9 dbb magazin September 2016 – 67. Jahrgang Behindertenpolitik: Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Ecken, Kanten, Stufen Seite 4 < Interview: Verena Bentele, Behinderten beauftragte der Bundesregierung Seite 6 < Bürgerbefragung 2016: Starker Staat gefragt dbb © Coloures-pic – Fotolia.com Bei den teuren Sozialreformen, die die Große Koalition bei Rente, Gesundheit und Pflege in der zu Ende gehenden Legislaturperio de auf den Weg gebracht hat, ist einmal mehr der Grundsatz au ßer Acht gelassen worden, dass jeder Euro, der ausgegeben wird, zuvor verdient sein will. Inzwischen macht sich bei den Regie rungsparteien Katerstimmung breit. Ins Gerede gekommen ist aktuell vor allem die Entwicklung des sogenannten Zusatzbei trags, den ausschließlich die Versi cherten, nicht aber die Arbeitgeber zur Finanzierung der gesetzlichen Kran kenversicherung zahlen müssen. Der aktuelle Beitragssatz beträgt zurzeit 14,6 Prozent, von dem jeweils 7,3 Pro zent Arbeitnehmer und Arbeitgeber „solidarisch“ zahlen. Benötigen die Kassen mehr, können sie seit Januar 2015 individuell einen Zusatzbeitrag festlegen, an dem sich die Arbeitgeber nicht beteilligen müssen. Dieser Bei trag lag im vergangenen Jahr bei etwa 0,9 Prozent und ist in diesem Jahr be reits auf durchschnittlich 1,1 Prozent gestiegen. Einer aktuellen Studie des Lehrstuhlinhabers für Medi zinmanagement an der Universität Essen-Duisburg, Prof. Dr. Jür gen Wasem, zufolge, wird sich der Zusatzbeitrag bis 2020 auf 2,4 Prozent mehr als verdoppeln. Nach derzeitiger Regelung würden aber die Arbeitgeber weiterhin „nur“ 7,3 Prozent, die Arbeitnehmer aber bereits 9,7 Prozent der Gesundheitskosten aufbringen müssen. Bundesgesundheitsminis ter Hermann Gröhe (CDU) warnt vor Panikmache. Dass es teurer wird, bestreitet er aber nicht. Wie teuer es zunächst einmal 2017 werden soll, werde eine Prognose des Schätzerkreises im Gesund heitswesen im Oktober erbringen. Der GKV-Verband rechnet – zurzeit noch – mit einer Erhöhung des Zusatzbeitrags auf knapp zwei Prozent. Der dbb spricht sich seit Langem dafür aus, zur pari tätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge zurückzukeh ren: Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen wieder je die Hälfte der Beiträge aufbringen. Ein möglicher Zwischenschritt auf dem Weg, die Gerechtigkeitslücke zu schließen, wäre eine Deckelung des Zusatzbeitrags. Vor den Bundestagswahlen im kommenden sm Jahr wäre diese Maßnahme ein gutes Signal. Impressum: Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Fried richstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected] Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm). Redaktion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br) s owie Jochen Graffmann (jg), Andreas Krause (ak) und Thomas Syberg (sy). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des Verfassers dar. Titelbild: ©adoquines – Fotolia.com Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. Für Mitglieder einer Mitgliedsgewerkschaft des dbb ist der Verkaufspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Der Abonnementpreis für Nichtmitglieder des dbb beträgt jährlich 36,90 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer, der Bezugspreis für das Einzelheft 4,40 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. Bezug durch die Post. Einzelstücke durch den Verlag. Verlag: dbb verlag gmbh. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: [email protected]. Verlagsort und Bestellanschrift: Friedrichstr. 165, 10117 Berlin. Telefon: 030.7261917-0. Telefax: 030.7261917-40. Versandort: Geldern. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. 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ISSN 0941-8156 << Schwerpunkt: Behindertenpolitik < < aktuell << Interview: Verena Bentele, Behindertenbeauftragte der Bundesregierung dbb Bürgerbefragung 2016: Deutsche wollen „starken Staat“ und einheitliche Beamtenbesoldung6 << Europäische Zusammenarbeit: Mehr Wertschätzung für Beamte in Europa 8 << Personalausstattung: Neue Stellen weiterhin dringend erforderlich 8 << Rendite staatlicher Pensionsfonds sinkt: Vermögen flexibel und konservativ anlegen 9 << Flexibler Übergang in den Ruhestand: Rahmenbedingungen weiter verbessern 4 6 28 32 Bildung: In Sachsen fehlt der Lehrernachwuchs11 < < fokus << Beschäftigte mit Behinderung im öffentlichen Dienst: Ohne Unterschied 12 << Bundesteilhabegesetz und Nationaler Aktionsplan: Gut gemeint, nicht gut gemacht? 16 << Standpunkt: „Behinderte sind nicht automatisch doof“ 20 << Führungskräfte in der digitalen Arbeitswelt: Führung im Wandel22 < < spezial << Eine Frage an Dr. Jürgen Schneider, Beauftragter des Landes Berlin für Menschen mit Behinderung 24 << Hab und Gut sichern: Entfesselte Na turgewalten können teuer werden 25 << Kampagne „Gefahrenzone Öffent licher Dienst“: Zwischenbilanz 26 << Geldpolitik: Mehr Schein als Sein? 28 << Europäische Säule sozialer Rechte: Bessere Behindertenrechte in Europa 32 << Arbeiten 4.0: Digitaler Wandel – Chance oder Risiko für Frauen in der Arbeitswelt?34 << BGH-Beschluss zur Patientenverfügung: Kein Grund zur Panik 38 < < finale << Glosse: Fulltime-Jobsharing39 << Digitale Infrastruktur: Wann beginnt die Aufholjagd? << Mitgliedsgewerkschaften42 << Kulisse: Der Zweck heiligt (manchmal) die Mittel47 _0ZY57_IVW LOGO-frei.pdf; s1; (53.55 x 51.43 mm); 20.May 2016 13:58:47; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien 40 10 << 12 16 4 << 40 > dbb magazin | September 2016 3 aktuell Kostenexplosion in der Sozialpolitik dbb Interview mit Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen: Schulische Inklusion darf kein Sparmodell sein dbb magazin Am 28. Juni 2016 hat das Bun deskabinett den Nationalen Ak tionsplan 2.0 verabschiedet, der den Titel „Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft“ trägt. Wird der öffentliche Dienst als Arbeitgeber durch den NAP ge nug in die Pflicht genommen? Wo bietet der Aktionsplan dem öffentlichen Dienst Chancen? << aktuell 4 So wird das Bewusstsein der Führungskräfte geschärft, dass Beschäftigte unterschiedliche Stärken, Begabungen und Prä ferenzen haben. Spezielle För derprogramme für Führungs kräfte mit Behinderung fehlen jedoch noch. << Verena Bentele Eine Stärkung der Schwerbe hindertenvertretungen – wie es auch der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen for muliert – ist im Entwurf des Bundesteilhabegesetzes vorge Verena Bentele Im neuen NAP 2.0 finden sich Maßnahmen, die den öffentli chen Dienst inklusiver machen. Dabei beziehen sich die Arbeit geber des Bundes auf die Fort schritte, die im ersten natio nalen Aktionsplan gemacht wurden. Zentrales Element sind die Aktionspläne, die in den Bundesministerien unter Beteiligung der Schwerbehin derten- und Hauptschwerbe hindertenvertretungen erstellt wurden. Nun haben sich die Ministerien verpflichtet, diese zu evaluieren und weiterzuent wickeln. Nicht alle Ministerien haben dabei dasselbe Tempo, und natürlich wünsche ich mir als Behindertenbeauftragte und Sportlerin immer mehr und würde gern schneller Fort schritte erkennen. Um das Bewusstsein bei Neu einstellungen und in der Per sonalführung zu verändern, finde ich es gut, dass die Bun desakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) als zentra le Fortbildungseinrichtung des Bundes entsprechende Ange bote macht. In ihren verhaltens orientierten Fortbildungsver anstaltungen in den Bereichen Führung, Kommunikation und Personalentwicklung infor miert die BAköV insbesondere auch über die Belange von Menschen mit Behinderungen. > dbb magazin | September 2016 für die sogenannte Unwirk samkeitsklausel ein. Diese sieht vor, dass eine Maßnahme des Arbeitgebers unwirksam ist, wenn die gesetzlich festge legte Beteiligung der Schwer behindertenvertretung unter blieben ist. Bisher ist eine solche Sanktion bei fehlender Beteiligung der Schwerbehin dertenvertretung nicht im Ge setzentwurf enthalten. Ich hof fe, dass im parlamentarischen Verfahren zum Bundesteilha begesetz dort noch etwas er reicht werden kann. << dbb magazin Durch die demografische Ent wicklung wird die Zahl lebens älterer Menschen mit Behinde rung in den nächsten Jahren deutlich ansteigen und hin sichtlich Betreuung, Pflege und Inklusion neue Anforderungen stellen: Sind wir darauf – auch nur annähernd – vorbereitet, Frau Bentele? << Insgesamt denke ich, dass wir bereits viele Erkenntnisse ha ben, jetzt geht es jedoch dar um, die passenden Strukturen zu schaffen für Menschen, die auch im Alter teilhaben wollen und einen pflegerischen Bedarf haben. sehen. So sind Verbesserungen bei der Freistellung sowie bei der Heranziehung und Schu lung von Stellvertretern ge plant. Aus meinen Gesprächen mit Schwerbehindertenvertre tungen habe ich mitgenom men, dass es ihnen besonders auf eine bessere Durchsetzbar keit der bestehenden Beteili gungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber ankommt. Ich set ze mich daher im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes auch In der Behindertenpolitik be schäftigt man sich seit einigen Jahren mit der Lebenssituation älterer Menschen mit Behinde rungen. Hierbei ist zu berück sichtigen, dass die älteren Men schen keine homogene Gruppe darstellen. Es gibt sehr unter schiedliche Behinderungen, die in unterschiedlichen Lebens phasen erworben werden. Vie le Menschen mit Behinderun gen werden von Angehörigen betreut und gepflegt. Dazu < < Verena Bentele << dbb magazin Die Schwerbehindertenver tretungen haben das Recht, an allen Personalrats- oder Betriebsratssitzungen mit be ratender Stimme teilzuneh men. Die beratende Teilnahme beinhaltet nicht das Stimm recht. Das ist eine „schwache“ Position. Wie könnte eine Stär kung der Rechte zum Vorteil behinderter Beschäftigter er reicht werden? Verena Bentele CDU/CSU, Steven Rösler << dbb Barrierefreiheit stellt einen zentralen Aspekt in der Inklusi on dar, das betrifft natürlich auch ältere Menschen mit Be hinderungen. Wichtig ist der << dbb magazin Immer mehr Lehrer rücken mittlerweile von der Idee eines gemeinsamen Unterrichts mit behinderten Schülern an Re gelschulen ab, weil es vom Personal bis zur Fortbildung an allen Ecken fehlt. Was muss getan werden, damit schuli sche Inklusion kein frommer Wunschtraum bleibt? << Verena Bentele Deutschland ist nach Art. 24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Be hinderungen verpflichtet, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen den Zugang zu einem inklusi ven Unterricht an allgemeinen Schulen zu ermöglichen. Dabei ist es ganz wichtig, dass Lehrer die notwendige Unterstützung erhalten, die sie für die inklusi ve Unterrichtsgestaltung be nötigen. Schulische Inklusion darf kein Sparmodell sein. Es muss eine ausreichende räum liche und personelle Ausstat tung sichergestellt werden. Lehrerinnen und Lehrer dürfen nicht mit der wichtigen Aufga be der schulischen Inklusion alleingelassen werden. Be wusstseinsbildung muss für mehr Akzeptanz der Inklusiven Bildung an allen Schulen sor gen und die schwierige Aufga be der Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit der heteroge nen Schülerschaft adäquat würdigen. << dbb magazin Die Behinderten-Pauschbeträ ge sind seit 1975 nicht mehr den tatsächlichen wirtschaftli chen Verhältnissen angepasst worden. Betroffene sollen ihre Aufwendungen einzeln nach weisen – eine Regelung, die be sonders ältere Menschen über fordert und die Finanzämter zusätzlich belastet. Sehen Sie eine Lösung des Problems? << Verena Bentele Zu berücksichtigen ist, dass seit 2008 beim BehindertenPauschbetrag nur noch die be hinderungsbedingten Mehr aufwendungen abgegolten werden. Dies sind Aufwendun gen, die etwa für die Pflege s owie für einen erhöhten Wäschebedarf anfallen. Alle übrigen, nicht vom Pauschbe trag erfassten krankheits- und behinderungsbedingten Auf wendungen können zusätzlich steuermindernd geltend ge macht werden. Es gab Überle gungen, die Abgeltungswirkung des Pauschbetrages neu zu kon zipieren und auf alle krank heits- oder behinderungsbe dingten Aufwendungen zu erstrecken. Im Gegenzug war angedacht, die Pauschbeträge anzuheben. Dies ist letztlich nicht umgesetzt worden, weil es nach Berechnungen des Bun desministeriums der Finanzen im Vergleich zum geltenden Recht insbesondere bei Men schen mit einer schweren und kostenintensiven Behinderung zu Verschlechterungen kom men kann, auch wenn die Pauschbeträge angehoben wür den. Die Unterschiedlichkeit der Lebenssachverhalte führt dazu, dass eine generelle Pauschalie rung nicht für alle Menschen mit Behinderungen wünschens wert ist. Ich habe daher davon abgesehen, eine Neukonzepti on des Behinderten-Pauschal betrages zu fordern. << Verena Bentele … … Jahrgang 1982, wurde in Lindau am Bodensee geboren. Nach dem Abitur mit Schwerpunkt Wirt schaftslehre am Gymnasium der Blindenstudienanstalt in Marburg an der Lahn absolvierte sie von 2001 bis 2011 ein Masterstudium Neue re Deutsche Literatur mit den Ne benfächern Sprachwissenschaften und Pädagogik an der Ludwig-Ma ximilians-Universität in München. Seit 2006 hält sie Vorträge und Se minare für Firmen im Bereich Syste misches Coaching ab. Außerdem ist Bentele seit 2011 freiberufliche Referentin im Bereich Personaltraining und -entwicklung. Verena Bentele war von 1995 bis 2011 Leistungssportlerin und gewann zwölfmal Paralympisches Gold. Sie war Mitglied der Paralympi schen Nationalmannschaft im Skilanglauf und Biathlon. Außerdem ist sie Botschafterin der Laureus Stiftung Deutschland und arbeitet beim SV Zukunft/Coaching für Schüler mit schwieriger Perspektive mit. Ferner ist sie Botschafterin des IPC – Internationales Paralympi sches Committee. Im Jahre 2012 trat Verena Bentele der SPD bei und wurde im Januar 2014 auf Vorschlag von Bundesarbeitsministe rin Andrea Nahles zur neuen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen bestellt. > dbb magazin | September 2016 5 aktuell Wir brauchen aber auch besse re Beratungsstrukturen, die niedrigschwellig und barriere frei sind. Hier wird es im Pfle gestärkungsgesetz III wichtige Neuerungen geben. Die Kom munen werden stärker einbe zogen in die Beratung. Pflegen de Angehörige müssen durch Ehrenamtliche unterstützt wer den und die Nachbarschaftshil fe darf nicht vergessen werden. Aber auch die Arbeitgeber spie len eine wichtige Rolle. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, einen Rechtsanspruch auf Frei stellung im Familienpflegezeit gesetz durchzusetzen. Das ist ein großer Fortschritt und zeigt, dass auch Arbeitgeber sich der Verantwortung für die älteren Menschen stellen. Eine neue Herausforderung ergibt sich bei der Pflege von älteren Menschen mit Migrationshin tergrund. Viele Menschen, die Anfang der 1960er-Jahre nach Deutschland kamen, werden pflegebedürftig. Auch für diese Menschen müssen Pflegeange bote vorgehalten werden. Ausbau von barrierefreiem Öf fentlichen Personennahver kehr, damit Menschen mobil bleiben. Auch in der Gesund heitsversorgung brauchen wir mehr Barrierefreiheit, etwa was Arztpraxen betrifft. Auch die Anzahl an Räumlichkeiten anderer Leistungserbringer ist noch nicht ausreichend. Sehr gut finde ich den Ausbau auf suchender Angebote wie mobi le Rehabilitation. Besonders in ländlichen Regionen muss die gesundheitliche Versorgung sichergestellt werden. Modelle wie AGnES oder Schwester Vera sind zukunftsweisende Ansätze. Und auch die moder ne Technik spielt eine wichtige Rolle, damit ältere Menschen mit Behinderungen bis ins hohe Alter selbstständig blei ben können. So gibt es mittler weile gute technische Hilfen wie Apps für blinde Menschen, die dazu beitragen, Selbststän digkeit zu erhalten. SPD müssen wir die entsprechen den Strukturen und die richti gen Unterstützungsangebote schaffen. Gerade die Pflege von Menschen mit Behinderungen im Alter kann ganz andere An forderungen haben, nicht nur bei demenzkranken Menschen, sondern auch bei Menschen, die zum Beispiel erblinden oder gehörlos sind. In der Pflegeaus bildung müssen Menschen mit Behinderungen mit ihren be sonderen Bedarfen daher mehr in den Fokus rücken. Durch die Einführung des neuen Pflege bedürftigkeitsbegriffs erhoffe ich mir eine neue Sichtweise bei der Pflege von Menschen, die darauf abzielen soll, die Po tenziale der Menschen noch besser zu fördern und Teilhabe zu ermöglichen. Die gute Aus bildung von Pflegenden ist da her ein wichtiger Faktor. dbb Bürgerbefragung 2016: Deutsche wollen „starken Staat“ und einheitliche Beamtenbesoldung Die Bürger in Deutschland wollen einen „starken Staat“ (72 Prozent) und sind zu fast zwei Dritteln da von überzeugt, dass die Ausgaben für den öffentlichen Dienst angemessen sind (in 2007 zu 37 Prozent, 2016 zu 64 Prozent). Das sind zwei der wesentlichen Ergebnisse der am 23. August 2016 in Berlin vor gestellten zehnten „Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst“, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des dbb durchgeführt hat. Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt das Ergebnis am 23. August 2016 in Berlin: „Abstrakt sind die Menschen für weitgehende Kompetenz aufteilung, konkret wollen sie aber gleichzeitig Bundesvorga ben für landesweit einheitliche Standards und Regelungen.“ Marco Urban aktuell 6 < < forsa-Chef Manfred Güllner (links) und der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt präsentierten am 23. August 2016 im dbb forum berlin die Ergebnisse der aktuellen Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst. Im Ranking der beliebtesten Be rufe liegen mit Feuerwehrleu ten (93 Prozent), Ärzten und Pflegern (87 Prozent) oder Poli zisten bzw. Erziehern (82 Pro zent) auch 2016 die öffentlich Bediensteten ganz vorn. Die größten Gewinner im Beru feranking der Deutschen (seit 2007) arbeiten bei der Müllab fuhr (+10 Prozent) oder als > dbb magazin | September 2016 Briefträger (+8 Prozent), Lehrer und „Beamte“ (+7 Prozent). In der diesjährigen dbb Umfrage wurden die Deutschen zudem über ihre Kenntnisse und Ein stellungen zu Aspekten des Fö deralismus gefragt. Obwohl 61 Prozent der Bundesbürger fin den, dass sich die Kompetenz verteilung zwischen Bund und Ländern bewährt hat, können die meisten Befragten außer dem Thema „Bildung“ kaum weitere Länderkompetenzen benennen. Gleichzeitig fordert die Mehrheit eine einheitliche Bundeskompetenz bei Themen wie Strafvollzug, Steuer- und Finanzpolitik, Beamtenbesol dung, Schule und Polizei. „Das ist ein interessanter Wider spruch“, kommentierte der dbb Generell, so der dbb Chef, habe auch die zehnte Auflage der dbb Bürgerbefragung die positive Imageentwicklung von öffentlichem Dienst und Beamtenschaft bestätigt. Dau derstädt: „Vor allem beim Be amtenimage gibt es eine nach haltige Verbesserung. Positive Attribute, wie ‚verantwor tungsbewusst‘ oder ‚zuverläs sig‘ werden den Beamten von Jahr zu Jahr öfter zugeschrie ben. Negative Eigenschaften, wie ‚arrogant‘, ‚ungerecht‘ und ‚überflüssig‘ werden immer weniger genannt. Das ist ein sehr ermutigendes Zeichen!“ << Webtipp Die vollständige dbb Bürger befragung Öffentlicher Dienst 2016 zum Download unter: http://goo.gl/LlAAC0 ©tiero – Fotolia.com dbb dbb Europäische Zusammenarbeit: „In der Vergangenheit hat die politische Klasse in den EU-Staaten für die europäische Integration ge standen und diese auch vorangetrieben. Die heute politisch Verantwortlichen steuern Europa mehr schlecht als recht, was die Krisen verlängert und weiter anheizt“, kritisierte der dbb Bundesvorsit zende Klaus Dauderstädt am 16. August 2016 in Berlin. Kontinuität und Verlässlichkeit, auch in Fra gen der europäischen Zusammenarbeit, sieht der dbb Bundesvorsitzende dagegen bei den öffentli chen Verwaltungen und ihren Mitarbeitern. sam mit den Bürgerinnen und Bürgern zukunftsweisende po litische Entscheidungen umzu setzen.“ Der dbb Bundesvorsit zende sieht die Notwendigkeit von mehr grenzüberschreiten der Kooperation. „Nicht nur die Mehrheit der Menschen wünscht sich mehr Behörden zusammenarbeit, zum Beispiel auf so elementaren Feldern wie der inneren und der äuße ren Sicherheit. Auch die öffent lich Bediensteten und ihre Ge werkschaften sehen klar den Nutzen gemeinschaftlichen Handelns.“ „Umfragen zeigen recht deut lich, dass viele Menschen unzu frieden mit der EU in ihrem ge genwärtigen Zustand sind, mit kleinteiligen Detailregelungen aus Brüssel, dass sie gleichzei tig aber zur Lösung der großen Fragen unserer Zeit mehr euro päische Zusammenarbeit wün schen“, so Dauderstädt. „Der öffentliche Dienst kann genau das leisten, wenn er nicht wei ter als Sparobjekt gesehen und so in seiner Leistungsfähigkeit geschwächt wird.“ In vielen EUStaaten sei der Druck auf die Verwaltungen in den Krisenjah ren besonders groß gewesen. „Das muss ein Ende haben“, fordert Dauderstädt. „Die öf fentlich Bediensteten in unse ren europäischen rechtsstaatli chen Demokratien stehen für Stabilität, Gerechtigkeit und Sicherheit im Wandel.