Business Process Management 2016 Status quo und Best Practices «Kundennutzen durch digitale Transformation?» Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik in Kooperation mit dem Institut für Marketing Management Elke Brucker-Kley, Denisa Kykalová, Thomas Keller, David Grünert, Simon Näpflin, Sandro Graf, Amélie-Charlotte Körner Studienpartner Leasing IMPRESSUM Herausgeber ZHAW School of Management and Law Stadthausstrasse 14 Postfach 8401 Winterthur Schweiz Institut für Wirtschaftsinformatik www.zhaw.ch/iwi Projektleitung, Kontakt Elke Brucker-Kley [email protected] September 2016 Copyright © 2016, ZHAW School of Management and Law Alle Rechte für den Nachdruck und die Vervielfältigung dieser Arbeit liegen beim Institut für Wirtschaftsinformatik der ZHAW School of Management and Law. Die Weitergabe an Dritte bleibt ausgeschlossen. Business Process Management 2016 Management Summary «Kundennutzen durch digitale Transformation?» oder technologischer Gadgets zu, sondern befassen sich lautet der Untertitel der diesjährigen BPM-Studie. intensiv mit Defiziten in der Durchgängigkeit ihrer Prozesse Das Fragezeichen steht für eine Vielzahl offener und mit der Modernisierung ihrer Arbeitsplätze. Das fachliche Fragen und Zweifel, die sich bei der Realisierung und technische Prozessmanagement ist dabei gefordert, dieses Heilsversprechens auf Kunden- und Unter- aber das volle Potenzial für die Maximierung des Kundennut- nehmensseite früher oder später einstellen. Die zens ist noch nicht ausgeschöpft. Vision des Endzustands kling verlockend: Kunden profitieren von innovativen Produkten und Dienst- Die Studie kommt zum Schluss, dass das Hype-Thema «di- leistungen, die nicht nur effizienter erbracht wer- gitale Transformation» die Chance bietet, das Prozessma- den, sondern eine neue Dimension von Kundener- nagement in einem neuen Licht zu betrachten. Der Beitrag, lebnissen eröffnen. Unternehmen stehen vor der den das Prozessmanagement zur Gestaltung des digitalen Aufgabe, die Voraussetzungen für diese digitale Wandels leisten kann, ist unbestritten. Isoliert sind die damit Erlebniswelt zu schaffen, das heisst nicht nur ihr verbundenen Herausforderungen jedoch nicht zu bewälti- traditionelles Geschäftsmodell, ihre Strategien und gen. Das Prozessmanagement muss sich aktiv mit den Pa- Kultur zu hinterfragen und anzupassen, sondern radigmen, Methoden und Werkzeugen anderer Manage- auch ihre betrieblichen Strukturen, Abläufe und mentdisziplinen auseinandersetzen. Gelingt es Synergien mit Systeme so weit zu entwickeln, dass sie eine radi- den Kräften des Innovationsmanagements, Enterprise Ar- kale Öffnung in Richtung ihrer Kunden zulassen. chitecture Managements, Wissensmanagements und Cus- Gestaltungsfelder sind also vorhanden. Doch wo tomer Experience Managements zu nutzen, können Chan- und wie wirkt das Prozessmanagement? cen, aber auch Grenzen der Prozessdigitalisierung sehr viel wirksamer ausgelotet werden. Ein derart technologienahes Die BPM-Studie 2016, die das Institut für Wirtschaftsinfor- und datenzentrisches Prozessmanagement, das sowohl die matik in Zusammenarbeit mit dem Institut für Marketing Ma- Mitarbeitenden- als auch die Kundenperspektive einnimmt, nagement an der ZHAW School of Management and Law kann eine aktive Rolle bei der zielgenauen Planung und Ge- durchgeführt hat, beleuchtet die Rolle des Prozessmanage- staltung des digitalen Wandels im Front- und Back-End von ments als Gestaltungshebel des digitalen Wandels. Im Rah- Unternehmen spielen. men eines Praxisworkshops mit fünf Unternehmen (AMAG Leasing AG, Kanton Zürich, Swisscom, Swiss Re, Vontobel) wurden Herausforderungen, Lösungsansätze und Erfolgsmuster diskutiert und als Fallstudien für die vorliegende Studie aufbereitet. Die Ergebnisse einer Umfrage ergänzen diese qualitative Perspektive und präsentieren den Status quo des Prozessmanagements an den Themenschnittstellen «Digitalisierung» und «Kundennutzen» in Unternehmen. 180 Teilnehmende aus unterschiedlichen Branchen haben dazu beigetragen, ein differenziertes Bild der digitalen Transformation zu zeichnen. Entgegen der medialen Wahrnehmung wenden sich Unternehmen keinesfalls nur der publikumswirksamen «Sonnenseite» der Digitalisierung in Form mobiler Applikationen 1 2 Inhalt Inhalt Management Summary 1 Inhaltsverzeichnis2 1. Zielsetzung und Studiendesign 1.1 Forschungsgegenstand und Ausgangslage 1.2Studiendesign 4 4 7 . Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als 2 Gestaltungselement des technologischen Wandels 12 3. Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» 3.1 Strategische Ausrichtung 3.2Prozessdigitalisierung 3.3 Digitale Transformation 3.4 Was will der Kunde? 3.5 Kundenperspektive in der Prozessgestaltung und -optimierung 3.6 Kundendaten: Quellen, Nutzung und Einsatz für die Prozessausführung 17 . Fallstudien «Erfolgsmuster: Kundennutzen 4 durch digitale Transformation?» 45 19 23 27 30 34 40 4.1 Fallstudie AMAG Leasing AG: «Videobasierte Identifikation als Wegbereiter für das Online-Leasing» 46 4.2 Fallstudie Kanton Zürich: «e-Umzug – Online umziehen» 63 4.3 Fallstudie SWISS RE: «Case Management in P&C Reinsurance – Wissensarbeit im Fokus» 75 4.4 Fallstudie Vontobel: «Digitalisiertes Service Management schafft Kundennutzen» 89 4.5 Fallstudie Swisscom: «Die Einführung von Produktions- und Servicekatalogen – der erste Schritt zur industrialisierten Fertigung» 98 Business Process Management 2016 5. Fazit111 5.1 Status quo «Kundennutzen durch Digitale Transformation»: Fazit aus der Online-Befragung 5.2 Erfolgsmuster: «Kundennutzen durch digitale Transformation»: Fazit aus den Fallstudien 5.3 BPM quo vadis? – Prozessmanagement als Gestaltungshebel der digitalen Transformation 111 114 117 Literaturverzeichnis119 Abbildungsverzeichnis121 Experten123 Autoren124 Studienpartner126 Anhang128 Teilnehmerkreis der Online-Befragung 128 Fragenkatalog der Online-Befragung 132 3 4 Zielsetzung und Studiendesign 1. Zielsetzung und Studiendesign 1.1 FORSCHUNGSGEGENSTAND UND AUS- wärtigen Warnungen, dass ein Moment der Unachtsamkeit GANGSLAGE genügt, um von einem innovativen Startup aus dem Markt Bietet das Hype-Thema «digitale Transformation» gedrängt zu werden, tragen nicht gerade dazu bei, sich die Chance, Prozessmanagement in ein ganz neu- freudig dem Thema «Digitalisierung» zuzuwenden. es Licht zu rücken? Ist Prozessmanagement vielleicht sogar eine wesentliche Voraussetzung, um Digitale Transformation – Für wen? den digitalen Wandel zielgenauer zu gestalten? Dabei ist häufig unklar, was sich konkret hinter dem Begriff Oder wird Prozessmanagement im Zeitalter der «digitale Transformation» verbirgt. Dass sich Unternehmen selbstorganisierenden Teams und Customer Jour- verändern und kundenzentriert sein sollen, ist nichts Neues. neys letztlich überflüssig? Nicht nur Branchen, son- Auch Digitalisierung ist mehr als vier Jahrzehnte nach Erfin- dern auch Managementdisziplinen sind herausge- dung des Mikroprozessors und mehr als zwei Jahrzehnte fordert, sich mit der Relevanz der digitalen nach der Geburt des World Wide Webs keine neues Phäno- Transformation zu beschäftigen, sich neu zu ord- men. Neu zu sein scheint die Geschwindigkeit, die diese nen, sich besser zu verzahnen und sich letztlich zu Transformation aufgenommen hat und die Reichweite, mit wandeln. der sie in alle Lebensbereiche eindringt und die Grenzen zwischen Mensch, Maschine und Unternehmen zunehmend Die Business Process Management (BPM)-Studie 2016 aufweicht. Diese Tendenz wird nicht erst seit kurzem beob- widmet sich einem Thema, das für viele bereits zum Reiz- achtet. Die Suche nach einer Definition der digitalen Transfor- wort geworden ist. Das Schlagwort «digitale Transformation» mation zeigt, dass der Begriff bereits zur Jahrtausendwende dominiert nicht nur die Veranstaltungskalender, sondern in in einem sehr ähnlichen Licht diskutiert wurde. So definieren zunehmendem Masse die strategischen Diskussionen in (Stolterman & Fors, 2004) in ihrem Research Position Paper Unternehmen aller Grössen und Branchen. Im Rampenlicht «Technology and the Good Life» digitale Transformation als stehen mobile Apps oder vielversprechende digitale Helfer die Summe aller Veränderungen, die digitale Technologien in und technologische Gadgets, wie Serviceroboter oder Aug- allen Aspekten des menschlichen Lebens verursachen (Ab- mented-Reality-Brillen, die Kunden und Mitarbeitenden bildung 1). Sie leiten daraus die Forderung an die Informatik- neue Dimensionen der Interaktion eröffnen sollen. Die Faszi- forschung ab, das eindimensionale Verständnis von Informa- nation ist gross, doch für Unternehmen ist häufig unklar, wel- tionstechnologie um die Perspektive des menschlichen che Relevanz diese Innovationen für ihr Geschäftsmodell Erlebens zu erweitern. Technologien werden unter diesem haben und wie sie sie in die bestehenden Prozess- und Blickwinkel nicht nach rein funktionalen Kriterien für Nutzer in Systemlandschaften integrieren können. Auch die allgegen- bestimmten Rollen (z.B. Kunde, Entscheider) entworfen, «Nach und nach wird jede Branche und jeder Lebensbereich von der Digitalisierung erfasst werden – von Produktion bis Dienstleistung, von Bildung bis Gesundheit. Der technische Fortschritt verheisst ein besseres, angenehmeres und längeres Leben und bedroht zugleich praktisch jedes etablierte Geschäftsmodell.» GDI: Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft (Frick & Höchli, 2014) Business Process Management 2016 sondern für Menschen, die ein Leben führen und Bedürfnis- Digitale Transformation – Wie und wozu? se haben, die sich nicht ausschliesslich auf eine Lebenswelt Doch welche Möglichkeiten haben Unternehmen, diese Kun- begrenzen lassen, sondern kontextübergreifend sind. Sie denerlebnisse bewusst zu gestalten und ihre Produkte und reihen sich damit in eine Strömung des Information Systems Dienstleistungen auf Kundenbedürfnisse auszurichten, die sich Engineering ein, die seit Ende der 1990er-Jahre mit Diszipli- kaum einschätzen lassen? Obwohl Pine & Gilmore (1998) die nen wie «Human-Centered Computing», «User Experience» Wichtigkeit von Gerüchen und haptischen Erlebnissen beto- oder «Interactions Design» das Anwendererlebnis in den Mit- nen, sehen sie das Potenzial neuer Technologien. So beschrei- telpunkt des Systementwurfs stellt. Im selben Zeitraum ent- ben sie das Visionarium Reality Center des Grafikworkstation- steht der Begriff der «Customer Experience», erstmals er- Herstellers Silicon Graphics, das bereits 1996 dreidimensionale wähnt von (Pine & Gilmore, 1998) in einem Artikel im Harvard Produktvisualisierungen ermöglichte, mit denen Produktent- Business Review, die mit einer sehr ähnlichen Haltung das wickler und Kunden verschiedene Produktvarianten mit allen positive Kundenerlebnis als wesentliche Basis einer nachhal- Sinnen erproben konnten, um die vielversprechendsten frühzei- tigen und für alle Seiten wertstiftenden Kundenbeziehung tig zu erkennen. Seither ist viel geschehen. 3D-Virtual-Reality- einstufen. Die sich in der Folge entwickelnde Disziplin des Brillen für das ultimative Gaming- und Filmerlebnis sind heute für «Customer Experience Management» ist jedoch grundsätz- jedermann erschwinglich. Mobile Technologien, Social Media lich technologieunabhängig und bezieht sich auf jeden Be- und Wearables gehören zum digitalen Alltag. Konsumenten rührungspunkt mit dem Kunden, egal ob physisch oder digi- verfügen über digitale Möglichkeiten und Kompetenzen, die tal. Wesentlich dabei ist die Anerkennung des Kundennutzens Unternehmen zunehmend ausnutzen, um Interaktionen und als relativer Wert aus Kundensicht («perceived value»). Beim Transaktionen unmittelbarer und schneller zu gestalten. Dieser wahrgenommenen Kundennutzen werden Preis und Qualität Einsatz neuer Technologien steht folglich auch im Mittelpunkt zu subjektiven Grössen, die von jedem Kunden individuell für vieler Definitionen und Analysen zum Thema «digitale Transfor- jede Situation und abhängig von Erfahrungen, Vergleichen mation». Auch die oft zitierte Definition der MIT Sloan Manage- und Werthaltungen definiert werden (McDougall & Levesque, ment Review, die im Rahmen einer Studie mit Cap Gemini ent- 2000). stand, stellt digitale Transformation mit der Anwendung neuer «As goods and services become commoditized, the customer experiences that companies create will matter most … A Rolling Stones concert-goer, for example, will pay a premium for an official T-shirt emblazoned with the date and city of the concert. That’s because the price points are a function less of the cost of goods than of the value the buyer attaches to remembering the experience.» (Pine & Gilmore, 1998)) 5 6 Zielsetzung und Studiendesign Abb. 1: DEFINITIONEN FÜR DIGITALE TRANSFORMATION Für wen? «The digital transformation can be understood as the changes that the digital technology causes or influences in all aspects of human life. This research challenge has to be accepted on behalf of humans, not in their roles as users, customers, leaders, or any other role, but as humans living a life.» (Stolterman & Fors , 2004) Wozu? «We define Digital Transformation as the use of new digital technologies (social media, mobile, analytics or embedded devices) to enable major business improvements (such as enhancing customer experience, streamlining operations or creating new business models).» (MIT Sloan Management Review Report, 2013) Wie? Womit? «It’s tempting to look for simple definitions, but to be meaningful and sustainable, we believe that digital should be seen less as a thing and more a way of doing things. To help make this definition more concrete, we’ve broken it down into three attributes: creating value at the new frontiers of the business world, creating value in the processes that execute a vision of customer experiences, and building foundational capabilities that support the entire structure.» (McKinsey, 2015) Business Process Management 2016 Technologien (Social Media, Mobile etc.) gleich (Fitzgerald, Kru- 1.2 STUDIENDESIGN schwitz, Bonnet, & Welch, 2014, S. 2; Abbildung 1). Der Blick «Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als auf den Anwendungszweck dieser Technologien ergibt jedoch Gestaltungshebel der digitalen Transformation?» ein deutlich differenzierteres Bild. Mit den drei Bereichen «Cus- lautet die Forschungsfrage der BPM-Studie 2016. tomer Experience», «Operational Improvements» und «Business Mögliche Chancen und Potenziale der Digitalisie- Model Change» wird der Rahmen für die Gestaltung der digita- rung für das Prozessmanagement wurden in For- len Transformation gesteckt. Innerhalb der operationalen Ver- schungsfragen und Hypothesen formuliert. Im Rah- besserungen finden sich «alte Bekannte» wie Prozessdigitalisie- men einer quantitativen Online-Befragung wurde rung, Worker Enablement und Performance Management, die der Status quo in Unternehmen erhoben. Gemein- nicht perfekt in das Bild der neuen Technologien passen, aber sam mit Unternehmen wurden Fallstudien erarbei- dennoch von Unternehmen als wesentliches Element der digi- tet und Erfolgsmuster abgeleitet. talen Transformation betrachtet werden. Digitale Transformation scheint also nicht nur im Front-End, in der Interaktion mit Kun- 1.2.1 Forschungsfragen und Hypothesen den stattzufinden, sondern beeinflusst auch die Gestaltung und Die Ergebnisse der BPM-Studie des Vorjahres haben ge- Ausführung der operativen Prozesse. Ist dies der naheliegende zeigt, dass Unternehmen Prozessmanagement zuneh- Ansatzpunkt für das betriebliche Prozessmanagement? Oder mend mit dem Ziel einer stärkeren Kundenorientierung ein- greift diese Betrachtung, die das Prozessmanagement im setzen. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gab die Back-End-Silo der operativen Verbesserungen einordnet, zu Erhöhung der Kundenzufriedenheit als Motivation für das kurz? Hat das Prozessmanagement auch Einfluss auf die Ge- betriebliche Prozessmanagement an (Brucker-Kley, et al., staltung der Kundenerlebnisse oder sogar das Potenzial, das 2015). Effizienz war in der letztjährigen Studie mit 61 % die Geschäftsmodell zu verändern und Produkt- und Serviceinno- dominierende Zielsetzung für das Prozessmanagement, je- vationen zu schaffen? Könnte Prozessmanagement, sowohl im doch wurde Kundenzufriedenheit auf Platz zwei sogar häufi- fachlich-strategischen als auch im technisch-operativen Sinn, ger genannt als das Ziel der Transparenz (38 %). Die Frage eine der grundlegenden Fähigkeiten («foundational capabilities») nach der Umsetzung ergab jedoch ein ernüchterndes Bild. sein, die gemäss (McKinsey & Co, 2015) in Unternehmen vor- Durchgängige und am Kundenbedarf ausgerichtete Prozes- handen sein müssen, um ihr Geschäft wertstiftend digital trans- se standen nur für rund ein Viertel der befragten Unterneh- formieren zu können (Abbildung 1)? men im Fokus. Fast 40 % setzten keine Methoden oder Technologien ein, um ihre Prozesse flexibel an den Kontext Die Forschungsfrage oder die Bedürfnisse ihrer Kunden anzupassen und wenn, An diesem Punkt setzt die BPM-Studie 2016 an und stellt sich dann nutzten sie vordefinierte Geschäftsregeln, um komple- folgende Frage: «Welche Rolle spielt Prozessmanagement als xe stark strukturierte Prozesse zu steuern. Innovation war Gestaltungselement der digitalen Transformation? Sie widmet nur für rund 16 % der befragten Unternehmen ein Thema für sich den Themenschnittstellen der drei Wirkungsfelder «Kun- das Prozessmanagement. Lediglich 22 % der befragten Un- denutzen – Digitalisierung – Prozessmanagement» und unter- ternehmen erhoben systematisch Automatisierungspotenzi- sucht im Rahmen einer qualitativen und quantitativen Studie: al. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie des Vorjah- –– Den Status quo in der Praxis: In welcher Ausprägung setz- res stellt sich die Frage, ob das Prozessmanagement in ten Unternehmen im deutschsprachigen Raum Konzepte, Unternehmen strategisch und operativ für die Herausforde- Methoden und Technologien an diesen Schnittstellen ein? rungen des digitalen Wandels gerüstet ist. Kann das Pro- –– Erfolgsmuster in Unternehmen: Welche Erfahrungen, Lö- zessmanagement über Effizienzsteigerung und Automatisie- sungsansätze und Resultate weisen Unternehmen auf, die rung standardisierter Back-End-Prozesse hinaus einen Beitrag den Kundennutzen und die Möglichkeiten der Digitalisie- zu veränderten Kundenerlebnissen und innovativeren Pro- rung ins Zentrum ihrer BPM-Initiativen stellen? dukten und Dienstleistungen leisten? 7 8 Zielsetzung und Studiendesign Effizienz versus Kundenerlebnis? Prozessmanagement – Kundenutzen – Auch die Ergebnisse anderer jüngerer Studien zur Ausprä- Digitalisierung gung des Prozessmanagements deuten darauf hin, dass es Das spürt auch das traditionell auf Transparenz und Effizien- noch Entwicklungspotenziale in den für die digitale Transfor- zgewinne ausgerichtete Prozessmanagement, das sich ver- mation essentiellen Bereichen Kundenorientierung und Digi- mehrt der Frage stellen muss, welche Rolle die durch den talisierung gibt. So resümiert der 2016 aktualisierte Digital technologischen Wandel veränderte Kundenbeziehung beim Maturity & Transformation Report (Universität St.Gallen; Entwurf, bei der Operationalisierung und bei der Optimierung Crosswalk, 2016), der auf einer Befragung von mehr als 500 von Prozessen spielt. Wie lassen sich die neuen Möglichkei- Schweizer Unternehmen beruht, dass es insbesondere in ten, die sich aus neuen Interaktionsformen mit Kunden und den Bereichen Customer Experience und Prozessdigitalisie- Mitarbeitenden ergeben, mit den vorhandenen oder zu rung niedrige Erfüllungsraten und einen hohen Aufholbedarf schaffenden Fähigkeiten im Back-End in Einklang zu brin- gäbe. Überprüft wurden beim Kriterium Prozessdigitalisie- gen? Wie lassen sich dabei sowohl durchgängige und effizi- rung unter anderen Geschäftsfähigkeiten wie Prozessauto- ente Prozesse als auch überzeugende digitale und physi- matisierung, die Entscheidungsunterstützung durch Big-Da- sche ta-Analysen und die Planung und die Durchführung von Anforderungen an den Themenschnittstellen zwischen Pro- digitalen Marketingmassnahmen. Eine Studie von (BPM&O; zessmanagement, Kundennutzen und Digitalisierung wurden BearingPoint, 2015) bei 270 Unternehmen im deutschspra- im Rahmen der vorliegenden Studie als Forschungsfragen chigen Raum kam zum Schluss, dass das Prozessmanage- formuliert (Abbildung 2), mit Hypothesen hinterlegt und in ment im Vergleich zu den Back-End-Operations und Sup- den quantitativen und qualitativen Elementen der Studie ad- portprozessen (z.B. IT, Finanzen) in den Bereichen mit ressiert. Kundenerlebnisse realisieren? Diese hohen Kundenkontakt wie Marketing, Sales und Service vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Auch der Einfluss von Ergeb- HYPOTHESEN nissen der Kundenzufriedenheitsmessungen auf die Pro- Strategische Ausrichtung – Kundenzentrisches und zessgestaltung ist laut dieser Studie noch begrenzt. Dass technologienahes BPM Unternehmen aber auch beim Thema Digitalisierung primär Unternehmen nennen die verstärkte Kundenorientierung an stark strukturierte back-end-lastige Prozesse denken, er- neben Effizienz und Transparenz als wichtige Motivation staunt und bestätigt zugleich, dass Effizienzsteigerung auch für das Prozessmanagement. Dennoch spielt der Kunden- im Zeitalter der digitalen Transformation eine Notwendigkeit nutzen für Rechtfertigung und konkrete Ausgestaltung des bleibt. Diesen Schluss legt eine Studie von (Crisp Research, Prozessmanagements eine untergeordnete Rolle. Pro- 2015) mit über 500 Führungskräften in Deutschland nahe. zessdesign, -automatisierung und -optimierung in Unter- Sie zeigt, dass 42 % der befragten Unternehmen den gröss- nehmen sind primär auf Effizienz ausgerichtet. Auch die ten Einfluss der digitalen Transformation in der Optimierung Business Cases für BPM-Investitionen (organisatorisch von Produktions- und Logistikprozessen sehen, wohingegen und technisch) basieren in der Regel auf Effizienzgewin- die Digitalisierung der Kundenbeziehung mit 31 % auf Platz nen. Kundenzufriedenheit bleibt ein strategisch formulier- zwei landet. Dieser Balanceakt zwischen Kundenperspektive tes Ziel, das indirekt über Qualität, Geschwindigkeit und und internem Fokus, zwischen technologischen Möglichkei- Preis unterstützt wird, das jedoch noch kaum mit unmittel- ten und finanzieller Machbarkeit stellt Unternehmen unab- bar wirksamen Massnahmen des operativen Prozessma- hängig von Grösse und Branche vor grosse Herausforderun- nagements – wie etwa individualisierten Prozessen – ad- gen. ressiert wird. Business Process Management 2016 Abb. 2: Forschungsfragen WELCHE ROLLE SPIELT PROZESSMANAGEMENT ALS GESTALTUNGSELEMENT DER DIGITALEN TRANSFORMATION? 