Scannen – Fotos am Computer Rainer Frädrich Eine Anmerkung vorab: Nach reiflicher Überlegung habe ich die bisher in den Text integrierten Bildbeispiele entfernt, um die Größe des Dokuments zu reduzieren. Sie können stattdessen viele Bildbeispiele online auf meiner Homepage ( http://www.raifra.de) in der Rubrik Fotografie finden. Wer die herausragende technische Qualität von Vergrößerungen schätzt, die von sauber belichteten und verarbeiteten Negativen stammen, der möchte seine bisherige Fotoausrüstung nicht einmotten und digital ganz von vorne anfangen, aber dennoch nicht auf die Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung verzichten. Die Lösung: ein Flachbett-Scanner, mit dem es problemlos möglich ist, Vergrößerungen in bester Qualität zu digitalisieren. 1 Grundsätzliches Worauf kommt es an? Sicherlich nicht auf die höher, schneller, weiter Kriterien der ScannerHersteller. Es ist egal, ob das Bild in 8 oder in 15 Sekunden gescannt wird. Es ist egal, ob der Scanner mit 600, 1200 oder noch mehr dpi1 realer (d.h. optischer) Auflösung arbeitet. Wie Sie weiter unten erfahren werden, scannen Sie die Bilder aus gutem Grund ohnehin vermutlich eher mit 200 oder 300 dpi als mit 600 dpi oder mehr. Worauf es wirklich ankommt, ist die Scan-Qualität. Also beispielsweise, ob die Scanzeile die Vorlage gleichmäßig einliest und ob der Scan in den dunklen Bereichen sauber ist, ohne Farbrauschen. Machen Sie ruhig einmal folgenden Test: Nehmen Sie einen einheitlich dunkelfarbigen Karton mit zum Händler und lassen Sie den Karton einlesen. Und dann schauen Sie sich kritisch an, ob die Farbe (oder der Grauton) schön einheitlich ist. Wenn das Bild Farbrauschen zeigt, oder Sie sehen Längsstreifen oder Querstreifen, oder ein Ende des eingelesenen Karton-Abbildes ist heller als das andere, dann lassen Sie die Finger von diesem Scanner. Außerdem sollte der Scanner nicht größer sein als unbedingt nötig. Sie werden ihn kaum so oft einsetzen, wie dies im professionellen Alltag geschieht. Daher muss er nicht ganz so robust sein wie die Profi-Versionen. Eine einfachere Ausführung ist bei gleichen optischen Eigenschaften deutlich preisgünstiger zu haben. Wichtig für den ewigen Kampf gegen den Staub: Der Deckel sollte sich mindestens bis in seine Hochkant-Stellung hochklappen lassen, denn das erleichtert das Reinigen der Scheibe. Zwar hat die Schnittstelle zwischen Computer und Scanner keinen Einfluss auf die ScanQualität, aber sehr wohl darauf, wie schnell die Daten vom Scanner zum Rechner übertragen werden. USB und Firewire sind derzeit die beste Wahl. Ein Anschluss an die Druckerschnittstelle oder mittels SCSI-Schnittstelle sind meist nicht mehr zeitgemäß. 1 Die Abkürzung dpi (dots per inch) sollte strenggenommen eigentlich nur für den Druck verwendet werden. Die korrekte Abkürzung für die Scanner-Auflösung ist ppi (pixels per inch). Da dpi aber die weitaus besser bekannte Abkürzung ist, verwende ich diese, auch wenn es nicht ganz korrekt ist. 1 2 Scannen – aber richtig Viele Leute scannen ihre Bilder mit zu großer Auflösung. Das bringt nicht viel, belegt aber extrem viel Speicherplatz auf der Platte. Die Frage ist nun, was ist die richtige Auflösung? Die Antwort darauf hat eigentlich gar nicht so viel mit dem Scanner zu tun, sondern mehr damit, was Sie nach dem Scannen mit dem Bild machen wollen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: • Sie wollen das Bild auf einem Computer-Bildschirm zeigen, z.B. auf Ihrer Homepage im World Wide Web. • Sie wollen das Bild auf einem Drucker ausdrucken, der Tonabstufungen durch Rasterung ausgibt (Laserdrucker/Tintenstrahldrucker). • Sie wollen das Bild auf einem Drucker ausdrucken, der Tonabstufungen als echte Graubzw. Farbwerte ausgeben kann (wie das auch ein Monitor kann). Oder Sie wollen das Bild auf Fotopapier/Fim ausbelichten lassen. • Sie wollen