“ Personalausstattung: Neue Stellen weiterhin dringend erforderlich Obwohl bei Bund, Ländern und Gemeinden in jüngster Zeit viele Stellen geschaffen oder zumindest angekündigt worden sind, bleibt die fehlende Personalausstattung aus Sicht des dbb eines der Haupt probleme des öffentlichen Dienstes in Deutschland. Gegenüber dem Handelsblatt (Ausgabe vom 11. August 2016) wies der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt erneut darauf hin, dass der allgemeine Personalmangel beim Staat nicht erst durch die Flüchtlingssituation entstanden ist. Der aktuelle Personalmangel sei die Konsequenz aus einer über lange Zeit verfehlten Per sonal- und Sparpolitik. „Die Funktionsfähigkeit des Staates wird deshalb aktuell auf eine harte Probe gestellt“, so Dau derstädt. Trotz einiger Perso nalverstärkungen würden bei Polizei, Schule und Verwaltung weiterhin Millionen Überstun den gemacht, ohne dass auch nur klar wäre, wie und ob diese jemals abgebaut werden könn ten. Eine Abfrage des Handels blattes bei Bund und Ländern > dbb magazin | September 2016 ©Jeanette Dietl – Fotolia.com aktuell 8 Dauderstädt bemängelt die fehlende Geschlossenheit der EU-Regierungen, die Heraus forderungen der Zeit gemein sam in der Union zu bestehen. „Dabei verfügen die Regierun gen über europäisch vernetzte Verwaltungen, die in der Regel gut aufgestellt sind, gemein ©Kadmy – Fotolia.com Mehr Wertschätzung für Beamte in Europa hatte ergeben, dass allein im Länderbereich in den vergan genen zwölf Monaten 24 000 neue Stellen geschaffen wor den seien, bei der Bundespoli zei waren es 3 000. Die mit Abstand meisten neuen Ar beitsplätze in den Ländern entstanden an Schulen, es fol gen die Landespolizeibehörden, die Landesverwaltung und die Justiz. Seit 1995 sei die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zuvor allerdings um 13 Prozent von 5,3 auf 4,6 Mil lionen zurückgegangen. dbb Rendite staatlicher Pensionsfonds sinkt: Vermögen flexibel und konservativ anlegen Nach einer Umfrage der Süd deutschen Zeitung unter den Bundesländern waren 2014 die Renditen der Versorgungsfonds aus Zinserträgen und anderen Einkünften wie Dividenden teil weise noch sehr gut. So habe das Plus in Sachsen-Anhalt da mals noch 8,26 Prozent betra gen, in Baden-Württemberg 7,55 Prozent. Ein Jahr später ging es dann steil bergab: in Ba den-Württemberg auf 3,65 Pro zent, in Sachsen-Anhalt auf nur noch 1,98 Prozent und in Nord rhein-Westfalen sogar auf le diglich 1,48 Prozent. Für 2016 setze sich diese Entwicklung fort. Sachsen-Anhalt zum Bei spiel habe im ersten Halbjahr dieses Jahres gerade einmal 0,16 Prozent Ertrag verzeichnet. Um die Fondsrenditen zu erhöhen, schichten einige Län der ihre Anlagen verstärkt in Aktien um. Der Umfrage zufol ge strebt etwa Baden-Würt temberg an, den Aktienanteil von heute 40 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. dbb Chef Klaus Dauderstädt zeigte dafür prinzipiell Verständnis. „Die Anlagestrategie muss sich der Entwicklung am Kapitalmarkt anpassen“, sagte er der Nach richtenagentur Reuters. Er mahnte aber, einerseits müsse eine verlässliche Rendite er wirtschaftet werden: „Ande rerseits muss das Vermögen so konservativ angelegt sein, dass sein Zweck nicht gefährdet wird.“ Langfristig, so der dbb Chef, seien die Versorgungs fonds aber der richtige Weg, um auch Kapitalerträge zu nut zen: „Insofern fordern wir auch Niedersachsen, Berlin, Saar land, Schleswig-Holstein und Bremen auf, entsprechende Vorsorge zu betreiben.“ Diese fünf Länder haben bisher keine Versorgungsfonds. Hohe Auszeichnung: Bundesverdienstkreuz für Klaus Dauderstädt bund und tarifunion wirke er für Beamte wie Tarifbeschäf tigte erfolgreich, unspektaku lär, aber sehr effizient, betonte der Minister. An der Zeremonie im Bundes innenministerium nahmen neben Renate Krupp-Dauder städt seitens des Ministeriums der Leiter der Abteilung D Öffentlicher Dienst, Ministeri aldirektor Paul Fietz, und der BMI/SKIR Der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt ist am 26. August 2016 mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepu blik Deutschland ausgezeichnet worden. Die Ver leihung fand im Bundesministerium des Innern in Berlin statt. „Beamtenminister“ Thomas de Maizière persönlich hielt die Laudatio. Zur Ordensübergabe hatte der Minister in sein Amtszimmer geladen. Dort würdigte er den Einsatz des neuen Ordensträ gers von jungen Jahren an: in Schülermitverwaltung, Perso nal- und Betriebsräten, in der ehrenamtlichen Jugend- und Behindertenarbeit, in der Un terstützung des Hospizwesens und in vielen Funktionen inner halb der Sozialversicherung. An der Spitze des dbb beamten 9 aktuell Die Null-Zins-Politik der Euro päischen Zentralbank (EZB) bringe den Staat in eine para doxe Lage: Einerseits profitie ren der Bund und die Länder als Emittenten von Staatsanlei hen von den niedrigen Zinsen. Andererseits bekommen sie aber wie normale Investoren kaum noch Renditen für ihre eigenen Geldanlagen. ©gena96 – Fotolia.com Die von den Pensionsfonds der Bundesländer erwirtschafteten Renditen am Kapitalmarkt gehen deutlich zurück. Teilweise, so berichtet die Süddeutsche Zeitung am 18. August 2016, hätten sich 2015 die Erträge der Fonds halbiert. < < Bundesinnenminister Thomas de Maizière überreichte am 26. August 2016 das von Bundespräsident Joachim Gauck verliehene Verdienstkreuz an dbb Chef Klaus Dauderstädt „in Anerkennung der um Volk und Staat erworbe nen besonderen Verdienste“, wie es in der Ernennungsurkunde heißt. Referatsleiter Arbeits- und Tarifrecht, Ministerialrat Ernst Bürger, teil, für den dbb dessen Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik, Willi Russ, für die Gewerkschaft der Sozialversicherung GdS ihr Bundesvorsitzender Maik Wagner und für das dbb Team Bundesgeschäftsführerin Marion Gipkens. Mit einem Blumenstrauß dankte der Bundesinnenminister Renate Krupp-Dauderstädt für ihren Beitrag zu dieser Lebensleis tung ihres Ehemannes. > dbb magazin | September 2016 dbb Flexibler Übergang in den Ruhestand: Rahmenbedingungen weiter verbessern nun konsequent weitergegan gen werden muss“, betonte Silberbach. Im Hinblick auf die vorgesehe ne Neuregelung der Versiche rungspflicht von Rentenbezie hern hat der dbb moniert, dass die während der Rentenphase geleisteten Rentenbeiträge nur dann dem Rentenbezieher zu gutekommen, wenn dieser selbst ebenfalls entsprechende Beiträge entrichtet. Bisher wa ren nur vom Arbeitgeber Bei träge zu entrichten, die dann jedoch in den allgemeinen Ren tentopf flossen, ohne die Ren << Klausursitzung der dbb AG Justiz: Ein starker Rechtsstaat – Starke Justiz ten des Betreffenden zu erhö hen. Der dbb präferiert ein auf Freiwilligkeit des Arbeitneh mers beruhendes Modell, in dem die Beiträge – unabhängig von wem sie entrichtet werden – individuell gutgeschrieben werden. Auch der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, begrüßte an lässlich der Anhörung grund sätzlich die Möglichkeit eines flexiblen Renteneintritts. Aller dings dürfe die Weiterarbeit nach Erreichen der Regelalters grenze nicht erzwungen wer den, beispielsweise durch eine zu niedrige Rentenhöhe. So wohl der gleitende Übergang in den Ruhestand als auch die Sicherstellung eines auskömm lichen Alterseinkommens müssten Ziele einer zukunfts orientierten Rentenpolitik sein, erklärte Speck. Das Bundeskabinett wird vor aussichtlich am 14. September über den Entwurf beraten. Ziel sei es, das Gesetzgebungsver fahren bis zum Ende dieses Jahres abzuschließen. << Nahverkehr Bayern Neuer Tarifvertrag dbb aktuell 10 „Die auf die Arbeitswelt bezo genen Rahmenbedingungen müssen allerdings so gestaltet werden, dass ein freiwilliges Weiterarbeiten über die Re gelaltersgrenze hinaus über haupt möglich ist“, sagte der stellvertretende dbb Bundes vorsitzende Ulrich Silberbach. „Während die Verbesserungen im Bereich der Rehabilitation und Prävention in die richtige Richtung gehen, erscheinen die Regelungen beim Hinzu verdienst zu kompliziert.“ Bei den Erwerbsminderungsren ten sieht der dbb weiterhin dringenden Handlungsbedarf. Die derzeitigen Abschläge müssten ebenso überdacht werden wie eine weitere Ver längerung der Zurechnungs zeiten. „Mit den bereits im RV-Leistungsverbesserungsge setz enthaltenen Maßnahmen wurde ein Weg begonnen, der ©Marco2811 – Fotolia.com Anlässlich einer Verbändeanhörung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben am 15. August 2016 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat der dbb einen Ausbau der Flexibilität beim Übergang in das Rentenalter ausdrücklich begrüßt. < < Die dbb AG Justiz kam unter Leitung des stellvertretenden dbb Bundesvorsitzenden und Fachvorstands Beamten politik, Hans-Ulrich Benra, am 18./19. Juli 2016 zu einer Klausursitzung im dbb forum siebengebirge zusammen. „Eine starke Justiz benötigt eine starke Stimme in unserem Rechtsstaat“, sagte Benra. Er betonte damit das Ziel der dbb Justizgewerkschaften, ihre Anliegen gemeinsam gegenüber der Politik stärker vertreten zu wollen. Die Tagung diente dazu, justiz- und berufspolitische Positionen zu e rarbeiten.Dabei ging es sowohl um Fragestellungen zur Stärkung des Rechtsstaates als auch um veränderte Aufgaben in den unterschiedlichen Berufsfeldern der Justiz. > dbb magazin | September 2016 Am 11. August 2016 haben sich der dbb und der Kom munale Arbeitgeberverband Bayern (KAV Bayern) nach langen und schwierigen Ver handlungen in München auf einen neuen Tarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe in Bayern (TV-N Bayern) geei nigt. Für alle Beschäftigten gibt es eine lineare Entgelt erhöhung von tabellenwirk samen 4,75 Prozent. Weiter wurde die Entgeltgruppe F abgeschafft. Es gilt nun, die Entgeltgruppe 3b in allen bayerischen Nahverkehrs unternehmen zur Anwen dung zu bringen. dbb Bildung: In Sachsen fehlt der Lehrernachwuchs ©contrastwerkstatt – Fotolia.com Eine umfassende Analyse der Situation im Schulsys tem des Freistaates Sachsen stand im August 2016 im Mittelpunkt mehrerer Gespräche von dbb und GEW Sachsen mit Finanzminister Georg Unland und Kultusministerin Brunhild Kurth in Dresden. Aktuelle Prognosen bestätigen steigende Schülerzahlen in den nächsten Jahren. Der hohen Zahl von ausscheidenden Lehr kräften stehen aber zu wenige Studierende und Absolventen des Vorbereitungsdienstes ge genüber. Im Vorfeld des Ge sprächs hatte Kultusministerin Brunhild Kurth auf einer Pres sekonferenz zur Vorbereitung des neuen Schuljahres den Stand des Einstellungsverfah rens bekanntgegeben: Von 1 200 Stellen konnten zwei Tage vor Ende der Sommerferi en 1 148 besetzt werden, da von 45 Prozent nur durch die Einstellung von Seiteneinstei gern ohne Lehrerausbildung. „Der Freistaat Sachsen muss um gehend in attraktivere Arbeits bedingungen im Schulbereich investieren, ansonsten wird die Bildungsqualität zwangsläufig und langfristig zur Disposition gestellt“, forderte dbb Tarifchef Willi Russ. Dabei müsse der Ge nerationengerechtigkeit Rech nung g etragen werden. „Es gilt, die Einstellungsbedingungen für künftige Lehrkräfte zu ver bessern und genauso die Inte ressen der Lehrkräfte zu be rücksichtigen, die Sachsen zu einem hervorragenden Bil dungsstandort gemacht haben.“ Der stellvertretende Vorsit zende der dbb Bundestarif kommission, Jens Weichelt, er gänzte: „Jahrelang haben die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer für andere Bundeslän der ausgebildet, weil keine Ein stellungen zur Demografievor sorge erfolgten. Jetzt müssen wir dort um Lehrernachwuchs werben, aber wenn die Arbeits bedingungen hier nicht stim men, kann das nicht gelingen. Die Lehrerausbildung im Frei staat muss sich umgehend an unseren künftigen schulartund fächerspezifischen Bedar fen orientieren, sonst wird der Lehrermangel auch im nächs ten Jahrzehnt noch akut sein.“ Die Vertreter von Gewerkschaf ten und Staatsregierung ver ständigten sich die Gespräche im September fortzusetzen, um auf Basis der erfolgten Analyse Möglichkeiten zur Sicherung des künftigen Lehrerbedarfs auszuloten. > dbb magazin | September 2016 ©Jenny Sturm – Fotolia.com dbb Beschäftigte mit Behinderung im öffentlichen Dienst: Ohne Unterschied Kein Land verfügt über mehr Gesetze und Vereinbarungen, die behin derten Menschen einen Platz mitten in der Gesellschaft sichern sol len, als Deutschland. Auch der Anspruch auf eine angemessene Teil habe am Erwerbsleben ist gesetzlich geregelt, wobei der öffentliche Dienst seine Position als besonders behindertenfreundlicher Arbeit geber seit Jahrzehnten behauptet. Drei Schwerbehinderte berichten, wie sie ihren Arbeitseinsatz im öffentlichen Dienst erleben. Ihr Fazit: Integration g elingt, wenn alle Beteiligten weniger bewerten, was ein behinderter Bewerber nicht kann, sondern welche Fähigkeiten ihn für die jeweilige Aufgabe qualifizieren. Der Bundespolizist bahnhof, wo Holger Müller seit 2008 Dienst getan hatte, per sönlich Kontakt zur Vertrauens person der schwerbehinderten Menschen der Bundespolizeidi rektion Berlin aufgenommen. „Er rief an und erzählte mir, dass einer seiner besten Beam ten, einer, der immer vorne mit dabei sei, einen Schlaganfall hatte und fragte, ob wir etwas für Herrn Müller tun können“, erinnert sich Frank Richter. Richter informierte daraufhin seinen Stellvertreter Jürgen Pilz in Frankfurt/Oder. Pilz machte sich auf den Weg in Müllers 40 Kilometer entfernt gelegenen Wohnort Neuzelle. „Als ich Herrn Müller zum ers ten Mal besuchte, saß er im Rollstuhl, konnte nicht spre chen und nicht alleine essen. Frank und ich verständigten uns anschließend trotzdem, dass wir helfen wollen. Von da an haben wir Holger begleitet.“ Richter und Pilz, beide seit eini gen Wahlperioden freigestellte Mitglieder der fünfköpfigen Schwerbehindertenvertretung der für die Hauptstadt und die brandenburgischen Grenz inspektionen Angermünde, Frankfurt/Oder und Forst zu ständigen Bundespolizeidirek tion Berlin, vertreten die Anlie gen von rund 200 Beschäftigten mit Schwerbehinderung oder einer dieser entsprechenden „Gleichstellung“. Sie wussten aus ihren Erfahrungen, dass der Fall Holger Müller aus vielerlei Gründen äußerst knifflig wer den könnte. << Zurückgekämpft, Solidarität erfahren Dabei war die gesundheitliche Rehabilitation des Polizei hauptmeisters bei Weitem nicht das größte Problem: Mithilfe seiner eisernen Dis ziplin und der Unterstützung seiner Familie lernte Holger < < Drei Jahre nach seinem schweren Schlaganfall verrichtet Holger Müller seit Januar 2016 Dienst in der zentralen Asservatenverwertung der Bundespolizeidirektion Berlin, die in Frankfurt/Oder ihren Sitz hat. Der Bundespolizei hauptmeister beurteilt und verwertet „Deliktsgut“, Ge genstände aus Diebstählen oder – wie im Hintergrund zu sehen – Fahrzeuge, die bei Kontrollen der Bundespolizei aus dem Verkehr gezogen wurden. Fünf Monate Reha. Im Mai 2013 kam er wieder nach Hau se: als Pflegefall? Damit wollte er sich nicht abfinden. Müller kämpfte und erarbeitete sich in winzigen Schritten die Herr schaft über Kopf und Körper zurück. Zwischenzeitlich hatte der Lei ter der Bundespolizeiinspekti on auf dem Berliner Haupt > dbb magazin | September 2016 Jan Brenner fokus 12 An den Tag, der alles änderte, kann er sich kaum erinnern. „Ich fühlte mich nicht fit, hatte seit Januar eine schwere Erkäl tung verschleppt. Ich war zu Hause, wollte gleich los zum Frühdienst. Dann weiß ich nichts mehr.“ Vom ersten Schlaganfall, den Polizeihaupt meister Holger Müller am 12. März 2013 zu Hause im bran denburgischen Neuzelle erlitt, hätte er sich noch vollständig erholen können. Das haben sei ne Ärzte ihm später gesagt. „Am 15. März kam der Zweite. Der hat mich so schwer er wischt, dass ich danach alles neu lernen musste, wirklich al les.“ Binnen drei Tagen war Müller, 1,98 Meter groß, sport lich und seit 27 Jahren Polizist mit Leib und Seele, vom Helfer zum Hilfsbedürftigen gewor den – Genesungsprognose un gewiss. dbb << Wieder und immer noch ein guter Polizist Happy End? Müller zögert mit seiner Antwort. „Ich kam im Mai 2015 zur Eingewöhnung zunächst auf das Bundespoli zeirevier nach Eisenhütten stadt. Dort habe ich über Mo nate weiße Wände angestarrt, bis ich nach Frankfurt gefahren bin und gesagt habe: ,Gebt mir endlich Arbeit!‘ “ Wieder brach ten Richter und Pilz die Drähte ihres Netzwerks zum Glühen – und erfuhren, dass ein Kolle ge in der in Frankfurt beheima teten zentralen Asservatenver wertung zum Jahresende in Pension ging. Am 1. Januar 2016 trat Holger Müller die Stelle an. Er über nimmt Asservate nach deren Freigabe von der Asservaten verwaltung, beurteilt und ver wertet sie oder führt sie der Vernichtung zu. Bei den zu ver wertenden Asservaten handelt es sich überwiegend um soge nanntes Deliktsgut. Müller ist berechtigt, wieder ein Polizei fahrzeug zu führen und somit in der Lage, „zu verwertende Asservate mittels Kleintrans porter zu verbringen“, wie es im Polizeijargon heißt. Die Wo chenarbeitszeit des Bundesbe amten beträgt aufgrund seiner Schwerbehinderung 40 statt 41 Stunden. Holger Müller ist wieder und immer noch Polizist. Ist er zu frieden? „Ja“, sagt er, „es hätte alles viel schlimmer ausgehen können. Aber dass ich draußen keine Uniform mehr tragen darf, weil die Bevölkerung er warten kann, dass ein Polizist in Uniform voll handlungs- und bewegungsfähig ist, was bei mir ja nicht mehr der Fall ist, das tut mir sehr weh. Ich war lei denschaftlich gerne Polizist, am liebsten 25 Stunden am Tag.“ 13 < < Frank Richter, Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Bundespolizeidirektion Berlin (links), und sein Stellvertreter Jürgen Pilz haben Holger Müller auf seinem Weg zurück in den Polizeidienst tatkräf tig unterstützt. Die Berufsförderschullehrerin Wäre der Begriff nicht längst im allgemeinen Sprachge brauch verankert, für Kerstin Knauer hätte ihn jemand er funden: Netzwerkerin. Die 50-jährige Thüringerin ordnet die Aufgaben, die sie sich in den vergangenen 16 Jahren zu eigen gemacht hat, so struktu riert und besonnen in den Ak tenkoffer ihres Lebens, dass man meinen könnte, sie sei al les, was sie heute ist, immer schon gewesen: Lehrerin an einer Förderberufsschule, Ver trauensperson der schwerbe hinderten Menschen auf örtli cher und bezirklicher Ebene, ausgebildete Suchtkrankenhel ferin, Beraterin für das Betrieb liche Eingliederungsmanage ment von Langzeitkranken (BEM): „Im Januar 2015 habe ich bei der dbb akademie mei ne zertifizierte Fortbildung zur Gesundheitsmanagerin abge schlossen und dann gibt es auch noch meine Mitarbeit im tlv, dem Thüringer Lehrerver band“, führt Kerstin Knauer die Liste ihrer Mandate und Aktivi täten weiter. „Der tlv ist mir sehr wichtig, nicht nur, weil er im Februar 1990 in meiner Heimatstadt Saalfeld gegründet wurde. „Die Gewerkschaft gibt mir auch im mer wieder den nötigen Rück halt“, ergänzt sie und räumt auf Nachfrage überraschend ein, dass ihre heutige Laufbahn als Sozialnetzwerkerin für die im Thüringer Schulwesen beschäf tigten Kolleginnen und Kolle gen ganz und gar nicht zu ihren Berufswünschen gehört hatte. „Ich saß schon im Kindergarten an der Nähmaschine und habe mein geliebtes Hobby später zu meinem Traumberuf ge macht und hier in Saalfeld als Damenmaßschneidermeisterin ein eigenes Geschäft geführt. Das musste ich nach meinem Autounfall Anfang 2000 leider aufgeben, weil ich als Folge ei ner Wirbelsäulenverletzung kein Gefühl mehr in den Hän den hatte.“ << Vor den Trümmern des Lebenstraums Mit knapp 35 Jahren stand Kerstin Knauer mit einer Schwerbehinderung vor den Trümmern ihres Lebenstraums und ihrer Existenz. Dann hörte sie von einer Freundin, dass für den Förderbereich der Berufs schule im benachbarten Unter wellenborn Praktiker für den Unterricht gesucht würden. „Ich habe im April 2000 an gefangen, im Bereich Haus wirtschaft Wäsche- und Textil pflege zu unterrichten und zunächst für zwei Jahre als Honorarkraft gearbeitet, wäh rend ich mich nebenbei an der Uni Erfurt in Berufspädagogik qualifiziert habe. 2002 wurde ich unbefristet angestellt und habe dann auch gleich am Auf bau einer stärkeren Schwerbe hindertenvertretung mitge wirkt. Denn als ich anfing, hat sich niemand besonders um meine Bedürfnisse als Schwer behinderte gekümmert.“ 2008 kandidierte Kerstin Knau er zum ersten Mal als Vertrau ensperson und wurde seitdem in jeder Wahlperiode bestätigt. Inzwischen gehören sie und ihre Stellvertreterin auch der bezirklichen Schwerbehinder > dbb magazin | September 2016 fokus Da Holger Müller seinen Auf gaben als Bundespolizist bis zum Schlaganfall ohne Fehl und Tadel nachgekommen war, zogen schließlich alle an einem Strang: Auf Initiative der Schwerbehindertenvertretung und ehemaliger Vorgesetzter, mit Unterstützung des Perso nalrates und Billigung des Prä sidenten der Bundespolizeidi rektion Berlin kehrte Müller am 4. Mai 2015 ohne amts ärztliches Gutachten in den Polizeidienst zurück. Jan Brenner Müller wieder laufen, sprechen und essen, er stieg stundenlang Treppen, machte Kraftsport und ging zum Boxtraining, um seine Motorik zu schulen. Als es ihm körperlich besser ging, nahm er Fahrstunden, um wie der Auto fahren zu dürfen. Der Haken war – sein Alter. „Holger war 52, als er den Schlaganfall bekam. Bis 55 werden derartige Fälle in der Regel vom Amtsarzt auf ihre Polizeidienstfähigkeit untersucht und bei Nichteig nung zur Umschulung für den Verwaltungsdienst geschickt. Das bedeutet Wegfall der Poli zeizulage und der Heilfürsorge und Pensionierung nicht mit 61 ½ Jahren, wie im Polizei dienst üblich, sondern mit 66 ½“, erklärt Frank Richter. „Keine Perspektive für unseren Kollegen Müller.