9 10 Zielsetzung und Studiendesign Interne Sicht versus Kundenperspektive mationssystemen möglich. Insbesondere kleinen und mittle- Digitale Transformation wird von Kunden und Mitarbeitenden ren Unternehmen fehlt häufig die Infrastruktur, um diese Inte- getrieben, die die Potenziale moderner Technologien kennen gration rasch und wiederverwendbar zu realisieren. Diese und selbstverständlich erwarten, dass Unternehmen diese «harte Realität» der digitalen Transformation wird mit Blick auf ausnutzen. Die Anforderungen an den Technologieeinsatz prestigeträchtige Technologien an der Schnittstelle zum kommen somit vom Kunden und anwendenden Mitarbeiten- Kunden (z.B. mobile Apps), gerne ausgeblendet. Auch das den und können nicht isoliert formuliert werden. Diese konse- breite Spektrum der Prozessdigitalisierung wird häufig nicht quente und frühzeitige Einnahme der Kundenperspektive ausgenutzt. Prozessdigitalisierung umfasst mehr als nur die muss auch für die Gestaltung, Ausführung und Weiterent- Automatisierung von Standardprozessen. Die IT-Unterstüt- wicklung der Prozesse (Prozessziele, -struktur, IT-Unterstüt- zung schwach strukturierter, wissensintensiver Prozesse, zung) gelten. Die konsequente Ausrichtung auf den Kunden- ein wesentlicher Aspekt des digitalen Arbeitsplatzes, ist in bedarf wird im Prozessmanagement heute vor allem unter Unternehmen immer noch schwach ausgeprägt. Methoden, dem Prinzip «End-to-End-Prozessmanagement» zusammen- um zielgerichtet Prozesse zu digitalisieren, das heisst, die gefasst.End-to-End-Prozessmanagement konzentriert sich passende Digitalisierungsform und den optimalen Grad an jedoch auf das Kundenbedürfnis im Sinne eines Prozessin- Standardisierung beziehungsweise Flexibilisierung oder Be- puts und dessen Erfüllung im Sinne eines Prozessoutputs, fähigung zu finden, existieren kaum. Auch die Frage, ob der häufig mit dem Prozessziel gleichgesetzt wird. Der durch- Technologieeinsatz Kundennutzen immer erhöht oder unter gängige Prozess selbst wird aus der unternehmensinternen Umständen auch minimiert oder gar zerstört, wird in Zeiten Perspektive gestaltet, ohne den Berührungspunkten zum hektischer Digitalisierungsinitiativen nicht systematisch ad- Kunden besondere Beachtung zu schenken. Für die Kun- ressiert. denbeziehung oder das Kundenerlebnis kritische Aktivitäten oder Informationsflüsse sind in Prozessmodellen typischer- Digitalisierung = datenzentrisches Prozessma- weise nicht speziell gekennzeichnet. Customer Journeys hin- nagement gegen, die die Befindlichkeiten des Kunden an allen Berüh- Daten sind der Treibstoff der digitalen Transformation und rungspunkten mit dem Unternehmen abbilden (Gartner spielen auch für die kundenorientierte Ausgestaltung, Flexi- Research, 2014), werden isoliert im Marketing eingesetzt und bilisierung und Optimierung der Prozesse eine zentrale Rol- haben häufig keinen Bezug zu den Prozessmodellen le. Die Digitalisierung der Kundenbeziehung führt zwangsläufig zu einem massiven Wachstum der Kundendaten. Prozessdigitalisierung: die richtige Form und das Damit verbunden sind nicht nur neue Möglichkeiten, Kun- richtige Mass denerlebnisse auch in der digitalen Welt individuell zu ge- Digitalisierung wird in vielen Unternehmen heute aus- stalten oder innovative Produkte und Dienstleistungen an- schliesslich im Front-End für die Optimierung des Kundener- zubieten, sondern die Verantwortung der Unternehmen, lebnisses oder ausschliesslich im Back-End für Standardi- über das gesetzliche Mindestmass hinaus Transparenz sierung und Effizienzsteigerung betrieben. Diese isolierten über die Haltung und Verwendung dieser Daten herzustel- Aktivitäten sind nicht zielführend. Durchgängige und flexible len. Unternehmen sind sich dieser Verantwortung bewusst Prozesse, die Effizienz und Kundenerlebnis gleichermassen und auf der Suche nach geeigneten Mechanismen, diese optimieren, werden nur durch Integration von Front- und Transparenz zu gewährleisten und so eine vertrauensvolle Back-End und gegebenenfalls externen Partnern und Infor- Kundenbeziehung nachhaltig sicherzustellen. Business Process Management 2016 Abb. 3 VORGEHEN ZUR KONZEPTION UND DURCHFÜHRUNG DER STUDIE Okt – Nov 2015 Studiendesign & Vorstudie Dez 2015 – März 2016 Fallstudien identifizieren und debriefen April – Juni 2016 Praxisworkshop durchführen, auswerten Hypothesen schärfen Juni– Aug 2016 BPM-Symposium 29.9.2016 Studie verfassen und publizieren Ergebnisse und Cases präsentieren Online-Befragung durchführen, auswerten –– Qualitativ – Erfolgsmuster in Unternehmen: Im Rahmen offe- 1.2.2 Vorgehen und Ergebnisse Die Studie umfasst einen quantitativen und qualitativen For- ner Interviews und eines ganztägigen Workshops werden schungsteil: Fallstudien mit Unternehmen erarbeitet, die ihre Erfahrungen, Lösungsansätze und Resultate aus kundenzentrischen –– Quantitativ – Status quo in der Praxis: Im Rahmen einer Online-Befragung wird die Ausprägung, mit der Unter- Digitalisierung- bzw. Prozessmanagement-Initiativen aufzeigen. nehmen im deutschsprachigen Raum Konzepte, Methoden und Technologien an den Schnittstellen von Pro- Abbildung 3 skizziert das Vorgehen. Die nachstehende Tabelle zessmanagement, Kundenorientierung und fasst den Inhalt der vorbereitenden sowie quantitativen und quali- Digitalisierung einsetzen, erhoben. tativen Forschungsteile und deren Ergebnisse zusammen. Tabelle 1 VORGEHEN UND ERGEBNISSE Vorgehen Ergebnisse (Studie) Was ist digitale Transformation? Welche Handlungsfelder eröffnen sich für das Prozessmanagement? Vorstudie: – Definitionen und Gestaltungsebenen der «digitalen Transformation» – Stand der Forschung «BPM & digitale Transformation» Forschungsfragen und Hypothesen Kapitel 1 Rahmenwerk der Studie Kapitel 2 In welcher Ausprägung setzten Unternehmen Konzepte, Methoden und Technologien an den Schnittstellen zwischen Prozessmanagement, Kundennutzen und Digitalisierung ein? Quantitativ: – Online-Befragung von Unternehmen im deutschsprachigen Raum (April–Mai 2016) Studienteilnehmenden – Branchenübergreifende Analyse der Umfrageergebnisse Umfrage-Ergebnisse Kapitel 3 Fazit: Status quo Kapitel 5.1 Welche Erfahrungen, Lösungsansätze und Qualitativ: Resultate weisen Unternehmen auf, die – Debriefings mit Fallstudienkandidaten den Kundennutzen und die Möglichkeiten – Ganztägiger Praxis-Workshop mit 5 Unternehmen der Digitalisierung ins Zentrum ihrer BPMInitiativen stellen? Fallstudien von Amag Leasing, Vontobel, Kanton Zürich, Swiss Re und Swisscom Kapitel 4 Fazit: Erfolgsmuster Kapitel 5.2 Welche Konsequenzen ergeben sich für das Prozessmanagement? Fazit: Quo vadis BPM? Kapitel 5.3 11 12 Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels 2. Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels «Kundennutzen durch digitale Transformation?» 2. Was wird digital transformiert? lautet der Untertitel der diesjährigen BPM-Studie. Ü Kundenerlebnis Das Fragezeichen steht für eine Vielzahl offener Ü Geschäftsmodell Fragen und Zweifel, die sich bei der Realisierung Ü Business Operations dieses Heilsversprechens früher oder später einstellen. Die Vision des Endzustands kling verlo- 3. Wie beziehungsweise womit wird digital transfor- ckend: Kunden profitieren von innovativen Produk- miert? Fokus: Prozessmanagement ten und Dienstleistungen, die nicht nur effizienter erbracht werden, sondern eine neue Dimension von Strategisch, konzeptionell: Kundenerlebnissen eröffnen. Unternehmen stehen Ü Kundenzentrische und technologienahe BPM-Strategi allerdings vor der Aufgabe, die Voraussetzungen zu en: Digitalisierungspotenzial (und Digitalisierungsgren- schaffen, das heisst nicht nur ihr traditionelles Ge- zen) identifizieren schäftsmodell, ihre Strategien und ihre Kultur zu Ü Kundenzentrische End-to-End-Prozessarchitekturen und hinterfragen, zu verändern oder zumindest anzu- -modelle: Transparenz: Kundennutzen und für die Kun- passen, sondern auch ihre betrieblichen Struktu- denbeziehung kritische Punkte sichtbar machen ren, Abläufe und Systeme so weit zu entwickeln, dass sie eine Öffnung in Richtung Kunde zulassen. Operativ, technisch: Gestaltungsfelder sind also vorhanden. Doch wo Formen der Prozessdigitalisierung zweckmässig einsetÜ und wie wirkt das Prozessmanagement? zen für: – Optimierung von Effizienz und/oder Qualität Um mögliche Wirkungsbereiche des Prozessmanagements im – Flexibilisierung und Individualisierung von Kundeninter- Kontext der digitalen Transformation herauszuarbeiten, wurde im Rahmen der Vorstudie ein Rahmenwerk entworfen, das die aktionen – Synchronisierung von physischen und digitalen Kun- Gestaltungsfelder der digitalen Transformation aufzeigt (Abbil- denerlebnissen dung 4). Das Rahmenwerk diente zum einen als Arbeitsdefiniti- Ü on für den Begriff der digitalen Transformation und zum ande- – Kundendaten und operativen Prozessdaten für die fle- ren als Projektionsfläche, um strategische, fachliche sowie xible Prozesssteuerung einsetzen (retrospektiv und in technische Lösungselemente des Prozessmanagements in Echtzeit) diesem Gestaltungsrahmen zu platzieren. Im qualitativen Forschungsteil wurde das Rahmenwerk eingesetzt, um die Fallstudien der beteiligten Unternehmen einzuordnen, Erfolgsfaktoren zu identifizieren und Entwicklungspotenziale zu diskutieren. Das Rahmenwerk basiert auf bestehenden Definitionen (Kapitel 1.1) und betrachtet die digitale Transformation aus drei Perspektiven: 1. Wozu und für wen wird digital transformiert? Ü Kundennutzen Ü Produkt- und Service-Innovation Ü Operational und Service Excellence Kundenwissen & Customer Analytics: – Transparenz der Datenhaltung für Kunden sicherstellen Business Process Management 2016 Abb. 4: Thematisches Rahmenwerk der BPM-Studie 2016 BPM STUDIE 2016: KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANSFORMATION? GESTALTUNGSFELDER UND POTENZIALE FÜR DAS PROZESSMANAGEMENT 13 14 Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels DIGITALE TRANSFORMATION – WOZU UND FÜR Dies hat auch Einfluss auf die kontinuierliche Entwicklung der WEN? Operational und Service Excellence. Die Optimierung von Was möchten Unternehmen durch digitale Transformation Prozessen im Back- und Front-End hinsichtlich Qualität und Effizi- erreichen und wer profitiert von diesen Errungenschaften enz stellt eine weitere wesentliche Motivation für die digitale Trans- (Abbildung 5)? Wie bereits in Kapitel 1.1 ausgeführt, steht formation in Unternehmen dar. Vor allem an der Schnittstelle zum der Kunde mit seinen Bedürfnissen, Emotionen und persön- Kunden, aber auch zu Partnern und einer neuen Generation von lichen Werthaltungen im Fokus der digitalen Transformation. Mitarbeitenden, ist jedoch nicht immer fassbar, welche Leistung Technologien einzusetzen, um positive Kundenerlebnisse zu unter welchen Bedingungen als exzellent betrachtet wird. Flexibili- schaffen, ist eine nachvollziehbare Motivation. Die Realisie- tät und Reaktionsfähigkeit, in der Regel in Echtzeit, sind eine neue rung dieser Erlebnisse und der effektive Wirkungsnachweis Dimension von Operational und Service Excellence, die hohe An- fallen jedoch schwer. Kundenbedürfnisse sind häufig nicht forderungen an Daten- und Prozessintegration mit sich bringt. ausgesprochen und werden von Unternehmen lediglich angenommen und in Anforderungen formuliert, sei es für die Die Innovation von Produkten und Services ist Motivation und Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung oder Treiber der digitalen Transformation zugleich. Technologische Neu- für den Entwurf eines Prozesses oder einer Softwarelösung. erungen sind die wesentliche Kraft hinter vielen Produkt- und Der Kundennutzen wird im Customer Experience Manage- Service-Innovationen in den verschiedensten Branchen. Neue ment als relativer Wert betrachtet («perceived value»), der je Wettbewerber nutzen diese Chance, um mit innovativen digitalen nach Situation und Erfahrungshintergrund von jedem Kun- Dienstleistungen in den Markt zu drängen. Aber auch etablierte den individuell empfunden wird. Objektive, auch vom Pro- Anbieter erweitern ihr Produkt- und Dienstleistungsportfolio um di- zessmanagement traditionell anvisierte Grössen wie Schnel- gitale Innovationen. Grundvoraussetzung ist ein offenes Innovati- ligkeit, Qualität oder Preis werden so zu subjektiven Grössen, onsmanagement, das neue Konzepte wie Design Thinking in in- die den Kundennutzen zweifelsohne beeinflussen, jedoch terdisziplinären, unternehmensweiten und -übergreifenden Teams nicht für jeden Kunden und in jedem Kontext gleichermassen und die Einbindung von Kunden in Produktentwicklungs- und In- relevant sind. novationsprozesse («Co-Creation») aufgreift. Abb. 5 DIGITALE TRANSFORMATION – WOZU UND FÜR WEN? Business Process Management 2016 DIGITALE TRANSFORMATION – WAS WIRD TRANS- den Prozessarchitekturen und -modellen niederschlagen, die FORMIERT? wiederum einen Beitrag leisten, neue und veränderte Prozes- Reichweite und Wirkungsfelder der digitalen Transformation se durchgängig und konsequent am Kundenbedarf ausge- innerhalb des Unternehmens und für den Kunden können richtet zu entwerfen. Voraussetzung ist eine enge Verzah- unterschiedlich ausgeprägt sein: von der Ergänzung oder nung Optimierung eines Online-Kanals, über die Ausstattung von Geschäfts- und Informationssystemarchitektur (z.B. durch Aussendienstmitarbeitern mit mobilen Applikationen oder der die Hinterlegung von Geschäftsobjekten, Applikationen, Da- durchgängigen Automatisierung eines Prozesses bis hin zu tenquellen), um Integrationsherausforderungen, Informati- einer Veränderung oder Erweiterung des Geschäftsmodells. onsbedürfnisse und Digitalisierungpotenziale oder -defizite Grosses Potenzial liegt vor allem in den Wirkungszusammen- offenbar werden zu lassen. Im Idealfall spielt ein derart kun- hängen zwischen den Transformationsbereichen Kundener- denzentrisch und technologienah aufgestelltes Prozessma- lebnis, Geschäftsmodell und Business Operations (Abbil- nagement eine aktive Rolle in der Identifikation von Business dung Cases für die die Prozessdigitalisierung im Front- und Back- 6). Werden Produkte, Dienstleistungen oder Distriubutionskanäle digital erweitert, muss sich dies auch in der End. Abb. 6 DIGITALE TRANSFORMATION – WAS WIRD TRANSFORMIERT? Prozessarchitektur und -modelle mit der 15 16 Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels DIGITALE TRANSFORMATION – WOMIT? (FOR- herausragender Kundenerlebnisse im Front-End und durch- MEN DER PROZESSDIGITALISIERUNG) gängiger Prozesse setzt eine sehr viel breitere Technologieba- Digitalisierung wird häufig mit technologischen Gadgets, So- sis in Unternehmen voraus (Abbildung 7), die teilweise bereits zialen Netzwerken und mobilen Applikationen assoziiert, die vorhanden, aber nicht immer integriert ist und nicht immer auf in erster Linie Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten mit den neuesten Technologien oder Systemarchitekturen beruht. dem Unternehmen und dessen Produkten und Dienstleis- Im Rahmen der vorliegenden Studie werden unter dem Begriff tungen eröffnen. Prozessdigitalisierung rückt erst beim Prozessdigitalisierung insbesondere auch der Technologieein- Stichwort «Operational Excellence» ins Bild und wird typi- satz für schwach strukturierte und wissensintensive Prozesse scherweise mit der Automatisierung stark strukturierter und verstanden, die die Kollaboration und Entscheidungsunter- standardisierter Prozesse gleichgesetzt. Doch diese enge stützung von Mitarbeitenden, gegebenenfalls mit Einbezug Sicht deckt nur einen Teil des Spektrums ab. Die Schaffung von Kunden oder Partnern, unterstützen. Abb. 7 DIGITALE TRANSFORMATION – WIE UND WOMIT? (FORMEN DER PROZESSDIGITALISIERUNG) Business Process Management 2016 3. Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Welchen Beitrag leistet das Prozessmanagement «Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als Gestal- für die Maximierung des Kundennutzens? Wie las- tungselement der digitalen Transformation?» lautet die For- sen Unternehmen die Kundenperspektive in die schungsfrage der BPM-Studie 2016, die sich den The- Prozessgestaltung einfliessen? In welcher Ausprä- menschnittstellen der drei Wirkungsfelder Kundenutzen gung setzen Unternehmen Kunden- und Prozess- – Digitalisierung – Prozessmanagement widmet. Ziel der quan- daten ein, um Kundenerlebnisse zu individualisie- titativen Befragung war es, den Status quo des Methoden- ren? Ist dabei Transparenz und Datenherrschaft für und Werkzeugeinsatzes innerhalb und an den Schnittstellen Kunden sichergestellt? Erheben Unternehmen sys- dieser drei Wirkungsfelder zu erheben und Erkenntnisse über tematisch Digitalisierungspotenzial in ihren Pro- die Ausrichtung und den Reifegrad des Prozessmanage- zessen? Wie steht es um die Durchgängigkeit der ments in Unternehmen im Hinblick auf die Herausforderun- Prozesse und welche Formen der Prozessdigitali- gen des technologischen Wandels zu gewinnen. Ausgehend sierung kommen dabei zum Einsatz? Diese und von den in Kapitel 1 formulierten Forschungsfragen und Hy- weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Online- pothesen sowie dem in Kapitel 2 vorgestellten Rahmenwerk Befragung, die im Rahmen der vorliegenden Studie wurden für die quantitative Erhebung Unterforschungsfragen im Mai 2016 durchgeführt wurde. in sechs Themenbereichen formuliert (Abbildung 8) und ein Abb. 8 UNTERFORSCHUNGSFRAGEN FÜR DIE 6 THEMENBEREICHE 17 18 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Fragenkatalog ausgearbeitet1. Die Ergebnisse der Online- Abb. 9 Befragung werden in den nachfolgenden Kapiteln nach die- TEILNEHMENDE NACH GRÖSSE DES UNTERNEHMENS sen sechs Themenbereichen gegliedert präsentiert. Die Online-Befragung richtete sich an Unternehmen im KMUs (1 –249 Mitarbeitende) Grosse (250 und mehr) in % 39,3 % 60,7 % deutschsprachigen Raum und wurde mehrheitlich von Teilnehmenden aus Unternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Schweiz (81 %) beantwortet². 178 Personen aus unterschiedlichen Funktionsbereichen und aus Unternehmen diverser Branchen haben sich an der Online-Umfrage beteiligt und haben dazu beigetragen, den Status quo des Prozessmanagements im Kontext der digitalen Transformation zu erheben. Fast drei Viertel der Befragten sind in der Unternehmensleitung (20 %), im Projekt-, Qualitäts- oder Prozessmanagement oder in der Informatik tätig und stellen eine unternehmensweite Betrachtung der erhobenen Themenkreise sicher. Nahezu 80 % der Befragten nehmen eine spezifische Prozessmanagement-Funktion (z.B. Prozessverantwortlicher, Process-Manager, Chief Process Officer etc.) wahr, so dass von einem fundierten Fach- und Erfahrungswissen bei der Beantwortung der Fragen ausgegangen werden kann. Der Blick auf die Unternehmensgrösse der Teilnehmenden zeigt ein Verhältnis von 1:1,5 zwischen KMUs und grossen Unternehmen: 70 befragte Personen repräsentieren dabei kleinste, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), was 39,3 % der Gesamtteilnehmerzahl entspricht, 108 Befragte bzw. 60,7 % gehören grossen Unternehmen (in den folgenden Abbildungen als GrossU bezeichnet) mit 250 oder mehr Mitarbeitenden an³. 1 D er vollständige Fragenkatalog findet sich im Anhang der Studie. Das Studiendesign sowie die zugrundeliegenden Forschungsfragen und Hypothesen sind Gegenstand von Kapitel 1. 2 D ie vollständigen Daten zur Zusammensetzung des Teilnehmerkreises der Online-Befragung finden sich im Anhang der Studie. 3 In einigen der folgenden Auswertungen wird auf die relative Beteiligung der Unternehmen zu ihrer Grössen-Gruppe, die gesamthaft an der Umfrage teilgenommen hat, hingewiesen (z.B. «29 % der befragten KMUs und 42 % der befragten grossen Unternehmen geben Transparenz als wichtigsten strategischen Treiber für das Prozessmanagement an», vgl. Abbildung 12). Dies soll helfen, grössentypische Fokus-, Reifegrad- und Vorgehensunterschiede zu erkennen. Wird auf die Unternehmensgrösse (in den Abbildungen als UGGrösse referenziert) nicht eingegangen, kann davon ausgegangen werden, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Grössengruppen gibt. Frage A5 N=178 Business Process Management 2016 3.1 STRATEGISCHE AUSRICHTUNG digitalen Transformation eine zentrale Rolle spielen, stehen Transparenz und Wirtschaftlichkeit sind die etab- für Unternehmen weniger im Mittelpunkt des Prozessma- lierten Zielsetzungen des strategischen Prozess- nagements, nahmen gegenüber dem Vorjahr jedoch um managements in Unternehmen. Die Studie geht 10 % zu. Der Blick auf die Unternehmensgrösse zeigt (ohne von der Hypothese aus, dass Prozessmanagement Abbildung), dass die KMUs, relativ betrachtet, häufiger als auch einen relevanten Beitrag leisten kann, um die grossen Unternehmen Kundenzufriedenheit (71 % aller Kundenerlebnisse zu optimieren oder Produkte, befragten KMUs, 63 % aller befragten GrossU) und Innovati- Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu inno- on (34 % der KMUs, 21 % der GrossU) als Motivationen für vieren. Um dies zu erreichen, müssen die Weichen das Prozessmanagement nennen. Diese Themen scheinen bereits bei der strategischen Ausrichtung des Pro- für KMUs wichtiger zu sein als für grosse Unternehmen. Dies zessmanagements gestellt werden. Haben Organi- bestätigen auch die weiteren Befragungsergebnisse (vgl. sationen die Weichen entsprechend gestellt? Abbildung 14 und Abbildung 31). Die Frage nach den drei wichtigsten strategischen Treibern Ein interessantes Bild ergibt die Frage nach der Priorisie- für das Prozessmanagement ergibt ein gewohntes Bild (Ab- rung der drei genannten Ziele von 1 (höchste Priorität) bis 3 bildung 10): Wie bereits in der letztjährigen BPM-Studie (Bru- (Abbildung 11). Hier zeigt sich, dass Transparenz immer cker-Kley, et al., 2015) ist die Steigerung der Wirtschaftlich- noch die vorrangigste Motivation für das Prozessmanage- keit die Topmotivation für das Prozessmanagement (83 %), ment der befragten Unternehmen ist (36 %), gefolgt von dicht gefolgt von den Transparenzthemen (78 %) Prozessbe- Kundenzufriedenheit (28 %) und dem auf den ersten Blick wusstsein, Qualitätssicherung und Governance/Risk/Com- dominierenden Wirtschaftlichkeitsthema (26 %). Dieses Re- pliance (GRC). An Relevanz gewonnen hat erneut die Kun- sultat unterstreicht die hohe Relevanz der Transparenz als denzufriedenheit (64 %), die 2015 bereits 49 % der Befragten wesentliche Voraussetzung für die nachgelagerte Operatio- als Motivation angegeben hatten. Treiber wie Flexibilität nalisierung, Standardisierung und Optimierung der Prozes- (34 %) und Innovation (25 %) hingegen, die im Kontext der se. Abb. 10 STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS in % 32,6 50,6 Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Produktivität, Ertragskraft) Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung, Erfüllung regulatorischer Vorschriften, Risikomanagement) Kundenzufriedenheit / - nutzen Flexibilität (Personalisierung von Prozessinstanzen, rasche Anpassung von Prozessen an sich ändernde Rahmenbedingungen) Innovation (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodell) Andere 26,4 51,7 27,0 37,1 13,5 21,3 12,9 12,4 2,8 2,2 N=178 Frage B1 (Nennung von 3 Zielen möglich) 0 20 1 – 249 40 60 250 und mehr Mitarbeitende 80 19 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Der Detailblick auf die Ziele erster Priorität nach Unterneh- Abb. 11 STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS – PRIORISIERT miniert klar die Transparenz mit 42 %, gefolgt von Kundenzufriedenheit (28 %) und Wirtschaftlichkeit (25 %). Interessant ist, dass Innovation nur von KMUs als wichtigster BPM-Treiber gewählt wurde. Die absolute Zahl ist jedoch zu klein (4 Teilnehmende), um Schlussfolgerungen ziehen zu können. 5 11,2 Druck konfrontiert, auf den digitalen Wandel zu reagieren. Offen bleibt die Frage, wo sie mit der Digitalisierung beginnen sollen, das heisst, wie sie Anwendungsfelder und Technolo1,1 0 1. Prio Unternehmen sehen sich im Wettbewerb mit einem hohen 5 1,7 2,8 2,3 2,3 10 Strategische Impulse durch Potenzialanalysen 14,6 8,7 11,2 9,6 20 18,5 19,1 20,8 18,0 18,0 30 parenz, Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit ähnlich hoch gewichtet wurden. Bei den grossen Unternehmen do- Flexibilität Innovation Andere 27,5 40 mensgrösse (Abbildung 12) zeigt, dass bei den KMUs Transin % 34,8 36,5 Wirtschaftlichkeit Transparenz Kundenzufriedenheit / -nutzen 25,8 20 0 2. Prio 3. Prio Frage B1 (Priorisierung von 3 Zielen möglich; 1=höchste Priorität) N=178 gien mit einem hohen Nutzenpotenzial identifizieren können. Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Unternehmen das Prozessmanagement noch nicht systematisch einset- Abb. 12 STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS – «1. PRIORITÄT» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE in % Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung, Erfüllung regulatorischer Vorschriften, Risikomagement) 28,6 41,7 27,1 Kundenzufriedenheit / -nutzen 27,8 27,1 Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Produktivität, Ertragskraft) 25,0 Flexiblität (Personalisierung von Prozessinstanzen, rasche Anpassung von Prozessen an sich ändernde Rahmenbedingungen) Innovation (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodell) Andere Frage B1 (Priorisierung von 3 Zielen möglich) 2,9 2,8 5,7 0,0 5,7 0,0 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 10 in % von KMU 20 30 in % von GrossU 40 50 Business Process Management 2016 zen, um Digitalisierungspotenziale zu erkennen, zum Beispiel strukturierte Prozesse oder Kundeninteraktionen. Ernüch- indem sie relevante Informationen in strategischen Prozess- ternd hingegen ist der geringe Anteil der Unternehmen, die landkarten oder Prozessmodellen visualisieren bzw. hinterle- diese Potenzialanalysen systematisch durchführen, was gen oder operative Prozessdaten analysieren. Zweifel an der Wirkungskraft der durchgeführten Analysen aufkommen lässt. Insbesondere Analysen, die Digitalisie- Die Frage nach diesbezüglichen Aktivitäten führt jedoch zu rungspotenziale über die Unternehmensgrenzen hinweg einem optimistischeren Bild (Abbildung 13): Zwei Drittel der (17 %) sowie Sourcing-/ Outsourcingpotenziale (11 %) ermit- Unternehmen führen gelegentlich oder systematisch Poten- teln, werden kaum systematisch durchgeführt. Auch die für zialanalysen in mindestens einem der erfragten Bereiche das Kundenerlebnis wichtigen Optimierungspotenziale von durch. Mehr als drei Viertel der Unternehmen identifizieren Nutzeroberflächen (UX) werden noch kaum systematisch erfolgskritische Prozesse oder Prozesse, die für die Kunden- identifiziert (13 %). zufriedenheit kritisch sind. Ähnlich viele Unternehmen identifizieren Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial Die Detailauswertung nach Unternehmensgrösse (Abbildung sowie Digitalisierungspotenziale für kollaborative, schwach 14) offenbart, dass beide Gruppen ähnlich aktiv sind und Abb. 13 POTENZIALANALYSEN FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG STRATEGISCHER ENTSCHEIDE Für die Kundenerfahrung oder -zufriedenheit kritische Prozesse 27,5 57,3 29,8 53,9 in % 11,8 14,0 Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial Digitalisierungspotenziale (über reine Standardisierung / Automatisierung hinaus, z.B. Kollaboration, Kundeninteraktion, Flexibilisierung etc.) 20,2 58,4 24,7 51,1 18,0 19,7 Erfolgskritische Prozesse (Wettbewerbsperspektive) Optimierungspotenzial der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) 12,9 Potenzial für Prozessintegration über Unternehmensgrenzen hinweg (mit Partnern, Lieferanten) 16,9 57,3 27,5 52,2 11,2 27,5 55,6 25,8 Out / Sourcingpotenzial Andere Frage D2 (Mehrfachnennung möglich) 0,6 1,7 2,2 0 20 systematisch 40 60 gelegentlich 80 100 nie 21 22 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» zumindest gelegentlich Potenzialanalysen durchführen (zwischen 54 % und 89 % der jeweiligen Grössengruppe). Bei der Identifizierung der kundenkritischen Prozesse sind jedoch die KMUs leicht aktiver (89 % vs. 82 % von grossen Unternehmen), für die diese Analyse die meist eingesetzte ist. Bei den grossen Unternehmen liegt ein etwas stärker ausgeprägter Fokus auf der Erhebung des Standardisierungund Automatisierungspotenzials vor. Dieses Resultat entspricht den oben identifizierten Zielprioritäten nach Unternehmensgrösse. Abb. 14 POTENZIALANALYSEN FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG STRATEGISCHER ENTSCHEIDE – «SYSTEMATISCH ODER GELEGENTLICH» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE 88,6 Für die Kundenerfahrung oder -zufriedenheit kritische Prozesse 82,4 77,1 Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial 88,0 Digitalisierungspotenziale (über reine Standardisierung / Automatisierung hinaus, z.B. Kollaboration, Kundeninteraktion, Flexibilisierung etc.) 74,3 81,5 72,9 Erfolgskritische Prozesse (Wettbewerbsperspektive) 77,8 Optimierungspotenzial der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) 60,0 76,9 Potenzial für Prozessintegration über Unternehmensgrenzen hinweg (mit Partnern, Lieferanten) 54,3 78,7 58,6 Out / Sourcingpotenzial 72,2 2,9 Andere Frage D2 (Mehrfachnennung möglich) in % 1,9 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 20 in % von KMU 40 60 in % von GrossU 80 100 Business Process Management 2016 3.2 PROZESSDIGITALISIERUNG erledigt werden. Der hohe Stellenwert der Wirtschaftlichkeit Modellierung, Standardisierung und Automatisie- und der Kundenzufriedenheit als Ziel des Prozessmanage- rung sind die klassischen Methoden des Prozess- ments (Abbildung 10) und die Tatsache, dass über 80 % der managements, um Transparenz- und Wirtschaft- befragten Organisationen Standardisierungs- und Automati- lichkeitsziele zu erreichen. Prozesse durchgängig sierungspotenziale erheben, könnte den Schluss nahelegen, zu machen und Medienbrüche zu beseitigen, sind dass Unternehmen mit Zielrichtung «Operational und Service die zentralen Bestrebungen. Sollen jedoch Prozes- Excellence» in die Durchgängigkeit ihrer Prozesse investie- se über die Unternehmensgrenzen hinaus in Rich- ren. Ein Blick in den Alltag der befragten Unternehmen zeigt tung Kunden oder Partner geöffnet werden und sich jedoch, dass Scannen, Drucken und das handschriftliche gar flexibel an den Kontext des Kunden anpassen, Unterzeichnen von Dokumenten bei der Hälfte der befragten muss das Standardrepertoire der Prozessdigitali- Unternehmen noch zum Unternehmensalltag gehören (Abbil- sierung erweitert werden. dung 15). Die restlichen Unternehmen geben an, dass dieser Umgang mit Papierdokumenten nicht mehr täglich ge- Durchgängigkeit der Prozesse schieht. Nur ein sehr geringer Anteil ist in der Digitalisierung Durchgängige Prozesse sind eine wesentliche Vorausset- so weit fortgeschritten, dass Papier komplett aus der Aufga- zung sowohl für Effizienz als auch für bessere Kundenerleb- benerledigung verbannt ist (< 9 % beim Drucken, <6 % beim nisse. Bearbeitungs- und Reaktionszeiten werden verkürzt. Scannen, < 5 % beim Unterschreiben). Auch bei der System- Kundenanliegen können rasch und im Idealfall in Echtzeit integration sind Defizite vorhanden: Bei rund der Hälfte der Abb. 15 MEDIENBRÜCHE IM UNTERNEHMENSALLTAG Handschriftliches Unterschreiben von Dokumenten (im Gegensatz zu digitaler Unterschrift) Individuelle Suche von Informationen (in unterschiedlichen Systemen und Nachfragen bei Personen), um Entscheide treffen zu können in % 48,3 47,2 4,5 50,0 44,9 4,5 56,7 5,6 37,1 Scannen von Dokumenten Drucken von Dokumenten zur Erledigung von Aufgaben 52,8 Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in unterschiedliche Informatiksysteme 27,0 9,0 36,5 23,6 48,3 N=178 Frage D1 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 täglich 40 60 gelegentlich 80 100 nie 23 24 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Unternehmen gehört die Suche in verschiedenen isolierten und deshalb die Integration der Systeme und die Durchgän- Informationssystemen, um Entscheide treffen zu können, gigkeit der Prozesse einfacher umsetzbar ist. zum Alltag (50 %). In weiteren 45 % ist dies gelegentlich erforderlich. Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in un- Die mediale Präsenz des digitalen Wandels ist stark von Op- terschiedliche Informationssysteme hingegen konnten in im- timierungen und Erweiterungen im Front-End in Form von merhin 23 % der befragten Unternehmen bereits eliminiert mobilen Applikationen, Sozialen Plattformen etc. geprägt. und in weiteren 48 % reduziert werden, sind aber in mehr als Dies garantiert jedoch noch keine Durchgängigkeit der Pro- einem Viertel der Unternehmen immer noch alltäglich (27 %). zesse Front-to-Back bzw. Back-to-Front. Die Frage nach den Methoden, die Unternehmen einsetzen, um Prozesse Interessant ist, dass verhältnismässig mehr KMUs angeben, durchgängig von und zum Kunden-Front-End zu realisieren, dass diese Tätigkeiten bei ihnen nie vorkommen (Abbildung offenbart den Stand dieser Durchgängigkeit (Abbildung 17): 16), was auf eine höhere Durchgängigkeit der Prozesse, das 44 % der befragten Unternehmen räumen ein, dass sie kei- heisst weniger Medienbrüche und bessere Systemintegrati- ne Methoden einsetzen, und ihre Prozesse folglich noch on, hindeutet. Insbesondere bei den Mehrfacheingaben von nicht durchgängig sind und Medienbrüche aufweisen. Wenn gleichen Informationen in unterschiedlichen Systemen Durchgängigkeit realisiert wird, dann implementieren Unter- scheint die Grösse des Unternehmens eine Rolle zu spielen: nehmen diese mehrheitlich ausgehend vom Front-End, in- 41 % der KMUs geben an, nie Mehrfacheingaben tätigen zu dem sie Dateneingaben des Kunden z.B. über Web Servi- müssen, bei grossen Unternehmen sind es nur 12 %. Eine ces Erklärung könnte darin liegen, dass die IT-Landschaften der zweithäufigste Strategie ist die Simplifizierung oder Optimie- KMUs weniger komplex als bei grossen Unternehmen sind rung von internen Applikationen, so dass auch Kunden oder an interne Systeme übertragen %). (41 Die Abb. 16 MEDIENBRÜCHE IM UNTERNEHMENSALLTAG – «NIE» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE 41,4 Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in unterschiedliche Informatiksysteme 12,0 10,0 Drucken von Dokumenten zur Erledigung von Aufgaben 8,3 8,6 Scannen von Dokumenten Individuelle Suche von Informationen (in unterschiedlichen Systemen und Nachfragen bei Personen), um Entscheide treffen zu können 3,7 11,4 0,0 Handschriftliches Unterschreiben von Dokumenten (im Gegensatz zu digitaler Unterschrift) Frage D1 (Mehrfachnennung möglich) in % 8,6 1,9 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 10 in % von KMU 20 30 in % von GrossU 40 50 Business Process Management 2016 Partner diese Systeme und Oberflächen nutzen können bel bzw. individualisiert ablaufen, indem sie sich in (Fast-) (31 %). Einen plattformbasierten Ansatz über eine BPM- Echtzeit auf den aktuellen Kontext, die Eigenschaften oder oder Workflow-Lösung wählen hingegen nur 23 % der be- das Verhalten eines Kunden ausrichten. Mitarbeitende sol- fragten Unternehmen. Dies könnte darauf hinweisen, dass len durch eine flexible und informationsreiche IT-Unterstüt- Unternehmen die durchgängige Digitalisierung von Prozes- zung in wissensintensiven und schwach strukturierten Pro- sen projektbezogen, ausgehend von individuellen Anwen- zessen befähigt werden. Die Frage nach dem Einsatz dungsfällen und Business Cases, aber nicht unternehmens- solcher Methoden und Werkzeuge ergibt ein durchwachse- weit angehen. nes Bild (Abbildung 18). Mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen gibt an, keine solchen Methoden oder Werk- Unternehmen scheinen diese Defizite der Prozessdurch- zeuge einzusetzen. Am stärksten verbreitet ist die Anwen- gängigkeit erkannt zu haben und investieren deshalb aktuell dung agiler Methoden für die Prozessmodellierung (33 %). intensiv in Automatisierung bzw. Digitalisierung durchgängi- Im Rahmen der Prozessausführung ist, wie bereits in der ger Prozesse und den digitalen Arbeitsplatz (siehe Kapitel letztjährigen BPM-Studie erkennbar, der Einsatz von Busi- 3.3 Digitale Transformation, Abbildung 19). ness Rules am gebräuchlichsten (31 %). Business Rules flexibilisieren Prozesse, indem die Geschäftsregeln getrennt Flexibilisierung der Prozesse von den eigentlichen Prozessmodellen verwaltet, wiederver- Durchgängige Prozesse sind ein erster Schritt, um Kunde- wendet und angepasst werden, so dass Änderungen im nerlebnisse und den digitalen Arbeitsplatz im Unternehmen Prozess rascher umsetzbar sind. Beim Einsatz von Business zu optimieren. Bestimmte Anwendungsszenarien oder Ziel- Rules sind grosse Unternehmen fast doppelt so aktiv wie gruppen verlangen jedoch nach mehr. Prozesse sollen flexi- KMUs (38 % der GrossU vs. 21 % der KMUs). Für sie scheint Abb. 17 EINSATZ TECHNISCHER METHODEN FÜR DURCHGÄNGIGE PROZESSE VOM UND ZUM KUNDEN Spezifische Applikationen / Komponenten / Formulare, die in eine Website oder App integriert sind und die Dateneingaben des Kunden direkt (ohne Systembrüche) an ein internes System übertragen (z.B. via XML, Webservices)-> «Outside-In» Anpassung von intern genutzten Applikationen (Oberfläche, Funktionalitäten), so dass sie auch externen Kunden zur Verfügung gestellt werden können -> «Inside-Out» Eine BPM / Workflow-Lösung / Plattform / Suite, die Prozesse durchgängig vom Kunden-Frontend (Website, Portal, App) hin zu den Backend-Systemen und Datenspeichern implementiert bzw. integriert in % 27,0 14,6 21,3 9,6 7,9 15,2 0,6 0,6 Andere Keine, die Ausführung unserer Prozesse ist nicht durchgängig, d.h. Medienbrüche sind vorhanden 19,7 24,7 N=178 Frage D7 (Mehrfachnennung möglich) 0 10 1 – 249 20 30 40 250 und mehr Mitarbeitende 50 25 26 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» sich der Aufwand für die Formalisierung und Implementie- auszuwählen oder zu definieren, sind auf dem Vormarsch rung der Geschäftsregeln mehr zu rechnen als für kleinere (nur 13 % in der BPM-Studie 2015 vs. 28 % 2016). Adapti- und mittlere Unternehmen. Ad-hoc Workflows, die Prozess- ve Case Management hingegen fristet weiterhin ein Ni- beteiligte in schwach strukturierten Prozessen dabei unter- schendasein (5 % 2015, 12 % 2016) ebenso wie andere stützen, Aktivitäten situationsabhängig flexibel auszulösen, wissensbasierte, selbstlernende Verfahren. Abb. 18 EINSATZ VON METHODEN FÜR FLEXIBLE UND KONTEXTSENSITIVE PROZESSE Agile Methoden (um Fachexperten die kollaborative und intuitive Modellierung und Anpassung von Prozessen im Rahmen der Prozessausführung zu ermöglichen, z.B. flexibles, beschleunigtes und praxisnahes Prozess(re)design) 8,4 Ad-hoc Workflows (um Prozessbeteiligte / Fachexperten bei der Auslösung / Auswahl / Definition von Aktivitäten in nicht vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen) 10,7 23,0 16,9 11,2 Formalisierte Ereignisregelung (um auf Ereignisse in der Prozessausführung reagieren zu können, z.B. durch eine Event Engine) 6,2 Adaptive Case Magement (um Entscheidungen und Prozesssteuerung in wissensintensiven und nur teilweise vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen) 6,7 Prädiktive und selbstlernende Methoden (um auf der Grundlage von Erfahrungsdaten aus vergangenen Prozessdurchläufen, Rückschlüsse auf den Ablauf aktueller und künftiger Prozesse zu ziehen, z.B. durch data mining) 19,7 12,9 Formalisierte Geschäftsregeln (um die Ausführung komplexer Prozesse zu steuern, z.B. durch eine Business Rules Engine) Zugriff auf Wissensbasen (um Entscheide in der Prozessausführung zu unterstützten) in % 14,6 11,2 5,1 3,4 5,1 0,6 1,7 Andere Wir nutzen noch keine solchen Methoden 14,0 12,9 N=178 Frage D6 (Mehrfachnennung möglich) 0 5 1 – 249 10 15 20 25 30 250 und mehr Mitarbeitende 35 Business Process Management 2016 3.3 DIGITALE TRANSFORMATION Nomen est omen: Digitale Transformation ist kein Zustand, Digitale Transformation ist ein Hype-Thema, doch sondern bedeutet Veränderung. Folglich sind die befragten wo stehen Unternehmen, wenn es darum geht, den Unternehmen in allen erfragten Handlungsfeldern der digita- digitalen Wandel konkret zu implementieren? Ent- len Transformation sehr aktiv, aber vieles befindet sich noch wickeln sie innovative digitale Produkte und Dienst- in der Umsetzung oder wird erprobt (Abbildung 19). Im Un- leistungen? Optimieren oder erweitern sie ihre di- terschied zur medialen Wahrnehmung stehen dabei jedoch gitalen Schnittstellen zum Kunden? Bleibt das nicht die reinen Front-End-Themen an erster Stelle. Das The- Back-End isoliert oder werden Prozesse durchgän- ma Automatisierung und Digitalisierung durchgängiger Pro- gig digitalisiert? Profitieren auch die Mitarbeiten- zesse führt das Feld knapp an, wobei sich Unternehmen in den von innovativeren digitalen Arbeitsplätzen? diesem Handlungsfeld mehrheitlich noch in der Umsetzungs- Und mit welchen Mitteln reagiert die Informatik auf und Experimentierphase befinden. Dies korreliert mit den diese Herausforderungen? festgestellten Durchgängigkeitsdefiziten der Prozesse, die Abb. 19 AKTIONSFELDER DER DIGITALEN TRANSFORMATION Automatisierung / Digitalisierung durchgängiger Prozesse (Workflow, Prozessintegration) 24,7 Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende flexibler / mobiler und effektiver zu unterstützen (digital workplace) 26,4 Digitale Erweiterung bestehender Produkte / Dienstleistungen 24,7 Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit im Kontext der Digitalisierung von Prozessen und Kundeninteraktionen 27,5 15,2 Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) 12,4 Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse (Big Data, Kundenkontext, Lokalisierung, predictive analytics) 9,0 Wir haben eine unternehmensweite Strategie und Roadmap für die digitale Transformation 14,0 30,3 27,0 12,4 29,2 23,6 14,0 29,2 24,7 27,5 23,0 21,3 23,0 22,5 36,0 24,2 32,0 25,8 25,3 32,0 16,3 10,1 32,6 36,5 9,0 Aufbau / Teilnahme an digitalen Plattformen / Netzwerken mit Partnern (zur Realisierung unternehmensübergreifender Prozesse und Angebote) Andere 33,1 15,7 Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zu externen Kunden und Endgeräten / Dingen (Social Media, Mobile, Cloud, Internet der Dinge) Entwicklung neuer digitaler Produkte / Dienstleistungen in % 28,1 34,8 37,1 22,5 24,2 36,0 1,7 4,5 N=178 Frage B2 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 bereits realisiert wird aktuell realisiert 40 60 wird evaluiert / realisiert nein 80 100 27 28 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» bei vielen Unternehmen den Alltag aktuell noch prägen (vgl. (77 %). Andere wesentliche Handlungsfelder, wie die Opti- Kapitel 3.2). Ähnlich aktiv, mit einem leicht höheren Anteil be- mierung der User Experience (vorrangig auf externe Kunden reits realisierter Projekte sind Unternehmen bei der Einfüh- mit 67 %, weniger auf die eigenen Mitarbeitenden mit 43 %, rung innovativer digitaler Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiten- seltener auf Partner/Kooperationen mit 25 % ausgerichtet4) den. Ebenfalls mehr als 80 % arbeiten an der digitalen und Big Data liegen zwar etwas zurück und befinden sich Erweiterung bestehender Produkte oder Dienstleistungen, noch in der Umsetzung oder Experimentierphase, sind je- wobei der digitale Wandel in diesem Bereich im Vergleich zur doch mit über 60 % ebenfalls sehr präsent in den befragten Automatisierung und zum digitalen Arbeitsplatz noch deutli- Unternehmen. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass immerhin cher im Werden und Experimentieren ist. Erstaunlich ist die 60 % der Unternehmen eine digitale Transformationsstrategie Tatsache, dass der Einsatz neuer Technologien an der haben oder gerade erarbeiten oder eine solche evaluieren. Schnittstelle zum Kunden (Social Media, Mobile, IoT etc.) Verabschiedet und in Aktion ist eine solche jedoch erst bei zwar im Vorderfeld liegt, aber keine Spitzenposition einnimmt rund 14 % der befragten Unternehmen. 4 Ohne Abbildung, Unterfrage D2a (siehe Fragenkatalog im Anhang) Abb. 20 AKTIONSFELDER DER DIGITALEN TRANSFORMATION – «UMGESETZT ODER ANGESTREBT ODER EVALUIERT» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE 84,3 Automatisierung / Digitalisierung durchgängiger Prozesse (Workflow, Prozessintegration) 90,7 Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende flexibler / mobiler und effektiver zu unterstützen (digital workplace) 85,7 86,1 72,9 Digitale Erweiterung bestehender Produkte / Dienstleistungen 87,0 Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zu externen Kunden und Endgeräten / Dingen (Social Media, Mobile, Cloud, Internet der Dinge) 68,6 83,3 Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit im Kontext der Digitalisierung von Prozessen und Kundeninteraktionen 70,0 Entwicklung neuer digitaler Produkte / Dienstleistungen 70,0 78,7 74,1 Aufbau/ Teilnahme an digitalen Plattformen/ Netzwerken mit Partnern (zur Realisierung unternehmensübergreifender Prozesse u. Angebote) 65,7 73,1 Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) 52,9 80,6 Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse (Big Data, Kundenkontext, Lokalisierung, predictive analytics) 52,9 68,5 52,9 Wir haben eine unternehmensweite Strategie und Roadmap für die digitale Transformation 65,7 1,4 Andere Frage B2 (Mehrfachnennung möglich) in % 1,9 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 20 in % von KMU 40 in % von GrossU 60 80 100 Business Process Management 2016 Die Detaillauswertung nach Unternehmensgrösse (Abbil- Herkömmliche Methoden und Strukturen der Informatik genü- dung 20) zeigt, dass der digitale Arbeitsplatz von KMUs gen den dynamischen Anforderungen des digitalen Wandels und grossen Unternehmen gleichermassen angestrebt in Unternehmen häufig nicht. Wie reagieren Unternehmen da- wird. Bei allen weiteren Aktionsfeldern haben die grossen rauf (Abbildung 21)? Für das Projektmanagement und die Unternehmen einen Vorsprung. Insbesondere bei techno- Softwareentwicklung sind agile Methoden in mehr als der Hälf- logie- und kostenintensiven Aktionsfeldern wie beim Ein- te der befragten Unternehmen etabliert. Einen ähnlich starken satz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse, Einfluss auf Kompetenzen und Paradigmen in der Bereitstel- beim Einsatz von Web-2.0-Technologien oder bei der lung von IT-Leistungen hat Serviceorientierung, die bei immer- Optimierung der User Experience fallen die Unterschiede hin 42 % der befragten Unternehmen als Wegbereiter des di- auf. Ebenfalls leicht im Rückstand sind die KMUs bei der gitalen Wandels eingesetzt wird. Die Unterstützung von unternehmensweiten Verankerung der Digitalisierung in mobilen Endgeräten ist mit 35 % überraschend niedrig. Sie Form einer Strategie oder Roadmap für die digitale Trans- scheinen für den digitalen Arbeitsplatz oder die Schnittstelle formation. zum Kunden weniger relevant als vermutet (vgl. Abbildung 19). Abb. 21 REAKTIONEN DER IT AUF DEN UNTERNEHMERISCHEN UND TECHNOLOGISCHEN WANDEL in % 33,7 Agile Methoden im Projektmagement und in der Softwareentwicklung 18,5 Adoption von neuen Produkten bzw. neuen Produktfunktionalitäten 16,9 25,3 13,5 28,7 Serviceorientierung (SOA) Unterstützung von mobilen Endgeräten (Apps und / oder mobilfähige Webseiten für Mitarbeitende und / oder Kunden) 9,6 Gezieltes Outsourcing bzw. Anbindung von Drittanbietern (z.B. Cloudlösungen), um einen Anwendungsfall komplett oder teileweise abzudecken 14,0 25,8 18,5 11,2 17,4 Aufbau / Betrieb von Kundenportalen Kurzfristige Beschaffung oder Entwicklung von sehr spezifischen best-of-breed Lösungen für einzelne Anwendungsfälle Bimodale Architektur, die es erlaubt stabile Kern- und Supportapplikationen auf der einen Seite und agile kurzlebigere Lösungen auf der anderen Seite in zwei verschiedenen Umgebungen zu entwickeln und zu betreiben 5,6 9,6 10,1 3,4 0,0 0,6 Gar keine 2,8 6,7 Andere N=178 Frage E1 (Mehrfachnennung möglich) 0 10 1 – 249 20 30 40 50 250 und mehr Mitarbeitende 60 29 30 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» 3.4 WAS WILL DER KUNDE? hen sich hier eindeutig in einer Spitzenposition, aber mehr als Die Schaffung positiver Kundenerlebnisse ist ein die Hälfte glauben zumindest punktuell über einen Vorsprung zentrales Element der digitalen Transformation. Un- gegenüber den Mitbewerbern zu verfügen. ternehmen investieren in die digitale Erweiterung bestehender Produkte und führen neue Technologi- Methoden, um die Kundenbedürfnisse zu erheben, werden en an der Schnittstelle zum Kunden ein. Das alles bereits intensiv eingesetzt (Abbildung 