32 Kultur am Ort Allgäuer Zeitung, 27.09.2016 NUMMER 224 Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung Sinnlich, fesselnd, delikat Kultur-Szene WIGGENSBACH Allgäuer Abend Einen zünftigen Abend mit traditioneller Blasmusik, Tanz und Unterhaltung gibt es am Sonntag, 2. Oktober, im Gasthaus Zum Kapitel. Es wirken mit: der Trachtenverein Blenderbuebe, die Harmoniemusik Wiggensbach, die Alphornbläser und die Stubenmusik Walserbuebe. Beginn ist um 20 Uhr. KRUGZELL Harfe plus Perkussion Monika Stadler aus Wien kommt am Sonntag, 2. Oktober, mit ihrer groovigen Harfe in den Freiraum. Ab 19 Uhr serviert sie mit Pasquale Leogrande (Perkussion) ein Weltmusik-Programm. Reservierung unter Telefon 08374/58 98 31. KEMPTEN Paradoxes im Kunstreich Paradox geht es in der Galerie Kunstreich zu. Unter diesem Motto stellen ab Samstag, 1. Oktober, die beiden jungen Künstler Matthias Herzog und Thomas Guggemos aus. Öffentliche Vernissage ist am Freitag, 30. September, um 20 Uhr. Die Ausstellung läuft bis Sonntag, 30. Oktober (geöffnet samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr und dienstags von 16 bis 20 Uhr). Eintritt frei (ausführlicher Bericht folgt). BUCHENBERG-ESCHACH Kurse für Klangbrettbau Der Buchenberger Musiker Martin Kern bietet zwei ganztägige Kurse zum Bau von Klangbrettern in der Schreinerei Mayr in Eschach an: am 15. Oktober und am 3. Dezember. Workshops zum Spielen auf dem Instrument, das man schnell erlernen kann, gibt es am 16. Oktober und am 4. Dezember im Landhotel Sommerau in Buchenberg. Beginn ist um 9 Uhr. Anmeldung und Infos unter Telefon 08378/360; www.kernklangbrett.de Classix Komponist und Klarinettist Derek Bermel drückt dem Festival den Stempel auf. Die Musiker liefern fantastische Hörabenteuer. Doch das Programm wirft auch Fragen auf VON MICHAEL DUMLER Kempten Das Cello stöhnt so schwer, dass sich die Klarinette darüber wie eine Möwe kreischend mokiert. Der Dialog, den Victor Julien Laferrière und Derek Bermel auf der Bühne des Stadttheaters führen, ist so unerhört, dass Zuhörer unweigerlich ins Schmunzeln und Glucksen kommen. „Coming together“ heißt das Stück, das wie ein Spaß erscheint und doch den Musikern einiges abverlangt. Einer freilich kennt das kleine irrwitzige Werk bestens. Derek Bermel, der „Composer in Residence“ des Classix-Festivals hat es 1999 geschrieben. Dass er aber auch ganz anders kann, hat er am Abend zuvor gezeigt: „Over Algiers“ ist eine elegische, zutiefst melodische Miniatur, die Derek Bermel der Pianist Oliver Triendl und der Geiger Dan Zhu zauberhaft musizieren. Während die einen verzückt dahinschmelzen, zeigen sich andere aber enttäuscht und auch gelangweilt. Ja, der Musikkosmos dieses Komponisten ist weit gespannt. Da hat viel Platz. Derek Bermel (Jahrgang 1967) ist ein Eklektiker. Als „Stilmischer“ bezeichnet ihn ORF-Musikredakteur Peter Kislinger beim Komponistengespräch im Theater-Oben. Und der New Yorker hat damit kein Problem, schließlich sieht er sich da in bester Gesellschaft. Denn auch Mozart sei ja so ein Stilmischer gewesen. „You are what you eat (du bist, was du isst)“, sagt der USAmerikaner. Und natürlich meint er das metaphorisch. Aus vielen Quellen speist sich Bermels kompositorische Kraft: Mozart, Beethoven, Messiaen, Gershwin, Ives wären zu nennen, aber auch Gospel, Blues, DIENSTAG, 27. SEPTEMBER 2016 Jazz, bulgarische Volksmusik, brasilianische und afrikanische Folklore, Klezmer. Als Klarinettist liebt er das Melodische. „I’m a melody man“, sagt er. Das war auch in dem wunderbaren und hochkomplexen „Soul Garden“ (für Viola und Streichquintett) zu erleben. Nach einem flirrenden Beginn singt Rachel Roberts’ Bratsche und muss sich später in einem Klangdschungel behaupten. Ein fantastisches Hörabenteuer, das das Publikum mit viel Applaus belohnte. Dass Bermel nicht nur ein facettenreicher Komponist ist, sondern auch ein exquisiter, sensibler Musiker