“ dbb fokus 14 Doch sie verschweigt auch nicht, dass die Zuständigkeiten für die Belange behinderter Menschen die Integrationsämter (Bewilligung von Sach leistungen), Schulämter (per sönliche Belange, Zuständigkeit nach Arbeitsort) sowie die Städte beziehungsweise Land kreise als Sachaufwandsträger unter sich aufteilen, in einem Flächenland wie Thüringen für enorm viel Bürokratie und – auch als Folge anhaltender Verwaltungsreformen – für sehr weite Wege sorgen. „Das für unseren Landkreis Saalfeld- Rudolstadt zuständige Schul amt befindet sich mittlerweile in Suhl. Da fahren wir hin- und zurück rund 150 Kilometer mehrheitlich Landstraße, im Winter gibt es im Thüringer Wald viel Eis und Schnee: Das kostet Zeit. Zum Integrations amt nach Gera ist es zwar nicht ganz so weit. Trotzdem müssen wir viel mehr Dinge telefonisch erledigen, als uns lieb ist“, bedauert Kerstin Knauer. << Besser als mancher Comedy-Sketch Dann macht sie an zwei aktu ellen Beispielen klar, dass die Wirklichkeit, die ihr als Vertrau ensperson für schwerbehinder te Menschen entgegentritt, manchmal abgefahrener ist als jeder Comedy-Sketch. „Wir ha ben für eine stark sehbehinder te Lehrerin eine beleuchtete Leselupe beantragt. Deren Be schaffung musste vom Integra tionsamt genehmigt und finan ziert werden. Da die Lupe aber elektrischen Strom braucht, musste anschließend der Land kreis als Sachaufwandsträger genehmigen, dass im Klassen raum die notwendigen Streck dosen verlegt werden. Das hat Christine Bonath tenvertretung an. „Wir haben in den Jahren verlässliche Strukturen aufgebaut.“ < < Wenn etwas kreuz und quer läuft, lächelt Kerstin Knauer ihren Frust auch schon mal weg: Als Vertrauensperson der Schwerbehinderten Menschen muss sich die Förderberufsschullehrerin aus dem thüringi schen Saalfeld oft mit dem Übermaß an Bürokratie auseinandersetzen, das durch unterschiedliche Zuständigkeiten verursacht wird. ein paar Monate gedauert, und als alles durch war, ging die Kollegin in Rente.“ Oder die Sache mit dem Umzug eines Schulbereiches in ein re noviertes Gebäude, das vor gut drei Monaten als barrierefrei übergeben wurde: „Dort gibt es einen Fahrstuhl, der – aus uns nicht bekannten Gründen – nur vom Keller aus bedient werden kann. Eine schwer geh behinderte Kollegin, die dort unterrichtet, muss jetzt mit ih ren Krücken jedes Mal über die Treppe in den Keller laufen, um den Aufzug zu benutzen. Mir wurde zugesagt, dass der Man gel bis nach den Sommerferien behoben ist. Ich bin gespannt“, sagt Kerstin Knauer und schaut halb belustigt, halb resigniert. „Meine Kollegin und ich bieten zweimal die Woche persönliche Beratungen an, wir sind telefo nisch und per E-Mail ansprech bar, pflegen viele Kontakte zu zuständigen Sachbearbeitern, Ärzten und Einrichtungen und wir müssen jede Menge Papier kram erledigen. Es gibt noch so viel zu tun, wofür unser zeitli cher Aufwand gar nicht aus reicht.“ Der Zollbeamte Markus Samhammer lässt sich jeden Morgen vorlesen. Er tut das aber nicht im Kindergar ten, sondern in seinem Büro und er möchte auch keine Mär chen hören, sondern Namen, Daten und Fakten. Der Zollbe amte ist blind und arbeitet im Hauptzollamt München als Sachbearbeiter in der Kfz-Steu erstelle. „Ich kann alle digita len Schriften in meinem Com puter bearbeiten. Es macht aber keinen Sinn, wenn ich handschriftliche Anträge oder Vermerke einscanne. Deshalb müssen die Kollegen mir manchmal vorlesen. Ich tippe die Angaben dann schnell in den PC, was ich für die An tragsbearbeitung noch brau che, kann ich mir dann wieder aus der EDV holen“, sagt der 50-Jährige und checkt jetzt sei > dbb magazin | September 2016 ne Mails, die ihm der Computer nach Eingang, Betreff und Ab sender vorliest. „Die Sprachangabe und die Braillezeile hier unterhalb der Tastatur ersetzen meine Au gen“, kommentiert Samham mer die Besonderheiten seines mit Blindentechnik ausgestat teten Arbeitsplatzes. „Wir Blinden müssen uns halt viel merken“, sagt er mit einer Be tonung, als sei das das gerings te Problem. Dabei ist es aus Sicht der Sehenden ganz sicher das größte. auch auf dem Weg von und zur Arbeit: „Ich habe ein gutes Ori entierungsvermögen, das ist nicht bei allen Blinden so. Wenn ich einen Weg einmal gegangen bin, finde ich mich zurecht“, erklärt er. „Außerdem kenne ich mich in München aus“, fügt er lächelnd hinzu, „ich fahre jeden Tag Bus und Straßenbahn und sollte ich mal umziehen, hilft mir ein Mobili tätstrainer, die wichtigsten Wege kennenzulernen. So war das auch, als ich 1987 nach Re gensburg gezogen bin.“ << Das Sich-merken-Müssen be trifft schließlich nicht nur die Bearbeitung von Kfz-Steuer bescheiden, sondern jeden Schritt, den Samhammer tut, sowohl im Dienstgebäude als Postbeamter mit Faible für Computer-Router Dort hatte der Pfarrerssohn, der mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen ist, bei der Deutschen Bundespost eine Anwärterstelle im mittleren nichttechnischen Verwaltungs dienst angetreten. „Ein Freund rief damals an und erzählte mir, dass die Post in Regens burg eine Blinden-Stelle ausge schrieben hat“, blickt Samham mer zurück. „Der Anruf hat mein Leben verändert. Eigent lich wollte ich nach der mittle ren Reife Abitur machen und Sozialpädagogik studieren, hatte dann aber Bedenken, wegen meiner Behinderung keine Stelle zu finden.“ Als er drei Jahre später zurück nach München kam, war seine Laufbahn im mittleren Postverwaltungsdienst auf gutem Weg. Aus der Bundespost wur de Telekom und Samhammer kam wegen seiner Fähigkeit, komplexe Vorgänge sehr gut Christine Bonath dbb „Herr Samhammer wurde ge nommen, weil er gut war, und nicht, weil er schwerbehindert ist“, ergänzt Joachim Geiger, Vertrauensperson der schwer behinderten Menschen im Hauptzollamt München, der das Auswahlverfahren gemein sam mit dem Personalrat da mals begleitet hatte. „In dieser Hinsicht hat sich bei uns in der Bundeszollverwaltung einiges zum Besseren entwickelt“, er gänzt Geiger, der für die Belan ge der rund 52 schwerbehin derten oder gleichgestellten Beschäftigen im Hauptzollamt München eintritt. „Früher hat man bei der Einstellung auf die Defizite geschaut, mittlerweile < < Markus Samhammer kann die Informationen auf seinem Display nicht sehen. Sprachangabe und Braillezeile (kleines Bild oben links) seines mit Blindentechnik ausgestatteten Arbeitsplatzes in der Kfz-Steuerstelle ermög lichen es dem Zollhauptsekretär, seine Sachbearbeitertätigkeit selbstständig auszuführen – wie er Joachim Geiger, Vertrauensperson der Schwerbehindertvertretung im Münchener Hauptzollamt, demonstriert. wird mehr darauf geachtet, welche Fähigkeiten ein Bewer ber mitbringt.“ << Zollhauptsekretär und Inklusionsratgeber Dass bei Markus Samhammer Kompetenz weit vor Handicap steht, bestätigt auch Dirk Schneider, der als Fachgebietsleiter im Sachgebiet 4 Dienst vorgesetzter der 22 Mitarbei terinnen und Mitarbeiter in der Kfz-Steuerstelle ist. „Als ich im Mai 2014 hörte, dass unter den neuen Mitarbeitern auch ein Blinder ist, war ich zunächst erschrocken, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie er die Sachbearbeitungsaufgaben erledigen kann. Herr Samham mer hat sich aber sehr schnell in die für ihn ja zunächst völlig fremde Materie eingearbeitet und gezeigt, dass er – mit we nigen Ausnahmen – alles kann, was die anderen auch können.“ Im April 2015 wurde Markus Samhammer zum Zollhauptse kretär ernannt. Seine Wochen arbeitszeit beträgt aufgrund seiner Schwerbehinderung 40 anstelle von 41 Stunden. Und „so ganz nebenbei“ hält er an der Münchener Universität vor Lehramtsstudenten Vorträge zur Inklusion von Blinden. Und erklärt Grundschülern, wenn sie das Auge durchnehmen, dass er mit nur sechs Monaten viel zu früh auf die Welt ge kommen ist. Dass seine Augen durch den vielen Sauerstoff zerstört wurden, den er im Brutkasten bekommen hat, weil die Versorgung von Früh geborenen 1966 noch am An fang stand. Dann fragen die Kinder meist Sachen wie: Kriegst du allein Zahnpasta auf die Zahnbürste? Oder: Wie weißt du, welche Farbe deine Socken haben? Wenn sie dann fragen, wie schlimm es ist, blind zu sein, antwortet er: Ich bin es nicht anders gewöhnt.“ Christine Bonath << Beschäftigte mit Behinderung Öffentlicher Dienst liegt vorn Mit 6,6 Prozent schwerbehinderten Beschäftigten liegen die öffentlichen Arbeitgeber deutlich vor den privaten, die eine Quote von 4,1 Prozent vorweisen und die gesetzlichen Vorga ben nicht erfüllen. Das geht aus der im März 2016 von der Bun desagentur für Arbeit veröffentlichten „Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen (BsdM)“ hervor, die sich auf das Berichtsjahr 2014 bezieht. Insgesamt betrug die Beschäftigten quote in Deutschland 2014 4,7 Prozent. Alle privaten und öf fentlichen Arbeitgeber ab 20 Beschäftigte sind verpflichtet, fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Men schen zu besetzen (SGB IX Teil 2 Kapitel 2 Beschäftigungs pflicht). Wird die Pflichtquote nicht erfüllt, muss eine Aus gleichsabgabe an das für den Arbeitgeber zuständige Integrationsamt geleistet werden. Weitere Informationen: http://goo.gl/v4Kp90 > dbb magazin | September 2016 15 fokus Anfang 2014, als die Verwal tung der Kraftfahrzeugsteuer von den Finanzbehörden der Länder auf den Bund übertra gen wurde und die nunmehr zuständige Zollverwaltung für diese zusätzliche Aufgabe nach geeignetem Personal suchte, klopfte das Schicksal ein wei teres Mal bei Markus Sam hammer an: „Ich las eine Stel lenausschreibung, die auch innerhalb der Telekom verbrei tet wurde und dachte mir: Die letzten zehn bis 15 Berufsjahre machst’ noch mal was anderes. Also habe ich mich beworben – mit Erfolg.“ Christine Bonath koordinieren zu können, in den technischen Bereich: „Ab Mitte der 90er-Jahre habe ich im Onlinesupport für InternetRouter gearbeitet.“ Wussten die Kunden, dass er blind ist? Sein Lächeln wird breiter: „Nein, nur ein paar Techniker, mit denen ich zu tun hatte.“ dbb Bundesteilhabegesetz und Nationaler Aktionsplan: Andi Weiland | Gesellschaftsbild Gut gemeint, nicht gut gemacht? fokus 16 Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) und dem Nationalen Aktionsplan (NAP) 2.0 hat das Bundes kabinett Ende Juni 2016 zwei wichtige behinderten politische Vorhaben beschlossen. Das erklärte Ziel ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die Inklusion in Deutschland weiter zu verbessern und Menschen mit Behinderungen mehr Selbstbestim mung und Teilhabe zu ermöglichen. Die Betroffenen sind wenig begeistert von dem Gesetzespaket, das über zehn Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung betreffen wird, davon rund 7,5 Millionen Schwerbehinderte. „Wir haben heute mit dem Bundesteilhabegesetz eine der großen sozialpolitischen Reformen dieser Legislatur be schlossen. Wir schaffen mehr Selbstbestimmung und Teilha be, indem wir die Verfahren vereinfachen und den Wün schen und Vorstellungen von Menschen mit Behinderungen mehr Gewicht verleihen“, be kräftigte die Bundesministerin für Arbeit, Wirtschaft und > dbb magazin | September 2016 oziales, Andrea Nahles, am S 28. Juni 2016 in Berlin auf der Pressekonferenz zum Kabi nettsbeschluss. Die Bundesre gierung wolle mehr möglich machen und weniger behin dern: „ Mit unserem Gesetz soll es niemandem schlechter gehen, aber den meisten bes ser. Zusammen mit dem Natio nalen Aktionsplan 2.0 und auch dem Behinderten-Gleich stellungsgesetz, das voraus sichtlich im Juli in Kraft treten wird, kommen wir so ein gutes Stück voran hin zu einer inklu siven Gesellschaft.“ Mit dem BTHG soll die Einglie derungshilfe aus dem „Fürsor gesystem“ der Sozialhilfe her ausgeführt werden. Es soll mehr individuelle Selbstbe stimmung durch ein modernes Teilhaberecht und die dafür notwendigen Unterstützungs leistungen ermöglichen. Bezie her von Leistungen der Einglie derungshilfe sollen deutlich mehr vom eigenen Einkommen behalten und sparen können, ohne dass Ehegatten und Le benspartner künftig mit ihrem Einkommen oder ihrem Ver mögen herangezogen werden. Die Verbesserungen sollen auch beim gleichzeitigen Be zug von Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege gelten, wenn der Betroffene erwerbs tätig ist. Ein einziger Reha-An trag soll künftig ausreichen, um alle benötigten Leistungen von verschiedenen Trägern „wie aus einer Hand“ zu erhal ten, eine ergänzende unabhän gige Teilhabeberatung soll die Betroffenen zudem stärken. << Weitreichende Vorhaben ... Darüber hinaus soll das Geset zespaket Menschen mit Behin derungen bundesweit mehr Teilhabe am Arbeitsleben er möglichen und die Rechte der Schwerbehindertenvertretun gen in Unternehmen und Werkstatträten stärken. Ein ei genes Kapitel zur Teilhabe an Bildung soll erstmals Assistenz leistungen für höhere Studien abschlüsse ermöglichen. Dazu wird unter anderem in der Sozi alen Teilhabe ein eigener Tatbe stand für Elternassistenz einge führt und das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit Behinderungen gestärkt. Auch die Neuauflage des Nati onalen Aktionsplans zur Um dbb „Das Bundesteilhabegesetz, das angeblich Menschen mit Behinderungen Verbesserun gen bringen soll, ist eine Mo gelpackung. Es ist enttäu schend, dass man sich im Koalitionsausschuss auf den jetzigen Entwurf geeinigt hat, der sogar Verschlechterungen für Menschen mit Behinderun gen bringt“, sagt zum Beispiel Raul Krauthausen, Aktivist und Gründungsmitglied des Netz werks Abilitywatch, einem Zu sammenschluss behinderter Menschen, die sich für gleich berechtigte Teilhabe und ein Recht auf ein selbstbestimm tes Leben von Menschen mit Behinderungen einsetzen. << ... herbe Kritik Bereits im Mai 2016 hatten sich Rollstuhlfahrer und andere behinderte Menschen aus ganz Deutschland im Rahmen einer Aktion des Netzwerks in der Nähe des Bundestages aus Pro test angekettet, um auf die Mängel des Gesetzentwurfes aufmerksam zu machen. Zu dem protestieren Hunderte Betroffene auf Twitter unter dem Hashtag „#nichtmeinGe setz“. Es sei enttäuschend, dass die Bundesregierung trotz der von vielen Verbänden und Gewerk schaften dargelegten Mängel des Entwurfes mit ihrem Kurs fortfahre: „Die Bundesregie rung verhält sich wie ein Geis terfahrer auf der Autobahn, der glaubt, alle anderen fahren falsch“, sagt Raul Krauthausen. „Die behinderten Menschen sind dagegen, die Elternver bände, die Sozialverbände, die Gewerkschaften – für wen macht die Regierung dieses Gesetz denn eigentlich, wenn es so niemand haben möchte?“ neu hineingekommene „5-aus9-Regelung“, nach der zum Bei spiel eine sehbehinderte Stu dentin, die auf Assistenz beim Lesen an der Uni angewiesen sei, die Assistenz künftig nicht mehr finanziert bekäme, weil sie nicht in 5 von 9 Lebensbe reichen, wie im Gesetz vorge sehen, Hilfe benötige. „Sorry, du bist nicht behindert genug für Assistenz in dem einen Be reich. Das hört sich fast zynisch an, aber genau so ist es im Ge setzentwurf formuliert“, er klärt Krauthausen und zählt einige weitere Mängel im Ge setz auf. Seien behinderte Menschen zum Beispiel auf persönliche Assistenz angewiesen, erhiel ten sie zumeist Eingliederungs hilfe und Hilfe zur Pflege. Doch nur die Eingliederungshilfe werde aus dem Sozialhilferecht Lediglich in der Gesetzesbe gründung sei ein Bestands schutz hinzugefügt worden, der besage, dass das, was vor her angemessen war, auch an gemessen bleibe. „Das ist gut für die, die wohnen, wie sie möchten, aber eine Katastro phe für diejenigen, die noch im Heim leben müssen oder erst mals von ihren Eltern auszie hen möchten“, so Krauthausen, der mit seiner Kritik nicht allein steht. So kritisierte auch der Deut sche Behindertenrat (DBR) das Gesetzesvorhaben: „Der Ent wurf für ein Bundesteilhabege setz stellt den Deutschen Be hindertenrat nicht zufrieden. Als das wichtigste behinder tenpolitische Reformvorhaben dieser Legislaturperiode darf es in der vorliegenden Form nicht vom Bundestag und Bundesrat fokus 17 Andi Weiland | Gesellschaftsbild setzung der UN-Behinderten rechtskonvention (NAP 2.0) soll die Inklusion von Menschen mit Behinderungen durch 175 Maßnahmen in 13 Handlungs feldern fördern. Es geht dabei unter anderem um die Verbes serung der Barrierefreiheit in Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen, beschäftigungspo litische Programme im Umfang von 230 Millionen Euro, eine Repräsentativbefragung, bei der erstmals umfassende Da ten über die tatsächliche Teil habesituation von Menschen mit Behinderungen in Deutsch land erhoben werden, sowie die Einführung eines einheitli chen Kennzeichnungssystems im Tourismussektor, das für mehr Transparenz bei behin dertengerechtem Reisen sor gen soll. Bundesministerin Nahles sagte auf der Presse konferenz: „2016 ist ein Fort schritt bringendes Jahr für Menschen mit Behinderun gen.“ Was gibt es also zu kriti sieren, wenn die Bundesregie rung scheinbar ein Füllhorn von Wohltaten über die Men schen mit Behinderungen aus schüttet? < < Am 11. Mai 2016 ketten sich Aktivistinnen und Aktivisten nahe der Grundgesetztafeln am Bundestag für ein gutes Teilhabegesetz an. Das hatten Raul Krauthausen und Sigrid Arnade, Geschäfts führerin der Interessenvertre tung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V., bereits auf einer SPD-Tagung zum Bundes teilhabegesetz plastisch ge macht, indem sie die nur von Nichtbehinderten besetzte Diskussionsrunde enterten und ihre Sicht der Dinge darlegten. Das Gesetz berge zu viele Un gereimtheiten und Verschlech terungen, wie zum Beispiel die herausgelöst, die Hilfe zur P flege bleibe Sozialhilfe. „Das bedeutet, dass eventuelle Ver besserungen in der Eingliede rungshilfe diesen Betroffenen rein gar nichts bringen.“ Weiter habe bisher der Grundsatz ge golten: ambulant vor stationär. Dieser Vorrang entfalle, sodass das Wohnen in den eigenen vier Wänden künftig oft nur dann „erlaubt“ werden wird, wenn es günstiger oder ein Le ben im Heim unzumutbar sei. beschlossen werden“, erklärte Ulrike Mascher, Vorsitzende des Sprecherrats des DBR und Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, vor dem Kabinettsbeschluss. „Men schen mit Behinderung müs sen materiell besser- und nicht schlechtergestellt werden gegenüber dem geltenden Recht“, forderte Mascher. Der DBR sehe im geplanten Bun desteilhabegesetz die Gefahr von Leistungseinschränkungen > dbb magazin | September 2016 < < Selbstbestimmtes Wohnen steht ebenso im Fokus des Bundesteil habegesetzes ... und weiteren möglichen Ver schlechterungen für Menschen mit Behinderungen. fokus 18 << Zu viele Einschränkungen Zwar gebe es auch positive Ansätze, jedoch überwögen die negativen Aspekte. Inak zeptabel seien vor allem Ein schränkungen des leistungs berechtigten Personenkreises, Leistungsausschlüsse oder -ein schränkungen, die grundsätzli che Beibehaltung der Einkom mens- und Vermögensgrenzen für Menschen mit Behinde rung, der Vorrang der Leistun gen der Pflegeversicherung vor Leistungen der Eingliederungs hilfe sowie die Aushöhlung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ beziehungsweise des Wahlrechts von Menschen mit Behinderung, etwa beim Wohnen. Mascher appellierte an Bundestag und Bundesrat, das Gesetz nachzubessern und sich für eine echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von Menschen mit Behinderung einzusetzen. Das Teilhabegesetz in seiner jetzigen Form sei ein Sparpaket auf dem Rücken behinderter Menschen, kritisierte der Vor stand des Paritätischen Lan > dbb magazin | September 2016 desverbands Brandenburg, Andreas Kaczynski gegenüber dem RBB. „Künftig sollen Men schen mit Behinderungen nur noch Anspruch auf Hilfeleis tungen haben, wenn sie Bedarf in mehreren Bereichen nach weisen können“, erklärte der Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände, Martin Matz. „Mit dieser hohen Hürde soll die Zahl der Leistungsemp fänger niedrig gehalten wer den.