23). Zum Standard ge- setzt voraus, dass Unternehmen die vermeintlichen hört bei den befragten Unternehmen die Auswertung von Kun- und echten Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. Um denreklamationen. Mehr als 70 % tun dies sogar systematisch, Kundenbedürfnisse frühzeitiger und unmittelbarer weitere 24 % gelegentlich. Auch Kundenbefragungen mittels zu erfassen, wurde das Repertoire der klassischen Fragebogen oder anderer quantitativer Instrumente (79 %) so- Marktforschung um Methoden wie Prototyping oder wie qualitative Kundeninterviews (75 %) sind regelmässig oder Customer Journeys erweitert. Setzen Unternehmen gelegentlich im Einsatz. Neben diesen retrospektiven Mass- diese Methoden bereits ein? Wie steht es um die nahmen, die nach dem Kundenerlebnis ansetzen, sind Metho- Kenntnis der Kundenbedürfnisse und Kundenzufrie- den für eine frühzeitige Erkennung der Kundenbedürfnisse auf denheit in den befragten Unternehmen? dem Vormarsch: Ein Viertel der befragten Unternehmen setzten Prototypen oder Tests mit Kunden vor der Einführung neuer Bei nahezu allen befragten Unternehmen (95 %) ist die Kunden- Produkte und Dienstleistungen bereits systematisch ein, um orientierung, zumindest auf dem Papier, strategisch verankert die Akzeptanz neuer Angebote oder Interaktionsformen zu prü- (Abbildung 22). Ein Blick auf die Umsetzung der Kundenaus- fen. Weitere 47 % setzen diese gelegentlich ein. Social Media richtung zeigt, dass nur 39 % auch vollumfänglich über die not- Monitoring ist bei nahezu zwei Dritteln der befragten Unterneh- wendigen personellen, finanziellen und technischen Ressour- men im Einsatz, 30 % betreiben es sogar systematisch. cen hierfür verfügen. Für 51 % der Unternehmen ist dies zumindest teilweise der Fall. Ob dieser Mitteleinsatz ausreicht, Kunden-Communities hingegen sind weniger präsent, werden um in Sachen Kundenverständnis und -ausrichtung eine bran- aber doch bei nahezu der Hälfte der befragten Unternehmen chenführende Stellung einzunehmen, schätzen die befragten systematisch oder gelegentlich genutzt. Auch Business Intelli- Unternehmen verhalten selbstbewusst ein. Nur rund 16 % se- gence kommt bei der überwiegenden Mehrzahl der Unterneh- Abb. 22 AUSPRÄGUNG DER KUNDENORIENTIERUNG Kundenorientierung ist in unserer Marketing– /Unternehmensstrategie verankert Wir verfügen über die notwendigen Ressourcen (finanziell, personell, Infrastruktur) um die Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse voranzutreiben Wir sind mit unseren Aktivitäten im Hinblick auf die Kenntnis der Kundenbedürfnisse führend in unserer Branche in % 69,1 26,4 51,1 38,8 16,3 3,9 9,6 53,4 28,1 N=178 Frage C2 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 ja 40 teilweise 60 80 nein 100 Business Process Management 2016 Abb. 23 METHODEN FÜR DIE ERHEBUNG DER BEDÜRFNISSE VON EXTERNEN UND INTERNEN KUNDEN Wir analysieren die bei uns eingehenden Beschwerden von Kunden Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer Methoden (z.B. mit Fragebogen) Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer Methoden (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen) Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit bzw. den Kundennutzen zulassen (z.B. Verweilzeit auf der Website, Zuwachs Up- und Crossselling, Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen) Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen Angebotskonzepten (Prototypen) direkt mit Kunden (z.B. in Produkttests) bevor wir neue Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen einführen Wir sammeln Daten über Einzelkunden und / oder Kundensegmente und werten sie aus 39,3 44,4 34,3 37,6 24,7 47,2 29,2 39,9 29,8 Wir nutzen die «Customer Journey», um Bedürfnisse unserer Kunden prozess- und interaktionsorientiert zu erheben 18,5 Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community, die bei kundenspezifischen Fragestellungen / Themen aktiv mit uns zusammenarbeitet 16,9 22,5 23,0 25,8 26,4 36,0 30,3 36,0 39,3 32,6 44,9 31,5 9,0 2,2 18,5 39,9 30,9 Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug auf unser Unternehmen im World Wide Web (Social Media Monitoring) Wir nutzen die «Employee Journey», um die Berührungspunkte der Mitarbeitenden von der Rekrutierung an abzubilden, und die Arbeitsumgebung danach zu gestalten 24,2 71,3 in % 55,1 0,6 0,6 3,4 Andere N=178 Frage C3 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 systematisch / regelmässig 40 60 gelegentlich 80 100 nie 31 32 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» men zum Einsatz: 71 % erheben regelmässig oder gelegentlich Kennzahlen, die Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit zulassen und 68 % analysieren Kundendaten. Am unteren Ende der Liste, aber doch von mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen systematisch oder gelegentlich angewandt, stehen interaktionsorientierte Erhebungsmethoden, die die Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Berührungspunkte der externen Kunden mittels Customer Journey (54 %) und der internen Kunden, sprich der Mitarbeitenden, mittels Employee Journey (40 %) abbilden. Grosse Unternehmen scheinen die Distanz zum Kunden etwas stärker ausgleichen zu müssen als KMUs. Alle Methoden zur Erhebung der Kundenbedürfnisse werden von grossen Unternehmen ausgeprägter eingesetzt als von KMUs (Abbildung 24). Insbesondere beim Einsatz von quantitativen oder stark technologieabhängigen Methoden sind die KMUs deutlich weniger aktiv: 51 % der KMUs versus 75 % der grossen Unternehmen nutzen systematisch oder gelegentlich Social Media Monitoring. Bei quantitativen Umfragen und der Erhebung von Kennzahlen sind die befragten KMUs jeweils um rund 20 % weniger aktiv als die grossen Unternehmen. Business Process Management 2016 Abb. 24 METHODEN FÜR DIE ERHEBUNG DER BEDÜRFNISSE VON EXTERNEN UND INTERNEN KUNDEN – «SYSTEMATISCH ODER GELEGENTLICH» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE 94,3 Wir analysieren die bei uns eingehenden Beschwerden von Kunden 96,3 Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer Methoden (z.B. mit Fragebogen) 67,1 87,0 Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer Methoden (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen) 71,4 77,8 Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit bzw. den Kundennutzen zulassen (z.B. Verweilzeit auf der Website, Zuwachs Up- und Cross-selling, Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen) 61,4 78,7 Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen Angebotskonzepten (Prototypen) direkt mit Kunden (z.B. in Produkttests) bevor wir neue Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen einführen 65,7 75,9 Wir sammeln Daten über Einzelkunden und/ oder Kundensegmente und werten sie aus 64,3 72,2 Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug auf unser Unternehmen im World Wide Web (Social Media Monitoring) 51,4 75,0 Wir nutzen die «Customer Journey», um Bedürfnisse unserer Kundenprozess- und interaktions-orientiert zu erheben 50,0 57,4 Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community, die bei kundenspezifischen Fragestellungen/ Themen aktiv mit uns zusammenarbeitet 42,9 53,7 Wir nutzen die «Employee Journey», um die Berührungspunkte der Mitarbeitenden von der Rekrutierung an abzubilden, und die Arbeitsumgebung danach zu gestalten Andere Frage C3 (Mehrfachnennung möglich) in % 32,9 45,4 2,9 0,0 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 20 in % von KMU 40 in % von GrossU 60 80 100 33 34 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» 3.5 KUNDENPERSPEKTIVE IN DER PROZESSGE- delliert oder über eine Prozesslandkarte verfügt (Abbildung STALTUNG UND -OPTIMIERUNG 25). Die angestrebte Transparenz wird also erreicht. Bleibt Unternehmen haben erkannt, dass es wichtig ist, die Frage, ob diese Transparenz genutzt wird, um den Kun- die Bedürfnisse ihrer bestehenden und potentiellen denbedarf oder neuralgische Punkte in der Kundeninterakti- Kunden zu kennen. Dies allein reicht jedoch noch on aufzuzeigen. Hier bestätigt sich die Hypothese, dass viele nicht, um den Kundennutzen und die Kundenzufrie- Unternehmen Prozesse ausschliesslich aus der internen Per- denheit zu steigern. Die Erkenntnisse müssen in spektive abbilden (30 %). Auch auf den Prozesslandkarten die strategische Ausrichtung, aber vor allem in die sind Kundenbedarf oder -beziehung bei weniger als bei ei- Ausgestaltung von Produkten, Dienstleistungen nem Drittel der Unternehmen präsent (29 %). In einzelnen und des operativen Geschäfts einfliessen. Das Pro- Prozessmodellen nutzen 42 % der Unternehmen die Mög- zessmanagement bietet Ansatzpunkte: Die Visuali- lichkeiten, Kundeninteraktionen abzubilden. sierung der Kundenbedürfnisse und -interaktionen in Prozesslandkarten und -modellen könnte wert- Erst 30 % der Unternehmen nutzen die Prozesslandkarte, um volle Einsichten liefern, um Optimierungspotenzia- die Kundenperspektive zu visualisieren. Abbildung 26 zeigt, le im Front- und Back-End mit Blickrichtung Kun- in welcher Form und Ausprägung Unternehmen dies aktuell dennutzen systematisch zu identifizieren. Werden umsetzen: 18 % haben ihre Prozesslandkarten bereits auf die diese Möglichkeiten und die Synergien zwischen Wertschöpfungskette ausgerichtet und visualisieren End-to- Marketing und Prozessmanagement bereits ge- End-Prozesse konsequent vom Kundenbedarf bis zur Leis- nutzt? Und in welchen Aktivitäten zur Modernisie- tungserfüllung für den Kunden. 11 % visualisieren unter- rung und Optimierung der Kundeninteraktionen schiedliche Kundengruppen auf ihren Prozesslandkarten. schlägt sich dies nieder? Nur knapp 6 % der befragten Unternehmen kennzeichnen ihre kundenkritischen Prozesse, obwohl 28 % systematisch Visualisierung der Kundenperspektive und weitere 57 % gelegentlich die für den Kundennutzen und Die aktuelle Befragung bestätigt die Erkenntnis aus den die Kundenzufriedenheit kritischen Prozesse identifizieren BPM-Studien der letzten Jahre, dass die überwiegende (siehe Kapitel 3.1, Abbildung 13). Prozesslandkarten spielen Mehrheit der befragten Unternehmen (87 %) Prozesse mo- also nur eine geringe Rolle, wenn es darum geht die Erkennt- Abb. 25 VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN UND -BEDARF IN PROZESSMODELLEN UND -LANDKARTEN in % 15,2 26,4 Ja, in einzelnen Prozessmodellen Nein, wir modellieren Prozesse nur aus unserer internen Sicht, ohne die Kunden und die Interaktionen mit ihnen explizit zu modellieren Ja, in unseren Prozesslandkarten 8,4 21,9 8,4 20,8 1,1 1,7 Andere Nein, wir modellieren weder Prozesslandkarten noch Prozesse 9,6 3,9 N=178 Frage D3 (Mehrfachnennung möglich) 0 15 1 – 249 30 250 und mehr Mitarbeitende 45 Business Process Management 2016 nisse dieser Analysen zu visualisieren. Betrachtet man Pro- zessmodellen, wenn sie Prozesse kundenzentrisch betrach- zesslandkarten als zentrales Instrument des strategischen ten oder optimieren wollen. Prozessmanagements, stellt sich die Frage, weshalb sich eine so hochpriorisierte Zielsetzung wie Kundenorientierung Customer Journeys für die Prozessoptimierung kaum in den Prozesslandkarten niederschlägt. Bei der Frage nach den genutzten Methoden, um Kundenbedürfnisse zu erheben, gaben 54 % an, dass sie Customer Etwas stärker werden die einzelnen Prozessmodelle genutzt, Journey nutzen um Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Inter- um die Kundeninteraktionen festzuhalten (32 %, Abbildung aktionen ihrer Kunden zu erheben. Fast 20 % tun dies syste- 27). Dies geschieht primär mit den standardmässig durch matisch (vgl. Abbildung 23). Mehr als die Hälfte der Organi- Modellierungsnotationen vorgegebenen Darstellungsmög- sationen, die die Customer Journey bereits einsetzen, nutzt lichkeiten wie Pool, Lane oder Swimmlane bzw. mithilfe von die Erkenntnisse für die Gestaltung oder Optimierung kun- BPMN-Kollaborationsdiagrammen. Erst wenige unterschei- denorientierter Prozesse (vgl. Abbildung 28). Die Customer den dabei die verschiedenen Kundengruppen (7 %). Eben- Journey wird also nicht nur als modernes Instrument in Mar- falls eher selten abgebildet werden die Detailinformationen ketinghänden betrachtet, sondern in den Organisationen über den Interaktionskanal (19 %) und die mit den Kunden zielgerichtet für die Optimierung der Prozesse eingesetzt. über den Kanal ausgetauschten Informationen oder Ge- Das Potenzial, Prozessdesign und Customer Journey Map- schäftsobjekte (12 %). Nur 5 % kennzeichnen die neuralgi- ping zu verbinden, ist erkannt, wird aber sowohl von grossen schen Kundeninteraktionen. Prozessverantwortliche und Unternehmen als auch von KMUs noch nicht vollumfänglich -beteiligte erhalten also kaum Orientierungshilfen aus Pro- ausgeschöpft. Abb. 26 VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN IN PROZESSLANDKARTEN Wir visualisieren unsere Wertschöpfung als End-to-End-Prozesse auf Ebene Prozesslandkarte (konsequent ausgehend vom Kundenbedarf und durchgehend bis zur Leistungserfüllung für den Kunden) Wir visualisieren unterschiedliche Kundengruppen auf unserer Prozesslandkarte Wir visualisieren den Kunden unspezifisch als Block auf der obersten Ebene unserer Prozesslandkarte Wir kennzeichnen Prozesse, bei denen wir Kundenkontakt haben und welche für Kundenzufriedenheit / -erfahrung besonders kritisch sind Andere 12,4 5,1 7,9 3,4 2,8 7,3 3,9 1,7 0,6 in % 1,1 N=178 Frage D4 (Mehrfachnennung möglich) 0 6 1 – 249 12 250 und mehr Mitarbeitende 18 35 36 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Bei der Employee Journey zeigt sich ein ähnliches Bild (Ab- tenden, ist bei der Mehrzahl der befragten Unternehmen bildung 29). Der Einsatz für die Prozessoptimierung ist je- noch nicht im Einsatz (siehe Abbildung 23, 60 %). Dass we- doch etwas schwächer ausgeprägt und erwartungsgemäss niger als die Hälfte der verbleibenden 40 % der Unterneh- stärker durch Grossunternehmen geprägt. Die Methode der men, die die Employee Journey systematisch oder gelegent- Employee Journey, das heisst, die Adaption der Customer lich einsetzen, die Erkenntnisse nur begrenzt für die Journey auf die Bedürfnisse und Interaktio-nen mit Mitarbei- Prozessgestaltung einsetzen, könnte den Schluss nahele- Abb. 27 VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN IN EINZELNEN PROZESSMODELLEN 21,9 10,1 Wir visualisieren am Prozess beteiligte Kunden mit einem Symbol (Pool, Lane, Swimmlane, …) Wir beschriften die Interaktionen mit Detailinformationen oder stellen diese visuell durch Symbole / Farben dar (z.b. Beschriftung der Nachrichtenflüsse mit Kommunikationstyp wie Telefon, E-Mail, Brief, Online etc.) 12,9 6,2 Wir stellen die mit dem Kunden ausgetauschten Geschäftsobjekte mit einem Symbol dar und geben den angestrebten Zustandsstatus an 4,5 Wir unterscheiden zwischen Kundengruppen durch Nutzung verschiedener Symbole, Farben oder anderer Markierungen 2,8 7,9 4,5 2,8 Wir kennzeichnen die für Kundenzufriedenheit kritischen Interaktionen speziell in % 2,2 0,6 0,0 Andere N=178 Frage D5 (Mehrfachnennung möglich) 5 0 10 15 1 – 249 20 25 30 35 250 und mehr Mitarbeitende Abb. 28 NUTZUNG DER «CUSTOMER JOURNEY» – ERKENNTNISSE FÜR DIE KUNDENORIENTIERTE PROZESSGESTALTUNG / -OPTIMIERUNG Ja Kann ich nicht beurteilen Nein 21,6 in % 35,1 18,6 8,2 6,2 10,3 N=97 Frage C3a 0 10 1–249 20 30 40 50 250 und mehr Mitarbeitende 60 Business Process Management 2016 gen, dass der Fokus bei der Prozessoptimierungen mit inter- Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen erweitern nem Fokus traditionell auf Harmonisierung und Standardisie- oder optimieren digitale Touchpoints oder Kanäle, allerdings rung liegt und nicht auf Mitarbeiterbefähigung und -bindung. überwiegend taktisch/punktuell (52 %) und weniger strate- Vor dem Hintergrund allerdings, dass mehr als 80 % der be- gisch/systematisch (26 %). Dies deckt sich mit dem medial fragten Unternehmen die Einführung innovativer digitaler Ar- geprägten Bild, dass Unternehmen digitale Transformation beitsplätze für ihre Mitarbeitenden als Aktionsfeld der digita- typischerweise in Form von Einzelinitiativen betreiben, indem len Transformation nennen (siehe Kapitel 3.3, Abbildung 19), sie beispielsweise eine mobile App lancieren oder eine Web- scheint schlichtweg die Employee Journey als Methode in site modernisieren. Die gewünschte Durchgängigkeit der diesem Kontext noch zu wenig bekannt oder – insbesondere physischen und digitalen Kundenerlebnisse scheinen Unter- in KMUs – zu wenig relevant zu sein. nehmen dabei nicht aus den Augen zu verlieren, wobei auch diese eher punktuell (43 %) als systematisch (22 %) stattfin- Gestaltung der Kundeninteraktion det. Die physischen Kanäle werden im Zeitalter des techno- Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten mit dem Unterneh- logischen Wandels nicht vernachlässigt. Die Mehrzahl der men und dessen Produkten und Dienstleistungen zu eröff- befragten Unternehmen (58 %) investiert weiterhin systema- nen, ist ein wesentlicher Aspekt der digitalen Transformation. tisch oder punktuell in die Optimierung ihrer physischen Ka- Die oben beschriebene konzeptionelle Sicht auf die Kunden- näle wie beispielsweise Ladenflächen. Ähnlich relevant ist in perspektive in Form von Customer Journeys oder Prozess- diesem Zusammenhang die Befähigung der Mitarbeitenden modellen bildet nur die Grundlage für die Ausgestaltung der mit Kundenkontakt durch digitale Hilfsmittel (61 %). Bemer- Kundenbeziehung. Doch welche Massnahmen ergreifen Un- kenswert ist, dass die Erweiterung der digitalen Kanäle im- ternehmen, um das Kundenerlebnis im operativen Geschäft merhin bei bereits fast der Hälfte der befragten Unternehmen effektiv zu verändern (Abbildung 30)? so weit geht, die Kunden ihre Oberflächen, Interaktionen Abb. 29 NUTZUNG DER «EMPLOYEE JOURNEY» – ERKENNTNISSE FÜR MITARBEITERORIENTIERTE PROZESSGESTALTUNG / -OPTIMIERUNG Ja Kann ich nicht beurteilen Nein 15,3 in % 30,6 25,0 5,6 11,1 12,5 N=72 Frage C3b 0 10 1 – 249 20 30 40 250 und mehr Mitarbeitende 50 37 38 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» oder gar Produkte und Dienstleistungen selbst gestalten zu renz der Datenhaltung für die Kunden noch kaum ein lassen (48 %). Allerdings bieten aktuell nur erst 10 % der be- strategisches Thema auf Unternehmensebene ist (12 %). fragten Unternehmen diese fortgeschrittene Form der Digita- Wenn überhaupt wird das Bedürfnis der Kunden, zu wissen lisierung ihren Kunden systematisch an. Interessant ist, dass oder gar zu bestimmen, welche Daten wo und wie lange ge- obwohl die Sicherstellung von Datenschutz und -sicherheit speichert werden und zu welchem Zweck Daten verwendet im Kontext der Digitalisierung bei rund der Hälfte aller befrag- werden, nur punktuell berücksichtigt (34 %). Dies legt den ten Unternehmen bereits realisiert (27 %) oder in der Umset- Schluss nahe, dass sich viele Unternehmen darauf be- zung ist (25 %; vgl. Kapitel 3.3, Abbildung 19), die Transpa- schränken, die gesetzlichen Anforderungen in Sachen Da- Abb. 30 AKTIVITÄTEN ZUR GESTALTUNG DER KUNDENINTERAKTION Erweiterung oder Optimierung digitaler Touchpoints / Kanäle 22,5 Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen (basierend auf Datenauswertung und Kundenkenntnis) 19,1 Erweiterung oder Optimierung physischer 52,2 26,4 Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig vom Touchpoint / Kanal (physisch und digital) Flexiblere / kompetentere / schnellere Bedienung des Kunden durch Hilfsmittel in der Hand von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt (z.B. Wissensdatenbank auf mobilem Gerät) in % 17,4 42,7 30,9 45,5 32,0 44,9 16,3 34,8 42,1 15,7 38,8 Touchpoints / Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.) Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen digitaler Touchpoints Transparenz und Mitbestimmung der Kunden bei der Sammlung, Haltung und Auswertung persönlicher Daten (Personendaten und Interaktions/ Transaktionsdaten) 37,6 10,1 11,8 48,3 33,7 49,4 0,0 1,1 3,9 Andere N=178 Frage C1 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 systematisch / strategisch 40 60 punktuell / taktisch 80 100 nie Business Process Management 2016 tenschutz zu erfüllen, aber über diese Pflichtübung hinaus aber auch um die Durchgängigkeit der verschiedenen Kanä- keine weiteren Anstrengungen unternehmen, ihren Kunden le geht (Abbildung 31). Dafür gehen KMUs vergleichsweise mehr Kontrolle über die gespeicherten Daten zu gewähren. stärker auf den einzelnen Kunden ein und lassen ihn Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen digitaler Grosse Unternehmen gehen die Optimierung der Kundenin- Touchpoints individuell und flexibel mitgestalten (59 % der teraktionen etwas aktiver an, insbesondere wenn es um die befragten KMUs versus 41 % der grossen Unternehmen). Touchpoints, sowohl die digitalen als auch die physischen, Abb. 31 AKTIVITÄTEN ZUR GESTALTUNG DER KUNDENINTERAKTION – «SYSTEMATISCH ODER PUNKTUELL» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE in % 72,9 Erweiterung oder Optimierung digitaler Touchpoints / Kanäle 82,4 60,0 Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig vom Touchpoint / Kanal (physisch und digital) 68,5 Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen (basierend auf Datenauswertung und Kundenkenntnis) 68,6 62,0 Flexiblere / kompetentere / schnellere Bedienung des Kunden durch Hilfsmittel in der Hand von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt (z.B. Wissensdatenbank auf mobilem Gerät) 60,0 62,0 Erweiterung oder Optimierung physischer Touchpoints / Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.) 52,9 61,1 Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen digitaler Touchpoints 58,6 40,7 Transparenz und Mitbestimmung der Kunden bei der Sammlung, Haltung und Auswertung persönlicher Daten (Personendaten und Interaktions -/ Transaktionsdaten) 47,1 44,4 1,4 Andere Frage C1 (Mehrfachnennung möglich) 0,9 0 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 10 20 in % von KMU 30 40 in % von GrossU 50 60 70 80 90 39 40 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» 3.6 KUNDENDATEN: QUELLEN, NUTZUNG UND denverhaltens zu nutzen. Kaum auf dem Radar hingegen EINSATZ FÜR DIE PROZESSAUSFÜHRUNG sind IoT-Technologien, die abhängig von Branche und An- Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Kun- wendungsfeld sicher eingesetzt oder getestet werden, aber dendaten und operative Prozessdaten der Treibstoff deren Einsatzfeld offensichtlich (noch) nicht in der Analyse der digitalen Transformation sind. Sie spielen eine des Kundenverhaltens gesehen wird. zentrale Rolle, wenn es um die kundenorientierte Ausgestaltung, Flexibilisierung und Optimierung der KMUs und grosse Unternehmen nutzen Kundendatenban- Prozesse geht. Doch nutzen Unternehmen dieses ken oder CRM-Systeme und Kundenumfragen in etwa in Potenzial? Aus welchen Quellen und zu welchen gleichem Masse, bei allen anderen Quellen sind die grossen Zwecken beziehen sie ihr Kundenwissen und nutzen Unternehmen aktiver (Abbildung 33). Am deutlichsten ist der sie es für die Gestaltung des Kundenerlebnisses und Vorsprung der Grossen bei der Nutzung der Daten aus Kern- der Prozessausführung? Nehmen Unternehmen da- und Transaktionssystemen. Fast zwei Drittel der befragten bei die Verantwortung, die Datenhaltung für ihre grossen Unternehmen nutzt sie, aber nur ein Drittel der Kunden transparent zu gestalten, wahr? KMUs. Die etablierten Marketinginstrumente Kundenumfrage (77 %) Um Kundendaten zentral für alle Unternehmensfunktionen und dedizierte Kundendatenbanken oder CRM-Systeme und -systeme bereitzuhalten, haben sich Kundendatenban- (67 %) sind für die befragten Unternehmen die wichtigsten ken oder funktionsreichere CRM-Systeme etabliert (Abbil- Quellen für Kundendaten (Abbildung 32). Aber auch Soziale dung 34). 