Ihre gescannten Bilder archivieren (z.B. auf CD/DVD). Schauen wir uns die verschiedenen Möglichkeiten einzeln an. Zuvor noch ein Hinweis über die Anwendung der nachfolgenden Infos: Sehen Sie das Ganze als Ausgangspunkt für eigene Versuche an. Die Werte, die Sie weiter unten finden, sollten Sie testweise ruhig einmal halbieren und verdoppeln und dann kritisch die Ergebnisse vergleichen, um heraus zu finden, welche Einstellungen für Ihre Zwecke die besten sind. 3 Scannen für die Ausgabe auf dem Bildschirm Das ist die einfachste Variante. Scannen Sie das Bild einfach so groß ein, dass es im Bildbearbeitungs-Programm ohne Zoomen genau die Größe hat, wie Sie sie brauchen. Man kann es allerdings auch komplizierter formulieren: Die Grafik-Oberflächen diverser Betriebssysteme richten es in der Regel so ein, dass Bilder (und natürlich auch Texte usw.) in einer Auflösung im Bereich von ca. 72 dpi bis 100 dpi dargestellt werden. Wenn Sie also möchten, dass Ihr Bild in der Original-Größe auf dem Bildschirm erscheint, wählen Sie vor dem Einlesen des Bildes in der Scanner-Software eine Auflösung von beispielsweise 72 dpi. Um es als Formel auszudrücken (1): Scanauf lösung(dpi) = V ergrößerungsf aktor · 72dpi (1) Statt mit dpi-Zahlen zu jonglieren, können Sie aber auch einfach die Größe, die das Bild auf dem Bildschirm – in Pixel gerechnet – haben soll, am Scanner einstellen und das Bild dann scannen. Oder Sie nehmen die doppelte oder vierfache Größe zum Scannen und reduzieren die Größe später durch Halbieren oder Vierteln (d.h. durch Skalieren). Das hat insbesondere bei grobkörnigen Bildern den Vorteil, das Filmkorn etwas zu dämpfen, ohne dass das Bild dabei unscharf wird. 4 Scannen für die Ausgabe auf einem Raster-Drucker Raster-Drucker simulieren Graustufen bzw. Farbabstufungen durch ein Raster. Auch die riesigen Druckmaschinen für Zeitungen und Zeitschriften machen es auf diese Weise. Für uns interessante Drucker dieser Kategorie sind Laserdrucker und Tintenstrahl-Drucker. Da jedes Pixel, das ein 2 Drucker dieser Art druckt, nur entweder gedruckt wird oder nicht, aber keine Abstufungen pro Pixel möglich sind, nützt uns diesmal die dpi-Angabe (dots per inch) des Druckers nicht. Wir brauchen einen anderen Wert, der das verwendete Graustufen- bzw. Farbstufen-Raster berücksichtigt. Dieser Wert heisst lpi (lines per inch) und berechnet sich wie folgt (2): Druckerauf lösung(dpi) Auf lösung(lpi) = √ Anzahl der T onwerte (2) Die dpi-Auflösung des Druckers ist klar. Das ist der dpi-Wert, der in den Prospekten und Handbüchern steht, also beispielsweise 300 oder 1200 dpi. Die Anzahl Tonwerte (d.h. das Raster, das die Tonwerte simuliert) ist nun schon nicht mehr so einfach zu erfahren, deshalb nenne ich hier folgende Anhaltswerte aus der Praxis: Bei 300-dpi-Druckern sind 32 Grau- bzw. Farbabstufungen ein realistischer Wert, bei 600-dpi-Druckern 64 Abstufungen. Wir kommen damit auf folgende Werte: Auflösung bei einem 300-dpi-Drucker (3): 300dpi √ = 53lpi 32 (3) Auflösung bei einem 600-dpi-Drucker (4): 600dpi √ = 75lpi 64 (4) Diese Werte verwenden wir nun anstatt der dpi-Werte, wenn es um einen Raster-Drucker geht. Eigentlich könnten wir jetzt die gleiche Formel wie bei der Bildschirm-Ausgabe verwenden, um auszurechnen, welche Scanauflösung wir verwenden sollten. Aber es gibt noch eine kleine Schwierigkeit, die wir berücksichtigen müssen. Und zwar bekommt man es in der Praxis nicht hin, dass die Original-Pixel sich genau mit den Raster-Pixeln des Druckers decken. Deshalb rechnet man einen Sicherheits-Faktor von 1,4 bis 2 ein. Die komplette Formel heisst dann (5): Scanauf lösung(dpi) = Auf lösung(lpi) · Sicherheitsf aktor · V ergrößerungsf aktor (5) Ein Beispiel: Nehmen wir an, wir haben einen 600-dpi-Laserdrucker. Aus der obigen Berechnung wissen wir, dass wir für diesen Drucker 75 lpi einsetzen