“ Doch alle Betroffenen hätten das Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine angemessene Be schäftigung in der Arbeitswelt, so Matz. Von einem „Gesetz nach Kassenlage“ sprach der stellvertretende Direktor der PARITÄTISCHEN BuntStiftung Thüringen, Stefan Werner. Nach Auffassung des PARITÄTI SCHEN komme es auch, wenn die Freigrenze bei der Vermö gensheranziehung auf 25 000 Euro erhöht werde, kaum zu Verbesserungen. Denn auf die Heranziehung von Einkommen werde nicht verzichtet, son dern ein neues, kompliziertes, mehrstufiges Verfahren für die künftige Anrechnung einge führt. Es seien diese und viele andere Detailregelungen, die das Gesetz für die etwa 30 000 Betroffenen in Thüringen nicht akzeptabel machten. „Blinde, sehbehinderte und taubblinde Menschen dürfen nicht zu Verlierern des Bundes teilhabegesetzes werden“ heißt es in einer Resolution, die der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbe hindertenverbandes (DBSV) verabschiedet hat. Das Forde rungspapier nennt zehn The menbereiche, in denen der Verband massiven Nachbesse rungsbedarf sieht – vom völli gen Ausschluss sehbehinderter Menschen von der Eingliede rungshilfe über Bildungsein schränkungen bis zu Benachtei ligungen bei der Blindenhilfe. Diese und ähnliche Bedenken stehen exemplarisch für Be fürchtungen, die von allen Wohlfahrtsverbänden und Be hindertenbündnissen bundes weit geteilt werden. Kritische Stellungnahmen zum Gesetz haben neben anderen der Ar beiterwohlfahrt Bundesver band, der Deutsche Blindenund Sehbehindertenverband, der Deutsche Olympische Sportbund, der Deutsche Schwerhörigenbund, der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studi um und Beruf, der Deutsche Verein für öffentliche und pri vate Fürsorge, der Sozialver band Deutschland und der So zialverband VdK Deutschland eingebracht. << Schwerbehinderten vertretungen stärken Auch der dbb hat Kritik am BTHG geäußert. Bei einer Anhö rung zum Entwurf des Bundes teilhabegesetzes am 24. Mai 2016 in Berlin machte dies Heinz Pütz, Vorsitzender der Ar beitsgruppe Behindertenpolitik des dbb, deutlich. Zwar seien einige mit der Reform des Sozi algesetzbuches (SGB) IX verbun dene Forderungen des dbb auf gegriffen worden. „So gibt es beispielsweise Verbesserungen beim Hinzuverdienst, und das Schonvermögen wird erhöht“, sagte Pütz. „Aber die Stärkung der Rechte von Schwerbehin dertenvertretungen geht uns nicht weit genug. Hier sieht der dbb noch Handlungsbedarf.“ So dürften bei Umorganisationen auch im öffentlichen Dienst kei ne vertretungslosen Zeiten ent stehen. „Es gibt keine Rechtfer tigung dafür, die Beschäftigten im öffentlichen Sektor dabei an ders zu behandeln als in der Pri vatwirtschaft.“ Der vorgelegte Referentenent wurf des Bundesteilhabegeset zes vereint erstmals das Rehaund Teilhaberecht sowie die aus ©Dan Race – Fotolia.com ©Jenny Sturm – Fotolia.com dbb < < ...wie Menschen, deren Behinderung in bestimmten Situationen Assis tenzleistungen erfordert. dbb dem SGB XII herausgelöste Ein gliederungshilfe „unter einem Dach“. Dies sei ebenso zu be grüßen wie der neue Behinde rungsbegriff, der jetzt um Sin nesbeeinträchtigungen ergänzt wird und auch Wechselwirkun gen mit einstellungs- und um weltbedingten Barrieren be rücksichtigt. „Damit steht der Begriff erstmals auch im Kon text gesellschaftlicher Entwick lungen. Regelungen zur sozia len Teilhabe können so besser mit Leben erfüllt werden.“ Scharfe Kritik übt der dbb dar an, dass sich der Personenkreis, der die Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen kann, ver kleinern könnte, weil der Ge setzentwurf das Erfordernis einer „erheblichen Teilhabe beeinträchtigung“ vorsieht. „Sollte der entsprechende Ge setzespassus nicht geändert werden, muss es zumindest eine angemessene Vertrauens schutzregelung für derzeitige Bezieher der Eingliederungshil fe geben“, forderte Pütz. Der dbb begrüße, dass künftig mehr Wert auf die individuelle Beratung Betroffener und eine verbesserte Koordinierung von Leistungen gelegt werden soll. << NAP 2.0 geht am öffent lichen Dienst vorbei Auch zur parallel laufenden Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans 2.0 der Bundesre gierung zur UN-Behinderten rechtskonvention hat der dbb Stellung genommen. Grund sätzlich sei das Vorhaben po sitiv zu bewerten, sagte der stellvertretende dbb Bundes vorsitzende Ulrich Silberbach vor der Anhörung zu dem Ge setzentwurf am 20. Mai 2016 in Berlin. Dennoch mahne der dbb weiterreichende Schritte im Bereich des öffentlichen Dienstes an: „Dem öffentlichen Dienst als größtem Arbeitgeber Deutschlands kommt aus unse rer Sicht eine Vorreiterrolle zu“, so Silberbach. „Ziel muss es sein, im ‚eigenen Haus‘ einen vorbildlichen Umgang und ein inklusives Zusammenarbeiten selbstverständlich werden zu lassen und zu einer Verbesse rung der beruflichen Teilhabe betroffener Menschen gemäß der UN-Behindertenrechtskon vention zu kommen.“ So sei der öffentliche Dienst im Handlungsfeld Arbeit und Beschäftigung in dem Entwurf noch nicht ausreichend in den Fokus gerückt. „Schließlich kommt ihm faktisch eine Dop pelrolle zu: Der öffentliche Dienst schafft einerseits die Voraussetzungen, etwa durch die Umsetzung gesetzlicher Änderungen und die Steuerung von Förderungsmaßnahmen. Zum Anderen ist er selbst Ar beitgeber. Stärker als bislang müssten Beschäftigungsmög lichkeiten für schwerbehinder te Menschen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. „Auch für behinderte Auszubil dende wird im öffentlichen Dienst noch lange nicht genug getan oder in Aussicht gestellt, um eine tatsächliche Inklusion zu erreichen. Es müssen kon krete Maßnahmen entwickelt werden, auch um vor dem Hin tergrund des demografischen Wandels erfolgreich Nach wuchs zu gewinnen.“ Kritisch sehe der dbb auch, dass im Nationalen Aktions plan 2 – wie bereits im NAP 1 – Interessen und Bedürfnisse älterer Menschen nur unzurei chend berücksichtigt werden: „Hinweise auf konkrete aktuel le Maßnahmen sucht man lei der vergebens“, so Silberbach. Auch wenn es um eine verbes serte persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderung geht, gebe es zwar zutreffende Feststellungen. „Es werden aber keine praktischen Konse quenzen daraus gezogen.“ Fer ner plädiert der dbb in seiner Stellungnahme auch für eine weitergehende Stärkung der Rechte der Schwerbehinder tenvertretungen. Das Bundesteilhabegesetz wird voraussichtlich im Herbst 2016 in Bundesrat und Bundes tag behandelt. br > dbb magazin | September 2016 dbb Standpunkt: fokus 20 Inklusion ist, wenn je der Mensch die gleiche Chance bekommt. Was für ein wohlklingender Allgemeinplatz. Leider wird er selten verstan den. Von Gleichmache rei ist dann die Rede, davon, dass nun einmal nicht jeder Mensch gleich sei. Naja, außer eben vor dem Gesetz und, wie manch einer anfügen würde, auch vor Gott. Aber wir sind hier ja weder das Ge setz noch Gott, und die Schule ist erst recht kei nes von beiden. In der Schule ginge es doch eben gerade darum, dass nicht alle gleich sind; sonst könne man einfach jedem Sechst klässler direkt sein Abi tur in die Hand drücken. Solche Dinge sagt man mir. Die Leute meinen das gar nicht böse, allerdings sehr ernst. Dass die gleiche Chance nicht heißt, dass jeder sie gleicher maßen zu nutzen vermag, ist offenbar ein schwer greifbares Konzept. Dabei ist es ganz leicht. Nehmen wir Peter und Paul. Peter ist nicht behindert, Paul ist blind. Sie gehen in die selbe Klasse. Ihre Lehrerin, Frau Müller, möchte, dass alle Schü ler, auch Peter und Paul, eine Hausaufgabe anfertigen. Dafür sollen sie Goethes Faust lesen und den Inhalt auf einer hal ben Seite zusammenfassen. Frau Müller hasst das 21. Jahr hundert und entziffert in ihrer Freizeit gern unlesbare Hand > dbb magazin | September 2016 ©denys_kuvaiev – Fotolia.com „Behinderte sind nicht automatisch doof“ schriften und möchte deswe gen, dass alle Schüler ihre Auf gabe per Hand erledigen. Das ist weniger weit hergeholt, als man meinen würde. Ich hatte solche Lehrer. Peter setzt sich nach der Schule hin, liest brav seinen Faust und krakelt mit seiner Sauklaue eine halbe Seite aufs Papier. Paul hört sich Goethes Meisterwerk als Hör buch an, hat vielleicht sogar einen hellen Gedanken, even tuell sogar einen helleren als Peter, kann ihn aber nicht auf schreiben, weil er zum Schrei ben seinen Computer braucht. Peter und Paul haben nicht die selben Chancen, unabhängig davon, was am Ende als Ergeb nis rumkäme. Ich bin wirklich der letzte Mensch auf Erden, der das Abi tur für alle fordert oder möch te, dass immer noch mehr Studenten in immer noch kür zeren Intervallen durch immer noch leichtere Studiengänge geprügelt werden. Nenne man mich konservativ, aber ich fände es zielführender und zu kunftsweisender, wenn wir die Haupt- und Realschulabschlüs se wieder attraktiver gestal ten, indem wir dafür sorgen, dass auch jemand ohne Bache lor noch einen Job bekommt, bei dem er nicht jeden Monat am 15. anfangen muss, seine Tischdecke zu essen. Behinderte sind nicht automa tisch doof. Ich weiß, das kommt für viele als Schock, und man che müssen es sicher kurz sa cken lassen. Nehmen Sie sich die Zeit. Wir sind eine zutiefst segregierte Gesellschaft. Wie viele Behinderte kennen Sie? Mit wie vielen waren Sie in ei ner Klasse, wie viele sind Ihre Nachbarn, wie viele arbeiten in Ihrem Büro? Die meisten Men schen, die ich das von Ange sicht zu Angesicht frage, erzäh len mir, dass die Tante der besten Freundin ihrer Schwes ter im Rollstuhl sitzt. Und dass ihr Nachbar ein Hörgerät trüge, aber der sei über 80, man wisse also nicht genau, ob der dann trotzdem behindert oder ein fach nur alt sei. Von 80,6 Millionen Deutschen sind 10,2 Millionen behindert. Das ist mehr als jeder Achte. Das habe ich ganz fix ausge rechnet, obwohl ich behindert bin. Fast 13 Prozent der Bürger in diesem Land haben irgend eine Behinderung. Ist jeder Achte in Ihrem Büro behindert? In Ihrer Nachbarschaft? In Ih rem sonntäglichen Lesezirkel? In der Schlange an der Super marktkasse? Beim Gottes dienst? Irgendwo? Nein! Behinderte sind unsichtbar. Wir werden, wenn wir Pech ha ben, von Kindesbeinen an weg geschoben, dahin, wo man uns nicht ansehen muss. Auf unse re eigenen Schulen, in unsere eigenen Wohnheime und in unsere eigenen Werkstätten und später dann in Altenhei me, in denen wir nicht auffal len, weil da keiner mehr so richtig ganz und heil ist. dbb << Die Autorin ... ... Jahrgang 1989, wurde in Elmshorn bei Hamburg ge boren und lebt seit 2009 in Berlin. Sie studierte Politik wissenschaft und Zeitge schichte in Berlin und Pots dam. Linke hat das A sberger Syndrom, eine Form des Au tismus, die die Fähigkeit ein schränkt, nicht sprachliche Signale wie etwa Gestik, Mi mik oder Blickkontakt bei anderen Personen zu erken nen und selbst auszusenden, was das Kontakt- und Kom munikationsverhalten der Betroffenen eingeschränkt und stereotyp erscheinen lassen. 2014 erschien das erste Mal die von ihr gegrün dete Zeitschrift N#MMER für Autisten, ADHSler und Inter essierte. Es gibt sicherlich Behinderte, die gern auf ihre eigenen Schu len gehen, in die sie mit ihren eigenen Bussen gefahren wer den, und die freuen sich dann auch, wenn sie in ihrer eigenen Werkstatt ihre eigenen Dinge tun können. Es gibt Behinder te, die nicht integriert werden wollen oder können. Das kann man diskutieren, bis man grün im Gesicht wird. Das ändert sich nicht. Und dann gibt es uns. Behin derte, die gern einen Abschluss wollen. Die ihren Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt sehen und heiraten und allein wohnen wollen, ohne dass jemand sie bevormundet. Behinderte, die das schaffen können. Wenn man uns in eigene Schulen, eigene Busse, eigene Werk stätten sperrt, dann nimmt man uns etwas weg. Und viel schlimmer noch: Man nimmt der Gesellschaft etwas weg. Stellen Sie sich vor, Beethoven wäre auf eine Sonderschule gegangen. Oder Einstein. Tho mas Edison. George Washing ton. Sie alle waren auf die eine oder andere Art behindert. Und sie alle haben der Welt Dinge beschert, die sie liebend gern annahm. Aber vielleicht, ganz vielleicht, sind auch Be hinderte, die nicht die Glüh birne erfunden haben, wert volle Mitmenschen. Genau wie ein Nichtbehinderter auch okay ist, wenn er noch keinen Oscar gewonnen hat. Ganz vielleicht sollten wir uns ein fach alle mit Menschlichkeit und Wärme begegnen. Und da ist Chancengleichheit und Miteinander wirklich das ab solut Mindeste. Denise Linke Leserbrief Betrifft: dbb magazin 6/2016, Seite 40–41: Internetwachen – direkter Draht zur Polizei Dem Artikel über „Internet wachen“ muss ich aus mei ner Sicht diametral und in Gänze widersprechen. Als langjähriger Leiter eines Betrugskommissariats bin ich täglich mit der Abwick lung einer Vielzahl von An zeigenvorgängen befasst. Die reine Menge der „Inter netanzeigen“ hat mit der Wertung als Erfolg über haupt nichts zu tun. Erfolg kann nur bedeuten, dass ein Straftäter ermittelt wird. Eine qualifizierte Sachver haltsaufnahme mit einer ordentlichen Vernehmung ist nicht zu ersetzen. Tat sächlich ist es so, dass eine Anzeige über diesen Kom munikationsweg für die Polizei grundsätzlich mehr, teilweise vermeidbare Arbeit bedeutet. Meines Erachtens ist nicht ansatz weise hinnehmbar, dass für sinnlose oder irrelevante Sachverhalte Arbeitsstun den verpulvert werden. Eine „normale“ Kommu nikation per Telefon oder persönliche Vorsprache ist immer effektiver. Eine Falschaussage oder falsche Verdächtigung ist bei einer Vernehmung immer or dentlich dokumentiert und Basis für die Gegenanzeige. Bei einer Internetanzeige ist diese Hemmschwelle meines Erachtens noch nicht einmal mit dem Fern rohr zu sehen. Unvollstän dige oder falsche Personali en sind bei solchen Vorgängen eher die Regel als die Ausnahme. Erfolgreiche Polizeiarbeit kann nur die qualifizierte Bearbeitung von Anzeigen bedeuten, so dass möglichst viele Tatver dächtige ermittelt werden. Ulrich Heymann, Leiter des Fachkommis sariats Vermögens- und Wirtschaftskriminalität der Kriminalpolizeiinpektion Coburg ©alphaspirit – Fotolia.com dbb Führungskräfte in der digitalen Arbeitswelt: Führung im Wandel Erfolgreiche Führung bedeutet, sich selbst und an dere mit klaren Zielen zu führen, unter hohem Er wartungsdruck authentisch zu kommunizieren und immer wieder zu motivieren, „vertrautes Gelände” zu verlassen. Das gilt für „alte Hasen“ wie auch für den Führungskräftenachwuchs. Welche Fähigkeiten brauchen Führungskräfte im digitalen Zeitalter? << fokus 22 Führungskräfte fallen nicht vom Himmel Biss, Talent, Fleiß: Diese Eigen schaften können zu einer Be förderung führen – machen aber noch keine „gute“ Füh rungskraft aus. Wer in eine Führungsrolle schlüpft, muss sich neu ausrichten, neu er finden – und lernen. Denn die Vorstellung von der geborenen Führungskraft hat zwischenzeitlich ausgedient. „Gute Führungskräfte fallen nicht von Himmel“, so die Quintessenz aus zahlreichen Untersuchungen und vielen Stunden Feldforschung. Der Tenor heute lautet: Führung kann man nicht nur lernen, Führung sollte man lernen. Die Fähigkeit zu führen, ist da her ein Handwerk, das man er lernen kann – wobei man nach Expertenansicht zwei Voraus setzungen mitbringt: Nämlich erstens die vier „M“ – „Man muss Menschen mögen“ und zweitens den Willen zu führen. Denn wer andere führt, han delt immer im Spannungsfeld widersprüchlicher Interessen. << Kompetent führen Eine Richtung vorgeben, Leis tung fordern, Zielvorgaben er füllen – die Liste der Führungs aufgaben war schon immer lang. Nicht unbedingt leichter werden auch die zukünftigen Anforderungen: Knappe finan zielle Ressourcen, eine sich > dbb magazin | September 2016 ynamisch vernetzende Ar d beitswelt und zunehmende Veränderungsdynamik setzen Führungskräfte zunehmend unter einen besonderen Druck. Dabei hat diese Entwicklung nicht nur gravierende Auswir kungen auf Führungskräfte selbst, sondern auch auf die Beschäftigten, denn sie bleibt nicht ohne Spuren für Abläufe und Strukturen in den Verwal tungen und verändert die For men der Zusammenarbeit. Empathie, Menschlichkeit, fach liche Kompetenz, Durchset zungsfähigkeit, Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke sind an dieser Stelle gegen wärtig die meist gewünschten Eigenschaften, die eine Füh rungskraft haben sollte. Gleichzeitig erwarten Kunden und Partner optimale Zuver lässigkeit und Qualität, Mitar beiterinnen und Mitarbeiter möchten Orientierung und Zu wendung, Vorgesetzte fordern Effizienz, Umsetzungsstärke und Realisierung von Zielen und Strategien. << Führen in der digitalen Arbeitswelt Wie kann unter diesen Rahmen bedingungen Führung über haupt funktionieren und was macht Führung in der digitalen Arbeitswelt heute aus? Die Digi talisierung verändert die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten. Sie hat nicht nur ge waltige Auswirkungen auf die Politik, Gesellschaft und Ar beitswelt, sondern prägt auch die Führungskultur. War Füh rung im 20. Jahrhundert noch eher hierarchisch angelegt, ist heute Führen, Entscheiden und Zusammenarbeit auf Augenhö he angesagt. Das lässt die not wendige Vielfalt und Flexibilität zu, fördert die Kreativität und setzt auf das Prinzip der Selbst verantwortung. „Gute“ Führung stellt damit den Menschen in den Mittelpunkt und entwickelt die Fähigkeiten und Stärken des Einzelnen gezielt weiter. << Im Fokus: Nachwuchs führungskräfte Gerade die nachwachsende Ge neration hat da noch weitere Vorstellungen in Richtung zu künftiger Führung. Laut einer Umfrage des Meinungsfor schungsinstituts TNS Infratest im Auftrag von Microsoft Deutschland unter 1 000 deut schen Arbeitnehmern (Juni 2016) hinken hiesige Führungs kräfte den Anforderungen an gesichts des digitalen Wandels hinterher. So bemängeln 71 Prozent der Befragten eine un zureichende Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeitszeit und -ort, rund 85 Prozent kritisieren den fehlenden Zugang zu Infor mationen und wünschen ein regelmäßigeres Feedback der Führungskräfte. Nach diesen Ergebnissen passt die Führungs kultur weder zu den Wünschen der Arbeitnehmer noch zu den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt. Um all das umzu setzen, muss die Leitungsebene umdenken. Das gilt insbeson dere auch in Richtung Füh rungskräftenachwuchs: Jede fünfte Nachwuchskraft hält demnach das Führungsverhal ten des eigenen Vorgesetzten für nicht zukunftsfähig – so ein weiteres Ergebnis der izf Füh rungs-Studie 2016 (Institut für Demoskopie Allensbach im Auf trag der Initiative Zukunftsfähi ge Führung, Herbst 2015). Be sonders bedenklich stimmt ein weiterer Befund: Insbesondere die mangelnde Sicherstellung flexibler Arbeitszeiten sowie die gute Vereinbarkeit von Pri vatleben und Beruf ist für junge Nachwuchskräfte derzeit noch ein zentrales Hemmnis, selbst Führungsverantwortung zu übernehmen. Es gibt demnach viel zu tun und zu lernen – packen wir es an! Die dbb akademie bietet Ihnen auch 2016 eine Reihe von Seminarangeboten für Führungskräfte an. Neu in Führung – Führung Grundlagen 4. bis 6. Oktober 2016, Berlin (2016 Q270 DL) Wertschätzende Führung 5. bis 6. Oktober 2016, Berlin (2016 Q271 DL) Stärkenorientierte Führung 2. bis 3. November 2016, Berlin (2016 Q272 DL) Psychologie und Führung 10. bis 11. November 2016, Königswinter (2016 Q273 DL) Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie auf unserer Homepage www.dbbakademie.de Auskunft erteilt: Daria Lohmar, Tel.: 0228.8193169, [email protected] dbb Fortbildungsangebot für kompetente Unterstützung vor Ort: Einkommensrunde 2017 Aber wie bereitet man erfolg reiche Aktionen vor? Welche Themen gilt es zu besetzen? Was muss bei der Durchfüh rung beachtet werden? Wie sehen rechtliche Rahmenbe dingungen im Streikfall aus? << Gewusst wie Die dbb akademie hat sich in Zusammenarbeit mit den zu ständigen Fachleuten aus dem dbb dem umfangreichen The menfeld angenommen und bietet für alle Interessierten eine Fortbildungsreihe mit drei Modulen an. Die Inhalte der einzelnen Module vermitteln wertvolles Hintergrundwissen zu den Themen Kampagne, Be soldung und Versorgungsan passung und zum Umgang mit Tarifkonflikten. Zahlreiche Tipps für eine kompetente und öffentlichkeitswirksame Be << Einkommensrunde 2017 Modul 1: Erfolgreiche Kampagnen planen und umsetzen 16. bis 18. November 2016 in Fulda (2016 G032 GB) Modul 2: Besoldung und Versorgungsanpassung Einkommensrunde (TVL) 24. bis 25. November 2016 in Fulda (2016 G033 GB) Modul 3: Lösung von Tarifkonflikten 5. bis 6. Dezember 2016 in Fulda (2016 G034 GB) Der Teilnehmerbeitrag für jedes Modul beträgt 210 Euro (inklusive Ü/VP). Die Module können einzeln gebucht werden. Ihre Ansprechpartnerin in der dbb akademie: Gerlinde Brandt, Tel.: 0228.8193143, [email protected] gleitung der Einkommens runde vor Ort schaffen einen hohen praktischen Nutzen. So gut vorbereitet kann die nächste Einkommensrunde kommen! 