59 % der befragten Unternehmen verfügen über Medien sind mit 57 % auf dem Vormarsch, wenn auch nur diese zentralen Kundeninformationssysteme, aber nur 41 % begrenzt systematisch ausgewertet (15 %). Die Auswer-tung nutzen sie für Analysen und Berichte. Eine Ursache könnte operativer Daten aus Kern- und Transaktionssystemen spielt im Informationsgehalt der Systeme liegen: Nur 38 % der Un- durchaus eine grosse Rolle (52 %), aber es bleibt noch Po- ternehmen speichern in ihren CRM-Systemen über die rei- tenzial, diese Quellen systematisch für die Analyse des Kun- nen Kundenstammdaten hinaus auch Informationen zu Kun- Abb. 32 QUELLE UND REGELMÄSSIGKEIT DER ERHEBUNG VON KUNDENDATEN Auswertungen von Kundenumfragen und Kundenfeedbacks / -reklamationen 43,8 Dediziert erstellte Kundendatenbanken bzw. CRM-Systeme (Customer Relationship Management) 41,0 Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren, Blogs, Bewertungsplattformen etc.) 15,2 Kern- und Transaktionssystem Auswertungen von Bewegungs- und Kontextdaten (aus Web-Analyse bzw. andere Tracking-Tools, Lokalisierungsdaten) Sensoren / Wearables / Dinge (Internet of Things) 33,1 5,1 26,4 13,5 23,6 42,1 26,4 24,2 25,3 9,6 3,4 in % 43,3 25,8 64,6 8,4 1,1 0,6 2,2 Andere N=178 Frage C4 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 systematisch / regelmässig 40 60 gelegentlich 80 100 nie Business Process Management 2016 Abb. 33 QUELLE UND REGELMÄSSIGKEIT DER ERHEBUNG VON KUNDENDATEN – NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE in % 71,4 Auswertungen von Kundenumfragen und Kundenfeedbacks / -reklamationen 80,6 Dediziert erstellte Kundendatenbanken bzw. CRM-Systeme (Customer Relationship Management) 62,9 70,4 48,6 Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren, Blogs, Bewertungsplattform etc.) 63,0 32,9 Kern- und Transaktionssysteme 63,9 Auswertungen von Bewegungs- und Kontextdaten (aus Web-Analyse bzw. andere Tracking-Tools, Lokalisierungsdaten) 28,6 39,8 7,1 Sensoren / Wearables / Dinge (Internet of Things) 14,8 2,9 Andere Frage C4 (Mehrfachnennung möglich) 0,9 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 10 0 20 in % von KMU 30 40 50 60 70 80 90 in % von GrossU Abb. 34 VERBREITUNG UND EINSATZWEISE VON CRM-SYSTEMEN … wir unterhalten eine oder mehrere Kundendatenbanken / CRM-Systeme … liefert kundenbezogene Daten für Analysen und Berichte … wird mit Daten aus der operativen Prozessausführung befüllt (Transaktionsdaten, Interaktionsdaten) … liefert Kundendaten in vollständig oder teilweise automatisierte Prozesse (Schnittstelle / Systemintegration) Andere … wir haben kein CRM-System in % 24,2 34,8 13,5 27,5 25,3 12,9 13,5 23,0 1,1 3,4 10,1 9,6 N=178 Frage C7 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 1 – 249 40 250 und mehr Mitarbeitende 60 41 42 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» dentransaktionen und -interaktionen. Ähnlich schwach den in erster Line verwendet, um Produkte und Dienstleis- ausgeprägt ist auch der Informationsfluss von den CRM- tungen zu entwickeln oder anzupassen (54 %). KMUs sind in Systemen in IT-Systeme, die die Prozessausführung auto- diesem Punkt führend (Abbildung 36: 61 % der befragten matisieren (36 %). Beide Erkenntnisse führen zum Schluss, KMUs versus 49 % der grossen Unternehmen). Kundenda- dass CRM-Systeme noch unzureichend integriert sind. Eine ten werden ausserdem ausgewertet, um Webseiten oder mögliche Grundlage für die kundenorientierte Prozessgestal- Ladenflächen (48 %) zu optimieren und um Muster und Ten- tung und -steuerung scheint somit noch nicht ausreichend denzen im Kundenbedarf zu erkennen sowie individuelle geschaffen beziehungsweise ausgeschöpft. Empfehlungen ableiten zu können (44 %). Für das Prozessdesign und die kundenorientierte Optimierung von Prozes- Kundendaten nutzen die befragten Unternehmen in erster sen werden diese Kundendatenauswertungen hingegen we- Linie kumuliert und asynchron, das heisst, Daten über Kun- niger genutzt (35 %). Synchrone Reaktionen auf das Verhalten den und deren Verhalten werden zunächst gesammelt und eines individuellen Kunden, die es erlauben, den Prozess in ausgewertet, um dann Rückschlüsse zu ziehen und Mass- Echtzeit situationsspezifisch anzupassen, sind erst knapp nahmen abzuleiten (Abbildung 35). Diese Erkenntnisse wer- bei einem Fünftel der befragten Unternehmen Realität (19 %). Abb. 35 NUTZUNG VON KUNDENDATEN … um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende anzupassen … um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden zu verbessern (z.B. Optimierung Website, Ladengestaltung) … um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu erkennen und diese für individuelle Empfehlungen oder Reaktionen zu nutzen (predictive alytics) … für das Prozessdesign, um Prozesse mit Blick auf Kundenorientierung zu gestalten und zu optimieren … für die Prozessausführung, um einen Prozessverlauf in Echtzeit kunden- / kontextspezifisch anpassen zu können Andere Wir nutzen unsere Kundendaten nicht in % 29,8 24,2 30,3 17,4 27,0 17,4 23,0 12,4 5,6 13,5 1,1 0,0 1,7 3,9 N=178 Frage C5 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 1 – 249 40 250 und mehr Mitarbeitende 60 Business Process Management 2016 Abb. 36 NUTZUNG VON KUNDENDATEN – NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE in % 61,4 … um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende anzupassen 49,1 … um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden zu verbessern (z.B. Optimierung Website, Ladengestaltung) 44,3 50,0 … um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu erkennen und diese für individuelle Empfehlungen oder Reaktionen zu nutzen (predictive alytics) 44,3 44,4 … für das Prozessdesign, um Prozesse mit Blick auf Kundenorientierung zu gestalten und zu optimieren 31,4 38,0 … für die Prozessausführung, um einen Prozessverlauf in Echtzeit kunden- / kontextspezifisch anpassen zu können Andere 14,3 22,2 2,9 0,0 4,3 Wir nutzen unsere Kundendaten nicht 6,5 N(KMU)=70 N(GrossU)=108 Frage C5 (Mehrfachnennung möglich) 0 20 10 30 40 50 60 70 in % von GrossU in % von KMU Abb. 37 EINFLUSSMÖGLICHKEITEN DER KUNDEN AUF DIE DATENHALTUNG («UNSERE KUNDEN …») … geben uns ihr Einverständnis, bestimmte Daten über sie zu sammeln … können bestimmen, welche Informationen sie von uns regelmässig erhalten wollen 14,6 9,0 … können bestimmen, ob und wofür wir ihre Daten auswerten 2,8 Andere … wissen nicht, welche Daten wir über sie sammeln 29,2 12,4 … können veranlassen, dass bestimmte Daten nicht gesammelt oder gelöscht werden 1,1 in % 17,4 19,7 5,6 5,6 10,7 8,4 N=178 Frage C6 (Mehrfachnennung möglich) 0 10 1 – 249 20 30 40 250 und mehr Mitarbeitende 50 43 44 Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Es besteht also noch ungenutztes Potenzial, Kundendaten Löschung verlangen können (29 %). So kann es in bestimm- systematischer für flexiblere Prozesse und bessere Kunde- ten Branchen und Anwendungsbereichen regulatorische nerlebnisse einzusetzen. Rahmenbedingungen geben, die es explizit erforderlich machen, Daten oder Kundenkommunikationen aufzubewahren Beschränkte Datenherrschaft das heisst nicht zu löschen. Insgesamt scheint das Bedürf- Es bestätigt sich der Eindruck (siehe Abbildung 30, Kapitel nis der Kunden nach Transparenz bei den befragten Unter- 3.5), dass die befragten Unternehmen noch kaum die Not- nehmen noch nicht spürbar beziehungsweise noch nicht wendigkeit sehen, ihren Kunden über das gesetzliche Min- adressiert zu sein: 19 % geben an, dass ihre Kunden nicht destmass hinaus Kontrolle oder zumindest Transparenz über wissen, welche Daten das Unternehmen über sie sammelt die gespeicherten Kundendaten zu gewähren (Abbildung und nur 8 % der Unternehmen räumen ihren Kunden ein Mit- 37). Weniger als die Hälfte der Unternehmen geben an, zu- bestimmungsrecht darüber ein, ob und wofür Kundendaten mindest das Einverständnis der Kunden zur Datensammlung gesammelt werden. Die Themen Transparenz der Datenhal- einzuholen (44 %). Die Notwendigkeit, dies zu tun, ist unter tung und persönliche Datenherrschaft scheinen also noch Umständen kontextabhängig wie auch die Möglichkeit, dass nicht ausreichend adressiert zu sein. Kunden die Speicherung ihrer Daten unterbinden oder deren Business Process Management 2016 4. F allstudien «Erfolgsmuster: Kundennutzen durch digitale Transformation?» Welche Erfahrungen, Lösungsansätze und Resulta- School of Management and Law. Für die Vorbereitung, Dis- te weisen Unternehmen auf, die den Kundennutzen kussion und Analyse der Fallstudien kam das in Kapitel 2 und die Möglichkeiten der Digitalisierung ins Zent- vorgestellte thematische Rahmenwerk zur Anwendung. rum ihrer BPM-Initiativen stellen? Welche Methoden und Werkzeuge setzen sie ein? Wie wirken sich Die Fallstudien und deren Analyse sind Gegenstand der diese Aktivitäten auf das Geschäftsmodell, die nachfolgenden Kapitel5. Erkenntnisse aus den Fallstudien Business Operations und das Kundenerlebnis aus? und den Diskussionen im Workshop werden im Fazit im Sinne von Erfolgsmustern zusammengefasst (Kapitel 5.2) Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines eintägigen Praxisworkshops, der im Rahmen des qualitativen Forschungsteils Das Studienteam dankt allen am Workshop beteiligten Un- der Studie im Juni 2016 im Service Lab der ZHAW School of ternehmen (Abbildung 38), die ihr Expertenwissen und ihre Management and Law in Winterthur stattfand. Ziel des Work- wertvolle Zeit für die Vorbereitung, Diskussion und Auswer- shops war es, Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu- tung der Fallstudien bereitgestellt haben. sammenzubringen, die Prozessmanagement auf einem ähnlich hohen Niveau betreiben, um ihre Fallbeispiele im Expertenkreis zu diskutieren. Durchgeführt und moderiert wurde der Workshop vom Institut für Wirtschaftsinformatik und dem Institut für Marketingmanagement der ZHAW 5 D ie Analyse und Aufbereitung der Fallstudien für die vorliegende Studienpublikation erfolgte durch das Studienteam der ZHAW. Die Firmenvertreter sind im Anhang «Experten» sowie bei den jeweiligen Fallstudien in den nachfolgenden Kapiteln aufgeführt. Abb. 38 DIE FALLSTUDIEN IM ÜBERBLICK Fallstudie Leasing Thema Präsentiert von Videobasierte Identifikation als Wegbereiter für das Online-Leasing –– E sad Ceranic Projektverantwortlicher Business Analyst –– Patrick Frauchiger Leiter Marketing und Verkauf eUmzug – elektronisch umziehen einfach gemacht –– L ukas Steudler Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch Staatskanzlei des Kantons Zürich Case Management in P&C Reinsurance: Wissensarbeit im Fokus –– M arco Peyer Head BPM & Service Operations P&C Re-Insurance Digitalisiertes Service Management schafft Kundennutzen –– M arkus Schneider Leiter Operation Services –– Philipp Klauser Applikationsverantwortlicher Jira Einführung von Produkt- & Servicekatalogen: Der erste Schritt zur industrialisierten Fertigung –– A ndreas Hilber Head of Process Architecture Network and IT Operations 45 46 Fallstudien 4.1 FALLSTUDIE AMAG LEASING AG: «VIDEOBA- Beteiligungen am Zürcher Startup Sharoo und dem stations- SIERTE IDENTIFIKATION ALS WEGBEREITER FÜR ungebundenen Catch a Car von Mobility erweitert die AMAG DAS ONLINE-LEASING» das Geschäftsfeld im Bereich Carsharing und digitale Mobilitätsdienstleistungen. 2016 wurde bei AMAG zum «Jahr der Digitalisierung» erklärt. Mit diesem Fokus wurde der strategi- Leasing IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON –– Esad Ceranic Projektverantwortlicher Business Analyst sche Rahmen für verschiedene Projekte in allen Bereichen der AMAG-Gruppe geschaffen, so auch für die in dieser Fallstudie beschriebenen Aktivitäten zur Weiterentwicklung des Online-Leasings und der dafür eingesetzten videobasierten Online-Identifikation. –– Patrick Frauchiger Leiter Marketing und Verkauf Status quo: Digitalisierung im Back- und Front-End AMAG Leasing stellt sich den Herausforderungen der Digitalisierung bereits seit einigen Jahren und hat die Prozesse und 4.1.1 Kontext und Ausgangssituation Systeme sowohl im Front- als auch im Back-End verändert Die 1980 gegründete AMAG Leasing AG ist seit 2009 und erweitert. Der massivste Eingriff gelang mit der durch- Marktführer im Schweizer Fahrzeugleasingmarkt gängigen Automatisierung des Leasingbewilligungsprozes- und bewirtschaftet (Stand 2016) rund 130 000 aktive ses. Die bis dahin von Medienbrüchen und manuellen Arbei- Verträge im Privatkunden- und Firmenleasingge- ten schäft. Sie ist eine zur Careal Holding gehörige Ge- Vertragsausstellung wurden durchgängig digitalisiert. Im sellschaft, die für den Schweizer und Liechtenstei- Rahmen eines strategischen Automatisierungsprojektes wa- ner Markt die Finanzierung der Konzernprodukte ren die BPM-Lösung Axonivy eingeführt und zahlreiche inter- sicherstellt. Rund 30 % aller in die Schweiz impor- ne und externe Systeme integriert worden (z.B. CRM, Ver- tierten Fahrzeuge stammen aus dem Markenportfo- tragsmanagement, Zentralstelle für Kreditinformationen/ZEK, geprägten Abläufe vom Leasingantrag bis zur lio der AMAG Gruppe, die 2015 einen Umsatz von CRIF Teledata). Mehr als 200 Geschäftsregeln, die bei der 4,4 Milliarden erzielte und damit zu den 50 umsatz- Prüfung und Bewilligung der Leasinganträge zur Anwendung stärksten Unternehmen der Schweiz zählt. Rund 100 kommen, wurden implementiert. Durch die Anwendung und der 5 400 Mitarbeitenden der AMAG-Gruppe sind für fortlaufende Optimierung dieser Geschäftsregeln im digitali- die AMAG Leasing AG tätig. AMAG Leasing AG ist sierten Prozess kann AMAG Leasing Anträge zunehmend eine sogenannte Captive Leasinggesellschaft, das vollständig automatisiert, das heisst ohne manuelle Prüfung, heisst markengebundene Leasinggesellschaft, die bewilligen. Für bewilligte Anträge können ohne Systembruch die Marken VW, Audi, SEAT, Skoda und VW Nutzfahr- die Vertragsunterlagen erstellt werden. Aussichtslose Anträ- zeuge abdeckt. ge werden aufgrund hinterlegter KO-Kriterien frühzeitig im Prozess automatisch erkannt und abgelehnt. Die automati- Für die AMAG Gruppe und so auch für die AMAG Leasing sierte Bewilligungsquote, die aktuell bei 20 bis 25 % liegt, AG stehen die Herausforderungen und Chancen der Digitali- wird durch die fortlaufende Optimierung der hinterlegten Ge- sierung in der Automobilindustrie (siehe Infobox) im Zentrum schäftsregeln weiter erhöht (Zielwert: 30 %). AMAG Leasing einer Reihe strategischer Initiativen. So wurde für die eigenen konnte damit nicht nur nachweislich die Produktivität steigern Garagenbetriebe eine Tablet-Lösung für die mobile Service- (+32 %), sondern schafft Freiraum für komplexe Anträge, die annahme entwickelt, mit deren Hilfe der Serviceberater mit eine vertiefte Abklärung erfordern. AMAG Händler und Kun- dem Kunden direkt beim Fahrzeug alle Punkte aufnehmen den profitieren von einem raschen Entscheid in einem durch- und Auskunft über Kosten, Dauer etc. geben kann. Mit den gängigen Prozess mit deutlich reduzierten Bearbeitungszei- Business Process Management 2016 DIGITALISIERUNG IN DER AUTOMOBIL- der Automobilbranche zur digital geprägten «Mobilitätsin- BRANCHE – REAKTIONEN DER AKTEURE dustrie» (Wedeniwski, 2015). (Berger & Rechenbach, Digitalisierung verändert nicht nur Kundenerlebnisse, Ge- 2015) illustrieren diese Reaktionen unter anderem mit fol- schäftsprozesse und Geschäftsmodelle, sondern hat das genden Beispielen: Potenzial, ganze Branchen mit ihren Produkten, Dienst- –– Im 2012 eröffneten «Audi City-Showroom der Zu- leistungen und Wertschöpfungsketten zu transformieren. kunft» in London stehen nicht mehr als drei physische Dies hat das Beispiel der Musikindustrie bewiesen. In der Fahrzeuge auf 690m2. Die Beratung basiert auf virtu- Automobilbranche scheint genau das aktuell zu passie- eller Realität und der Verkauf ist von den interaktiven ren, und der Wandel birgt grosse Herausforderungen aber Beratungsflächen räumlich getrennt. Im ersten Halb- auch Chancen für bestehende und neue Akteure. Treiber jahr 2013 wurden 50 % der Autos im Londoner Show- sind nicht nur technologische Entwicklungen wie «Internet room ohne eine Probefahrt verkauft (Singh, 2014). of Things», Elektromobilität oder autonomes Fahren, son- –– Daimler bündelt seit 2014 unter der neuen Dienstleis- dern auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwick- tungsmarke «mercedes me» und dem gleichnamigen lungen, wie die Überalterung der Gesellschaft, die abneh- Kundenportal alle Onlinedienste und mobile Applikati- mende Bedeutung des Autos als Statussymbol oder onen rund um das Fahrzeug (connect), dessen Ser- Ressourcen- und Platzbeschränkungen. Daraus resultie- vice (assist) und Finanzierung. Auch die Kunden- rende Trends wie die intermodale Mobilität (die kombi- Community (Soziale Netzwerke) sowie nierte Nutzung mehrerer Verkehrsmittel) lassen die Branchengrenzen aufweichen. Sie bringen neue Anbieter ins Mobilitätsdienste (z.B. moovel) sind integriert. –– Seit 2013 ist bei der Volkswagen-Leasingbörse für Spiel, deren Geschäftsmodelle häufig digital geprägt sind Gebraucht- und Jahreswagen in Deutschland die (z.B. Uber, Carsharing) und unterstreichen die zunehmend Eintrittspforte für den Kunden nicht mehr der stationä- etablierte Einstellung «Nutzen statt Besitzen» in einer re Handel, sondern die Online-Leasingbörse, die das «Share Economy» (Adam & Meyer, 2015). Aber auch tra- Geschäft abschliessend an den vom Kunden online ditionelle Akteure, wie Automobilvertrieb und Leasingge- gewählten Händler übergibt. ber, die im Mittelpunkt der vorliegenden Fallstudie stehen, sowie Automobilhersteller reagieren auf diesen Wandel ten (-70 %), was sich in einer nachweisbar höheren Der Online-Leasingrechner erlaubt Kunden – online ohne Kundenzufriedenheit niederschlägt. Für AMAG Leasing zeigt Eingabe persönlicher Daten, nur mit Auswahl weniger Eck- sich der durchgängig digitalisierte und standardisierte Pro- daten des Wunschfahrzeuges (Marke, Modell, Motorisie- zess nicht nur in einer gesteigerten Effizienz, sondern in ho- rung) – die Höhe der monatlichen Leasingrate zu berechnen her Datenqualität, einer optimierten Risikobewertung sowie sowie den Einfluss bestimmter Faktoren wie Laufzeit oder einer deutlichen Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit. jährliche Laufleistung zu simulieren (Abbildung 39). Nicht nur die Arbeitsumgebung für AMAG-Leasing-Mitarbei- Das Online-Leasingzertifikat (Abbildung 40) ist unabhängig tende und AMAG-Händler wurde in den letzten Jahren digi- von einem konkreten Fahrzeugwunsch. Leasinginteressierte talisiert, auch im Front-End wurde investiert. Auf der AMAG- erhalten nach Eingabe ihrer persönlichen Daten, die auch An- Website werden mit dem Online-Leasingzertifikat und einem gaben zur finanziellen Situation und Lebensunterhaltskosten Leasingrechner zwei Online-Tools für leasing-interessierte umfassen, direkt im Anschluss per E-Mail ein sogenanntes Kunden angeboten. Leasingzertifikat, das keine verbindliche Zusage darstellt, aber 47 48 Fallstudien Auskunft gibt über den finanziellen Rahmen, in dem AMAG gen gesetzt werden können. Der Online-Leasingrechner ein Leasingangebot unterbreiten kann. Legt der Kunde das bietet eine lange Verweildauer (durchschnittlich fünf Minu- Leasingzertifikat beim Händler vor, können über eine Identifi- ten) und viel Traffic (12 000 Seitenaufrufe monatlich), aber kationsnummer die bereits eingegebenen persönlichen Da- keine verwertbaren Kundendaten. Somit ist nicht nachvoll- ten für den Leasingantrag abgerufen und verwendet wer- ziehbar, welche und wie viele Leasingverträge aus der Nut- den. Eine Plausibilisierung und Validierung der online zung entstehen. Das Leasingzertifikat hingegen liefert wert- eingegebenen persönlichen Daten findet heute erst beim volle Kundendaten, aber durch die fehlende Verifikation der Händler auf der Grundlage eines amtlichen Ausweisdoku- Kundendaten ist nicht eindeutig nachvollziehbar ist, welche ments statt. Aktuell sind die beiden Instrumente nicht integ- Anträge tatsächlich aus einem Online-Leasingzertifikat ent- riert. Das bedeutet, sie liefern wertvolle Daten, die jedoch stehen. Auch für welche Fahrzeuge sich ein Kunde interes- nicht in Beziehung zueinander oder zu tatsächlichen Verträ- siert, ist nicht ersichtlich. Abb. 39 ONLINE-LEASING RECHNER (WWW.AMAG.CH) Business Process Management 2016 Abb. 40 ONLINE-LEASINGZERTIFIKAT (WWW.AMAG.CH) 4.1.2 Motivation und Zielsetzung Leasingprozess sichergestellt werden, kann AMAG Mit dem vom Antrag, über die Bewilligung bis zur Leasing sowohl den bestehenden Leasingprozess Vertragserstellung und -administration durchgän- optimieren als auch neue Wege im Online-Leasing gig digitalisierten Leasingprozess hat AMAG Leas- einschlagen. ing betriebsseitig die Voraussetzungen geschaffen, um in einem nächsten Schritt den Prozess weiter in AMAG Leasing unterliegt als Finanzintermediär den Regula- Richtung Endkunde zu öffnen. Für Kunden stehen torien zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terroris- mit dem Online-Leasingrechner und dem Online- musfinanzierung. Diese umfassen zum einen das Geld- Leasingzertifikat bereits zwei Instrumente zur Ver- wäschereigesetz (GWG) und zum anderen die Verordnung fügung, die jedoch nicht in den digitalisierten Leas- der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Bekämp- ingprozess eingebunden sind. Die rechtskonforme fung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Fi- Feststellung der Kundenidentität spielt hierbei eine nanzsektor (GwV-FINMA). Darin sind unter anderem die Schlüsselrolle. Kann diese in einem digitalisierten Sorgfaltspflichten bezüglich der Identifikation der Vertrags- 49 50 Fallstudien partei, sprich des Kunden, bei der Aufnahme einer Ge- Geschäftsbeziehung bis zur Nachlieferung eines aus- schäftsbeziehung festgelegt. Um diesen gerecht zu werden, reichenden Identifikationsdokuments als abgebrochen gilt muss gemäss Art. 45 GwV-FINMA der Kunde persönlich (Art. 55 GwV-FINMA). Hinzu kommt ein administrativer Meh- beim Finanzintermediär vorstellig werden, der eine Kopie des raufwand für die Nachbearbeitung, der im Rahmen des Identifizierungsdokuments erstellen, datieren, unterzeichnen Business Cases mit rund 150 Personentagen jährlich quan- und zu den Akten legen muss. Im Fall von AMAG findet diese tifiziert wurde. Identifikation beim Händler statt, der diese Kopien digitalisiert und im Leasingsystem hinterlegt. Wird der Leasingantrag be- Ursache der Problematik ist die für alle Akteure umständliche willigt und ein Vertrag erstellt, ist AMAG Leasing gemäss und an den stationären Handel gebundene Form der Identi- GwG verpflichtet, den gesamten Vorgang und somit auch tätsprüfung. Die genannten regulatorischen Vorgaben im Fi- die Identifizierungsdokumente im Rahmen der Vertragsad- nanzsektor liessen den Einsatz online- und videobasierter ministration einer Qualitätsprüfung zu unterziehen (Abbildung Tools für die Identifikation des Vertragspartners bis dato in der 41). Bei einem signifikanten Anteil der bearbeiteten Fälle er- Schweiz nicht zu. Die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung füllen die Identifizierungsdokumente die Qualitätskriterien auf rein digitalem Weg war somit für einen Finanzintermediär nach GwG/GwV-FINMA nicht (z.B. aufgrund eines schlecht nicht möglich. Dies änderte sich jedoch mit dem Erlass des erkennbaren Fotos). In diesen Fällen muss AMAG Leasing FINMA-Rundschreibens «Video- und Online-Identifizierung» den Händler auffordern, den Kunden nochmals in die Ga- im März 2016, das die Sorgfaltspflichten bei der Aufnahme rage zu bestellen, um sich erneut zu identifizieren. Das Fahr- von Geschäftsbeziehungen über digitale Kanäle regelt (FIN- zeug ist zu diesem Zeitpunkt in der Regel bereits ausgeliefert. MA, 2016). Die FINMA stellt darin die Video- und Onlineiden- Somit schafft diese Prozedur nicht nur unzufriedene Kunden, tifizierung unter bestimmten Voraussetzungen mit der per- sondern auch rechtliche Unklarheit, da die Aufnahme der sönlichen Vorsprache des Kunden gleich (siehe Infobox). Abb. 41 AUSWIRKUNGEN NICHT GWG/GWV-FINMA-KONFORMER IDENTITÄTSDOKUMENTE AUF DEN LEASINGPROZESS Händler bietet den Kunden erneut auf 150 Tage Mehraufwand für Nachbearbeitung Verkäufer Kunde Erneute Identifikation beim Händler: Unzufriedenheit Leasingantrag ALAG Bei einem grossen Anteil aller Fälle erfüllt das Identitätsdokument die Qualitätskriterien nach GwG/GwV-Finma nicht automatisierte Bewilligung Vertragsadministration Business Process Management 2016 FINMA ERMÖGLICHT VIDEOIDENTIFIZIERUNG –– Die Bild- und Tonqualität muss eine einwandfreie Iden- Mit Inkrafttreten des FINMA-Rundschreibens «Video- und tifikation gewährleisten. Während der Videoübertra- Online-Identifizierung» im März 2016 (FINMA, 2016), ist es gung müssen Bilder der Vertragspartei und des Identi- Finanzdienstleistern nun auch in der Schweiz möglich, fizierungsdokuments erstellt werden. Kunden bei der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, z.B. –– Alle Angaben nach Art. 44 GwG und Art. 60 GwV- bei einer Kontoeröffnung oder einem Leasingantrag, über FINMA (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, digitale Kanäle zu identifizieren. Die FINMA stellt damit, wie Staatsangehörigkeit) müssen vor der Videositzung bereits 2014 die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin, die erfasst und übermittelt sein. Vor Beginn des Ge- Video- und Online-Identifizierung mit der persönlichen Vor- sprächs muss das ausdrückliche Einverständnis zur sprache des Kunden gleich. Die FINMA begründet diesen Videoidentifizierung eingeholt werden. Schritt damit, «unnötige Hürden in der FINMA-Regulierung –– Alle vor und während der Videositzung erhobenen abzubauen und die Innovations- und Wettbewerbsfähig- Daten werden abgeglichen, Die Echtheit des Doku- keit des Finanzplatzes Schweiz sicherzustellen» (FINMA, ments wird visuell oder mit technischen Mitteln ge- 2016). Von den angepassten regulatorischen Rahmenbe- prüft. Es sind nur Ausweisdokumente zugelassen, die dingungen profitieren nicht nur Fintech-Startups, sondern über eine MRZ und optische Sicherheitsmerkmale alle Finanzdienstleister, die Geschäftsbeziehungen mit ih- verfügen. ren Kunden von Beginn an, das heisst bereits beim sogenannten «client onboarding» digital gestalten wollen. –– Im Laufe der Sitzung ist die Identität der Vertragspartei mittels einer zugestellten Transaktionsnummer (TAN) o.