können. Außerdem haben wir ein Bild in der Größe 13x18 cm, das wir genau in dieser Größe auch auf dem Drucker ausdrucken wollen. Wir sind vorsichtig, deshalb verwenden wir nicht den Sicherheits-Faktor 1,4 sondern 2. Wir rechnen also (6): Scanauf lösung(dpi) = 75lpi · 2 · 1 = 150dpi (6) Wir scannen das Bild demnach also mit einer Auflösung von 150 dpi. Soweit die Theorie. In der Praxis stimmt das aber nur, wenn der Drucker ein regelmäßiges Raster verwendet, wie das bei Druckmaschinen in der Druckerei und bei Laserdruckern der Fall ist. Bei Tintenstrahl-Druckern sieht die Sache anders aus. Dort werden unregelmäßige Raster verwendet (sogenannte frequenz-modulierte Raster), die man formelmäßig nicht so leicht in den Griff bekommt. Es ist daher eigenes Testen angesagt. Sie können beispielsweise ein Foto mit 3 mehreren Auflösungen im Bereich von 150 dpi bis 300 dpi scannen und auf einem TintenstrahlDrucker ausdrucken, um zu prüfen, ab welcher Auflösung Sie keinen Unterschied mehr sehen. Bezogen auf eine noch überschaubare Bildgröße von etwa DIN A 4 werden Sie vermutlich auf einen Wert von etwa 180 bis 240 dpi kommen, je nach Motiv und Anspruch. 5 Scannen für die Ausgabe auf einem Tonstufen-Drucker oder für die Ausbelichtung auf Fotomaterial Hier gibt es nicht viel zu berichten (und die Überschrift ist fast länger als der gesamte Abschnitt :-) ). Diese Sorte Drucker (z.B. ein Farbsublimations-Drucker) oder Ausbelichter arbeiten in einer für uns interessanten Hinsicht ähnlich einem Monitor. Und zwar in der Hinsicht, dass jedes Pixel eine Vielzahl Graustufen oder Farbabstufungen annehmen kann. Wir nehmen deshalb die gleiche Formel wie beim Monitor weiter oben, nur dass wir die Auflösung nicht mit 72 dpi fest einsetzen, sondern uns vorher erkundigen, welche Auflösung in dpi der Drucker bzw. Belichter hat. Hier kommt die Formel (7): Scanauf lösung(dpi) = Druckerauf lösung(dpi) · V ergrößerungsf aktor 6 (7) Scannen fürs Archiv Wenn Sie Bilder scannen, deren Verwendung Sie noch nicht wissen und die Sie deshalb zunächst nur archivieren möchten, dann empfiehlt es sich, die Bilder mit der höchsten dem Scanner zur Verfügung stehenden optischen Auflösung zu scannen. Bearbeiten Sie die Bilder nach dem Scannen in diesem Fall noch nicht, denn Sie wissen ja nicht, was Sie später noch damit vorhaben. Speichern Sie die Bilder unbedingt in einem verlustfreien Format, also nicht im sonst sehr beliebten JPEG-Format, sondern besser im TIF-Format (16 bit). Nur so können Sie die volle Qualität Ihrer Scans bewahren. 7 Noch ein paar Tipps Viele Scanprogramme haben eine Menge Einstell-Möglichkeiten. Ignorieren Sie diejeningen, die Ihnen nicht einleuchten. Korrekturen am Bild können Sie mit einem richtigen BildbearbeitungsProgramm meist viel besser machen. Was Sie aber trotzdem schon einstellen sollten, sobald Sie den Vorschau-Scan auf dem Bildschirm sehen, das ist die sogenannte Gamma-Korrektur. Oft werden die dunklen Bereiche bei einem Scan-Vorgang nicht gut genug differenziert. Deshalb korrigiert man dies schon beim Scannen. Die Funktion – die Gamma-Korrektur – wird entweder in Form eines Zahlenwertes oder mit einer Kurve eingestellt. Die besten Fotos ergeben die besten Scans. Das hört sich wie eine Binsen-Weisheit an, wird aber immer wieder vergessen, da oft der Eindruck erweckt wird, Bildbearbeitungs-Programme könnten wahre Wunder vollbringen. Können sie nicht. Es gibt zwar viele Möglichkeiten, unscharfe oder fehlbelichtete Bilder aufzupeppen, aber wirklich gute Scans erfordern wirklich gute Fotos. Leisten Sie die Arbeit beim Fotografieren und 4 ggf. beim Vergrößern der Negative, dann haben Sie weniger Arbeit beim digitalen Nachbearbeiten der Fotos. Und nun viel Spaß beim Scannen! © 1997–2012 Rainer Frädrich ([email protected], www.raifra.de) Rev. 6.1 LATEX2e 5
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