23 fokus Einkommensrunden stellen nicht nur Anforderungen an die direkt Verhandelnden, son dern auch an die Funktionsträ ger vor Ort: Denn dort müssen Einkommensrunden mit Sach verstand und öffentlichkeits wirksam begleitet werden. Schließlich gilt es, die eigene Position über die Meinung der Öffentlichkeit und die Mobili sation der eigenen Mitglieder zu stärken. Dafür braucht es Hintergrundwissen und kreati ve, öffentlichkeitswirksame und in der Praxis umsetzbare Ideen. > dbb magazin | September 2016 ? dbb Eine Frage an ... ... Dr. Jürgen Schneider, Beauftragter des Landes Berlin für Menschen mit Behinderung: Berlin hat noch viel zu tun dbb magazin: Herr Dr. Schneider, Sie haben die Aufgabe, darauf hinzuwir ken, dass Menschen mit Behinderung im Land Berlin ohne Diskriminierung leben und die städtische Infrastruktur vom ÖPNV bis zu Informations- und Kommunikationseinrichtungen barrierefrei nutzen können. Ist Berlin tat sächlich eine barrierefreie Stadt, und vor allem: Ist sie das auch für die wach sende Zahl der behinderten Seniorinnen und Senioren? Diese Frage lässt sich nicht ein fach mit Ja oder Nein beantwor ten. Das hängt zum einen von dem zu betrachtenden Bereich ab, und zum anderen muss man sich die Weichenstellungen für die Zukunft ansehen. << Infrastrukturabbau ... Oft müssen längere Wege zu rückgelegt werden, was ver stärkte Abhängigkeiten von einer guten Verkehrsinfrastruk tur, aber auch von öffentlichen Toiletten zur Folge hat. Aktuell wird überlegt, die rund 175 bar rierefrei zugänglichen und ganzjährig durchgängig geöff neten City-WC-Anlagen stark zu reduzieren. Während nicht mobilitätseingeschränkte Men schen auf Alternativen auswei chen können, stellen die City- > dbb magazin | September 2016 Im ÖPNV hingegen zahlen sich die jahrzehntelangen Investiti onen in die Barrierefreiheit aus. Mit der Rückkehr zum automa tischen Kneeling (moderne Bus se neigen den Einstieg automa tisch zur Seite, Anmerkung der Redaktion) ist zumindest in der Bustechnik ein Stand erreicht, ... gefährdet den Bewegungsradius Hindern bauliche oder sonstige Barrieren Menschen mit Behin derung am Zugang zu Arztpra xen, kann das dazu führen, dass eine notwendige medizinische Versorgung nicht in Anspruch genommen werden kann. Überdies kann fehlende Barrie refreiheit einen Arztwechsel erzwingen, wenn sich altersbe dingte Behinderungen einstel len; insgesamt schränkt sie die freie Arztwahl faktisch ein. der dem Teilhabeanspruch mo bilitätseingeschränkter Men schen gerecht wird. Im Zuge der demografischen Alterung wer den aber zum Beispiel verstärkt Probleme mit der Mitnahme von E-Rollstühlen und E-Scoo tern in öffentlichen Verkehrsmit teln an mich herangetragen. Die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinde rung weist trotz einer insge samt befriedigenden Gesund heitsinfrastruktur in Berlin Auch wenn ich kleine und größere Fortschritte keinesfalls in Abrede stellen will, bleibt in Sachen Barrierefreiheit noch viel zu tun. < < Dr. Jürgen Schneider WC-Anlagen für Menschen mit Behinderung oft die einzige Möglichkeit dar, und ihr Weg fall kann ihren Bewegungsradi us sehr einschränken. << Ein großes Problem sehe ich auf dem Wohnungsmarkt. Nach einer Schätzung des Ku ratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) fehlen bereits jetzt rund 41 000 barrierefreie Wohnun gen. Nach der Bevölkerungs prognose für Berlin vom Januar 2016 werden die hochaltrigen Menschen über 80 Jahre um rund 66 Prozent auf rund 266 000 Personen beziehungs weise circa 848 000 Personen über 65 Jahren bis 2030 zuneh men. Bei dieser Personengrup pe ist der Anteil derjenigen, die sich noch zu Hause versorgen können und möchten, aber auf eine barrierefreie Wohnung an gewiesen ist, besonders hoch. Leider wurde die sich durch das Zusammentreffen des derzeiti gen Baubooms und der diesjäh rigen Novellierung der Bauord nung ergebende Chance, einen barrierefreien Wohnungsmarkt zu schaffen, nicht ausreichend genutzt. Elke A. Jung-Wolff spezial 24 Bezüglich der Infrastruktur im nicht medizinischen Versor gungsbereich lässt sich eher eine Verschlechterung beobach ten: Wegbrechende Dienstleis tungen wie zum Beispiel die Konzentration von Einkaufs möglichkeiten auf Subzentren, die Schließung von Post- und Bankfilialen sowie die Reduzie rung von Briefkästen erschwe ren eine unabhängige und selbstständige Lebensführung, insbesondere von hochaltrigen und anderen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Die steigenden Mieten in den Innenstadtbereichen führen zu einem Rückzug einkommens schwacher Menschen aus den infrastrukturell besser versorg ten Wohngebieten. Mängel auf und stellt alle Be troffenen vor große Heraus forderungen. Hab und Gut sichern: ©oxie99 – Fotolia.com dbb Entfesselte Naturgewalten können teuer werden Ob es der globale Klimawandel ist oder auch der örtliche Ein griff des Menschen in die Na tur, sei dahingestellt. Der Ein zelne kann auf die jeweilige Ursache oder den Anlass ohne hin keinen Einfluss nehmen; beeinflussbar ist hingegen die individuelle Absicherung gegen die finanziellen Auswirkungen und Folgeschäden. Welche der nachfolgend dargestellten Ver sicherungen dabei notwendig, sinnvoll oder entbehrlich sind, muss individuell beurteilt wer den, idealerweise unterstützt durch fachkundige Beratung. wenn das Haus kaputt ist oder während es repariert wird? Was ist mit Mietausfällen von Untermietern oder Mietern? Was ist mit Solarenergie- Installationen? Was mit dem Grundstück und all seinen Be standteilen? Die Versicherer haben in den letzten Jahren hier viele sinnvolle Leistungs komponenten ergänzt und er weitert. Eine Prüfung der Ele mentarschaden-Deckung der vorhandenen Tarife auf Aktua lität und natürlich Preisqualität ist daher empfehlenswert. << << Hausrat Nicht nur das Eigenheim oder die Eigentumswohnung, auch die Mietwohnung kann betrof fen sein; zum Beispiel durch aufgedrückte Fenster, durchsi ckerndes Wasser, Feuer nach Kurzschluss oder Blitzschlag, beschädigte elektronische Anlagen. Bei der Hausratversi cherung ist zu prüfen, ob der – meistens vorhandene – Ver sicherungsschutz zum Beispiel die sogenannten Elementar schäden abdeckt. << Wohngebäude Die Auswirkungen von Natur gewalten auf Häuser sind nicht nur optischer Natur – beson ders belastend sind die oft im mensen finanziellen Folgen der dadurch verursachten unmit telbaren Sachschäden. Aber es entstehen auch viele mittelba re Kosten, die häufig überse hen werden: Wo wohne ich, Glas Das sind nicht nur die teuren Außenthermopane- oder Si cherheitsverglasungen, Glas tischplatten, Türfüllungen, Schranktüren, teure Spiegel, Zierverglasungen oder Glas bilder. Bei den Naturgewalten gilt dann das alte Sprichwort: „Glück und Glas, wie leicht bricht das!“ << Unfall Gesundheitsschäden mit kör perlichen und finanziellen Langzeitfolgen sind bei Natur gewalten nicht die Ausnahme, sondern leider eher die Regel. Der Autounfall im Gewitter, Stürze und Brüche bei Platzre genfluten und Sturm! Sicher lich trägt die private oder ge setzliche Krankenversicherung die direkten Kosten. Was ist aber mit den Folgewirkungen? Lange Krankenhausaufent halte, berufliche Ausfälle, Be hinderungen und Invaliditäts folgen, Hausumbau oder schlimmstenfalls der Tod des Hauptverdieners mit einer zu versorgenden Familie sind ohne einen entsprechenden Versicherungsschutz nicht abgesichert. << Haftpflicht Die vielfältigen privaten oder dienstlichen beziehungsweise beruflichen Risiken, anderen einen ersatzpflichtigen Scha den zuzufügen, deckt prinzipi ell eine passende Haftpflicht versicherung. Nun kommt bei den Schäden durch Naturge walten vielleicht der Gedanke auf, dass bei „höherer Gewalt“ gar keine Ersatzpflicht entste he. Genau das sieht aber ein Geschädigter, der in diesem Fall „auf seinem Schaden sit zen bleiben“ würde, gegebe nenfalls anders – er wird ver suchen, anderen eine Schuld oder Mitschuld nachzuweisen. Und just da setzt die Rechts schutzfunktion einer guten Haftpflichtversicherung ein: Diese trägt zunächst das Kos ten- und Prozessrisiko einer Anschuldigung und dann erst die möglichen Schadenskosten. Das gilt auch für den dienstli chen Bereich – der Unfall im Unwetter kann im Dienstwa gen so gut passieren wie im Privat-Pkw. Auch hier gilt: Prüfung der Tarifbedingungen und Einsparmöglichkeiten! << Vorteile über das dbb vorsorgewerk Bei der Prüfung der vorhande nen Versicherungen und Tarife und bei der Nutzung vorhande ner Einsparmöglichkeiten un terstützt das dbb vorsorge werk auf einmalige Weise. Als bewährten dbb Mitgliedsvor teil räumt der langjährige Ko operationspartner des dbb vor sorgewerk, die DBV Deutsche Beamtenversicherung, einen dauerhaften Beitragsnachlass von drei Prozent auf die hier aufgeführten Versicherungen ein. Bis zum 31. Oktober 2016 können dbb Mitglieder und An gehörige in häuslicher Gemein schaft über das dbb vorsorge werk zusätzlich 20 Prozent auf die bereits rabattierten Tarife einsparen. Voraussetzung für diesen neuen Aktionsrabatt ist, dass Beratungsanfragen und Anträge direkt beim dbb vor sorgewerk in Berlin gestellt werden – telefonisch, schrift lich oder auch per E-Mail. Die Kolleginnen und Kollegen be raten fachkundig zum jeweili gen Versicherungsbedarf und informieren auch über weitere Sparmöglichkeiten, zum Bei spiel in Form von Bündelnach lässen beim Abschluss mehre rer Verträge von insgesamt weiteren 15 Prozent. jg << Info Die Versicherungsexperten des dbb vorsorgewerk sind Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr unter 030.4081-6444 erreichbar. Ihre Anfrage können Sie auch per E-Mail an [email protected] oder per Post an dbb vorsor gewerk GmbH, Friedrich straße 165, 10117 Berlin senden. Weitere Informa tionen erhalten Sie auf der Internetseite unter www.dbb-vorteilswelt.de > dbb magazin | September 2016 25 spezial Stürme, Überschwemmungen, Gewitter, Erdrut sche, Starkregen, Hagelschlag, kaputte Autos, Wohnungen und Häuser, schlimmer noch, auch Verletzte und Tote – nichts bleibt unbeeinflusst. In den letzten Monaten häuften sich die Unwetter meldungen und damit die Schadensereignisse ... dbb Kampagne „Gefahrenzone Öffentlicher Dienst“: Zwischenbilanz im Bundesinnenministerium Eine Zwischenbilanz zur Anti-Gewalt-Kampagne „Gefahrenzone Öffentlicher Dienst“ (www.angegriffen.info), initiiert von der dbb jugend nrw und unter stützt von der dbb jugend, haben nach rund 100 Tagen Laufzeit Vertreter der Jugendverbände und des BMI gezogen. Am 10. August 2016 traf man sich in Berlin mit dem Leiter des Stabes Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration, Ulrich Weinbrenner, im BMI, erörterte die ersten Ergebnisse der Kampagne und sprach über gemeinsamen Handlungsbedarf. spezial << dbb jugend 26 Herzstück der Kampagne ist ein Onlinekummerkasten, bei dem Beschäftigte aus dem öf fentlichen Dienst Übergriffe schildern und darstellen kön nen. Knapp 300 gemeldete Angriffe, schockierende Schil derungen von Attacken und bewegende Rückmeldungen Angehöriger – wie aggressiv die Stimmung und wie ernst die Lage ist, zeigen Online kommentare wie dieser: „Er hätte lieber vollkommen aus rasten sollen und die Alte zu Tode prügeln müssen.“ Er steht unter dem Video, mit dem die dbb jugend nrw im April ihre Internetkampagne startete. Das Video mit dem Titel „Aus raster im Amt“, das eine reale Szene aus dem Alltag einer Be schäftigten im öffentlichen Dienst nachstellt, sollte wach rütteln. Öffentlichkeit und Poli tik sollten gleichermaßen ver stehen, dass die Berichte von Beschäftigten in Sozial- oder Arbeitsämtern, Ausländerbe < < „Ausraster im Amt“ – mit einer nachgestellten, aber leider alltäglichen Szene aus einer deutschen Verwaltung startete die Kampagne „Gefah renzone Öffentlicher Dienst“ im April 2016. hörden oder Finanzämtern kei ne Einzelfälle sind, sondern dass das Klima in deutschen Amtsstuben, in Bahnen und auf der Straße unfassbar rau geworden ist. In allen Berei chen des öffentlichen Dienstes. An allen Tagen. << Privatwirtschaft ab, denn be sonders Uniformen und Ein griffsverwaltungen stellen of fensichtlich eine besondere Angriffsfläche für Aggressionen dar“, erläuterte Markus Klügel, zuständiger Referent der dbb jugend nrw, bei dem Treffen im BMI. Jan Falkenhagen, Beisitzer der nrw-Jugendleitung, ergänz te: „Wir sind erschrocken darü ber, dass sogar Kolleginnen und Kollegen in sozialen Berufen Angriffsfläche Uniform „Der öffentliche Dienst hebt sich damit deutlich von der dbb jugend magazin Umfassende Statistik Die dbb jugend strebt gleich wohl die vollumfängliche Er fassung der physischen und psychischen Übergriffe gegen über Beschäftigten im öffentli chen Dienst an. Möglich wäre das über die Aufnahme eines gesonderten Statistikpunktes bei der Erfassung von Strafta ten. Grundlage müsse indes auch die Sensibilisierung der Beschäftigten und Dienstvor gesetzten für die Wichtigkeit sein, jeden Übergriff konse quent zur Anzeige zu bringen. „Wir wollen, dass Beschäftigte diese Übergriffe nicht mehr einfach so hinnehmen und mit Angst zur Arbeit gehen. Wir zeigen Gewalt die rote Karte“, sagte dbb jugend-Chefin San dra Kothe in Berlin. Eine ergän zende Möglichkeit bietet eine flächendeckende Gefährdungs beurteilung von Behörden und Verwaltungen nach dem online ,Auf die Plätze, fertig, los!‘ – der t@cker-Titel für die Dop pelausgabe des dbb jugend magazin im August und Sep tember könnte auch das Motto für den Start in ein neues Zeitalter der Personalpolitik im öffentlichen Dienst sein. Denn nach dem ewigen Mantra des ‚10 Prozent weniger Personal geht immer‘ scheint sich nun langsam, aber si cher die Erkenntnis durchzusetzen: Weniger geht wirk lich nicht“, schreibt dbb jugend-Chefin Sandra Kothe im Editorial. Diesen Paradigmenwechsel schildern die Per sonalmanager der Bundesstadt Bonn, Andreas Leinhaas und Ralf Bockshecker, sehr eindrucksvoll und zeigen auf, wie sie die Strategien der Personalgewinnung und -bindung der Zukunft sehen und umsetzen – „empfeh lenswert, spannend und vor allem eine Bestätigung all dessen, was wir als dbb jugend und dbb seit Jahren gebetsmühlenhaft wiederholen: Kümmert Euch um Ausgabe dbb jugend magazin für junge 8/9 2016 leute im öff entlichen die nst Vater Staat sucht Nac hwuchs: Auf die Plä fertig, los! tze, 13 Attraktivit ät: Aus-Wirkun g Einsparung für en 2 Bologna: Bach elor oder Mast er? hier die Frage Das ist … 3 Social Medi a: Umgang mit Facebook & Co Kostenfreies Bezügeko nto Jetzt wechsel n, 100 Euro der BBBank – Startguthabe n! Seite 21 tacker_8-9_2016 .indd 1 6 8 Personal: „10 weniger geht Prozent immer – funktionie rt nicht“ „START“: Ausbildun g im öffentliche n Dienst 20 herausgeb er: dbb jugen d 27.07.2016 > dbb magazin | September 2016 – Krankenpfleger, Rettungs kräfte – immer häufiger Opfer von Übergriffen werden.“ Die sen Eindruck teilten die Ge sprächsteilnehmer aufseiten des BMI. Ulrich Weinbrenner betonte, dass das Ministerium das Problem erkannt habe. Das Fehlen einer Statistik trübe da her nicht die Einsicht in die Er forderlichkeit zu handeln. 16:26:40 den Nachwuchs! Zeigt ihm, dass Ihr Euch für ihn interessiert, dass Ihr ihm was zu bieten habt, und bietet ihm dann auch tatsächlich was! Denn nur mit qualifiziertem und motiviertem Personal wird der öffentliche Dienst seine Leistungsfähigkeit auf Dauer halten können“, so Kothe. Und Vater Staat sucht dringend Nachwuchs, wie im t@cker-fokus nachzulesen ist. Auf was es dann direkt beim Berufs start im öffentlichen Dienst ankommt, verraten die START-Broschüren, die in den t@cker-tipps vorgestellt werden. Für die Sommerpause des dbb jugend maga zin – die nächste Ausgabe erscheint im Oktober 2016 – gibt’s on top wie immer reichlich Neuigkeiten aus der dbb jugend und ihren Mitgliedsverbänden. t@cker le sen lohnt sich also wie immer – einfach direkt reinsur fen unter www.tacker-online.de! dbb Onlinekummerkasten immer weiter. Beschäftigte schilder ten ihre teilweise erschüttern den Erfahrungen – und auch, dass die Vorfälle seitens der Ar beitgeber oft „unter dem De ckel“ gehalten würden. „Genau diesen Missstand haben wir jetzt beendet“, sagte dbbj nrwChef Jano Hillnhütter. „Gewalt gegen Beschäftigte ist trauriger Alltag, das haben bereits die ersten 100 Kampagnentage öf fentlich gemacht.“ Mittlerweile liegen auch zwei Umfragen der dbb jugend achener Modell, welche die A Jugendvertreter im BMI vor stellten. Konsens bestand zwi schen den Gesprächsteilneh mern auch, dass es im Kampf gegen Gewalt eine gemeinsa me Wertedefinition brauche. Das BMI ist derzeit mit der Ent wicklung einer Kampagne be schäftigt, die darstellen soll, welche wichtigen und wert vollen Aufgaben Staatsdiener erfüllen und wie sie zu einem sicheren, verlässlichen und funktionierenden gesellschaft < < Gemeinsam gegen Gewalt: Markus Klügel (dbbj nrw), BMI-Stabsleiter Ulrich Weinbrenner, dbb jugend-Vorsitzende Sandra Kothe und Jan Falkenhagen (dbbj nrw) vor dem Bundesinnenministerium in Berlin (von links) lichen Miteinander beitragen – „es geht um mehr Respekt“, machte K othe deutlich. << Öffentliche Plattform Auch im „Headquarter“ der Anti-Gewalt-Kampagne bei der dbb jugend nrw in Düs seldorf zogen die Initiatoren eine positive Zwischenbilanz. Gleich am ersten Tag wurde die Seite über 7 600 Mal auf gerufen. Viele Anrufe und E-Mails zeigen, dass eine öf fentliche Plattform für das Thema längst überfällig war: „Hallo, ich finde es klasse, dass endlich mal darauf aufmerk sam gemacht wird, was alles mit Mitarbeitern im öffentli chen Dienst passiert“, hieß es beispielsweise. Viele dbb Gewerkschaften auf Jugend- und Erwachsenenebe ne in NRW und darüber hinaus trugen die Kampagne weiter, ebenso Parteienvertreter. Unterdessen füllte sich der Kampagne vor, an denen sich insgesamt rund 1 000 Beschäf tigte aus dem öffentlichen Dienst im gesamten Bundesge biet beteiligt haben. „Beinahe die Hälfte der Beschäftigten hat bereits selbst Übergriffe erlebt. Und in der zweiten Um frage berichtet die Hälfte der Teilnehmer darüber, dass sich in Notsituationen zwar die Kol legen untereinander helfen, es aber keine festen Notfallabläu fe gibt“, fasst Jano Hillnhütter die Ergebnisse zusammen. „Es besteht also offenkundig drin gender Handlungsbedarf.“ In manchen Kommunen habe man zwar beispielsweise Grundsatzerklärungen gegen Gewalt verabschiedet und diese auch über die Medien bekannt gegeben. Doch die Mitarbeiter vor Ort wüssten zu berichten, dass diese nur auf dem Papier existieren und keine Relevanz für die tägliche Arbeit hätten. Auch Selbstverteidigungstrai nings für die Mitarbeiter brach ten einer Kommune zwar einen guten Ruf ein, wurden tatsäch lich jedoch von den Beschäftig ten selbst in Sportvereinen or ganisiert und angeboten. << Hasskommentare Schockiert zeigten sich die Kampagnenmacher auch in der dbbj nrw-Zentrale von den zahlreichen Hasskommentaren, die sie anlässlich der Kampagne erreichten. Referent Markus Klügel: „So mancher nutzte die Anonymität des Netzes, um noch einen draufzusetzen.“ Eine Kostprobe: „Ich könnte euch Sachen aus dem Jobcen ter erzählen, die mir persönlich nachweislich zugestoßen sind. Ich habe eine sehr gute Erzie hung genossen und bin eigent lich gutbürgerlich aufgewach sen. Aber was dort abgeht, rechtfertigt sogar körperliche Gewalt gegen jeden einzelnen Mitarbeiter! Wie gesagt, scha de, dass der Typ der Alten nicht ein paar Mal vorn Kopf getre ten hat. Sie hätte es verdient. Schade, dass er sich noch halb wegs im Griff hatte, er hätte lieber vollkommen ausrasten sollen und die Alte zu Tode prü geln müssen!