ä. zu verifizieren. Ein wesentlicher Grundsatz des Geldwäschereigesetzes und der Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor ist die Identifikation der –– Die durchführenden Mitarbeitenden müssen geschult und durch einen Gesprächsleitfaden unterstützt sein. –– Der Finanzintermediär kann eine dritte Partei mit der Identifizierung beauftragen. Vertragspartei bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung (Art. 3 GwG, Art. 44 GWV-FINMA). Bis zum Inkrafttreten des In der Schweiz bieten Swisscom («Digital Identification & FINMA-Rundschreibens war die Identifizierung nur durch Signing») und die Schweizerische Post («ID-Check») die persönliche Vorsprache mit einem amtlichen Ausweis (inkl. Videoidentifikation an. Beide Dienste basieren auf der Soft- Identitätsfoto) möglich (Art. 45 GWV-FINMA). Als einzige ware der Berliner WebID Solutions, deren Service auch Alternative zur persönlichen Vorsprache war die Zustellung AMAG Leasing nutzt. Firmenkunden, die diese Anbieter für einer echtheitsbestätigten Kopie auf dem Postweg mit ei- die Identifikation oder Altersprüfung ihrer Kunden einset- ner zusätzlichen Prüfung der Postadresse durch eine zen, bezahlen pro Vorgang («pay per use»). Die Daten wer- Postzustellung vorgesehen. Das FINMA-Rundschreiben den an den Finanzdienstleister über eine sichere und ver- erweitert diese Möglichkeiten nun auf digitale Kanäle. So schlüsselte Verbindung übermittelt und anschliessend aus ist neu die Videoidentifizierung von einem beliebigen End- den Systemen des Identifikationsanbieters gelöscht. Auf gerät des potenziellen Kunden möglich, sofern die folgen- eine interne Lösung setzt UBS, die im März eine App für den Grundsätze erfüllt sind (FINMA-RS, Abs. 5 bis 22): die Videoidentifikation auf der Basis der Softwarelösung –– Die Identifizierung erfolgt mittels audiovisueller Kommu- IDnow lanciert hat. Sowohl WebID als auch IDnow bieten nikation in Echtzeit, das heisst in einer Live-Schaltung. zusätzlich zur rechtssicheren Verifizierung im Video-Chat –– Die sichere Übertragung und das Auslesen und Ent- Funktionen für den digitalen Vertragsabschluss an. Über schlüsseln der Information aus der maschinenlesbaren eine in Echtzeit erstellte elektronische Signatur kann der Zone (MRZ) des Ausweises ist sichergestellt. Kunde im Video-Chat einen Vertrag digital unterzeichnen. 51 52 Fallstudien Abb. 42 ZIELSETZUNG – ONLINE-BEWILLIGUNG Der Kunde... Mein AMAG LeasingZertifikat EVGDHBDC1R … berechnet seinen monatlichen Maximalbetrag für ein Leasing … lässt sich anschliessend online identifizieren … bekommt die verbindliche Zusage für einen Leasingvertrag Vor dem Hintergrund dieser aufsichtsrechtlichen Änderung, –– Langfristig (Folgephase): Der Kunde erhält nicht nur eine die bereits im Dezember 2015 von der FINMA angekündigt Zusage für einen Leasingvertrag, sondern kann online und in einem Regelungsentwurf zur Stellungnahme kommu- ein Fahrzeug auswählen, einen Leasingvertrag abschlie- niziert wurde, konnte AMAG Leasing rasch reagieren und die ssen und einen Termin für die Fahrzeugübergabe beim Identifikationsproblematik unter neuen Voraussetzungen auf- Händler vereinbaren. greifen. Nach Prüfung verschiedener Alternativen entschied K undennutzen: Kunden, die ein Online-Leasing dem sich AMAG Leasing, die Einsatzmöglichkeiten der videobasi- Besuch beim Händler vorziehen, können den komplet- erten Identifikation für Digitalisierung des Leasings auszunut- ten Prozess online durchlaufen. zen. Das Projekt wurde im Frühjahr 2016 mit folgenden Zielsetzungen gestartet: Mit dem Projekt setzt AMAG Leasing klare Signale für die digitale Ausrichtung der AMAG. Das Projekt Video-Identifika- –– Kurzfristig (Phase 1, Sommer 2016): Optimierung des tion kann wertvolle Erkenntnisse und Grundlagen für die aktuellen Prozesses durch die Video-Identifikation: Meh- Digitalisierung weiterer Prozesse und Geschäftsbereiche raufwände auf Seiten AMAG Leasing, Händler und schaffen. Wesentlich für den Erfolg wird sein, ob es AMAG Kunde, die durch mangelhafte Identitätsnachweise ent- Leasing gelingt, die Kundenbedürfnisse bei der Gestaltung stehen, werden reduziert. des Online-Leasings einzubeziehen und so auch neue Ziel- Kundennutzen: Der Kunde kann sich bequem im Video-Chat identifizieren. Der erneute Weg zum Händler entfällt. –– Mittelfristig (Phase 2, Herbst 2016): «Online-Bewilligung» (Abbildung 42): Das Online-Leasingzertifikat wird durch die Video-Identifikation zur verbindlichen Zusage für einen Leasingvertrag. Kundennutzen: Der Kunde kann persönliche Daten über seine finanzielle Situation und Lebenshaltungskosten diskret online erfassen und erhält innert Minuten eine verbindliche Zusage. gruppen durch positive Kundenerlebnisse zu überzeugen. Business Process Management 2016 «Wir stellen die Wirkung haptischer Erlebnisse und persönlicher Beziehungen im Automobilvertrieb nicht in Frage, aber es gibt Zielgruppen und Situationen, für die wir frühzeitig digitale Ergänzungen und Alternativen anbieten wollen. In der diskreten Online-Erfassung persönlicher Daten für einen Leasingantrag, von zuhause und jederzeit, komplettiert durch die unkomplizierte videobasierte Online-Identifikation, sehen wir einen echten Kundenutzen.» Patrick Frauchiger, Leiter Verkauf und Marketing, AMAG Leasing AG DIGITALISIERUNG IN DER AUTOMOBIL- 40 % der befragten potentiellen Kunden, die über den BRANCHE – WAS WILL DER KUNDE? Kauf oder die Finanzierung eines Fahrzeuges nach- Nicht nur die Angebotsseite verändert sich, auch das Infor- denken oder in den letzten zwölf Monaten ein Auto mations- und Entscheidungsverhalten der Automobilkun- gekauft oder finanziert haben, nutzen das Internet, um den ist im Wandel. Studien zeigen, dass Online-Kanäle sich über das Thema Leasing/Finanzierung zu infor- nicht nur an Bedeutung gewinnen, sondern in der Phase mieren. Rund 24 % informieren sich telefonisch oder der Informationsbeschaffung bereits dominieren. Aber auch persönlich beim Händler. Kundenerlebnisse im stationären Handel bleiben relevant: –– Die Fahrzeugfinanzierung wird dabei für Konsumenten –– Mehr als 80 % der Neuwagenkunden und nahezu im Entscheidungsprozess zunehmend wichtiger. Auf 100 % der Gebrauchtwagenkunden starten die Informa- die Frage, zu welchem Zeitpunkt sie sich über die tionssuche online. Die Anzahl der Besuche beim Händ- Finanzierung ihres Neu- oder Gebrauchtwagens infor- ler vor dem Autokauf sind von durchschnittlich fünf auf mieren, gaben 48,2 % der Befragten an, dass sie dies bis zu einem Besuch gesunken (abhängig von Region vor der Modellwahl, 29,4 % während und 14,2 % nach und Marke). Mehr als 80 % der Kunden wollen jedoch der Wahl des Modells tun. auf die Probefahrt beim Händler nicht verzichten (Global Consumer Survey in USA, Europa und China (McKinsey & Co, 2014)). –– Die Studie empfiehlt Autobanken und Autohändlern auf diese Herausforderungen und Chancen gemeinsam mit Multikanalvertriebsstrategien zu re- «Der Händler verliert in der Anfangsphase die agieren. Weitere Potenziale werden in der Nutzung Informationshoheit über das Produkt.» des Internets, über die statische Information hinaus, Detlev Mohr, Leiter Automotive Practice Europe (McKinsey & Co., 2014) als Transaktionsplattform für das Leasing gesehen. Auch die Erweiterung des Angebots um neue Mo- –– Auch bei Fahrzeugleasing und -finanzierung ist das bilitätskonzepte (z.B. Übernahme von Carsharing- Internet zur wichtigsten Informationsquelle für Kunden Lizenzen, Bring-/Hohldienste) werden als gemein- geworden, wie eine Studie bei Endkunden in Deutsch- sames Aktionsfeld für Handel und Leasinggeber land zeigt (Ernest & Young GmbH, 2013). Mehr als vorgeschlagen (Ernest & Young GmbH, 2013). 53 54 Fallstudien 4.1.3 Umsetzung und Wirkung Um die oben beschriebenen Ziele zu erreichen, gliedert AMAG Leasing ist sich bewusst, dass sie mit der AMAG Leasing das Projekt in drei Phasen (Abbildung 43). Online-Videoidentifikation Neuland im Schweizer Finanzdienstleistungsmarkt betritt. Die Möglich- In der ersten Phase wird die Online-Videoidentifikation im keiten, die sich dadurch für die weitere Ausgestal- bestehenden Prozess eingesetzt, um die Mehraufwände zu tung des Online-Leasings bis hin zum digitalisi- reduzieren, die entstehen, wenn der GwG-Check der Ver- erten Absatz ergeben, sollen daher schrittweise tragsadministration Mängel beim Identitätsnachweis feststellt getestet und umgesetzt werden. Die Kundenbedür- (Abbildung 44). AMAG Leasing muss in diesem Fall nicht fnisse werden auf diesem Weg frühzeitig erhoben mehr wie bis anhin den Händler auffordern, den Kunden er- und in die Ausgestaltung einbezogen. neut aufzubieten, um sich persönlich auszuweisen. Stattdes- Abb. 43 VORGEHEN UND INHALTE DER PHASEN PHASE 1 PHASE 2 – Online-Video-Identifikation statt erneutem Händler-Besuch – Mehraufwände durch nachträgliche Identifikation senken – Kundenbedürfnisse und Akzeptanz erheben Backend-Prozess und Prototyp – P rojektziel: Verbindliche Zusage für einen Leasingvertrag online – L easing-Zertifkat mit Identitätsnachweis Online-Bewilligung – Potenzial: Leasing und Fahrzeugauswahl online Online-Absatz Mein AMAG LeasingZertifikat EVGDHBDC1R FOLGEPHASE Abb. 44 PHASE 1 – BACKEND-PROZESS UND PROTOTYP @ Kunde 1 Identitätsdokument erfüllt Qualitätskriterien nach GwG/GwV-Finma nicht Verkäufer 2 ALAG 3 Business Process Management 2016 sen wird aus dem Prozessmanagementsystem eine E-Mail («Online-Bewilligung») sind nicht mehr nur Kunden, die sich an den Kunden mit einem Link zur Online-Videoidentifikation erneut identifizieren, angesprochen, sondern alle potentiellen erstellt (1). Der Kunde identifiziert sich online (2) und die Dat- Kunden, die online einen Leasing-Antrag stellen möchten en werden an AMAG Leasing übermittelt (3). In dieser Pilot- (Abbildung 45). Für die Eingabe ihrer persönlichen Daten phase nutzt AMAG Leasing für die Online-Videoidentifikation nutzen Kunden das Online-Leasingzertifikat (1), das den fi- die Dienstleistung der WebID Switzerland AG. nanziellen Rahmen, innerhalb dessen ein Leasing möglich ist, online prüft und bescheinigt. In einem nächsten Schritt Nach erfolgreichem «Prototyping» wird die Zielgruppe der werden im Video-Chat mit Web-ID die eingegebenen per- Online-Identifikation erweitert und das bereits bestehende sönlichen Daten und die Identität der Person und deren Aus- Online-Leasingzertifikat in den Prozess integriert. In Phase 2 weis geprüft (siehe Infobox «FINMA ermöglicht Online-Video- Abb. 45 PHASE 2 – ONLINE-BEWILLIGUNG 4 5 6 Kunde Verkäufer ALAG Mein AMAG 1 3 LeasingZertifikat EVGDHBDC1R 2 Abb. 46 FOLGEPHASE – ONLINE-ABSATZ 4 5 Kunde Verkäufer 1 ALAG Mein AMAG LeasingZertifikat EVGDHBDC1R 2 3 55 56 Fallstudien identifikation») (2). Die Daten werden an AMAG Leasing sen werden kann (4). Abschliessend könnte der Kunde ei- übermittelt (3), die dem Kunden auf dieser Grundlage online nen Termin für die Fahrzeugübergabe beim Händler (5) online eine verbindliche Zusage für einen Leasingvertrag erteilen vereinbaren. Die Frage der Verfügbarkeit des Fahrzeuges kann (4). Mit dieser Zusage kann der Kunde zum Händler, wird durch den hohen Standardisierungsgrad der Fahrzeuge um ein Auto auszuwählen und den Vertrag zu unterzeichnen in Bezug auf Motorisierung und Ausstattung zunehmend un- (5). Abschliessend wird die Vertragsadministration ausgelöst. wesentlich. Mit der Online-Bewilligung ist das Projektziel für AMAG Lea- Die Lösungsarchitektur sing erreicht. In einer Folgephase werden anschliessend die Für die Umsetzung der Szenarien hat die AMAG Leasing Potenziale für den gesamten Absatzprozess betrachtet. In durch die Automatisierung des Bewilligungsprozesses sys- diesem Szenario (Abbildung 46) erstellt sich der Kunde on- temseitig bereits wesentliche Voraussetzungen geschaffen. line ein Leasingzertifikat (1), lässt sich per Video-Chat identi- Das CRM-System und das Vertragsmanagement-System fizieren (2) und wählt ebenfalls online das Fahrzeug aus (3). Leasman sind in den automatisierten Prozess integriert. Auch Eine Schnittstelle zur webbasierten Fahrzeugauswahl, das die Infrastruktur für den Datenaustausch ist mit SAP/PI be- Gegenstand eines laufenden Projekts ist, soll diesen Schritt reits vorhanden. Für die Umsetzung der oben beschriebenen ermöglichen. Die bestehende durchgängige Automatisie- Phasen müssen lediglich die bestehenden Online-Instru- rung würde zudem ermöglichen, dass nicht nur eine verbind- mente Leasing-Zertifikat und Leasing-Rechner sowie der ex- liche Zusage für einen Leasingvertrag ausgestellt werden terne Videoidentifizierungsservice eingebunden werden (Ab- kann, sondern auch der Leasingvertrag online abgeschlos- bildung 47). Abb. 47 SYSTEMLANDSCHAFT – STATUS-QUO UND ERWEITERUNGEN FÜR DAS ONLINE-LEASING Business Process Management 2016 Was will der Kunde? AMAG Leasing drei Szenarien erarbeitet, die unterschiedli- Die grösste Herausforderung für AMAG Leasing ist nicht die che Zugänge zum Online-Leasing darstellen. Die Ergebnisse systemseitige Implementierung des online erweiterten Lea- der Interviews und Beobachtungen werden eingesetzt, um singprozesses. Da sie mit der erst kürzlich in der Schweiz den Zugang zum Online-Leasing möglichst einfach und be- möglichen Video-Identifizierung Neuland beschreitet, ist die dürfnisgerecht zu gestalten. Abbildung 48 fasst Ziele und Akzeptanz der Schweizer Kunden nicht vorhersehbar. Auch Vorgehen zusammen. die Bereitschaft für ein vollständig online durchgeführtes Erste Erkenntnisse Fahrzeugleasing lässt sich kaum abschätzen. Die Beobachtungen und qualitativen Tiefeninterviews mit den Sind Schweizer Kunden bereit, vertrauliche Daten im Rah- Probanden liefern für AMAG aufschlussreiche Erkenntnisse men eines Video-Chats, in dessen Verlauf Fotos von ihnen sowohl über die grundlegende Einstellung und den Wissens- und ihren Ausweisdokumenten erstellt werden, mit einer stand potentieller Kunden zum Thema Leasing, als auch Drittpartei zu teilen? Sehen sie einen Vorteil darin, Daten zu über deren Umgang mit den bestehenden Online-Tools und ihrer persönlichen und finanziellen Situation online zu erfas- mit der Online-Identifikation. sen, um direkt eine verbindliche Zusage für ein Leasing zu erhalten? Und zu welchem Zeitpunkt befassen sie sich mit Bezüglich der Bereitschaft, sich online identifizieren zu las- dem Thema Leasing? Bevor oder nachdem sie ihr Traumau- sen, können die Befragten relativ klar in zwei Gruppen einge- to ausgewählt haben? teilt werden: während es für die einen nicht bzw. noch nicht in Frage kommt, ihr Gesicht und ihre ID im Internet in eine Um diese Fragen bereits vor der definitiven Implementierung Kamera zu halten, sehen andere – vor allem unter dem Ge- des Online-Leasingprozesses zu klären, hat sich AMAG Lea- sichtspunkt, dass es sich um eine moderne und zeitsparen- sing entschieden, mit dem Service Lab der Zürcher Hoch- de Methode handelt – darin kein Problem. Abgesehen von schule für Angewandte Wissenschaften zusammenzuarbei- diesen Grundeinstellungen der Probanden hängt die Bereit- ten. mit schaft für eine solche Online-Identifikation auch vom Wissen Fahrzeugleasing haben oder ein solches in Betracht ziehen, der Befragten über Leasing ab. Haben diese in der Vergan- werden Interviews durchgeführt und die aktuellen Online- genheit bereits einen Leasing-Vertrag abgeschlossen und Tools sowie die Video-Identifikation mit WebID getestet. Als wissen, dass im Prozess zu irgendeinem Zeitpunkt eine Iden- Ausgangspunkt für diesen qualitativen Ansatz wurden mit tifikation auf sie zukommt, rechnen sie im Online-Prozess Mit Testkunden, die bereits Erfahrungen «Die Online-Bewilligung kann ein Alleinstellungsmerkmal für die AMAG Leasing werden, aber die Akzeptanz der videobasierten Identifikation durch Schweizer Kunden und deren Bedürfnisse beim Online-Leasing sind ungewiss. Vielleicht sind wir etwas früh für den Schweizer Markt? Aus diesem Grund testen wir verschiedene Szenarien mit extern rekrutierten Probanden.» Esad Ceranic, Projektverantwortlicher, AMAG Leasing AG 57 58 Fallstudien auch eher mit diesem Schritt. Personen, welche noch keine die Datensicherheit gewährleistet wird. Diese nicht zwingend Erfahrung mit Leasing haben, reagieren entsprechend unvor- rational begründeten Zweifel haben zur Folge, dass einige bereitet und zurückhaltend auf die Situation. Unabhängig von der Probanden den Gang zum Händler bevorzugen würden, Wissen und Einstellungen ist die Identifizierung über das In- um sich identifizieren zu lassen. Eine weitere Erkenntnis aus ternet für alle Probanden ein neuer Anwendungsfall, der Ver- den Interviews und Beobachtungen ist, dass die Bereitschaft unsicherung auslöst. Eine wichtige Rolle spielt dabei die zu einer Online-Identifikation und zu einem Online-Leasing- Rahmenbedingung, dass die Online-Identifikation über einen Prozess insgesamt steigt, wenn die Interviewten mit der Aus- Drittanbieter durchgeführt wird: auch wenn die Online-Identi- wahl des Autos in den Prozess einsteigen. fikation in die amag.ch-Seite eingebettet ist und die Nutzer vor Aufbau der Livesitzung darauf hingewiesen werden, dass Auf der Grundlage dieser und weiterer Erkenntnisse wurden sie mit dem Partner WebID verbunden werden, ist das Ver- Handlungsempfehlungen formuliert, die kurzfristig umsetzba- trauen in WebID nicht in gleichem Umfang gegeben wie in re operative Massnahmen und mittel- bis langfristige strategi- die bekannte AMAG. Die Interviewten fragen sich unter an- sche Massnahmen umfassen. Zentral wiegt dabei die Er- derem, wie das Unternehmen die Daten handhabt und wie kenntnis, dass, unabhängig vom untersuchten Szenario, ein Abb. 48 KOOPERATION MIT DEM ZHAW SERVICE LAB ZIELE – Den Prozess über die Online-Identifikation beschleunigen und Aufwände reduzieren – Den Zugang zum Leasing-Angebot vereinfachen – Die Konversion von Besuchern der Tools hin zu Zertifikaten und Verträgen erhöhen – Das Kundenerlebnis allgemein optimieren SZENARIO 1: BUDGET Der Kunde hat ein Budget, das einzuhalten ist. Mit diesem im Hinterkopf macht er sich an den Online-Leasing-Prozess. SZENARIO 2: AUTO Der Kunde hat online oder beim Händler sein Traumauto gesehen. Dies möchte er nun online leasen. SZENARIO 3: ONLINE-SHOPPING Aufgrund des Leasingzertifikats, das der Kunde erhalten hat, werden ihm zum Budget passende Autos vorgeschlagen. EINSTELLUNG/ERWARTUNG AKTUELLE ONLINE-TOOLS WEB ID Zugang Leasing-Prozess ALAG – Warm-Up – Erfahrungen mit Leasing – Spontanes Vorgehen bei einem solchen Prozess – Erwartungen an Onlineprozess Leasingrechner und Zertifikat – Spontane Reaktionen – Ausführen der Tools mit Thinking-aloud – Likes und Dislikes – Treiber und Hürden Web ID-Prozess durchgehen – Spontane Reaktionen – Prozessdurchführung – Likes und Dislikes – Treiber und Hürden – Akzeptanz ERGEBNISSE – Mindset bezüglich Leasingprozess – Bedürfnis- und Motivstrukturen – Im Vorfeld wahrgenommene «gains» und «pains» –Einstellungen – Verständlichkeit und «Handhabung» der Tools – Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der aktuellen Tools – Wie gehen die Befragten mit dem Web-ID Prozess um (inkl. Akzeptanz) – Abschliessende Gesamtbeurteilung Business Process Management 2016 Grundbedürfnis nach Transparenz und Unterstützung im ge- len beteiligten Akteuren entlang der Absatzkette getragen samten Prozess auf Kundenseite besteht. Dabei geht es werden. AMAG Leasing hat sich entschieden, diese zentra- nicht nur um grundlegende Informationen zum Thema Lea- len Fragestellungen auf der Grundlage erster Erfahrungen sing und eine Erklärung der Schritte im Leasingprozess und schrittweise zu adressieren. Abzuwarten, bis alle organisato- dessen Fortschritt, sondern um eine verständliche Aufklä- rischen, betriebspolitischen und rechtlichen Fragestellungen rung zu Beginn und prozessbegleitend, welche Informatio- abschliessend geklärt sind, lässt der Wettbewerbsdruck in nen und Aktivitäten zum Abschluss der einzelnen Schritte einer zunehmend digitalisierten Automobilbranche nicht zu. notwendig sind. Klar an den Ausgangspunkt gestellt werden hingegen die Bedürfnisse, Reaktionen und Einstellungen der Kunden. Ausblick Zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Fallstudie be- AMAG Leasing ist sich bewusst, dass für den Erfolg eines findet sich AMAG Leasing in der Phase des «Prototyping» der durchgängigen Online-Leasings nicht nur technische Lösun- Online-Videoidentifikation. Parallel werden die Erkenntnisse gen und optimal gestaltete Oberflächen entscheidend sind. aus den Interviews und Beobachtungen mit Probanden im Die beschriebenen Neuerungen im Leasingprozess wirken Service Lab ausgewertet und die operativen und strategi- sich massiv auf interne Abläufe, Strukturen und Rollenvertei- schen Handlungsempfehlungen für die Optimierung der lungen aus, die über das Leasing hinausgehen und den ge- Online-Angebote sowie die Ausgestaltung der Digitalisie- samten Fahrzeugabsatz betreffen. Die Veränderungen in der rungsstrategie eingesetzt. Kundenbeziehung und im Kundenverhalten müssen von al- 59 60 Fallstudien 4.1.4 Fazit Besuch beim Händler vorziehen, den kompletten Prozess Die vorliegende Fallstudie von AMAG Leasing zeigt, online durchlaufen. Um sicherzustellen, dass das Online- wie eine im Back-End begonnene