ist bei den Konzerten immer wieder zu erleben (etwa auch in Arnold Schönbergs „Ein Stelldichein“). Überhaupt, die Musiker: Der künstlerische Leiter Oliver Triendl hat wieder eine exquisite Truppe zusammengebracht. Diese Musiker brennen. Da wird schon auch mal eine Probe auch schwierigen Partituren in kurzer Zeit aneignen. Ob Duo, Trio größere Besetzungen – es gab viele Meisterleistungen des Zusammenspiels in den letzten drei Konzerten zu bestaunen. nach dem Abendkonzert nachts im Haus der Classix-begeisterten Familie Baur anberaumt, um Bermels 13-minütiges Werk „Soul Garden“ in den Griff zu bekommen. Unerhört, wie sich die Musiker die meist unbekannten und oftmals ANZEIGE Eine Stütze: Kontrabassist Gunãrs Upatnieks. Fotos: Erwin Hafner/Ralf Lienert ANZEIGE www.markenschuh-herrmann.de n e k r a M e h u h c s r e m im ! r e g i t s n ü g . keM 4 g e w r e weidach Dazu gehörten etwa Samuel Barbers „Summer Music“ und Ernest Blochs Klavierquintett Nr. 1 (beide Freitag), Osvaldo Golijovs tangodurchtränktes Streichnonett „Last Round“ (Samstag) und Leo Ornsteins umwerfend-vitales Klavierquintett op. 92 (Sonntag). Mit George Crumbs „Vox Balaenae für drei maskierte Spieler“ inszenierten Anna Garzuly-Wahlgren (Querflöte), Trey Lee (Cello) und Bengt Forsberg (Flügel) am Freitag mit Masken und in Blaulicht getaucht ein sinnlich-mysteriöses, effektvolles Spektakel. Viel Anregendes gab es in den drei, fast dreistündigen Konzerten zu entdecken. Eine Bündelung hätte vielleicht ein intensiveres Eintauchen in Bermels Kosmos ermöglicht. Und es gab Werke, die schwer mit dem Festivalthema „Aus der Neuen Welt“ in Einklang zu bringen waren. Kurt Weills 1923, weit vor seiner Emigration in die USA entstandener „Frauentanz“ gehörte dazu – auch wenn Sopranistin Sophie Klußmann und die fünf Musiker die „Sieben Gedichte des Mittelalters“ delikat wiedergaben. Auch Korngolds Streichsextett op 10 von 1914/15 (Donnerstag) wollte nicht so recht in den Kontext passen. Wohin die Festivalreise 2017 geht, ließ Leiter Oliver Triendl offen. Es müsse ja nicht immer ein spezielles Land sein ... Stimmt. pten Mit Goethe geht’s los Theater „Wahlverwandtschaften“ eröffnen am Donnerstag die Spielzeit in Kempten Kempten Mit einer Lesung aus Goethes „Wahlverwandtschaften“ in der Kemptener Buchhandlung Lesezeichen machten die beiden Schauspieler Julia Jaschke und Hans Piesbergen Appetit auf das erste Stück der Saison. Premiere feiert es am Donnerstag, 29. September, um 20 Uhr im Theater-Oben (Einführung 19.15 Uhr). Und wenn man den großen Andrang in der kleinen Buchhandlung zum Maßstab nimmt, scheint das Interesse an dem Beziehungsdrama, das Theaterchefin Silvia Armbruster dramatisierte und auch inszeniert, groß zu sein. Erstmals seit Jahren startet das Theater in Kempten nicht mit Tanztheater, sondern mit einem Schauspiel in die Spielzeit. Und bevor es mit dem Tanzherbst (8. bis 16. Oktober) Bewegungskunst satt gibt, brennt das Theater ein Eröffnungs-Feuerwerk mit Veranstaltungen und Aufführungen ab. ● Theater im Theater bietet die „Familie Flöz“ mit ihrem anrührend-skurrilen Stück „Teatro Delusio“. Das Berliner Künstlerensemble bringt am Freitag, 30. September (20 Uhr), eine Komödie mit, bei der Maskenspiel, Musik, Magie, Artistik und Clownerie zu einer einzigartigen Melange verschmelzen. ● Beim Tag der offenen Tür am Samstag, 1. Oktober, gibt es vielfältige Einblicke in das Theaterleben und das Theaterhaus. Die Schauspieler Julia Jaschke und Hans Piesbergen, das Allgäu-Ensemble aus Kempten, der Karikaturist Wolfgang Steinmeyer, junge Maskenbildnerinnen beim Kinderschminken, Improtheater-Regisseur Sebastian Strehler und viele andere gestalten ab 13 Uhr das Programm. Theater wird natürlich auch gespielt (bis 18 Uhr; Eintritt frei). ● Junge Musical-Darsteller der Münchener Everding-Theaterakademie singen und spielen am Sonntag, 2. Oktober, um 17 Uhr bei einer Gala. Sie