“ „Solche und ähnliche Gewaltaufrufe sind immer wieder auch unter Bei trägen über Angriffe auf Be schäftigte zu lesen, von denen die Medien berichten. Sie doku mentieren öffentlich, wie hoch die Gewaltbereitschaft man cher Bürger ist. Sie zeigen, wel ches Kopfkino sich bei man chen Menschen abspielt und bei anderen in Wutausbrüchen, Beleidigungen, Drohungen und Angriffen auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlädt“, konstatiert Markus Klügel. Dieser aggressiven Grundstim mung gegenüber den Beschäf tigten des Staats wollen sich die dbb Jugendverbände und ihr Dachverband dbb weiterhin entgegenstellen, auf die Tatsa chen aufmerksam machen und besseren Schutz und wirksa mere Prävention fordern. Die Kampagne geht weiter – unter www.angegriffen.info. > dbb magazin | September 2016 © underworld - Fotolia.com dbb Geldpolitik: Mehr Schein als Sein? spezial 28 Brave Bürger, die den Banken nicht mehr vertrauen, horten ihr Erspartes am liebsten in 500-Euro-Scheinen in den eigenen vier Wänden. Sie vermeiden mit den großen Scheinen ein „Volumenproblem“, denn je wertvoller der Schein, desto mehr Euros lassen sich auf kleinstem Raum unterbringen. Das haben aber auch die Kriminellen erkannt, die aus denselben Gründen die 500er seit Langem ebenfalls für ihre krummen Geschäfte bevorzugen. Zur Bekämpfung der Geldwäsche wird der violette Riese nun abgeschafft. Bringt das wirklich etwas im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen, oder stecken noch andere Gründe hinter dieser Entscheidung? Etwa 614 Millionen 500-EuroNoten sind zurzeit im Umlauf. Die Summe ist einfach ausge rechnet: Mit etwa 307 Milliar den Euro entspricht das fast einem Drittel des Wertes aller im Verkehr befindlichen EuroBanknoten. Dabei machen die großen Scheine allerdings nur etwas mehr als drei Prozent aller Euro-Banknoten aus. Schätzungen zufolge befinden sich rund 72 Milliarden Euro in 500er-Scheinen im Ausland. << 500er als Terrorhelfer Die meisten Bundesbürger ha ben den violetten Geldschein nie gesehen, geschweige denn je besessen. Es „passt“ zu die sem Phänomen, dass die auf der Banknote abgebildete Ar chitektur des 20. Jahrhunderts keine realen Gebäude zeigt, sondern Stilepochen der Mo derne lediglich symbolisieren soll. Zum Bezahlen an der Tank stelle oder im Supermarkt eig > dbb magazin | September 2016 net sich der Schein kaum. Die meisten Händler weigern sich, 500er-Banknoten anzuneh men. Dazu sind sie berechtigt, wenn sie die Kunden, etwa durch einen Aushang am Ladeneingang, davon in Kennt nis setzen, oder der Wert des Einkaufs in Relation zum Wert des Geldscheins unangemes sen ist. Im Klartext heißt das: Der Bäcker muss einen 500- Euro-Schein nicht wechseln, wenn der Kunde damit fünf Brötchen bezahlen möchte. Doch für die Barzahlung größe rer Rechnungen, etwa beim Gebrauchtwagenhändler, beim Juwelier oder bei Handwerkern für Renovierungsarbeiten, eig nen sich die großen Scheine sehr wohl. Und das ist seit Lan gem nicht nur Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern auch der EU-Kommission und vor allem der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Dorn im Auge. Der Generalverdacht, der in vielen Fällen nicht von der Hand zu weisen ist: Wer größe re Summen bar bezahlt, zahlt am Fiskus vorbei. Im Interview mit dem dbb magazin bezeichnete Wolf gang Schäuble im Juli/August 2015 die Abschaffung des Bar geldes zwar noch als Theorie, doch sei er offen „für neue technologische Entwicklungen, die einen Mehrwert für Ver braucher und auch für Verwal tungen schaffen“. In der Euro zone sinke der Bargeldumlauf zugunsten unbarer Zahlungs mittel, nur in Deutschland neh me der Bargeldumlauf zu. Die ersten Gegenmaßnahmen sind mit der Abschaffung der 500Euro-Scheine und der Decke lung der Bargeschäfte auf 5 000 Euro inzwischen getrof fen. Steuerbetrügern und Schwarzarbeitern soll so das Leben schwerer gemacht wer den. Die Banken melden zudem auf der Grundlage des Geldwä schegesetzes jede Finanztrans aktion dem Finanzamt, die über 15 000 Euro liegt. Und Hand werkerrechnungen, die bar be zahlt werden, können nicht von der Steuer abgesetzt wer den. Ob Mafia und Co. sich vom Aus des 500er-Scheins beeindru cken lassen werden, mag da hingestellt bleiben. Als Begrün dung für die tiefen Eingriffe in die bürgerliche Freiheit des Ein zelnen mag der mit der Maß nahme angeblich erleichterte Kampf gegen den Terrorismus herhalten. Experten sind sich indes sicher, dass weder das or ganisierte Verbrechen noch der Terrorismus ohne 500-EuroBanknoten künftig ihre Finanz basen verlieren werden. Die Kriminellen werden verstärkt auf Gold und Diamanten set zen und auf die nächst kleinere Bargeldeinheit umstellen, die ihre Kuriere mit kaum größe ren Koffern auf den Weg brin << Rückzug in Raten 500er-Scheine mehr ausgege ben werden, und mit den gro ßen Banknoten keine Geschäf te mehr getätigt werden können. Mit dieser eher sanften als drastischen Entscheidung kommt die EZB nicht nur den seriösen Kunden entgegen, sondern spart auch eine Men ge Geld. Denn je schneller die 500er-Banknote vom Markt genommen wird, desto mehr kleinere Scheine müssten bin ©hppd – Fotolia.com Am 1. Juni 2016 hat der Rat der Europäischen Zentralbank als alleiniger Hüter der europäi schen Währung entschieden, die Ausgabe der 500-EuroScheine Ende 2018 einzustel len. Dass diese Maßnahme nicht zuletzt auch dem Zinsver fall geschuldet ist, bleibt un ausgesprochen. Aus Angst vor Negativzinsen, die sie für ihre Guthaben zahlen müssen, ha ben zahlreiche Sparer und An leger ihre Konten leergeräumt und ihre Vermögen in Form von 500-Euro-Scheinen in so genannte „Matratzen-Depots“ umgelagert. Ab Januar 2019 müssen Sparer diese Art der Geldanlage zwar nicht abstel len, aber sie wird ihnen er schwert, weil die Banken keine < < Nur in Deutschland gab es vor der Euro-Einführung mit dem 1 000-Mark-Schein eine ähnlich wertvolle Banknote wie die 500-Euro-Note. In Spanien endete die Stückelung mit dem 10 000-Peseten-Schein, der etwa 60 Euro wert war. In Frankreich war der größte Schein die 500-Franc-Note im Wert von etwa 76 Euro. Ab Januar 2019 ist der 500-Euro-Schein Geschichte. Der größte der sieben Euro-Geldscheine wird vom Markt genommen und durch kleinere Banknoten ersetzt. nem Kurzen als Ersatz nachge druckt werden, damit die um laufende Bargeldmenge nicht schrumpft. Die EZB rechnet al lein d afür mit Druckkosten in Höhe von mindestens 500 Mil lionen Euro. Bislang unbeziffer te Logistikkosten in vielfacher Millionenhöhe kommen hinzu. Für die Kunden ändert ich zunächst einmal nichts. Alle 500-Euro-Scheine werden un begrenzt ihren Wert behalten und auch künftig von allen Geldinstituten in kleinere Scheine eingetauscht oder dem Konto gutgeschrieben. Das gilt auch über den Stichtag h inaus. Ab 2019 kann der violette Schein allerdings von niemandem mehr als gesetz liches Zahlungsmittel einge setzt werden – weder vom einfachen Sparer noch vom Mafiaboss. Bis zu diesem Zeitpunkt will die EZB zudem ausreichend überarbeitete 100er- und 200er-Noten der sogenannten Europa-Serie aus geliefert haben, die verbesser te Sicherheitsmerkmale auf weisen werden. Es steht zu erwarten, dass der Umtausch „am Schalter“ ohne Weiteres nur bis zu einer relativ kleinen Summe möglich sein wird. Wer beispielsweise 500 000 Euro in 500er-Scheinen bar einwech seln möchte, sollte nicht nur seinen Personalausweis dabei haben, sondern den Bankbe such vorher anmelden. sm > dbb magazin | September 2016 29 spezial gen werden: Eine Million in 500-Euro-Scheinen wiegt 2,2 Kilogramm; in 200er- Scheinen sind es auch nur 5,4 Kilogramm. dbb Der Fall des Monats Erwerb von Urlaubsansprüchen: spezial 30 Das Dienstleistungszentrum Nord vertrat einen Beamten, der strafrechtlich zu einer Geldstrafe von 300 Tagessät zen unter anderem wegen Ver stoßes gegen das Betäubungs mittelgesetz verurteilt wurde. In einem Zeitraum von 2009 bis 2015 war dieser Beamte suspendiert. Der Dienstherr beantragte beim zuständigen Verwaltungsgericht die Entfer nung des Beamten aus dem Dienst. Dieser Antrag scheiter te. Der Beamte wird seit Ende 2015 wieder amtsangemessen beschäftigt und versieht seit dem wieder aktiven Dienst. Er beantragte die Gewährung des während der Suspendie rung angesparten Jahresur laubs. Der Dienstherr verwei gerte dies. Mithilfe des Dienstleistungs zentrums Nord wurde dem Beamten im Wege des einst weiligen Rechtsschutzes der be antragte (Alt-)Urlaub schließlich gewährt. Zur Begründung führ te das Verwaltungsgericht Bre men aus: Die entsprechende Landesurlaubsverordnung ver binde zwar grundsätzlich den Erholungsurlaubsanspruch mit einer Dienstleistungspflicht des Beamten. Es liege hierin jedoch keine unbedingte Verknüpfung zwischen Dienstleistungspflicht und Erholungsurlaub. Das Ver waltungsgericht Bremen stellte > dbb magazin | September 2016 fest, dass die Urlaubsverord nung explizit Regelungen für bestimmte Fälle enthalte, in de nen die Dienstleistungspflicht des Beamten bereits aus ande ren Gründen (als der vorläufi gen Dienstenthebung) ruhe. Für den Anspruch von Erho lungsurlaub während Zeiten einer vorläufigen Dienstenthe bung spreche, dass dem Sus pendierten zwar keine Dienst leistungspflicht, wohl aber eine Verpflichtung zur ständigen Dienstbereitschaft treffe. Der Erholungsurlaub während der Dauer einer solchen suspendie renden Maßnahme würde dem Zweck dienen, den Beamten zeitweilig zu Erholungszwecken von dieser Dienstbereitschafts pflicht zu befreien (Verwal tungsgericht der Freien Hanse stadt Bremen, Az.: 6 V 2267/16, Beschluss vom 19. August 2016; nicht rechtskräftig). ak << Info Der dbb gewährt den Einzel mitgliedern seiner Mitglieds gewerkschaften berufsbezo genen Rechtsschutz. Zuständig dafür sind die Juristen in den dbb Dienst leistungszentren in Berlin, Bonn, Hamburg, Nürnberg und Mannheim. Das dbb magazin dokumentiert den „Fall des Monats“. Zahlreiche Versicherte und Rentner fühlen sich in den Fachgewerkschaften und Verbänden unter dem Dach des dbb gut vertreten. Damit ihre Interessen auch in den Selbst verwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger mit Nachdruck geltend gemacht werden, tritt der dbb bei der kommenden Sozialwahl im Mai 2017 wieder mit eigenen Kandidaten an. Das dbb magazin wird bis zum Wahltermin in loser Folge Bewerber vorstellen, die mit eigenen Worten über die Beweggründe für ihre Kandidatur Auskunft geben. Vorgestellt: Marlis von Saß-Ihnken aus Wiefelstede/ Niedersachsen, Jahrgang 1959, ist Versichertenberaterin und seit den Sozialwahlen 2011 im Verwaltungsrat der AOK Niedersachsen aktiv. ©Fosan Photography ©Bjrn Wylezich – Fotolia.com Auch während einer Suspendierung „ Grund für meine Kandidatur 2011 war die He rausforderung, das Unterschriftenquorum von 1 000 Unterschriften zu erfüllen und meiner Fach gewerkschaft GdS und damit dem dbb den Weg für die Mitarbeit in der Selbstverwaltung der AOK Nie dersachsen zu öffnen. Inzwischen bin ich mit einem Kollegen aus dem Ehrenamt ständiges Mitglied im Verwaltungsrat. Damit sind wir gut aufgestellt und möchten unsere Fachkompetenz auch nach der Sozialwahl 2017 einbringen. Es macht Spaß, sich sowohl für die Anliegen der Versicherten als auch der M itarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK Niedersachsen zu engagieren. “ dbb Europäische Säule sozialer Rechte: Bessere Behindertenrechte in Europa Die Europäische Union treibt mit der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ ein Prestigeprojekt voran, das auch für Menschen mit Behinderung in Europa Verbesserungen bringen könnte. Allerdings sind die Zuständigkeiten geteilt, Europa hat im Sozialrecht deutlich weniger Einfluss als die Mitgliedstaaten. Die Unterschiede sind groß: Einige Länder haben umfangreiche Programme, die gleiche Chancen ermöglichen sollen, in anderen Staaten gibt es noch großen Nachholbedarf. falls weiterzuentwickeln, hat die Europäische Kommission im März eine offene Konsulta tion zur „Europäischen Säule sozialer Rechte“ gestartet. Noch bis zum Ende des Jahres können sich sowohl Interes sensverbände, Sozialpartner, aber auch einzelne Interessier te daran beteiligen. In einem Unterkapitel werden mögliche Maßnahmen und Verbesserun gen für Menschen mit Behin derungen abgefragt. Der Fokus liegt hier vor allem auf der Be teiligung am Arbeitsmarkt. ©Olesia Bilkei – Fotolia.com spezial 32 Bereits 2008 trat das Überein kommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die sogenannte UN-Behinder tenrechtskonvention, in Kraft. Sie soll dazu beitragen, die Lebensbedingungen von Men schen mit Behinderung zu verbessern. Die Europäische Union ist dem Abkommen be reits vor seinem Inkrafttreten 2007 beigetreten. Mittlerweile haben auch fast alle EU-Mit gliedstaaten das Abkommen gezeichnet und in Kraft ge setzt, als Letztes plant Irland, die UN-Behindertenrechtskon > dbb magazin | September 2016 vention bis zum Ende dieses Jahres zu ratifizieren. << Europa mit eigener Be hindertenrechtsstrategie Um sicherzustellen, dass die Konvention in allen Mitglied staaten der EU umgesetzt wird, hat die EU 2010 eine „Eu ropäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinde rungen 2010–2020: Erneuertes Engagement für Europa“ auf gelegt. Die einschlägigen Poli tikbereiche sollen dahingehend überprüft werden, ob die Be lange behinderter Menschen ausreichend berücksichtigt werden. Vor allem acht Berei che werden von der Strategie abgedeckt: Zugänglichkeit, Teilhabe, Gleichstellung, Be schäftigung, allgemeine und berufliche Bildung, sozialer Schutz, Gesundheit und Maß nahmen im Außenbereich. << Offene Konsultation gestartet Um die sozialpolitischen Maß nahmen in Europa besser zu koordinieren und gegebenen Nach Angaben der Europäi schen Kommission liegt die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung EU-weit bei etwa 47,9 Prozent gegenüber 71,5 Prozent bei Menschen ohne Behinderung. Dieser Unterschied ergebe sich zum einen daraus, dass Men schen mit Behinderung mögli cherweise nicht in der Lage sind, eine Beschäftigung auf zunehmen, zum anderen aber auch aus negativen Beschäf tigungsanreizen und dem Fehlen angemessener Unter stützungsmaßnahmen, die Menschen mit Behinderung den Zutritt zum Arbeitsmarkt ermöglichen sollen. << Chancengleichheit für Behinderte schaffen Auch insgesamt seien Men schen mit Behinderung weit aus stärker von Armut und so zialer Ausgrenzung bedroht als die Gesamtbevölkerung. Prob lematisch sei, dass es an barrie refreien Arbeitsplätzen fehle und Menschen mit Behinde dbb rung mit Diskriminierungen und negativen steuerlichen Anreizen konfrontiert seien. Zudem könnten schlecht kon zipierte Leistungen für Men schen mit Behinderung zu ‚Leistungsfallen‘ führen, bei spielsweise wenn den Betrof fenen Zahlungen vollständig gestrichen werden, sobald sie erstmals oder wieder ins Er werbsleben eintreten. Die Verfügbarkeit von Unterstüt zungsleistungen könne auch die Fähigkeit zur Teilnahme am Arbeitsmarkt und am Gemein schaftsleben beeinflussen. Einen besonderen Fokus legt die Kommission zudem auf Leistungen bei Erwerbsunfähig keit. Diese sollen „Menschen mit Behinderung einen ange messenen und vergleichbaren Lebensstandard gewährleisten, indem sie einen sozialen Schutz garantieren und die Gefahr von Armut und sozialer Ausgren zung mindern. Sie können ein sicheres Grundeinkommen bie ten und einen Ausgleich für fehlende Beschäftigung(smög lichkeiten), für Einkommens ausfälle und für zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit einer Behinderung schaffen“. Diese Leistungen müssten gut konzipiert sein, um keine zu sätzlichen Beschäftigungshin dernisse zu schaffen. Vielmehr müssten sie in Verbindung mit Rehabilitationsleistungen und gezielten aktiven Arbeitsmarkt maßnahmen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am A rbeitsmarkt begünstigen. Um diese Ziele zu erreichen, besteht aus Sicht der Kommis sion eine zentrale Herausfor derung in der Konzeption von Leistungen bei Erwerbsunfä higkeit, die die aktive Teilhabe, die soziale Inklusion und den sozialen Schutz fördern: „Des halb muss der Ausgleich für eine eingeschränkte Erwerbs beteiligung ergänzt werden, insbesondere um einen Aus gleich der Mehrkosten im Zu sammenhang mit der Erwerbs unfähigkeit selbst, die sich auf bis zu 50 Prozent des persönli chen Einkommens belaufen können.“ << EU mit eingeschränkten Kompetenzen Allerdings kann die EU in die sem Zusammenhang größten teils nur beratend tätig wer den, da die Konzeption von Leistungen bei Erwerbsunfä higkeit maßgeblich in die nati onale Zuständigkeit fällt. Die EU-Kompetenz beschränkt sich auf die Koordinierung der Sys teme der sozialen Sicherheit. Ein weiterer Hebel ist zudem das EU-Antidiskriminierungs << Webtipp Konsultation zur „Europäischen Säule“: http://goo.gl/upC7Mh EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behin derungen 2010–2020: http://goo.gl/6BbuKR recht, das sich auch konkret auf Diskriminierungen beim Zugang zur Arbeit bezieht. Der Fortgang der Diskussion über die „Europäische Säule“ ist angesichts der vielfältigen Verwerfungen innerhalb der Europäischen Union – Brexit, Flüchtlingskrise und wirt schaftliche Ungleichheiten sind hierfür Beispiele – ungewiss. Die öffentliche Konsultation ist nur ein Anfang eines Prozesses, der sich über mehrere Jahre er strecken könnte. sy CESI-Sozialkommission: „Europa muss einen sozialpolitischen Konsens finden“ „Kaum ein Thema birgt so viel Sprengstoff wie ein großes sozi ales Gefälle. Die Initiative der EU-Kommission kann hier einen wichtigen Beitrag leisten und Lösungen aufzeigen“, erklärte Siglinde Hasse, Bundesge schäftsführerin der Gewerk schaft der Sozialversicherung und stellvertretende Vorsitzen de des Beschäftigungs- und Sozialausschusses der CESI. „So zialpolitik ist und bleibt grund sätzlich Sache der Mitglied staaten, aber in Zeiten großer Mobilität der EU-Bürger muss es auch einen sozialpolitischen Konsens in Europa geben.“ Die langanhaltende wirt schaftliche Krise in einigen ©alphaspirit – Fotolia.com Noch bis zum Ende des Jahres fragt die Europäische Kommission in einer öffentlichen Konsultation, wie sich Europas Bürger eine mögliche Europäische Säule Sozialer Rechte vorstellen. Auch der dbb und sein europäisches Dach, die Europäische Union Unabhängiger Gewerkschaften (CESI), werden sich an der Konsultation beteiligen. Mitgliedstaaten seit 2008 habe verdeutlicht, dass Euro pa zumindest wirtschaftlich noch geteilt sei. „Mobilität ist ein hohes Gut und muss geschützt werden. Aber die Auswanderung von EU-Bür gern aus wirtschaftlich schwachen in wirtschaftlich starke Staaten kann auf Dauer nicht die einzige Lösung sein“, erläutert Hasse. „Die Europäi sche Union kann hier als wich tiger Impulsgeber für nationa le Reformen im Sinne eines europäischen Arbeitsmarktes wirken. Sie kann klare Pers pektiven für eine Anpassung der Standards, orientiert am höchsten Schutzniveau, auf zeigen.“ > dbb magazin | September 2016 spezial 33 dbb Arbeiten 4.0: Digitaler Wandel – Chance oder Risiko für Frauen in der Arbeitswelt? Wie lässt sich die Qualität der Arbeit dauerhaft sichern? Und wie wirkt sich der digitale Wandel auf Frauenkarrieren aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Dr. Kira Marrs, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial wissenschaftliche Forschung e. V. (ISF) München, in ihrer Forschung. Die dbb bundesfrauenvertretung sprach mit ihr über die zunehmende Entgrenzung von Arbeit sowie über die Chancen und Risiken der Digitalisierung, denen Frauen in der Arbeitswelt begegnen. ? Wie kann der Entgrenzung von Arbeit, die durch neue mobile und flexible Arbeitsmodelle droht, Einhalt geboten wer den? seits: Man kann so viel regulie ren wie man möchte, und das werden Sie aus dem öffentli chen Dienst sicherlich auch kennen, aber das, was die Be schäftigten tatsächlich tun, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Und da sind wir der Ansicht, dass es hier um mehr geht, als die Menschen freundlich darauf hinzuweisen, dass ihr Smartphone auch ei ? Die digitale Revolution soll Beschäftigten mehr Arbeits zeitsouveränität und eine stär kere räumliche Unabhängig < < Dr. Kira Marrs, Wissenschaftlerin am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. (ISF) München. Sie studierte Soziologie, Psy chologie und Kriminologie an der Ludwig- Maximilians-Universität München und pro movierte an der TU Darmstadt zum Thema neue Leistungskonzepte in der Dienstleis tungswirtschaft. Sie beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem digitalen Wandel und seinen Folgen für die Arbeitswelt. Aktuelle Ergebnisse aus ihrer Forschungs arbeit hatte sie am 12. April 2016 auf der Frauenpolitischen Fachtagung vorgestellt. Businessfotografie Inga Haar spezial 34 Kira Marrs: Durch ein Füh rungsverhalten, das sensibi lisiert ist für die möglichen Risiken und zusätzlichen Belas tungen, die diese Modelle mit sich bringen können. Das zeigt sich auch in den Unterneh men. Hier erleben wir, dass neue Betriebsvereinbarungen getroffen werden, die mobiles Arbeiten verbindlich regeln. Sie klären ganz zentrale Fra gen: Was ist denn heutzutage eigentlich Arbeitszeit? Kann sie auch außerhalb des Be triebs erfasst werden und wie regulieren wir das Recht auf Nichterreichbarkeit? Anderer nen Ausknopf hat, den sie doch bitte bedienen sollen. Vielmehr müssen Unterneh men und Führungskräfte sich auch damit auseinanderset zen, warum ihre Beschäftigten in solchen Situationen so han deln und der Entgrenzung Tür und Tor öffnen. Da spielen existenzielle Unsicherheiten mit hinein: Wann kann ich es mir erlauben, einem Vorge setzten nicht zu antworten? Wir müssen Menschen dazu befähigen, zu sagen: „Nein, das möchte ich jetzt nicht, das möchte ich nicht auf diese Weise machen.“ > dbb magazin | September 2016 dbb Kira Marrs: Dazu müssen wir Teilzeit und die Beurteilung von Teilzeitarbeit in den Blick nehmen. Hier treffen zwei Sachverhalte aufeinander, die ganz spannend sind. Einmal die Frage der Versachlichung von Personalbewertungssystemen in dem Sinne, dass versucht wird, verallgemeinernde Krite rien anzusetzen, um bestehen de Rekrutierungsmuster zu durchbrechen. Wenn man über Frauenkarrieren nachdenkt, ist diese Versachlichung von zent raler Bedeutung. Das Zweite ist die Verfügbarkeit als Erwar tungshaltung. Und da sind wir ganz nah bei den nach wie vor prägenden Präsenzkulturen. Das Problem ist, und das gilt für Teilzeit ja erst recht, dass Unternehmen Präsenz mit Leistung verwechseln und von Karriereaspirantinnen erwar ten, dass sie eine gewisse Hin gabe zur Organisation pflegen. Diese Hingabe messen die meisten Unternehmen – auch heute noch – an der Bereit schaft zur Aufgabe der indivi duellen Zeitsouveränität, also an der Botschaft „Ich bin ver fügbar“. Das heißt, der Verzicht auf die eigene Zeitsouveränität wird zum Einstiegsticket für hochwertige Arbeitsaufgaben und Führungsrollen. ? Aber durch diese neue „Flexi bilität“ verändern sich doch auch unsere Arbeitsmethoden und die Art, wie wir innerhalb eines Unternehmens kommu nizieren. Liegt hierin nicht eine ganz große Chance für Frauen, mit sozialen und kommunika tiven Kompetenzen zu punk ten? Kira Marrs: Ja, das stimmt. Kollaboratives und vernetztes Arbeiten ist die Antwort auf die Herausforderungen der di gitalen Arbeitswelt. Denn mit der Digitalisierung nehmen Komplexität und Geschwindig keit erst einmal enorm zu und lassen sich nicht mehr im Rah men der traditionellen Silo strukturen bewältigen – also im Rahmen einer divisionalen Gliederung und funktionalen Separation. Alle Zukunftsthe men sind vernetzt und weder einzelne Bereiche noch einzel ne Expertinnen und Experten können hier alleine Lösungen finden. In diesem Kontext ver ändert sich hoch qualifizierte Arbeit sehr grundlegend. Hier in sehen wir eine große Chance für Frauen. Denn in vernetzten Arbeitsstrukturen erfahren kommunikative und soziale Kompetenzen eine enorme Aufwertung. Sie werden von einem weichen zu einem har ten Faktor. Und damit werden Fähigkeiten immer wichtiger, die bislang vor allem Frauen zugeschrieben werden. << Fachbroschüre Jetzt bestellen: Fachbroschüre „Digitalisierte Welt: Frauen 4.0 – rund um die Uhr vernetzt?