digitale Transfor- Leasing tatsächlich positive Kundenerlebnisse schafft und mation für die Schaffung neuer Kundenerlebnisse neue Zielgruppen überzeugt, werden Kundenbedürfnisse genutzt wird. Ausgehend von einem durchgängig frühzeitig in die Ausgestaltung einbezogen. automatisierten Bewilligungsprozess kann die Tür zum Kunden geöffnet und ein Online-Leasing ange- Produkt- und Service-Innovation: boten werden. Machbar wird dies durch veränderte Das Serviceangebot der AMAG wird durch das Online-Lea- regulatorische Rahmenbedingungen, die eine On- sing digital erweitert. Ein durchgängiges Online-Leasing line-Videoidentifikation für Finanzdienstleistungs- ohne Medienbrüche war in der Schweiz aufgrund der fehlen- kunden in der Schweiz neu zulassen. Auf dieser den Rechtsgrundlagen für die Online-Identifikation bisher Grundlage kann AMAG Leasing Geschäftsbezie- nicht möglich. AMAG Leasing kann diese Lücke schliessen hungen mit Kunden GwG-konform online eröffnen und Wettbewerbsvorteile sichern. Der veränderte Prozess und ihnen eine Alternative zum Weg über den sta- bietet Anknüpfungspunkte für weitere Innovationen; so könn- tionären Handel bieten. ten Carsharing-Modelle in das Online-Leasing eingebunden und angeboten werden. Aktuell lassen viele Leasinganbieter Die Fallstudie deckt ein breites Spektrum der im Rahmen der Carsharing nicht zu. Die AMAG Gruppe hat mit ihrer Beteili- Studie erforschten Aspekte der digitalen Transformation ab. gung am Zürcher Startup Sharoo und Catch a Car von Mo- Das Vorhaben verändert die Domänen Kunde, Geschäfts- bility signalisiert, dass sie offen ist, diese Formen der Mobili- modell und Business Operations gleichermassen und macht tät in ihr Geschäftsmodell zu integrieren. die Relevanz der Prozessdigitalisierung deutlich. Die wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 49 gekennzeichnet Operational & Service Excellence: und nachfolgend dargestellt: Ein Auslöser für das Vorhaben waren die Mehraufwände, die durch mangelhafte Identitätsnachweise in der Vertragsadmi- Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung nistration und in der Folge beim Händler und letztlich beim wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen Kunden entstehen. Wird die Online-Videoidentifikation von wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert? den Kunden akzeptiert, können die Prozesskosten reduziert und die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Auch das On- Kundennutzen: Online-Alternative zum Händlerbe- line-Leasing mit Neukunden profitiert von dieser Durchgän- such gigkeit des Leasingprozesses von der Eröffnung der Ge- In einem ersten Schritt profitieren bestehende Kunden, deren schäftsbeziehung bis hin zur Vertragsadministration. Fahrzeug bereits ausgeliefert ist und deren Ausweisdokument die GwG-Qualitätsprüfung nicht besteht. Sie ersparen Was wurde bzw. wird digital transformiert? sich den Weg zum Händler und können sich bequem online im Video-Chat erneut identifizieren. Mit der Integration des Business Model: Neue Rolle für AMAG Leasing Online-Leasing-Rechners und des Online-Leasingzertifikats Traditionell wird ein Fahrzeuggeschäft, sei es Kauf oder Lea- werden Zielgruppe und Nutzen erweitert. Der komplette Lea- sing, über den stationären Handel angebahnt. Die Möglich- singantrag kann diskret und bequem online gestellt werden keit einen Leasingantrag rechtskonform vollständig online und führt bei positiver Bewilligung direkt zur verbindlichen abzuwickeln, bietet der AMAG Leasing neue Möglichkeiten Zusage. Wird die Auswahl des Fahrzeuges zukünftig integ- in der Interaktion mit dem Kunden und in der Unterstützung riert, können Kunden, die diese Form der Interaktion einem des Händlers in der Geschäftsanbahnung insbesondere mit Business Process Management 2016 Blick auf die stetig zunehmenden gesetzlichen Regulierun- Wie und wodurch wird transformiert? gen. Der stationäre Handel bleibt für das Kundenerlebnis jedoch nicht nur bei Probefahrten oder beim Service relevant Prozessdigitalisierung: Automatisierung und Integra- und es gilt daher, die optimale Rollenverteilung im veränder- tion im Back-End ten Geschäftsmodell zu finden. Kunden ein Online-Leasing anzubieten, das innert Minuten, das heisst in nahezu Echtzeit, nicht nur Informationen zum Business Operations: Digital und physisch finanzierbaren Rahmen liefert, sondern auch eine verbindli- Mit dem automatisierten Bewilligungsprozess ist bei AMAG che Zusage erteilt, bedingt ein hohes Mass an Systeminteg- Leasing bereits ein stabiles operatives Rückgrat für das ration und implementierter Geschäftslogik im Back-End. Online-Leasing vorhanden. Effizienz und Produktivität des Mehr als 200 Geschäftsregeln waren im Rahmen des auto- Leasingprozesses wurde auf dieser Grundlage deutlich ge- matisierten Bewilligungsprozesses bereits implementiert und steigert und fortlaufend verbessert. Mit der Online-Videoi- weiterentwickelt worden. Alle relevanten internen und exter- dentifikation und dem Online-Leasing wird die Reichweite nen Systeme waren bereits integriert. dieses optimierten Prozesses nun in Richtung Kunde erweitert. Dabei gilt es digitale und physische Kundenerlebnisse Prozessdigitalisierung: Orchestrierung im durchgängig zu gestalten. Beim automatisierten Bewilli- Front-End gungsprozess ist die optimale Einbindung des Handels be- Die Integration der bestehenden Tools für das Online-Lea- reits gelungen und auch die Erfahrungen mit dem Online- sing in diese Infrastruktur stellt technisch keine grosse Her- Leasingzertifikat online ausforderung für AMAG Leasing dar. Der Fokus liegt vielmehr begonnenen Prozess im stationären Handel vollenden kön- auf der optimalen Ausgestaltung des Prozesses aus der Per- nen. spektive des Kunden. Kunden haben unterschiedliche Be- zeigen, dass Kunden einen dürfnisse und Ausgangssituationen für das Online-Leasing End-to-End-Prozessarchitektur und technologienahe (z.B. Fahrzeugwunsch, fixes Budget). AMAG Leasing prüft, BPM-Strategie ob der digitalisierte Prozess verschiedene Einstiegspunkte Die End-to-End-Prozesse im Automobilvertrieb betreffen alle bieten und sich idealerweise dem Kundenverhalten anpas- AMAG Gesellschaften. Die Entwicklung der Prozessarchi- sen muss, um ein individuelles Kundenerlebnis auch in der tektur und die fachliche Prozessmodellierung findet daher Online-Welt zu bieten. Ein noch nicht vollständig ausge- auf Ebene AMAG-Gruppe statt. AMAG Leasing nutzt diese schöpftes Potenzial stellen in diesem Zusammenhang die für die Prozessoptimierung. Auf Impulse in Richtung Digitali- operativen Daten dar, die AMAG Leasing durch die Prozess- sierungspotenzial wartet AMAG Leasing jedoch nicht, son- automatisierung bereits gewonnen hat. Auf dieser Grundlage dern setzt hier auf die Erkenntnisse aus den umgesetzten wären sowohl retrospektiv als auch prädiktiv Rückschlüsse Automatisierungsprojekten. auf das Kundenverhalten möglich. 61 62 Fallstudien Abb. 49 AMAG LEASING-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS Business Process Management 2016 4.2 FALLSTUDIE KANTON ZÜRICH: «E-UMZUG – ONLINE UMZIEHEN» IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON: Lukas Steudler Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch, Staatskanzlei des Kantons Zürich «E-Government ist selbstverständlich: transparente, wirtschaftliche und medienbruchfreie elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung.» Leitbild der eGovernment Strategie Schweiz (2007, aktualisiert 2016) 4.2.1 Ausgangssituation und Rahmen Vor diesem Hintergrund wurde 2012 auf Ebene Bund ein In der Schweiz ziehen jährlich rund 700 000 Haus- priorisiertes E-Government-Vorhaben A1.12 mit dem Titel halte um (ISB, 2015), 200 000 davon im Kanton Zü- eUmzugCH definiert, mit dem Ziel «schweizweit den elek- rich. Damit verbunden ist die Verpflichtung, sich bei tronischen, papierfreien Umzug für schweizerische und der Gemeinde um- bzw. abzumelden und bei der ausländische Staatsangehörige in der Schweiz zu ermög- Zuzugsgemeinde anzumelden. eUmzugZH ermög- lichen» (VSED, 2012, S. 4). Der Bund reagierte damit zum licht Einwohnern und Einwohnerinnen im Kanton einen auf die sich verändernde Mobilität der Bevölkerung Zürich seit April 2016, diese Meldungen unabhängig und zum anderen auf die zunehmende Komplexität eines von Schalteröffnungszeiten via Internet zu erledi- stark dezentralisierten Meldewesens, das an die rund gen. Eingebettet in ein nationales Vorhaben eUm- 2 600 Städte und Gemeinden in der Schweiz delegiert ist zugCH soll dies zukünftig auch schweizweit mög- (VSED, 2012). Diese setzen für die Einwohnerkontrolle un- lich sein. Die Erfahrungen bei der Umsetzung von terschiedliche IT-Lösungen von Gemeindesoftwareanbie- eUmzugZH sowie die Herausforderungen und Lö- tern ein, die vereinzelt bereits einen Umzug als Online- sungsansätze, einen durchgängigen Meldeprozess Service ermöglichen. Der Nutzen ist jedoch auf Umzüge in einem föderalen System zu realisieren, sind Ge- innerhalb einer Gemeinde oder zwischen Gemeinden, die genstand der vorliegenden Fallstudie. das gleiche System nutzen, begrenzt. Um einen Umzug unabhängig von der eingesetzten Gemeindesoftware flä- Digitalisierung ist ein wesentliches Element einer modernen, chendeckend zwischen verschiedenen Gemeinden eines bürgernahen und effizienten Verwaltung. Einwohner und Ein- Kantons oder kantonsübergreifend anbieten zu können, wohnerinnen haben zunehmend das Bedürfnis, Behörden- strebt das Vorhaben A1.12 eine schweizweite Harmoni- gänge nicht mehr persönlich und zeitaufwendig am Schalter, sierung und Standardisierung der Meldeprozesse bei Ad- sondern jederzeit online von zuhause oder unterwegs zu er- ressänderungen sowie Weg- und Zuzug an, ohne dabei in ledigen. Aber auch für die Verwaltung bietet ein mehrstufiger die Kompetenzen von Gemeinden und Kantonen einzu- und mit Medienbrüchen behafteter Prozess wie die Adminis- greifen. tration eines Um-, Zu- oder Wegzugs die Chance, durch den Einsatz zeitgemässer Informationstechnologien Ineffizienzen zu beseitigen. 63 64 Fallstudien Das elektronische Meldewesen in der Schweiz Umzugsmeldung zwischen Gemeinden, die das gleiche Wesentliche rechtliche und technische Grundlagen für ein Einwohnerkontroll(EK)-System einsetzen, ermöglichen. Aller- elektronisches Meldewesen wurden in der Schweiz bereits dings lässt sich auf diesem Weg ein flächendeckendes An- mit dem Projekt «Registerharmonisierung» und dem Regis- gebot nur bedingt realisieren, da beispielsweise allein im terharmonisierungsgesetz geschaffen. Eine Schlüsselrolle Kanton Zürich EK-Systeme von sechs verschiedenen Anbie- spielt in diesem Kontext die Datenübermittlungsplattform tern im Einsatz sind, deren Lösungen standardkonform mitei- des Bundesamts für Statistik «sedex» (=secure data ex- nander integriert werden müssten, um Umzüge zwischen change), die seit 2008 den gesetzlich geregelten, sicheren allen Gemeinden abzudecken. Kantonale Lösungen reduzie- und standardisierten Datenaustausch zwischen den ange- ren diese Komplexität, indem sie den Meldeprozess unab- schlossenen amtlichen Registern von Bund, Kantonen und hängig von den EK-Systemen oder EK-Verbünden in den Gemeinden sicherstellt (BfS). Auch die Einwohnerregister Gemeinden allen Einwohnern des Kantons anbieten und die der Städte und Gemeinden wurden sukzessive an sedex Integration mit den verschiedenen EK-Systemen und exter- angeschlossen. Eine weitere Grundlage bilden die Stan- nen Informationsquellen (z.B. Gebäude- und Wohnregister) dards für das elektronische Meldewesen des Vereins eCH, zentral lösen. Kantonale Lösungen erscheinen somit wirksa- der im Rahmen der E-Government-Strategie Schweiz Da- me Hebel zu sein, um die Umsetzung des priorisierten E- ten- und Schnittstellenstandards entwickelt (eCH)7. So er- Government-Vorhabens A1.12 konzertiert und effizient vor- möglicht der Standard eCH-0093 bereits seit 2014 bei Zu- anzutreiben. und zwischen Vorrei-terrolle in der Schweiz für die Umsetzung einer sol- Einwohnerregistern von Gemeinden unabhängig von Her- chen kantonalen Lösung übernommen und hat eUmzugZH steller, Kanton oder Sprachgrenzen. gemeinsam mit den teilnehmenden Gemeinden seit April 6 Wegzug den Datenaustausch Der Kanton Zürich hat ab 2014 die 2016 erfolgreich eingeführt. Das Zusammenspiel zwi-schen Kanton Zürich als Vorreiter Kanton und Gemeinden wurde dabei von der Zusammenar- Standards und eine nationale Datenaustauschplattform allein beitsorganisation egovpartner.zh.ch, die bei der Staatskanz- bewirken jedoch noch nicht, dass der elektronische Umzug lei des Kantons Zürich angesiedelt ist, sichergestellt. egov- online auch für die Bevölkerung gemeindeübergreifend und partner.zh.ch wurde von Kanton und Ge-meinden auf der schweizweit Realität wird. Damit die im Hintergrund zwischen Basis einer Kooperationsvereinbarung gegründet (eGovern- den Gemeinden stattfindenden Meldeprozesse aus Sicht ei- mentZH, 2012), mit der Zielsetzung E-Government-Projekte nes umziehenden Einwohners einfach in einem Schritt, effizient durchzuführen und Synergiepotenziale auszunutzen. durchgängig und nachvollziehbar ablaufen, braucht es eine Der Fokus von egovpartner.zh.ch liegt auf dem Aufbau mo- Plattform, die eine einheitliche Benutzeroberfläche und die derner Online-Angebote mit den Gemeinden des Kantons Prozessintegration sicherstellt. Eine solche Infrastruktur in Zürich, um Bevölkerung und Unternehmen Amtsgeschäfte Einzelprojekten auf Ebene der Gemeinden zu realisieren, er- zunehmend auch in digitaler Form ermöglichen zu können. gibt wenig Sinn, würde zu enormen Redundanzen in der Ent- Die vorliegende Fallstudie beschreibt die Umsetzung und wicklung führen und wertvolle Synergieeffekte verschenken. Wirkung des Projekts eUmzugZH aus der Perspektive von Eine Alternative stellen Lösungen dar, die eine durchgängige egovpartner.zh.ch. 6 R HG, Registerharmonisierungsgesetz, vom 23.6.2006, SR 431.02. ine aktuelle Aufstellung der eCH-Standards in der Fachgruppe Meldewesen 7 E findet sich auf der eCH Website: http://www.ech.ch/vechweb/ page?p=categoryList&site=/documents/Alle/nach %20Fachgruppe. Business Process Management 2016 4.2.2 Motivation und Zielsetzung zuges zwischen zwei Gemeinden – zweistufigen Prozess Ziel von eUmzugZH ist es, der Bevölkerung in den einfacher und schneller über das Internet abwickeln zu kön- Gemeinden des Kantons Zürich Umzug, Weg- und nen. Die Aufwände auf beiden Seiten reduzieren zu können Zuzug als Online-Service flächendeckend anzubie- und das Meldewesen bei einem Umzug somit effizienter und ten. Darüber hinaus fliessen die Ergebnisse in ein kundenorientierter gestalten zu können, sind die wesentli- technologieneutrales Referenzmodell ein, das die chen Motivationen für den elektronischen Umzug. In diesem erarbeiteten Prozesse, Schnittstellen, Standards Sinne wird auch ein Beitrag zur Umsetzung der E-Govern- und Empfehlungen für eUmzugs-Projekte in ande- ment-Strategie Schweiz geleistet, die Effizienz und Dienst- ren Kantonen wiederverwendbar macht. Die Mög- leistungsorientierung als zwei von vier strategischen Zielen lichkeit eines kantonsübergreifenden eUmzugCH formuliert (siehe Infobox «E-Government-Strategie Schweiz»). gemäss Zielsetzung des priorisierten E-Government-Vorhabens A1.12 soll so schrittweise realisiert Ein wesentliches Element der E-Government-Strategie ist die werden. koordinierte Umsetzung durch Bund, Kantone und Gemeinden (ISB, 2016). Gemeinsam formulierte Ziele, Grundsätze, Nach Aussagen des Schweizerischen Verbands der Einwoh- Vorgehen und Instrumente sollen ermögli-chen, dass Syner- nerdienste ist die Möglichkeit, die Meldevorgänge im Rah- gien genutzt und die Durchgängigkeit gewährleistet wird. men eines Umzuges elektronisch durchzuführen, die am Bund und Kantone stehen dabei in der Pflicht, die «Nachhal- meisten nachgefragte E-Government-Dienstleistung (VSED, tigkeit von E-Government-Diensten» sicherzustellen, indem 2012, S. 4). Sowohl von Seiten der Bevölkerung als auch sie unter anderem die «Mehrfachnutzung von Lösungen» von Seiten der Gemeinden besteht offensichtlich ein grosses fördern und die «Voraussetzungen für deren Organisation, Interesse, diesen zeitaufwendigen und – im Falle eines Um- Finanzierung und Betrieb» schaffen. eUmzugCH mit dem da- E-GOVERNMENT-STRATEGIE SCHWEIZ 2. Nutzen und Effizienz: 2007 hat der Bundesrat die erste E-Government-Strate- E-Government schafft für Bevölkerung, Wirtschaft und Be- gie Schweiz verabschiedet, die ein gemeinsames Leitbild hörden einen Mehrwert und reduziert bei allen Beteiligten und Ziele für die gemeinsame Umsetzung durch Bund den Aufwand bei der Abwicklung von Behördengeschäften. Kantone und Gemeinden formuliert. Die Strategie wurde von der Geschäftsstelle E-Government Schweiz weiter- 3. Innovation und Standortförderung: entwickelt und Ende 2015 in aktualisierter Form vom Bun- E-Government nutzt Innovationen und fördert damit die desrat, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie den Attraktivität des Wirtschaftsstandortes und Lebensraumes Vorständen des Städte- und des Gemeindeverbandes Schweiz. unterzeichnet. Darin sind unter anderem die vier strategischen Ziele festgehalten (ISB, 2016): 4. Nachhaltigkeit: Die Mehrfachnutzung von Lösungen wird gefördert. Bund 1. Dienstleistungsorientierung: und Kantone stellen die Nachhaltigkeit von E-Govern- Die elektronischen Behördenleistungen sind einfach nutz- ment-Diensten sicher, indem sie Voraussetzungen für de- bar, transparent und sicher. ren Organisation, Finanzierung und den Betrieb schaffen. 65 66 Fallstudien rin eingebetteten eUmzugZH zeigen, wie in diesem Sinne Für die Umsetzung im Kanton Zürich gelten die folgenden ein Vorhaben auf Ebene Bund priorisiert und auf Ebene Grundsätze: Kanton gemeinsam mit den Gemeinden umgesetzt wird. Die Ziele von eUmzugZH und eUmzugCH sind daher zusammenhängend zu betrachten: –– Das Meldewesen im Kanton Zürich ist eine Hoheitsaufgabe der Gemeinden. Die Gemeinde und deren Einwohnerkontrollsysteme bleiben bestehen und fachlich füh- –– Umzug sowie Weg- und Zuzug in Gemeinden des Kantons Zürich können gemäss Zielsetzung des priorisierten Vorhabens A1.12 elektronisch abgewickelt rend. Der Kanton stellt lediglich eine Plattform für den Dateneingang (Benutzeroberfläche) und die Prozessintegration zur Verfügung. werden. Die Ausbreitung im Kanton Zürich erfolgt flä- –– Die Plattform muss eine intuitive Benutzung gewährleis- chendeckend und koordiniert (egovpartner.zh.ch). Im ten. Eine Supportorganisation für Anfragen aus der Be- Anschluss an eine Pilot- und Einführungsphase soll der völkerung wird nicht bereitgestellt. Bei Problemen ver- elektronische Umzug als Online-Service bis Ende 2016 allen Zürcher Gemeinden zur Verfügung stehen. –– Ziel ist es, aus der Perspektive der umziehenden Einwohner und Einwohnerinnen einen durchgängigen, einfach verständlichen und transparenten Meldeprozess bleibt der Weg zum Schalter. –– Die Meldung eines Umzugs, Wegzugs oder Zuzugs muss weiterhin auch am Schalter möglich sein, um alle Bevölkerungsgruppen bedienen zu können. –– Da der elektronische Umzug nicht von Beginn an flä- anzubieten, der gleichzeitig die Aufwände auf Seiten chendeckend im Kanton Zürich und noch nicht über die der Gemeinden reduziert. Kantonsgrenzen hinaus durchgängig angeboten werden –– Zielgruppen sind volljährige Personen mit Schweizer kann, sollen verschiedene Szenarien bzw. Einstiegs- Bürgerrecht sowie Personen mit ausländischer Na- punkte in den elektronischen Umzugsprozess unterstützt tionalität mit Ausnahme bestimmter Aufenthaltskategori- werden. Bietet die Zuzugs- bzw. Wegzugsgemeinde en im Asylbereich (Ausweis N und S) noch keinen elektronischen Umzug an, kann auch nur –– Ausgehend von den Erkenntnissen aus der Umsetzung ein Teil des Prozesses online erfolgen (z.B. der Wegzug), im Kanton Zürich wird ein lösungsneutrales Referenz- während der andere Teil (z.B. der Zuzug) am Schalter modell geschaffen, das für die Umsetzung in weiteren stattfindet. Kantonen wiederverwendet werden kann. «Die Gemeinden und die kantonale Verwaltung verkehren untereinander elektronisch und tauschen Daten aus. Bevölkerung und Unternehmen des Kantons Zürich können die wichtigsten Amtsgeschäfte und Anliegen online, ohne Medienbruch und jeweils über möglichst eine Anlaufstelle (Single Point of Contact) tätigen. Einer der am meisten genannten Services ist der elektronische Umzug.» Vision von eUmzugZH (egovpartner.zh.ch) Business Process Management 2016 4.2.3 Umsetzung und Wirkung 1. Über die Website der aktuellen Wohngemeinde Um Einwohnern und Einwohnerinnen im Kanton (=Wegzugsgemeinde) gelangt der Nutzer auf die Zürich bei einem Umzug einen durchgängigen Website von eUmzugZH, auf der er den Wegzug mel- Meldeprozess über die Gemeindegrenzen hinaus det. Bietet die Wegzugsgemeinde noch keinen elektroni- online anbieten zu können, mussten technische, schen Umzug an, sondern nur die Zuzugsgemeinde, kann rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der Nutzer auch direkt den Zuzug online melden und den geschaffen werden. Mit eUmzugZH ist dies gelun- Wegzug auf konventionelle Weise erledigen. Auch das um- gen. Nach nur zwei Monaten und noch vor Abschluss gekehrte Szenario ist möglich, d.h. die Meldung des Weg- der Einführungsphase nutzt die Bevölkerung den zugs online und die Meldung des Zuzugs am Schalter. Auf Dienst bereits rege und mit positiver Resonanz. Der diese Weise ist eine Online-Umzugsmeldung während der flächendeckenden Ausdehnung im Kanton Zürich Übergangsfrist bis zum flächendeckenden Angebot zumin- steht nichts mehr im Wege und mit dem ge- dest in Teilen möglich. Der elektronische Austausch der Da- schaffenen Referenzmodell wird die Umsetzung in ten zwischen den Gemeinden kann im Hintergrund dennoch weiteren Kantonen beschleunigt. elektronisch stattfinden und über die Benutzerführung kann die Vollständigkeit der Unterlagen für den Behördengang si- Seit der Einführung von eUmzugZH im April 2016 konnte die chergestellt werden. Zu Beginn des Dialogs erfasst der Nut- Reichweite bereits von initial acht Pilotgemeinden auf rund zer eine E-Mail-Adresse, an die nach erfolgreicher Prüfung 49 der 168 Zürcher Gemeinden ausgedehnt werden (Stand des Weg- und Zuzugs eine Bestätigung versandt wird. Juli 2016). In dieser Zeit wurden bereits rund 1 300 Umzüge online gemeldet. Abbildung 50 skizziert die Schritte, die die Nutzer dabei online durchlaufen. Abb. 50 eUmzugZH AUS DER PERSPEKTIVE DES NUTZERS 67 68 Fallstudien 2. Der Nutzer identifiziert sich mit Namen, Geburts- 7. Die Daten werden an die Wegzugsgemeinde über- datum, Wohnort und AHV-Nummer. Durch eine syn- mittelt, die den Vorgang prüft und zur Weiterverarbei- chrone Abfrage über sedex (eCH-0194) im Einwohnerregis- tung an die Zuzugsgemeinde übermittelt. Der Nutzer ter der Wegzugsgemeinde8 wird mit diesen Angaben die erhält abschliessend die Meldebestätigung per E-Mail und Identität geprüft. Gleichzeitig werden Personen, die im sel- damit die Quittung, dass der Weg- und Zuzug erfolgreich ben Haushalt leben, an den Benutzer zurückgemeldet, damit gemeldet wurde. Im Verlauf des Prozesses hat der Nutzer sie gegebenenfalls in die Umzugsmeldung mit eingeschlos- jederzeit die Möglichkeit, den Status der Meldung online ab- sen werden können. Auf eine Registrierung, d.h. die Erstel- zufragen. lung eines Benutzerkontos bei der Gemeinde, wird bei eUmzugZH bewusst verzichtet, um die Einstiegshürden möglichst Kantonale Federführung in der Umsetzung gering zu halten und einem Einwohner nicht die Einrichtung Einen solch durchgängigen E-Government-Prozess im föde- eines Benutzerkontos in einer Gemeinde zuzumuten, die er ralen System der Schweiz zu realisieren ist kein einfaches ohnehin verlässt. Zudem wird das Schadenspotenzial bei ei- Unterfangen. Im Fall von eUmzugZH galt