zeigen Songs und Choreografien aus ihrem aktuellen Repertoire. Musikalisch unterstützt werden sie von der Kemptener Bigband Babel and the Goodmen. ● Wer sich mit Theaterdirektorin über die neue Saison oder Gott und die Welt unterhalten möchte, hat dazu wieder bei der Teatime in ihrem Büro Gelegenheit (4. bis 7. Oktober, 17 bis 19 Uhr). (kpm) Eine verletzte Frau rächt sich grausam Der Roman „Der Gefangene im Moor“ ist starker Tobak E s ist ein stürmischer Apriltag. Ein Mann sinkt im Moor ein, ruft nach Hilfe. Tatsächlich kommt auch jemand. Es ist seine Nachbarin, zu deren Grundstück das Moor gehört. Sie ist nicht gut auf ihn zu sprechen. All die Jahre hat der Mann ihr und ihrem Mann das Leben schwer gemacht. „Was sollte ich tun? Helfen oder nicht? Es lag ganz in meiner Hand. Helfen oder nicht? Ich tendierte zu nicht.“ „Der Gefangene im Moor“ heißt der Roman von Ellen Lukas, aus dem diese Szene stammt. Der Autorennname ist das Pseudonym einer Oberallgäuerin. Ihr Roman basiert auf persönlichen Erfahrungen. „Ich musste mir das alles von der Seele schreiben“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Unter einem anderem Pseudonym veröffentlichte sie bereits ein Buch. „Der Gefangene im Moor“ ist die Geschichte einer Rache. Ein Umwelt-Krimi wie der Verlag titelt, ist das Buch nicht. Auch wenn die IchErzählerin eine Lanze für das Moor bricht, das von vielen Zeitgenossen als unnütz angesehen und als Müllkippe missbraucht wird. Da hilft auch der Untertitel „Besser ein Moor mit Schlange als gar kein Moor“ nicht. Das Moor ist aber die perfekte Szenerie für einen Rachefeldzug. Nachbarstreit eskaliert In Rückblenden berichtet die IchErzählerin, wie es dazu kam. Einst hatte sie mit ihrem Mann eine Moor-Kate am Rand eines Dorfes gekauft und mit viel Mühe zu einem Heim umgebaut. Dann wird das Nachbargrundstück bebaut, und der Ärger beginnt. Der Nachbar entpuppt sich als Angeber, Spanner, Lügner und Verleumder. Erst nach dem Tod ihres Mannes entdeckt die Ich-Erzählerin, dass er auch ein Erpresser ist. Wie durch ein Wunder steckt der Mann im Moor fest, das zu ihrem Grundstück gehört. In Gedenken an den jahrelangen Nachbarschaftskrieg lässt sie den Hilflosen zappeln, quält ihn. Auskunft soll er geben über seine Bösartigkeiten und sich entschuldigen. Doch dann sucht die Polizei nach ihm, und langsam eskaliert alles. Zunächst liest sich der Roman trotz ungelenker Sprache spannend. Doch schnell ermüdet die Geschichte einer jahrelangen Feindschaft den Leser. Hier das traute Heim und private Glück, dort der böse, gemeine Nachbar mit seiner ebenso bösen und gemeinen Frau. Die Sprache wird zusehends rüder und derber. Beleidigungen wie Vollpfosten, Mistluder, Drecksau, Puffmutter nehmen zu. „Ich erschrak, denn ich hatte auf einen wehrlosen Menschen eingeschlagen, und das ist ziemlich primitiv“, sagt die Ich-Erzählerin gegen Ende. Starker Tobak in vielerlei Hinsicht. (mdu) Ellen Lukas: Der Gefangene im Moor. Tredition Verlag. 260 Seiten; 12,99 Euro (E-Book, 4,99 Euro). So stimmt’s Salaputia Brass spielt am O Tickets im Vorverkauf bei der Allgäuer Freitag in der Musikschule Zeitung, Telefon 0831/206 430, und Der Förderverein BlechbläserI www.allgaeuticket.de Großer Andrang: Hans Piesbergen und Julia Jaschke (von rechts) lesen in der Buchhandlung Lesezeichen aus Goethes „Wahlverwandtschaften“. Foto: Matthias Becker Nachwuchs feiert sein 25-jähriges Bestehen mit einem Konzert von Salaputia Brass. Es findet am Freitag, 30. September, um 19 Uhr im Schönen Saal der Sing- und Musikschule statt. In unserer Ankündigung hatten wir versehentlich und bedauerlicherweise einen anderen Wochentag genannt. „Sounds of Evolution“ haben die jungen Profimusiker ihr aktuelles Programm genannt. Sie beauftragten dafür Komponisten, eigens für ihre Besetzung neue Stücke zu schreiben. Der Eintritt ist frei. (az)
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