“ Wegweisende For schungsergebnisse und den aktuellen Stand der gewerkschaftspoli tischen Debatte zur geschlechtergerechten Ausgestaltung des digi talen Wandels im öf fentlichen Dienst lie fert die Fachbroschüre „Digitalisierte Welt: Frauen 4.0 – rund um die Uhr vernetzt? Chan Digitalisierte Welt: cen erkennen, Risiken Mit dieser Broschüre präsentiert die dbb bundesfrauenvertretung ausgewählte Ergebnisse der . Frauenpolitischen Fachtagung Digitalisierte Welt: Frauen . – Frauen 4.0 – benennen!“. Darindie amver rund um die Uhr vernetzt? Chancen erkennen, Risiken benennen!, . April im dbb forum berlin stattfand. Mit Beiträgen unter anderem von Helene Wildfeuer (Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung), Klaus Dauderstädt mittelt die dbb bun rund um die Uhr (dbb Bundesvorsitzender), Christine Morgenstern (Abteilungsleiterin Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Dr. Kira desfrauenvertretung Marrs (Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München e. V.) und Klaus vernetzt? Hurrelmann (Hertie School of Governance). die zentralen Erkennt Chancen erkennen, Risiken benennen! nisse der 12. Frauenpo 5 litischen Fachtagung, die am 12. April 2016 im dbb forum berlin stattfand. Mit Beiträgen von Dr. Kira Marrs (Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. München), Klaus Hurrelmann (Hertie School of Governance), Christine Mor Das Weltwirtschaftsforum genstern (Abteilungsleiterin Gleichstellung im Bundesministerium prognostiziert: Die zunehmen für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Helene Wildfeuer (Vor de Technisierung von Arbeits sitzende der dbb bundesfrauenvertretung) und Klaus Dauderstädt prozessen droht, Arbeitsplätze (dbb Bundesvorsitzender). – gerade die von Frauen – zu 12 12 2016 40 dbb_umschlag_12. fpft_01.indd 1 02.06.16 10:21 ? vernichten. Wie ernst müssen wir diese Prognosen nehmen? Kira Marrs: Ich glaube, dass sehr viele Menschen Angst vor der Digitalisierung und vor den Risiken haben. Sie haben Angst davor, dass sie ihren Job verlie ren, dass ihre Qualifikation in Zukunft nichts mehr wert ist, und sie haben Angst davor, mit dieser immer schnelleren Tech nologie nicht mehr mitzukom men. Und ich finde, dass wir diese Ängste sehr ernst neh men müssen. Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist, an der Stelle weiterzudenken. Wir müssen mit diesen Menschen in einen Gestaltungsprozess kommen. In der aktuellen Dis kussion ist es nach wie vor so, dass wir sehr viele Technikopti misten auf der einen Seite ha ben, die überzeugt davon sind, dass wir mit den Apples und Googles dieser Welt alle Prob leme lösen können. Ihnen ge genüber stehen ganz viele Menschen, die geplagt sind von ganz natürlichen Ängsten Der Leitfaden steht unter www.frauen.dbb.de im Bereich „Publikationen“ als kostenfreier Download zur Verfügung. und einem Gefühl von Ohn macht, dass sie ohnehin nichts ändern können. Wir müssen dafür sorgen, dass wir das Zep ter – zumindest in Teilen – in der Hand behalten. Ich finde die Einschätzung von Profes sorin Shoshana Zuboff (Anmer kung der Redaktion: emeritier te Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Harvard Business School) hier sehr hilf reich, sie sagt, dass es nicht die Roboter sind, die die Arbeits plätze vernichten, sondern dass es Menschen mit Ge schäftsinteressen sind. ? Wie sieht unsere Arbeitswelt in zehn Jahren aus? Kira Marrs: Wir stehen ja erst am Beginn der digitalen Trans formation und die Frage ist na türlich: Wo geht die Reise hin? Diese Frage ist noch nicht ge klärt und die gesellschaftlichen Konsequenzen sind auch erst in Ansätzen fassbar. Unsere Gesellschaft sollte vor diesem Hintergrund über eine neue Arbeitszeitinitiative nachden ken, wenn wir nicht wirklich einen „Tsunami am Arbeits markt“ erleben wollen. Lassen Sie uns also einen Schritt wei terdenken. Was könnte es für partnerschaftliche Arbeitszeit modelle geben, die neue Chan cen bieten, damit wir nicht im mer nur über die berufliche Vereinbarkeit bei Frauen nach denken müssen, sondern auch die Männer der Generation Y ihre Verantwortung für die Fa milie wahrnehmen können? Denn auch sie warten darauf, dass ihr Wunsch von der Ver einbarkeit von Privatleben und Familie, über den wir schon so lange diskutieren, gelebte Rea lität wird. > dbb magazin | September 2016 35 spezial keit ermöglichen. Vor allem Frauen sollen davon profitie ren – etwa um Beruf und Kar riere besser zu vereinbaren. Bedeutet dies das Ende der „Präsenzkultur“? dbb BGH-Beschluss zur Patientenverfügung: Kein Grund zur Panik spezial 38 Der BGH hat ausgeführt, dass eine Patientenverfügung nur dann eine unmittelbare Bin dungswirkung für den oder die Bevollmächtigte(n) entfaltet, wenn ihr konkrete Entschei dungen der oder des Betroffe nen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimm te ärztliche Maßnahmen ent nommen werden könnten. Kon kret ging es um den Abbruch der künstlichen Ernährung ei ner 75-jährigen Frau, die nach einem Schlaganfall und mehre ren epileptischen Anfällen zu einer verbalen Kommunikation nicht mehr in der Lage ist. Die Betroffene hatte in den Jah ren 2003 und 2011 eine Patien tenverfügung unterzeichnet, in der es unter anderem heißt: „Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnah © Jeanette Dietl – Fotolia.com In einem Mitte August 2016 veröffentlichten Beschluss vom 6. Juli hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) zu den Anforderungen an den Inhalt von Pati entenverfügungen und Vorsorgevollmachten im Hinblick auf einen Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen geäußert – und für Verunsicherung ge sorgt. Die dbb bundesseniorenvertretung empfiehlt, die Ruhe zu bewahren und bereits unterschriebene Patientenverfügungen darauf überprüfen zu lassen, ob sie den Anforderungen des BGH entsprechen. men unterbleiben, wenn medi zinisch eindeutig festgestellt ist, dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbepro zess befinde, bei dem jede le benserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aus sicht auf Besserung verlängern würde, oder dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Be wusstseins besteht, oder dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerscha den des Gehirns zurückbleibt, oder dass es zu einem nicht be handelbaren, dauernden Aus fall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.“ Die drei Töchter sind unter schiedlicher Meinung darüber, ob der Abbruch der künstlichen Ernährung dem in der Patien tenverfügung geäußerten Wil len der Betroffenen entspricht. Hierbei wurde auf das Vorlie gen der in der Patientenverfü gung an dritter Stelle genann ten Behandlungssituation abgestellt. Nach Auffassung des BGH ist die diesbezügliche Formulierung in der Patienten verfügung so unpräzise, dass sie keinen Rückschluss auf den gegen die künstliche Ernäh rung gerichteten Willen der Betroffenen erlaube. Die Sache wurde zur Ermittlung des mut maßlichen Willens der Betrof fenen, gegebenenfalls durch ihre persönliche Anhörung, an das Landgericht zurück verwiesen. „Es wäre hilfreich gewesen, wenn die BGH-Richter konkret gesagt hätten, welche Formu lierungen bestimmt, klar und konkret genug sind“, kommen tierte dbb Seniorenchef Wolf gang Speck das Urteil, „dann bliebe besonders den älteren Menschen die Unsicherheit erspart, die jetzt entstanden ist.“ Aufstockung der Mütterrente und Rente mit 69: Testballons im Sommerloch oder ernst gemeinte Vorschläge? „Das wäre nur gerecht!“, stellte der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, zum Vorschlag der CSU, Zeiten der Erzie hung von vor 1992 geborenen Kindern künftig im Umfang von drei Jahren bei der Rente anzurech nen, fest. Zugleich äußerte er Zweifel, ob dieser Vorschlag tatsächlich ernst gemeint sei. Der Chef der dbb Senioren wies darauf hin, dass es für die Un terscheidung zwischen Müt tern und Vätern von vor 1992 > dbb magazin | September 2016 und nach 1991 geborenen Kin dern ohnehin keinen sachlichen Grund gebe. Auch sei dies ein guter Anlass, den 2014 bei der Anrechnung des zweiten Jahres der Kindererziehung gemach ten Fehler, diese aus Mitteln der Rentenversicherung zu fi nanzieren, zu korrigieren. „Die Mütterrente ist eine gesamtge sellschaftliche Aufgabe und muss daher aus Steuermitteln finanziert werden!“, so Speck. Außerdem fordert die dbb bun desseniorenvertretung die wir kungsgleiche Übertragung der Mütterrente in das Beamten versorgungsrecht. Zur Forderung der Bundes bank, schrittweise bis zum Jahr 2064 das Renteneintrittsalter auf 69 Jahre zu erhöhen, er klärte Speck, er könne nur hof fen, dass der Vorschlag nicht ernst gemeint sei. „Zurzeit ver geht ja kaum ein Tag ohne mehr oder weniger diskussi onswürdige Vorschläge zur Rente. Über die Verunsiche rung der Menschen muss sich niemand wundern“, stellte der Vorsitzende fest. dbb Die Jury ist prominent besetzt: Dieter B. ist selbstverständlich ebenso dabei wie Motsi M. Der Dritte im Bunde ist der Präsident, denn es wird ja kein 08/15-Casting veranstaltet, bei dem zweitklassige Sänger/ -innen gesucht werden, son dern angehende Polizeibeamte. Die Behörde hat sich zu dieser Maßnahme eingedenk der Er folge bei den legendären Berli ner Lehrercastings entschlos sen. Die Lifeübertragung im Regionalprogramm stellt zu dem die ansonsten fehlende Entscheidungstransparenz für oder wider einen Bewerber sicher. Der erste Kandidat be tritt das Studio. Motsi: „Zeigen Sie mal ein Paar Quicksteps, schließlich müssen Sie als Poli zist blitzschnell sein.“ Der junge ©Denys Kurbatov – Fotolia.com Fulltime-Jobsharing Mann legt sofort los. Dieter: „Du quick stepst wie ein Elefant im Porzellan laden.“ Bewer ber: „Kennen wir uns? Oder warum duzen Sie mich?“ Die ter: „So nicht, Freundchen“ und senkt den Daumen. Auch Motsi ist nicht angetan. „Ich glaube, blau steht ihm nicht.“ Der Präsident nickt beifällig. Sein Wunschkandidat ist der junge Mann ohnehin nicht. Als nächste Job-Aspiranten betreten zwei junge Frauen den Raum. Motsi: „Uih, das sind ja Zwillinge.“ Der Quick step-Test klappt wunderbar. Dieter: „Der Llambi würde zehn Punkte geben.“ Der Prä sident fragt Hintergründiges. Alles bestens: keine Partner, keine Kinder, keine zu pfle genden Angehörigen, keine Freunde, keine Hobbys. Froh locken bei den Juroren: „Die nehmen wir.“ Der Präsident fasst zusammen: „Die Einstellung erfolgt nach ei nem innovativen Konzept: Einer wird eingestellt, zwei arbeiten. Fulltime-Job sharing heißt das heute. Rund um die Uhr arbeiten ohne Ermüdungs erscheinungen und da für nur die halbe Gage zahlen, schont die Staats kasse. Ist einer krank oder hat Urlaub, kommt der andere.“ Motsi kullert verzückt mit den Augen ob dieser Perspektiven: „Wow! Gratuliere! Einmal im Dienst, immer im Dienst, suupär.“ „Watt für’n neuer An satz?“, fragt derweil POM Jürgen Klawuttke vor dem Fernseher sitzend seine besse re Hälfte. „Rund um die Uhr uff Streife für wenig Gage geh ick sm schon seit Jahren …“ 39 finale Glosse: > dbb magazin | September 2016 dbb Digitale Infrastruktur: Beim Zukunftsthema Digitalisierung hinkt Deutschland anderen Ländern seit Jahren hinterher. Dabei ist der schnelle und flächendeckende Netzausbau unabdingbar für wirtschaftliches Wachstum. Gründe für das digitale Defizit liegen unter anderem in der föderalen Zersplitterung der IT-Strukturen des Bundes und der Länder. Als wäre das nicht hemmend genug, kümmern sich auf Bundesebene gleich drei Minister um die Digitalisierung – nicht immer mit deckungsgleichen Ideen. Der Ruf nach einem „Digitalminister“ wird laut. Fällt damit der Startschuss zur digitalen Aufholjagd? finale 40 Die Idee eines Digitalministers oder gar eines entsprechenden Bundesministeriums ist nicht neu. Sie wurde allerdings bei den Koalitionsverhandlungen 2013 aufgegeben – zugunsten einer Verteilung der Zuständig keiten nach Mehrheitsverhält nissen der Parteien. Seither kümmert sich Bundesverkehrs minister Alexander Dobrindt um den Breitbandausbau, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel befeuert den digitalen Wandel in der Wirtschaft und Innenminister Thomas de Mai zière ist für Sicherheit und EGovernment zuständig. Dass die Entwicklung allen Bemü hungen zum Trotz seit drei Jah ren stockt, belegt unter ande rem eine neue Studie, die IW Consult, eine Tochtergesell schaft des Instituts der Deut schen Wirtschaft, für Vodafo ne erstellt hat. „Der Weg in die Gigabit-Gesell schaft – Wie Netzausbau zu künftige Investitionen sichert“ stellt deutliche Defizite fest. Trotz steigendem Datenhunger sei Deutschland bei der Breit bandversorgung nur Mittel maß. Der Studie zufolge wird bis 2019 ein weltweiter An stieg des Datenvolumens auf 51 794 Gigabyte pro Sekunde (Gb/s) prognostiziert – mehr als dreimal so viel wie heute. Wettbewerber wie Südkorea, Schweden oder Portugal haben bereits verstärkt in den Ausbau > dbb magazin | September 2016 von Glasfasernetzen investiert, während Deutschland hinter herhinkt. Zukunftssichere rei ne Glasfaseranschlüsse sind in Deutschland demnach kaum vorhanden: Nur 1,3 Prozent al ler Anschlüsse empfangen und senden Daten über schnelle Glasfaser. In Südkorea sind es 70 Prozent, Schweden hält 46 Prozent Glasfaseranschlüs se vor, Norwegen 31 Prozent und Portugal 24 Prozent. Darin liege in Zukunft ein erheblicher Standortnachteil für die deut sche Wirtschaft. << Ausbau bringt Geld Ende 2015 verfügten lediglich 59 Prozent der hiesigen Unter nehmen über Breitbandan schlüsse mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), auf dem Land waren es nur 29 Prozent. IW Consult rechnet vor, dass Investitionen in den Breitbandausbau durchaus loh nen: Wenn die Anzahl der Glas faseranschlüsse um ein Prozent steigt, erhöht sich das Bruttoin landsprodukt (BIP) um 0,02 bis 0,04 Prozent – für Deutschland hätte dies einen BIP-Zuwachs zwischen 600 Millionen und 1,2 Milliarden Euro zur Folge. Auch die Leistungsfähigkeit der Breitbandnetze korreliert nach dieser Rechnung positiv mit dem Wirtschaftswachstum: Im Durchschnitt der betrachteten Länder geht eine Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit um ein Prozent mit einer Stei gerung des BIP von 0,07 Pro zent einher. Umgerechnet be deutet dies, dass eine Erhöhung der derzeitigen Geschwindig keit in Deutschland um ein Pro zent zu einer Erhöhung des BIP um knapp zwei Milliarden Euro führen würde. Um mit der exponentiell wachsenden Digitalisierung in Schlüsselbereichen der Tech nologie wie zum Beispiel bei selbstfahrenden Autos, Virtual Reality, Kartendiensten und der digital gesteuerten Strom versorgung mitzuhalten, sind Investitionen in Datenge schwindigkeit unabdingbar: „Die Entwicklung hin zu Giga bit-Netzen ist nicht zuletzt durch einen immensen Anstieg des zu verarbeitenden Daten volumens getrieben, der sich weiter fortsetzen wird. Deswe gen wäre mit dem Erreichen des Ausbauziels der Bundesre gierung im Jahr 2018 von min destens 50 Mbit/s in der Fläche in Deutschland allenfalls ein Etappenziel erreicht. Auf die sem Niveau eine Ruhepause einzulegen, käme im interna tionalen digitalen Standort wettbewerb einem Rückschritt gleich. Eine zukunftsfähige Breitbandausbaustrategie soll te sich daher zumindest mittel fristig an den Bedürfnissen der Power-User im Business-Be reich orientieren und die Netze nach deren Bedürfnissen aus © envfx - Fotolia.com Wann beginnt die Aufholjagd? < Der koordinierte Ausbau der deutschen Datenautobahn ist unabdingbar für Zukunftsprojekte ... legen. Denn gerade von dieser Avantgarde der Unternehmen gehen die entscheidenden Innovationsimpulse zur Ent wicklung digitaler Geschäfts modelle und zur digitalen Transformation der Wirtschaft aus“, heißt es in der Studie. Die Unternehmen würden nur dann in vernetzte Echtzeitge schäftsmodelle investieren, wenn sie sich sicher sein kön nen, dass die Netze in der not wendigen Leistungsfähigkeit und Dichte vorhanden seien. Erst das Angebot an GigabitNetzen befeuere auf der An wendungsseite eine steigende Nachfrage. Damit habe der Gigabit-Netzaufbau auch eine marktschaffende Funktion. Da zukommen müssten geeignete Rahmenbedingungen in Politik, Staat und Gesellschaft, welche die digitale Transformation er möglichen, erleichtern und flankieren. << Der zaudernde Staat Dass die notwendigen Rahmen bedingungen beim Staat noch nicht existieren, stellte Klaus Vitt, Staatssekretär und Beauf tragter der Bundesregierung für Informationstechnik (BfIT), in einem Grußwort zur Computer messe CeBIT im März 2016 fest. Für die öffentliche Verwaltung bleibe in Sachen Digitalisierung einiges zu tun: „Es gibt auf allen Ebenen der Verwaltung viele „In knapp 200 Einrichtungen der unmittelbaren Bundesver waltung ist die IT auf über 1 300 Rechenzentren und Standorte verteilt. Hinzu kommt die stetig steigende Komplexität der IT, die uns im mer wieder vor neue Heraus forderungen stellt.“ Kleine und mittlere Rechenzentren wür den qualitativ und quantitativ nicht mehr in der Lage sein, die Anforderungen abzudecken. Nicht zuletzt sei es erforder lich, die IT-Fachkräfte in einem großen und vor allem attrakti ven IT-Dienstleister zusam menzuführen und so auch die nötige Spezialisierung zu er möglichen. „Zum 1. Juli 2015 haben wir hierfür ein vom BMI geleitetes Projekt ,IT-Konsoli dierung Bund‘ aufgesetzt.“ 41 < ... wie zum Beispiel intelligente Stromnetze. << Wirtschaft im Hintertreffen Wer nun glaubt, lediglich die Verwaltung schwächele bei der Digitalisierung, während die Wirtschaft längst die Nase vorn habe, irrt. Eine aktuelle Studie der Fokusgruppe Digital Commerce im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat ergeben, dass auch Unter nehmen aus den Bereichen Handel, Produktion und Her stellung überwiegend nicht für die Digitalisierung gerüstet sind: „Die Selbstwahrnehmung deutscher Handelsunterneh men ist mitunter deutlich zu optimistisch und schönt die Wirklichkeit“, kritisiert BVDWVizepräsident Achim Himmel reich. „Deutsche Handelsun ternehmen werden sich im globalisierten Wettbewerb nur dann behaupten können, wenn sie sich der digitalen Transfor mation stellen, alle Bereiche und Facetten ihrer Strategie der Digitalisierung unterord nen und eine entsprechende Kultur im Unternehmen veran kern.“ Doch die in Deutschland auch durch die Politik vorge lebte Kultur der Skepsis stehe notwendigen und mutigen Entscheidungen nicht selten im Weg. Ist die Zeit also reif für einen Digitalminister, der Versäum nisse rigoros aufarbeitet und Deutschland fit für die Zukunft im Digitalzeitalter macht? Geht es nach den Netzpoliti kern der Parteien, muss spä testens in der kommenden Legislaturperiode ein entspre chendes Amt geschaffen wer den. Während Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, ein entsprechen des neues Ministerium oder die Angliederung der Aufgabe an das Bundeswirtschaftsmi nisterium fordert, favorisiert der netzpolitische Sprecher der CDU/CSU einen Staatsminister für Digitales, der die Digitali sierungsbemühungen aller Ministerien zusammenführt. Auch Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, möchte die Digitalisie rung der Bundesrepublik in ei ner Person gebündelt sehen, die Einfluss am Kabinettstisch geltend macht. Darauf habe sich die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesell schaft“, die der Bundestag 2010 eingesetzt hat, eigentlich bereits vor drei Jahren ver ständigt, sagte von Notz der Wirtschaftswoche im August 2016. Die Bundesregierung habe das allerdings nicht um gesetzt. Dringender Handlungsbedarf also für die kommende Bun desregierung. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland auch im Digitalranking der Europäi schen Kommission mittler weile zwar auf Platz neun verbessert hat, gerade aber im Bereich der Schlüsseltech nologie Breitbandnetze weit abgeschlagen hinter anderen EU-Ländern rangiert. br > dbb magazin | September 2016 finale gute Fachverfahren, sie sind je doch häufig nicht flächende ckend vorhanden und zu wenig miteinander vernetzt. Mit an deren Worten: Die digitale Rei fe der deutschen Verwaltung ist noch zu gering ausgeprägt.“ Um hier zu Erfolgen zu kom men, müsse zunächst jeder, auch der Bund, seine eigene In formationstechnik zukunftsfest machen. Für den Bund seien die Konsolidierung der Rechenzent ren des Bundes sowie der ITNetze und die Gewährleistung der IT-Sicherheit Schwerpunkte. Zudem sei die IT-Landschaft der Bundesverwaltung stark zer splittert. © Cozyta – Fotolia.com dbb dbb << GDL Bekenntnis zur Schiene fehlt „Was fehlt, ist das Bekenntnis zur Schiene.