Robin
studieren möchte. Seine Hobbys sind „Engineering und das
28
publik 03 / 16 | Menschen
Was ist ein Frühstudium?
Im Frühstudium nehmen Schülerinnen und Schüler an Lehrveranstaltungen einer
Hochschule teil und erwerben Leistungsnachweise, die in einem späteren Studium
anerkannt werden können. Das ist so im Hessischen Hochschulgesetz geregelt.
Auch wenn meist gute Schülerinnen und Schüler das Frühstudium nutzen, ist es ein
niedrigschwelliges Angebot. Voraussetzung ist die Erlaubnis der Schule. Die Schülerinnen
und Schüler sollten nicht jünger als 15 Jahre alt sein. In Kassel belegen Schülerinnen und
Schüler Lehrveranstaltungen überwiegend in den MINT-Fächern, vereinzelt auch in den
Politikwissenschaften, der Soziologie oder Geschichte. Im Wintersemester 2015 /16 gab
Birk Magnussen ist Abiturient am
Wilhelmsgymnasium und möchte später
Elektrotechnik und Informatik studieren.
es an der Uni Kassel zehn Frühstudierende. Im Durchschnitt sind es 25 pro Semester. Die
Universität profitiert vom Angebot des Frühstudiums, indem sie gute Schülerinnen und
Schüler als Nachwuchs gewinnt.
Programmieren. Ich konzeptioniere und designe gerne Pla-
Forschern gegenüber aufgeschlossen, sobald ihre Überra-
tinen und beschäftige mich mit den Programmiersprachen
schung angesichts des Alters verklungen ist. So mancher
C++, Java und C#.“ Da ist klar, wohin die Richtung geht!
Professor behauptet sogar, die Schüler lägen mit ihren Prüfungsergebnissen auch schon mal über den Durchschnitts-
Für das Wintersemester hat Robin einen Studienplatz in der
leistungen der Studierenden. Für Robin und Birk war die
Astrophysik an der Uni Heidelberg, wo er sich seinen Schein
Zeit an der Uni sehr spannend und mit vielen neuen Ein-
Analysis l aus Kassel anrechnen lassen kann. Birk über-
drücken verbunden. Sie wissen jetzt nicht nur noch bes-
legt, an welchem Kurs er dann an der Uni teilnimmt – trotz
ser, was sie später studieren wollen, sie konnten auch das
der Abiturvorbereitungen. Für die beiden Kurse „Diskrete
Studentenleben schon einmal ein wenig kennenlernen.
Schaltungstechnik“ und „Einführung in C++“ hat er bereits
seine Scheine. Als er sie gemacht hat, war er noch 15 Jahre alt.
Auch wenn manche Lehrerinnen und Lehrer vielleicht etwas
skeptisch auf die Fehlzeiten der beiden schauen, insge-
Weitere Infos:
www.uni-kassel.de/go/fruehstudium
samt unterstützen sie die Vorhaben der Frühstudierenden
Kontakt: Thomas Haubrich
gerne. Die Kommilitonen und Lehrenden sind den jungen
[email protected]
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Was mich antreibt
Kasseler Promovierende und ihre Themen
Gerrit Retterath (29)
Praktiken und Potenziale des Teilens
„Für meine Promotion untersuche ich
Situationen, in denen Menschen zusammenkommen, um etwas miteinander zu
teilen – zum Beispiel Dinge, Räume oder
Wissen. Dabei betrachte ich sowohl kommerzielle als auch alternative Angebote.
Das sind etwa Volksküchen, Gemeinschaftsgärten oder Mitfahrgelegenheiten.
Wie genau ich forsche? Ich mache mit!
‚Teilnehmende Beobachtung‘ nennt
sich das in der Soziologie. Das kann so
aussehen: In Kassel in die Mitfahrgelegenheit – Schweigen oder Smalltalk
bis Hamburg – Notizen machen – und
zurück. Oder ich quartiere mich über
Couchsurfing für eine Nacht bei fremden
Leuten auf dem Sofa ein. Auch in den
Gemüsebeeten zweier Gemeinschaftsgärten helfe ich für meine Forschung
beim Unkrautjäten, Gießen und natürlich
Für mich persönlich steht durch meine
Während meiner Forschungen freue
Ernten.
Forschungen schon eins fest: Orte des
ich mich am meisten über Momente,
Teilens bereichern Städte. In Kassel gibt
in denen Begegnungen zwischen ganz
Meine zentrale Frage dabei ist: Welche
es zum Glück mittlerweile einige Ange-
unterschiedlichen Menschen stattfinden
Rahmenbedingungen müssen erfüllt
bote, so dass ich nach meinem Studium
und man sich auch mal spontan gegen-
sein, damit das Teilen gelingen kann?
für die Promotion gerne hier geblieben
seitig hilft. Und wenn in einem Projekt
Dabei interessiert mich zum Beispiel,
bin. Da gibt es zum Beispiel Gemein-
etwas schiefläuft? Aus Forschungssicht
wie gemeinsam Entscheidungen getrof-
schaftsgärten und mehrere Coworking
ist das ebenfalls spannend. Neulich ist
fen werden, wie mit Fremdheit umge-
Spaces. Spannend finde ich auch die
mir in der Volksküche der Mangold ange-
gangen wird oder wie sich Hierarchien
Volksküche, die man sich wie ein öffent-
brannt, der gesamte Raum war voller
herausbilden. Aktuell bin ich dabei, die
liches Wohnzimmer vorstellen kann. Bis
Rauch. Aber alle haben schnell mit ange-
Regelmäßigkeiten herauszuarbeiten, die
zu 50 Leute kommen da an einem Abend
packt – und ich darf weiter mitkochen.“
ich in den unterschiedlichen Projekten
zum Essen zusammen. Die Gruppe, die
feststelle. Betreut wird meine Arbeit von
gemeinsam kocht, besteht aus ungefähr
Prof. Dr. Jörn Lamla, dank des Promoti-
15 Personen. Anfangs mäandert beim
onsstipendiums der Uni Kassel bin ich
Kochen oft alles so vor sich hin – aber
auch finanziell abgesichert.
irgendwann entsteht dann doch überraschend ein Buffet.
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Aufgezeichnet von Marieke Schmidt;
Foto: Marieke Schmidt
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