“ Mit diesen Wor ten kommentierte der Bundes vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und dbb Vize Claus We selsky den Bundesverkehrswe geplan (BVWP) 2030 sowie die Ausbaugesetze für die Bundes > Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL finale 42 schienen- und Bundesfernstra ßen, die das Bundeskabinett am 4. August 2016 beschlossen hat. Lediglich 41,6 Prozent der fast 270 Milliarden Euro gingen an die Schiene, während nahe zu die Hälfte der Mittel in Bun desstraßen und Autobahnen fließen. Die meisten Staus in Deutschland könnten jedoch beseitigt werden, wenn mehr Verkehr auf die Schiene verla gert wird. Auch die klimaschäd lichen Treibhausgase könnten verringert werden. Positiv sei zu bewerten, dass bei der Bahn auf 800 Kilometern Nadelöhre verschwinden und Bestandser haltung vor Neubau gehen sol len. Dafür seien 69 Prozent des Geldes vorgesehen – nach 56 Prozent im Verkehrswegeplan von 2003. „Die Leuchtturmpro jekte müssen beendet und die Schieneninfrastruktur in der Fläche ertüchtigt werden“, sag te Weselsky. Die GDL fordert einen integralen Taktfahrplan mit festen Zeitintervallen, der die Planung erleichtert und den Kunden ein merkbares und zu verlässiges Angebot bietet, bei dem Nah- und Fernverkehr ab gestimmt sind. Außerdem müs se die gesamte Infrastruktur mit DB Netz, DB Energie sowie > dbb magazin | September 2016 DB Station und Service in ein gemeinnütziges Unternehmen überführt und somit aus der Pflicht zur Gewinnerzielung herausgenommen werden. << dbb sachsen anhalt Politische Ohnmachtserklärung Während Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) nach dem Amoklauf in München den Einsatz der Bundeswehr im In neren bei akuten Terrorlagen bekräftigt hat, lehnt dbb Lan deschef Wolfgang Ladebeck den Einsatz der Streitkräfte im Lan desinneren ab und fordert die Landesregierung auf, mehr für die innere Sicherheit in Sach sen-Anhalt zu tun. „Nachdem die Landesregierung über viele Jahre massiven Raubbau beim Personal betrieben und Hunder te Stellen bei der Polizei abge baut hat, rufen Politiker jetzt nach der Bundeswehr zur Be wältigung von Terrorlagen im Inneren. Das ist eine politische Ohnmachtserklärung“, sagte Ladebeck, der auch Landesvor sitzender der Deutschen Polizei gewerkschaft ist, am 4. August 2016 in Magdeburg. SachsenAnhalt sei das Bundesland, das in den letzten Jahren das meiste > Wolfgang Ladebeck, Vorsitzender des dbb sachsen-anhalt Personal bei der Polizei abgebaut habe. Dieser Raubbau räche sich jetzt. „Trotzdem gewährleistet die Polizei in Sachsen-Anhalt ihre Aufgaben. Polizisten sind und bleiben die Profis für die innere Sicherheit“, betont Lade beck. Um möglichen terroris tischen Anschlägen entgegen zuwirken, fordert der dbb Landesvorsitzende ausreichend Personal und eine bessere Aus rüstung: „Bei Terrorlagen sind es die Polizisten, die als erste vor Ort sind. Sie benötigen drin gend kugelsichere Helme, bes sere ballistische Schutzwesten und gepanzerte Fahrzeuge.“ << dbb Hessen Beamte sollen zusätzliches Personal mitfinanzieren Der dbb Hessen hat den Haus haltsentwurf 2017 der Landes regierung kritisiert: Zwar sei dort vorgesehen, zusätzliche Stellen in der Bildung, der Steu erverwaltung, der Justiz und der > Heini Schmitt, Vorsitzender des dbb Hessen Polizei zu schaffen. Man vermis se in der Planung aber eine an gemessene, verfassungskonfor me Teilhabe der Beamtinnen und Beamten an der Lohnent wicklung. „Für uns ist dies der Knackpunkt des Haushaltes“, sagte der Landesvorsitzende Heini Schmitt am 21. Juli 2017. Man erkenne die Pläne für die zusätzlichen Stellen durchaus an. „Das begrüßen wir, wenn gleich es nicht ausreichen wird. Wir werden auch sehr genau hinsehen, in welchen anderen Bereichen der Landesverwal tung dafür weiter zusätzliche Stellen gestrichen werden“, so Schmitt. Die geplante Besol dungserhöhung um 0,5 bis etwa 0,8 Prozent (beziehungsweise um den Mindestbetrag von 17,50 Euro) brutto sei dagegen „beschämend“. Zudem habe die Landesregierung angekündigt, die Verkürzung der Wochenar beitszeit der Beamten um acht Monate nach hinten zu ver schieben. Das Fazit des Landes vorsitzenden: „Wir geben deut lich mehr Geld für zusätzliches Personal aus, aber nicht für eine anständige Bezahlung!“ << dbb schleswig-holstein Landesbeamtenrecht wird modernisiert Der Landtag von Schleswig-Hol stein hat grünes Licht für die Modernisierung des Landesbe amtenrechts gegeben. Das teil te der dbb schleswig-holstein (dbb s-h) am 1. August 2016 mit. Die Möglichkeiten von El ternzeit und Familienpflegezeit werden demnach erweitert. Da bei handele es sich aber „nicht um eigene A kzente, sondern um die überfällige Anpassung an die für Tarifbeschäftigte bereits geltende Rechtslage“, so Lan desvorsitzende Anke Schwitzer. Ferner seien zwar 40- und auch 50-jährige Dienstjubiläen – ge gebenenfalls auch rückwirkend zum 1. Mai 2011 – wieder mit einer Jubiläumszulage verbun den. 25-jährige Jubiläen würden allerdings ignoriert. Die vor gesehenen Regelungen für > Anke Schwitzer, Vorsitzende des dbb schleswig-holstein Sonderzuschläge zur Sicherung der Funktions- und Wettbe werbsfähigkeit zeigten eben falls „Gerechtigkeitslücken und sind nicht überall praktikabel“. Auch die Einführung einer wei teren Form der Altersteilzeit („63 plus“) kann den dbb schles wig-holstein mangels „konkre ten Nutzungsmöglichkeiten und Rechtsansprüchen für alle Inter essierten“ nicht überzeugen. Gleiches gelte für die Auswei tung der Arbeitszeitflexibilität, da „ein großer Wurf wie die Er möglichung von Langzeitkon ten“ ausbleibe. dbb << BBW Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag erörtern Mit Gelassenheit hat der BBW – Beamtenbund Tarifunion auf das Bekanntwerden einer zwei ten Liste mit Nebenabsprachen zum grün-schwarzen Koaliti onsvertrag der Landesregierung reagiert, obwohl auch diese Lis te Sparmaßnahmen zulasten des öffentlichen Dienstes, dar unter Stellenstreichungen im finale 44 > Volker Stich, Vorsitzender des BBW – Beamtenbund Tarifunion vierstelligen Bereich, enthält. „Wir gehen davon aus, dass sich sowohl der Ministerpräsident als auch die Finanzministerin und der Innenminister an ihre Zusagen halten, wonach keine Entscheidungen fallen, bevor man mit uns geredet hat“, er klärte BBW-Chef Volker Stich, der zugleich dbb Vize ist, am 22. August 2016 in Stuttgart. Der BBW ist überzeugt, dass in haltlich noch nicht festgelegt ist, welche in den Nebenab sprachen fixierten Sparmaß nahmen in die Tat umgesetzt werden sollen. Schließlich sei, als der Koalitionsvertrag aus gehandelt wurden noch kein genauer Einblick in die tatsäch liche Finanzlage des Landes möglich gewesen, erinnerte BBW-Chef Stich. Inzwischen stehe fest, dass das Land 380 Millionen Euro an zusätzlichen Steuern einnehme, die jetzt ein gepreist werden könnten: Vor diesem Hintergrund wäre die Regierung schlecht beraten, wenn sie Stellen beim „Fuß volk“ des Personals spare, nach dem sie beim Spitzenpersonal bereits zugelegt habe, gab Stich zu bedenken. Mit Blick auf > dbb magazin | September 2016 mögliche Sparmaßnahmen bei der Besoldungsanpassung warnte Stich, dass der BBW nicht vergessen habe, dass es in der vergangenen Legislatur die SPD gewesen sei, die die Beam tinnen und Beamten vor einer Deckelung der Besoldungsan passung oder gar einer Nullrun de bewahrt habe. Sollte jetzt Grün-Schwarz diese Sparinstru mente auspacken, werde sich der BBW dagegen mit aller Ent schiedenheit zur Wehr setzen. Das Bekanntwerden der zwei ten Nebenabsprachenliste hat der grün-schwarzen Landesre gierung heftige Kritik beschert. Auch der BBW spart nicht mit Kritik am Verfahren. Stich spricht von einer Missachtung des Parlaments. Für den BBWVorsitzenden steht fest, dass die Angelegenheit parlamenta risch aufgearbeitet werden muss, und er hofft, dass die Mitglieder der Regierungsfrak tionen Richtungsentscheidun gen über ihre Köpfe hinweg nicht stillschweigend hinneh men werden. << BBB Abgasaffäre schadet bayerischem Pensionsfonds Der Chef des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), Rolf Habermann, unterstützt die Klage auf Schadensersatz von Bayern gegen Volkswagen, wie aus einem Bericht auf merkur. de vom 3. August 2016 hervor geht. Es gehe dabei um die Aktienkursverluste, die dem bayerischen Pensionsfonds in Folge der „Abgasaffäre“ ent standen seien. Dieser Fonds werde derzeit aufgebaut, um langfristig die Pensionskosten abzufedern, die auf den Frei staat zukommen. Bis 2018 sol le der Fonds auf 2,8 Milliarden Euro aufgestockt werden, ab 2022 werde eine erste Auszah lung angepeilt. Angelegt ist das Geld demnach bei der Deutschen Bundesbank und dort zu rund einem Viertel in Aktien. Im Portfolio seien un ter anderem alle Dax-Werte, > Rolf Habermann, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes (BBB) also auch Volkswagen. Eine Gefahr für die Pensionszahlungen sehen laut des Berichtes aber weder der bayerische Finanz minister Markus Söder noch Habermann. Der BBB-Chef sagte, es gebe „keinen Grund zur Panikmache“. Es laufe rund, es sei aber „richtig, dass Bayern versucht, seine Rechte zu wah ren“. Betriebsprüfer, sagt Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzen der der Deutschen Steuer- Gewerkschaft und dbb Vize: „Mittelgroße Betriebe werden im Schnitt nur alle 15 Jahre ge prüft, kleine und Kleinstbetrie be sogar nur alle 70 bis 100 Jahre.“ Jeder Arbeitnehmer und inzwischen auch jeder Rentner müsse jährlich seine Einkünfte gegenüber dem Fis kus offenlegen, während sich mittelgroße Betriebe 14 Jahre lang selbst besteuern und erst im Folgejahr geprüft werden. „Ich empfinde das als Lücke in der Steuergerechtigkeit“, so Eigenthaler. Dabei liegt der Zusammenhang zwischen dem Personaleinsatz der Län der und ihren Ergebnissen auf der Hand: je mehr Prüfer, desto mehr Einnahmen. Und die Fi nanzbeamten sorgen quasi << DSTG Steuerprüfer in NRW treiben 6,3 Milliarden Euro ein Immer wieder versuchen deut sche Betriebe und Einzelperso nen, etwa durch Abschreibun gen oder Verlustmeldungen, ihre Steuerlast zu drücken – und das im großen Umfang, wie die jährlichen Ergebnisse der Betriebsprüfungen zeigen: Rund 6,3 Milliarden Euro zu sätzliche Steuern haben allein die Außenprüfer in NordrheinWestfalen (NRW) im vergange nen Jahr festgesetzt, 600 Milli onen Euro mehr als im Vorjahr. Um alle deutschen Betriebe re gelmäßig untersuchen zu kön nen, fehlen bundesweit 15 000 > Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der DSTG selbst für ihre Bezüge. Eigen thaler erklärt, dass ein Be triebsprüfer jährlich etwa 75 000 Euro koste – aktives Gehalt, Altersversorgung und Büroausstattung eingerechnet. Durch seine Arbeit kommen allerdings im Bundesdurch schnitt 1,5 Millionen Euro pro Jahr in die Landeskassen. << BLBS – VLW – VBM Am 29./30. September 2016 findet in Berlin der „Führungskräfte Kongress 2016 – Berufliche Schulen 4.0“ statt. Er wird vom Bun desverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen (BLBS), dem Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirt schaftsschulen (VLW) und dem Verband Bildungsmedien (VBM) veranstaltet. Damit sollen die Führungskräfte der beruflichen Schulen und jene, die es werden wollen, die Möglichkeit bekom men, im Expertenkreis über die Herausforderungen im Bereich der beruflichen Bildung zu diskutieren. Der Vorsitzende des BLBS, Eugen Straubinger, wies darauf hin, dass es zu den wesentlichen Aufgaben der beiden Verbände gehöre, „einen Beitrag dafür zu leisten, dass die beruflichen Schulen zukunftsfähig sind“. dbb << tbb Thüringer Lehrer sollen Beamte werden „Es ist zu begrüßen, dass sich nunmehr auch die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert (SPD) für die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in Thüringen ausgesprochen hat. Thüringen ist nun mal keine In sel und hat im bundesweiten Länderwettbewerb das Nach sehen, solange es diesbezüglich andere Wege geht als es bun finale 46 > Helmut Liebermann, Vorsitzender des tbb desdeutscher Standard ist“, kommentierte der tbb-Vorsit zende Helmut Liebermann am 18. August 2016 die entspre chende Presseverlautbarung der Ministerin. Der tbb forderte Bildungsministerin Birgit Klau bert auf, das Verbeamtungs angebot umgehend zu unter breiten. Darüber hinaus solle das Bildungsministerium jetzt beginnen, die nötigen Vorbe reitungen zu treffen, dass Ein stellungen zum 1. Februar 2017 in der Regel im Beamtenver hältnis vorgenommen werden, so wie in den Nachbarländern Sachsen-Anhalt, Bayern, Hes sen und Niedersachsen auch. Zu dem von der Finanzministe rin vorgestellten Nachhaltig keitsmodell forderte Lieber mann, dass die durch Verbeamtung entstandene Haushalts entlastung sowie die Höhe der Tilgungen einschließlich nicht mehr zu zahlender Schuldzin sen jährlich der Öffentlichkeit vorgestellt und als fiktiver Vor sorgefonds gebucht werden muss. Gleichzeitig ist sicherzu stellen, dass bei Veränderung der Zinslage die bisher indirekt > dbb magazin | September 2016 angesparten Gelder dann di rekt in einen Vorsorgefonds eingezahlt werden und für die Pensionsverpflichtungen zur Verfügung stehen. << BPolG Mehr Tarifkräfte gefordert Angesichts der politischen Dis kussion um ein Burkaverbot und die doppelte Staatsbür gerschaft hat die DPolG Bun despolizeigewerkschaft am 19. August 2016 erneut davor gewarnt, dass die Polizeiarbeit als wesentlicher Aspekt der in neren Sicherheit in den Hinter grund gerät. „Vielen scheint immer noch nicht klar gewor den zu sein, dass Polizisten nicht auf Bäumen wachsen und dass man die aktuellen Probleme kurzfristig nicht al lein mit zusätzlichen Polizis tenstellen lösen kann“, stellte BPolG-Chef Ernst Walter klar. „Die Blauäugigkeit mancher Politiker, die meinen, mit ein paar Ad-hoc-Maßnahmen alle Probleme lösen zu können, ist gefährlich. Die traurige Wahr heit ist: In den nächsten drei Innenminister ernsthaft verfolgt.“ Die DPolG Bundes polizeigewerkschaft ist über zeugt, dass durch die Polizei lichen Einsatzassistenten viele Bundespolizisten von Aufga ben im administrativen Be reich, wie bei der Eingabe von Anzeigen und Berichten im Ermittlungsdienst, bei statisti schen Erhebungen und Stun denerfassungen oder sonsti gen Aufgaben in Leitstellen und Führungsstäben für den echten Polizeidienst freige setzt und auch bei operativen Routineaufgaben wie Durch suchungen, ED-Behandlungen und Personentransporten ent lastet werden könnten. Wal ter: „Nur so wird es auch mög lich sein, die bislang wegen Personalmangels geschlosse nen Polizeireviere wieder zu besetzen, für die Bürger vor Ort wieder ansprechbar zu sein und dem Rückzug der Bundespolizei aus der Fläche und der Grenzregion endlich Einhalt zu gebieten.“ << DBB NRW An der neuen Laufbahnverordnung (LVO) lässt der DBB NRW Be amtenbund und Tarifunion (DBB NRW) kaum ein gutes Haar. Das Ziel, mit der LVO neue Strukturen zu schaffen, die Personalentwicklung gesetzlich zu verankern sowie den öffentlichen Dienst für Spezialisten attraktiver zu machen, sei verfehlt worden. Statt dessen serviere die Landesregierung alten Wein in neuen Schläu chen und „garniere das Ganze mit wohlklingenden Worthülsen“, teilte der DBB NRW am 2. August 2016 mit. << dbb mecklenburg-vorpommern In Rostock haben 20 Jugendliche während eines Hilfseinsatzes die Rettungskräfte mit Steinen beworfen und mit Glasflaschen be droht. Die Polizei konnte 14 Verdächtige im Alter zwischen 13 und 18 Jahren festnehmen. „Dieser Angriff ist schlicht skandalös und inakzeptabel“, sagte der Vorsitzende des dbb mecklenburg-vor pommern, Dietmar Knecht. „Hier darf es null Toleranz geben, und der Strafrahmen sollte ausgeschöpft werden.“ << GDL > Ernst G. Walter, Bundesvor sitzender der Bundespolizei gewerkschaft BPolG in der DPolG Jahren wird nicht ein Polizist mehr auf unseren Straßen, an Bahnhöfen oder Grenzen zu sehen sein“, so Walter weiter. Nur die sofortige zusätzliche Einstellung von tariflich be schäftigten Polizeilichen Ein satzassistenten und deren Einsatz nach einer drei- bis sechsmonatigen Ausbildung bei attraktiver Bezahlung, könne kurzfristig Entlastung bringen: „Leider wird das aber immer noch nicht durch alle Die Umfrage „Mit Sicherheit“ der Gewerkschaft Deutscher Loko motivführer (GDL) hat ergeben, dass es viel mehr Übergriffe auf Beschäftigte der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gibt als es beispielsweise die offiziellen Statistiken der Deutschen Bahn besagen. Mehr als 82 Prozent der befragten GDL-Mitglieder gaben demnach an, im Dienst schon einmal verbal beleidigt worden zu sein. Über die Hälfte sei verbal bedroht worden und jeweils ein Viertel berichtete von körperlichen Angriffen. Die Betreuung durch den Arbeitgeber nach Übergriffen bewerteten 72 Prozent der Be fragten als ungenügend oder mangelhaft und nur sechs Prozent als gut oder sehr gut. << BBW Der BBW Baden-Württemberg und die Landesregierung bemühen sich weiter um bessere Beziehungen zueinander. Nach einem VierAugen-Gespräch zwischen BBW-Chef Volker Stich, der zugleich dbb Vize ist, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Vor woche trafen sich am 18. Juli 2016 BBW-Vertreter mit Finanzmi nisterin Edith Sitzmann. Sie erklärte, dass die Landesregierung die Absenkung der Eingangsbesoldung bis 2022 schrittweise zurück nehmen werde. Noch offen sei, wie man diese mit Kosten von 55 Millionen Euro veranschlagte Maßnahme angehe, es seien mehrere Alternativen im Gespräch. Ein Kinderfahrrad – wurde ei nem flüchtigen Verkehrssün der zum Verhängnis. Ein Mofa fahrer machte sich bei einer Verkehrskontrolle aus dem Staub, die Polizisten vermute ten Kriminelles und nahmen mit dem Streifenwagen seine Verfolgung auf. Doch die ende te abrupt vor dem schmalen Eingang einer Kleingarten kolonie. Einer der Beamten schnappte sich spontan ein nicht abgesperrtes Kinderfahr rad und schaffte es, den Flüch tigen einzuholen und dingfest zu machen. Im Rucksack des 27-Jährigen fand sich nicht nur Rauschgift und -zubehör, au ßerdem war der Mann betrun ken und besaß keinen Führer schein. Das Fahrrad brachten die Polizisten nach der Verfol gungsjagd unbeschädigt zu rück. Ein(e) Milchtütenmaß – hat der 2. Bürgermeister Münchens, Josef Schmid, in seiner eigen schaft als Wiesn-Chef erfun den: die gemeine Milchtüte in den Standardmaßen 20 x 6 x 9 Zentimeter. In diesem Jahr sol len auf dem Oktoberfest vom 17. September bis zum 3. Okto ber vorsichtshalber besondere Sicherheitsvorkehrungen ge troffen werden, die unter an derem bereits auf der Berliner Fußball-Fanmeile Standard sind. Rucksäche sind künftig beim Gaudi ebenso verboten wie Handtaschen ab einem Volumen von drei Litern. Anschaulich verdeutlichte Schmid die neue Größenord nung: „Eine Tasche, in die mehr als drei Milchtüten passen, ist bereits zu groß.“ Eine Hautallergie – kann durch aus Folge eines Dienstunfalls sein; nicht aber, wenn Toner staub in der Büroluft die Ursa che sein soll. Das hat das Ver waltungsgericht Münster festgestellt und die Klage eines Finanzbeamten aus Lüdinghau sen (NRW) zurückgerwiesen. Der Mann hatte geltend ge macht, dass der Staub aus den Laserdruckern die Raumluft kontaminiere und sich auch auf den Akten niederlasse, deshalb sei er an einer sogenannten Kontaktdermatitis erkrankt. Nachdem der Arbeitgeber die Anerkennung als Dienstunfall abgelehnt hatte, reichte der Beamte Klage ein – und schei terte. Das Gericht entschied, dass er keinesfalls stärker dem Tonerstaub ausgesetzt sei als die übrige Bevölkerung und andere Berufsgruppen, etwa im Friseurhandwerk, deutlich höhere Risiken hätten, eine Hautallergie zu entwickeln. Eine Amtskette – symbolisiert in vielen Städten die Oberbür germeisterwürde. In Gera musste Stadtchefin Viola Hahn drei Wochen lang ohne diesen Schmuck auskommen. Dreiste Diebe waren gezielt in das Amtszimmer der Oberbürger meisterin eingebrochen und hatten das 100 Jahre alte Prunkstück und zwei Dienst siegel gestohlen. Die Polizei fand die Beute bei einer Razzia im Drogenmilieu zufällig wie der. Offenbar hatten die Täter angenommen, das schwere Schmuckstück bestehe aus rei nem Gold, doch das ist nicht der Fall. Die Amtskette stelle lediglich einen ideellen, histori schen Wert dar, so die Stadt verwaltung. Ob sich die eben falls entwendete Kaffeetasse der Rathauschefin ebenfalls wieder eingefunden hat, ist nicht bekannt. sm > dbb magazin | September 2016 47 finale Eine Fress-Strafgebühr – für nicht leer gegessene Teller in Restaurants, die Büfetts oder „All you can eat“-Gerichte zu einem Festpreis anbieten, setzt sich langsam, aber sicher auch in Deutschland durch. Wer seinen Teller vollschaufelt, im Essen stochert und es stehen lässt, um sich die nächste La dung zu holen, muss für jede verschmähte Portion zwischen einem und fünf Euro Strafe zahlen. Damit wollen die Res taurants ein Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung setzen – und sie haben Erfolg damit. Die meisten Gäste sind einsichtig, gehen sogar öfter zum Büfett als vor Einführung der Strafgebühr, nehmen aber jeweils weniger. In den betei ligten China-Restaurants in Düsseldorf, Stuttgart oder Menden ist seitdem die Le bensmittelvernichtung deut lich zurückgegangen. Deutsch landweit landen übrigens jährlich 18 Millionen Tonnen Essensreste auf dem Müll. ©Andrey Popov – Fotolia.com ©bildschoenes – Fotolia.com dbb
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