es, vor dem Hinter- ner Umzugsmeldung als gering eingestuft, so dass auf auf- grund eines nationalen E-Government-Vorhabens, die Kom- wendigere Formen der Authentifizierung verzichtet wird. petenzen von Kanton und Gemeinden anzuerkennen und in das Lösungs- und Betriebskonzept einzubeziehen. Auch 3. Im nächsten Schritt erfasst der Nutzer die neue wenn die Führung der Einwohnerregister eine hoheitliche Adresse in der Zuzugsgemeinde. Diese Daten werden Aufgabe der Gemeinden ist, übernahm der Kanton im Rah- mit dem eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister men von eUmzugZH die Federführung und schaffte in Zu- abgeglichen. sammenarbeit mit den Gemeinden und den Anbietern der Einwohnerkontrollsysteme die technischen, rechtlichen und 4. Da die Zuzugsgemeinde für die Prüfung der Kran- organisatorischen Voraussetzungen für einen durchgängig kenversicherungspflicht (KVG-Obligatorium) zustän- digitalisierten Umzugsmeldeprozess. dig ist, muss der Nutzer die Krankenversicherungsnummern von allen Familienangehörigen erfassen. Technische Voraussetzungen Diese werden über eine Online-Abfrage beim VeKa-Center Implementiert wurde die Lösung mit externen Realisierungs- (Versicherungskarten-Center) überprüft. partnern auf der kantonalen Transaktionsplattform ZHservices. ZHservices dient dem sicheren elektronischen Amts- 5. Anschliessend können noch Zusatzdienste wie verkehr und stellt bereits andere E-Government-Dienste für beispielsweise die Meldung eines Hundes genutzt die Bevölkerung und Unternehmen des Kantons Zürich zur werden. Auch Dokumente wie z. B. ein Mietnachweis, die Verfügung, wie beispielsweise die Online-Steuererklärung von den Gemeinden unter Umständen verlangt werden, kön- oder die Online-Abwicklung der Quellensteuer. Für eUm- nen hochgeladen werden. zugZH stellt ZHservices zum einen die Benutzeroberfläche für die Interaktion mit den meldepflichtigen Einwohnern und 6. Abschliessend erfolgt die Zahlung der Gebühren Einwohnerinnen zur Verfügung. Zum anderen wird die Pro- über Kreditkarte oder Postcard online. zessintegration sichergestellt, d.h. die kontrollierte Ausfüh- 8 In Kantonen mit einer zentralen Einwohnerdatenplattform kann die Identifikation zentral erfolgen. So muss nicht jede Gemeinde an die synchrone Abfrage angebunden werden. Im Kanton Zürich läuft das Projekt «KEP» mit dem Ziel eine kantonale Einwohnerdatenplattform bis Ende 2018 einzuführen. Business Process Management 2016 Abb. 51 eUmzugZH – PROZESS UND LÖSUNGSELEMENTE rung des Meldeprozesses von der Identifikation bis zum Ab- flüsse schluss die EK-Systemen. Ist ein EK-System nicht an sedex angeschlos- Verarbeitung der Meldedaten, d.h. alles Fachliche verbleibt sen, kann der Nutzer die Daten manuell erfassen. Für den dabei vollumfänglich in den Einwohnerkontrollsystemen der Datenaustausch zwischen den EK-Systemen kommt der Gemeinden. Die Gemeinden haben ausserdem die Möglich- bereits bestehende Standard eCH-0093 zum Einsatz (eCH, keit, bestimmte Funktionalitäten des über die Plattform ge- 2015). Über Webservices angebunden sind ausserdem das steuerten Meldeprozesses zu konfigurieren, wie etwa die eidgenössische GWR (Gebäude- und Wohnregister), mit Downloadmöglichkeit von Dokumenten, um über die Zu- dem die neue Wohnadresse geprüft wird und das VeKa- zugsgemeinde zu informie-ren. Center, das die Online-Prüfung der Krankenversicherungs- (Abbildung 51). Die Geschäftslogik für zwischen der kantonalen Plattform und den nummer prüft. Eine wesentliche Voraussetzung für die Orchestrierung des Meldeprozesses bildet die eingangs beschriebene, bereits Organisatorische Voraussetzungen bestehende Datenaustauschplattform sedex. Im Zusam- Sowohl bei der Konzeption und Umsetzung der beschriebe- menspiel von kantonaler Plattform, Einwohnerkontrollsyste- nen Lösung als auch für den Betrieb von eUmzugZH spielt men und weiteren relevanten Datenquellen stellt sedex die die enge Kooperation von Kanton und Gemeinden eine asynchrone und synchrone Kommunikation sicher. Der Da- Schlüsselrolle. Zu Beginn des Projekts 2014 wurde daher tenausaustausch wird dabei durch verschiedene CH -Stan- eine Projektorganisation mit Vertretern von Kanton und Ge- dards für das elektronische Meldewesen geregelt. eCH meinden gebildet, in die auch die Anbieter der Einwohner- 0194 ist ein eigens für den elektronischen Umzug geschaf- kontrollsysteme einbezogen wurden, um die nahtlose Um- fener Standard, der die Meldungen zwischen Umzugsplatt- setzung sicherzustellen (Abbildung 52). form und EK-Systemen der Gemeinden definiert (eCH, 2015). Er ermöglicht die synchrone Identifikation einer umzie- Die für die Kooperation von Kanton und Gemeinden in E- henden Person zu Beginn des Prozesses mittels Webser- Government-Projekten zuständige Organisation egovpartner. vices und regelt in der Folge auch alle asynchronen Daten- zh.ch nahm ihre Rolle während der Realisierung im Projekt- 69 70 Fallstudien ausschuss wahr. Sie vertritt den Kanton Zürich ausserdem im nationalen Projekt A1.12 eUmzugCH. Die Projektorganisation stellte die Realisierung, Pilotierung und Einführung von eUmzug in folgenden Phasen sicher: –– Phase 2: Einführung bei weiteren Gemeinden (rund 30, Stand Juni 2016) –– Phase 3: Flächendeckende Ausdehnung im Kanton Zürich (Juli bis Dezember 2016) 1. Projektidee und Machbarkeitsstudie (2014, abgeschlossen) Bei der Umsetzung wurde ein besonderer Schwerpunkt auf 2. Konzeptphase (2015, abgeschlossen) das Testen der Lösung in Zusammenarbeit mit den Pilotge- 3. Implementierungsphase (2015, abgeschlossen) meinden gelegt. Ein nicht funktionaler Prototyp erlaubt frühze- 4. Abnahmetests (November bis März 2015, abgeschlos- itig, Inputs zur Optimierung der Benutzerführung einzuholen. sen) In umfangreichen Abnahmetests, in denen Gemeindever- 5. Freigabe durch den Projektausschuss (März 2016) treter und Realisierungspartner in unterschiedliche Rolle 6. Einführung bei den Gemeinden: schlüpften, wurde die Benutzerfreundlichkeit des Systems –– Phase 1: Pilotierung mit acht Gemeinden (April 2016, abgeschlossen) geprüft und verbessert. Im Fokus stand die intuitive Nutzung des Systems durch die Einwohner und Einwohnerinnen, um Abb. 52 PROJEKTORGANISATION FÜR DIE UMSETZUNG VON EUMZUGZH IM KONTEXT EUMZUGCH Business Process Management 2016 einen Betrieb ohne Supportorganisation möglich zu ma- von der Bevölkerung genutzt. Rund 900 Umzüge wurden in chen. dieser Zeit über die Plattform gemeldet. Nutzer benötigen im Schnitt 15 Minuten, um den Prozess vollständig zu Den Betrieb, d.h. die fachliche Trägerschaft für eUmzugZH, durchlaufen. Die Reaktionen, die über ein Feedbackformular übernimmt nach der Einführung das Gemeindeamt des Kan- am Ende des Prozesses eigefangen werden, sind sehr pos- tons Zürich, das bereits als organisatorische und finanzielle itiv. Das umfangreiche Testen der Lösung zahlt sich durch Verbindungsstelle zwischen Kanton und Gemeinden agiert. eine problemfreie Nutzung und eine hohe Kundenzufriedenheit aus. Rechtliche Voraussetzungen Um der zunehmenden Relevanz des Meldewesens Rech- Die flächendeckende Ausdehnung schreitet weiter fort. nung zu tragen, wurden die Bestimmungen des Melde- und Stand Juli 2016 bieten 49 Gemeinden eUmzugZH an. 153 Einwohnerregisterwesens im Kanton Zürich grundlegend der 168 Zürcher Gemeinden haben ihre Teilnahme an eUm- überarbeitet, von der Revision des Gemeindegesetztes ent- zugZH zugesagt. Damit stünde der elektronische Umzug koppelt und in einem eigenen Gesetz geregelt. Seit rund 1,3 der 1,4 Millionen Einwohner des Kantons Zürich zur 1. Januar 2016 ist das MERG (Gesetz über das Meldewe- Verfügung. Dies entspricht 1/8 der Schweizer Bevölkerung. 9 sen und die Einwohnerregister) in Kraft und regelt für Kanton und Gemeinden verschiedene Aspekte der Datenerhebung Auch der Transfer der Ergebnisse von eUmzug ZH in das und Datenhaltung sowie des Datenaustauschs. MERG nationale Projekt eUmzugCH hat bereits stattgefunden. Ein (Art.15) verpflichtet die Gemeinden im Kanton Zürich explizit, Referenzmodell eUmzugCH wurde erarbeitet, das die Proz- den Meldepflichtigen eine elektronische Umzugsmeldung essmodelle, Datenobjekte, Schnittstellen und verwendete anzubieten. Diese neue Rechtsgrundlage erhöht den Druck Standards dokumentiert (ISB, 2015). Es kann für Umset- auf die Gemeinden, nach Ablauf der Übergangsfrist an der zungsprojekte in anderen Kantonen angewandt werden. flächendeckenden Umsetzung von eUmzugZH mitzuwirken. Auch in Leitfaden für die Einführung in Gemeinden wird erarbeitet. Ein Verbund eUmzug mit anderen Kantonen für den Status und Wirkung Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Weiterentwick- Zwei Monate nach Einführung wird eUmzugZH bereits rege lung des Referenzmodells ist geplant. 9 G esetz über das Meldewesen und die Einwohnerregister (MERG), In Kraft seit 1.1.2016, ZH-Lex 142.1. «Testen, testen, testen. Wir haben in einem nie dagewesenen Ausmass getestet, um sicherzustellen, dass das System intuitiv und ohne Supportorganisation eingesetzt werden kann. Die positiven Feedbacks von Nutzern aus der Bevölkerung bestäti-gen die Wirksamkeit dieser Massnahmen.» Lukas Steudler, Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch 71 72 Fallstudien 4.2.4 Fazit Produkt- und Service-Innovation: Kanton Zürich als Mit eUmzugZH hat der Kanton Zürich in der Sch- Vorreiter für eUmzugCH weiz eine Vorreiterrolle übernommen. Der Ansatz, Mit eUmzugZH ist der Kanton Zürich der erste Kanton in der die Umsetzung und rasche flächendeckende Aus- Schweiz, der elektronische Umzugsmeldungen flächende- dehnung über eine kantonale Plattform sicher- ckend anbietet. Er hat damit die Vorreiterrolle in der Schweiz zustellen, war erfolgreich. Damit verbunden war die eingenommen und positive Signale für die Umsetzung weite- anspruchsvolle Koordination der Interessen von rer E-Government-Dienste gesetzt. Bund, Kantonen, Gemeinden und Anbietern der Einwohnerkontrollsysteme. Ergebnis ist eine von Operational & Service Excellence: medienbruchfreie der Bevölkerung bereits nach kurzer Zeit akzepti- Umzugsmeldungen erte E-Government-Dienstleistung mit spürbarem eUmzugZH bringt nicht nur Vorteile für die Bevölkerung, son- Nutzen. dern reduziert auch Aufwände auf Seiten der Gemeinden. Umzugsmeldungen gehen ohne Medienbrüche, einheitlich Die Fallstudie macht deutlich, dass sich auch die öffentliche und mit hoher Datenqualität bei den Gemeinden ein und Hand den Herausforderungen und Chancen des digitalen können an einem Ort abgearbeitet werden. Die Anzahl der Wandels stellt. Dabei sind innovative und flexible Ansätze ge- Meldungen am Schalter werden sukzessive zurückgehen, so fragt, um die Struktur- und Systemgrenzen im föderativen dass mehr Zeit für komplexere Beratungen der Einwohner System der Schweiz zu überwinden. Gelingt dies, wie im Fall und Einwohnerinnen bleibt. von eUmzugZH, können nachhaltige Veränderungen in der Kooperation von Bund, Kanton und Gemeinden, in den Was wurde bzw. wird digital transformiert? Prozessen und insbesondere für die Bevölkerung stattfinden. Abbildung 53 fasst diese Auswirkungen im Kontext des Stu- Business Model: kantonale Plattform als Umset- dienframeworks zusammen. zungshebel Plattformen, die Partner vernetzen, um Produkte und Dien- Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung stleistungen zu erbringen, sind ein wesentliches Element der wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen digitalen Transformation. Mit eUmzugZH hat der Kanton ge- wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert? meinsam mit den Gemeinden eine solche Plattform geschaffen. Realisiert, finanziert und betrieben vom Kanton, Kundennutzen: einfache elektronische Umzugsmel- versetzt die Plattform Gemeinden in die Lage, ihren Ein- dung in einem Schritt wohnern elektronische Umzugsmeldungen rasch und über Die Zielsetzung, aus der Perspektive der umziehenden Ein- die Gemeindegrenzen hinaus anzubieten. Die Hoheit der wohner und Einwohnerinnen einen durchgängigen, einfach Gemeinden über das Meldewesen und die Einwohnerregis- verständlichen und transparenten Meldeprozess anzubieten ter in der föderalen Schweiz bleibt dabei unangetastet. Die- wurde mit eUmzugZH realisiert. Dies zeigt das positive Feed- ses Grundprinzip ist auch im Referenzmodell eUmzugCH back der Bevölkerung nach den ersten rund 900 elektro- abgebildet nisch abgewickelten Umzugsmeldungen. Das geschaffene privatwirtschaftlichen Anbieter der Einwohnerkontrollsys- Referenzmodell und der Erfahrungsaustausch zwischen den teme, die ihren Beitrag zur Innovation des Meldewesens Kantonen schaffen die Grundlagen, damit dieser E-Govern- leisten, bleiben gewahrt. Potenzial besteht in der Einbindung ment-Dienst in absehbarer Zukunft auch kantonsübergrei- von weiteren Datenbezügern, wie z.B. der Schweizerischen fend der Schweizer Bevölkerung angeboten werden kann. Post oder Telekommunikationsanbietern, die ein Interesse an (ISB, 2015). Auch die Interessen der Business Process Management 2016 digitalisierten Umzugsmeldungen haben. Die Plattform bietet hierfür alle Voraussetzungen. Im Sinne einer raschen Umsetzung wurde darauf jedoch in einem ersten Schritt verzichtet. End-to-end Prozessarchitekturen: wiederverwendbare Referenzprozesse Im Rahmen der Konzeption auf nationaler und kantonaler Ebene entstanden detaillierte Prozessmodelle, die als Grundlage für die Umsetzung dienten und Eingang in eCH-Standards und das Referenzmodell eUmzugCH fanden. Damit wurde die fachliche Grundlage für die Durchgängigkeit des Prozesses unabhängig von den eingesetzten Technologien geschaffen. Wie bzw. womit wurde transformiert? Prozessdigitalisierung: ZHservices als Transaktionsplattform Die kantonale Transaktionsplattform ZHservices in Kombination mit den eCH-Standards und sedex, der nationalen Infrastruktur für den Datenaustausch, stellen die durchgängige Digitalisierung der Meldeprozesse und die einheitliche Benutzeroberfläche für die Bevölkerung sicher. Interaktion mit der Bevölkerung: digital und physisch Auch wenn die Einfachheit der Online-Lösung überzeugt, bleibt die persönliche Interaktion am Schalter weiterhin möglich. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen erfüllt werden können. 73 74 Fallstudien Abb. 53 eUmzugZH – FALLSTUDIE IM STUDIENFRAMEWORK Business Process Management 2016 4.3 FALLSTUDIE SWISS RE: «CASE MANAGE- Mitarbeiter und bietet neben dem klassischen MENT IN P&C REINSURANCE – WISSENSARBEIT Rückversicherungsgeschäft auch Versicherungslö- IM FOKUS» sungen für Grossfirmen und Grossanlässe an und unterstützt Kunden bei der Produkteentwicklung. IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON Die Produkte von Swiss Re werden global nachge- Marco Peyer Nord- und Südamerika, 22 % aus der Region Asien Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance und Pazifik und 34 % aus Europa, Afrika und dem fragt. So stammen 44 % des Prämienvolumens aus Mittleren Osten. 4.3.1 Kontext und Ausgangssituation Die vorliegende Fallstudie ist angesiedelt im Business Pro- Die Swiss Re Group ist ein weltweit führender An- cess Management des Bereichs Property & Casualty IT. bieter von Rückversicherungen und massgeschnei- Dieses dient dem Nichtleben-Rückversicherungsgeschäft derten Versicherungslösungen. Im Jahr 2015 betrug als Kompetenzzentrum rund um BPM-Lösungen und ist der Umsatz 35,7 Mrd. und der Gewinn 4 597 Mio. bei unter anderem verantwortlich für die Softwarelösungen, einem Prämienvolumen von insgesamt 30,2 Mrd. die den in Abbildung 54 gezeigten Offertstellungsprozess Der grösste Teil des Prämienvolumens wird mit begleiten. Das Team umfasst zurzeit 29 Mitarbeitende (4 dem Sachversicherungsgeschäft (50 %) und dem intern, 25 extern) verteilt auf Standorte in Zürich, Chiasso, Lebensversicherungsgeschäft (36 %) erzielt. Die Bari (Italien), Bukarest (Rumänien), Chicago (USA) und Swiss Re Group beschäftigt weltweit über 12 700 Singapur. Abb. 54 ÜBERSICHT DES OFFERTSTELLUNGSPROZESSES IM BEREICH PROPERTY & CASUALTY REINSURANCE 75 76 Fallstudien Der Offertstellungsprozess aus Abbildung 54 umfasst meh- mehr als 200 000 neue Dokumente archiviert. Die Lösung ist rere Phasen und beginnt mit der sogenannten Origination, in seit 2014 im Einsatz, wird seitdem kontinuierlich erweitert der primär die Kundenbeziehung gepflegt oder aufgebaut und wird im Verlauf des Herbsts 2016 für 1 250 Benutzer auf wird und an deren Ende die Anfrage für eine Rückversiche- der ganzen Welt ausgerollt. rungsquotierung (Submission) steht. Diese erste Phase des Prozesses ist überwiegend unstrukturiert und findet primär 4.3.2 Motivation und Zielsetzung zwischen dem Kunden und dem Client Manager oder je Die Arbeit an einem System zur Unterstützung der nach Markt und Team gegebenenfalls mit dem Underwriter Offert- und Vertragsanpassungsphase wurde durch statt. In der darauf folgenden Offertphase kümmert sich ein mehrere Elemente getrieben. Zunächst stand die interdisziplinäres Team um die Ausarbeitung der Rückversi- strategische Stossrichtung der Swiss Re, den Kun- cherungsprodukte, die Risikozeichnung, Kosten- und Preis- denfokus («Customer-Centricity») weiter voranzu- kalkulation sowie die Ausarbeitung des Rückversicherungs- treiben, im Vordergrund. In diesem Zusammenhang vertrages. Je nach Produkt werden dabei die jeweiligen wurden sogenannte cross-funktionale Teams (XFT) Experten miteinbezogen und es findet eine intensive Kollabo- aufgebaut, die organisationsübergreifend die Wis- ration von Wissensmitarbeitern statt. Dieser Prozess ist sensmitarbeiter verbinden, um die bestmöglichen schwach strukturiert und wird je nach Marktsegment, Pro- Lösungen für die Kunden und den jeweiligen Markt dukt und Region den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Die zu erarbeiten. Dabei wird zu einem Kundenbedürf- Phase endet bei positivem Geschäftsausgang mit der Unter- nis jeweils ein Kompetenzteam zusammengestellt, zeichnung der Verträge (Bound). In der darauffolgenden in dem alle benötigten Experten vertreten sind, Post-Bound-Phase können nachgelagerte Vertragsanpas- welche dann gemeinsam mit dem Kunden ein Pro- sungen erfolgen, beispielsweise aufgrund neuer Informatio- dukt erarbeiten oder im Rahmen einer Geschäfts- nen, notwendiger Korrekturen oder weil der Kunde noch transaktion die Kundenanforderungen und ent- Änderungen am Produkt wünscht. Je nach Umfang der Än- sprechende Leistungen formulieren. Um diese derungen müssen dabei Teile des Offertprozesses nochmals organisationsübergreifende Zusammenarbeit zu durchlaufen werden. Mit dem Inkrafttreten Versicherungsde- ermöglichen, war die Orchestrierung der Prozes- ckung (Inception Date) beginnt die Claims und Accounting- se ein zentrales Anliegen. Phase, in der es primär um die Schadensabwicklung und das Einfordern der Prämien geht. Allerdings können auch in Hinzu trat etwas später ein weiteres wichtiges strategisches dieser Phase Prozesse aus der vorangegangenen Post- Element. Mit der Vision 2020 strebt der Nichtleben-Rückver- Bound Phase gestartet werden, falls Vertragsanpassungen sicherungsbereich an, den Anteil der Wachstumsmärkte nötig werden. (HGM, High Growth Markets) am Prämienvolumen von aktuell 15 % bis ins Jahr 2020 auf 30 % zu erhöhen (Swiss Re, Die Offert- und Vertragsanpassungsphase sind geprägt 2016). Der Head P&C IT erhielt das Mandat, im Rahmen die- durch den intensiven Austausch mit dem Kunden und der ser Vision die zum Erreichen des Ziels notwendige IT-Strate- Kommunikation zwischen den beteiligten Fachpersonen in- gie zu entwickeln. Die Swiss Re, wie wohl auch die meisten nerhalb der Swiss Re. Zudem wird eine Vielzahl neuer und anderen Firmen, die in Wachstumsmärkten Personal be- bestehender Dokumente benötigt und ausgetauscht. In die- schäftigen, ist konfrontiert mit einer relativ hohen Fluktuati- ser Fallstudie wird die Softwarelösung vorgestellt, welche onsrate und vermehrt jungen Mitarbeitenden mit entspre- diese beiden schwach strukturierten Phasen unterstützt und chenden Ansprüchen an eine moderne IT-Infrastruktur. Um es wird aufgezeigt, wie sich der Nutzen für die internen und dieser Situation gerecht zu werden, wird ein IT-System benö- externen Kunden ausgestaltet. Jährlich werden mit dem vor- tigt, bei dem für neu eingestellte Mitarbeitende ein möglichst gestellten System über 50 000 Submissionen bearbeitet und geringer Schulungsaufwand nötig ist, so dass diese nach Business Process Management 2016 kurzer Zeit einen produktiven Beitrag leisten können. Zudem Abb. 55 muss das neue System bezüglich Handhabung und Schnel- MARKTSEGMENTE UND WACHSTUMSPOTENTIAL ligkeit den heutigen Anforderungen gerecht werden und ein positives Nutzererlebnis bieten. Neben diesen Anforderungen der Mitarbeitenden müssen zum Erreichen der Prämienziele in den Wachstumsmärkten aber auch neue Kundensegmente erschlossen werden. Abbildung 55 zeigt, dass es sich bei den meisten Kunden in Wachstumsmärkten (HGM) um regionale und nationale Anbieter handelt (R&N). Um in diesen Markt vorzustossen, ist die Swiss Re auf die Zusammenarbeit mit globalen Partnern, Regierungen und multilateralen Institutionen angewiesen (Swiss Re, 2016). Dies hat zur Folge, dass die Swiss Re nur für einen Teil des Prozesses verantwortlich sein wird und das IT-System in der Lage sein muss, flexibel mit den daraus resultierenden Integrationsanforderungen umzugehen. Es muss gelingen, die internen Organisationsstrukturen und Abläufe stets den Markt- und Kundenanforderungen, aber auch den regulatorischen Anforderungen anzupassen. –– Die Arbeitszeit, die Wissensmitarbeiter für Routineaufgaben aufwendeten. –– Die Schwierigkeit, einen Know-how Transfer zu neuen Mitarbeitenden durchzuführen. Die Ausgangslage Vor dem Einführen der BPM-Plattform 2014 waren in der Of- –– Die mangelnde Skalierbarkeit des Vorgehens auf kleinere Deals und grössere Volumina. fert- und Vertragsanpassungsphase primär das E-Mail Sys- –– Die beschränkten Möglichkeiten, Daten zum Vorgehen tem Lotus Notes und Shared Drives (Fileservers) die zentra- zu sammeln und auszuwerten, um mögliche Verbesse- len Tools für die Zusammenarbeit im Team und die Kundenkommunikation. Zwar stiess die Kommunikation per Mail mit bisweilen über 800 Nachrichten und unzähligen Dokumenten zu einer einzelnen Anfrage an Grenzen und machte es schwierig, den Überblick zu behalten, aber die Mitarbeitenden hatten über die Zeit gelernt, das System für ihre Zwecke zu optimieren. Aus Sicht der Führung gab es hingegen mehrere Gründe, über eine Anpassung der Systemlandschaft nachzudenken: –– Das Verbesserungspotential bei den Antwortzeiten für Kunden. –– Die veränderten Anforderungen durch die Einführung cross-funktionaler Teams. –– Die zu lange Einarbeitungszeit für neue Mitarbeitende, insbesondere auch lokationsübergreifend. –– Die Ansprüche der Mitarbeitenden an ein schnelles, intuitives, einfaches IT-System. rungen daraus abzuleiten. –– Die Zeit, die in die korrekte Archivierung von Dokumenten investiert werden musste. 77 78 Fallstudien «Bis dato waren E-Mail, Mobiltelefon und CRM die typischen IT-Tools eines Client Managers. Der Bedarf für ein Prozessorchestrationstool war nicht sofort ersichtlich. Nun wird aber die Transparenz darüber, wo die Deals und dazugehörigen Aktivitäten stehen und woran die Kollegen arbeiten, geschätzt.» Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re In Zentrum der Anpassungswünsche stand das Erreichen Teams, wie man sie aus anderen Bereichen wie beispielswei- von Operational Excellence. Die Swiss Re hatte sich zum Ziel se der agilen Softwareentwicklung kennt. Sie vereinen eben- gesetzt, zum «Best Managed Reinsurer» zu werden. Um dies falls Mitarbeitende mit verschiedenen Fähigkeiten, z.B. aus zu erreichen, sollte die Landschaft von IT-Systemen dabei den Bereichen Requirements-Engineering, Design, Entwick- helfen, das vorhandene Know-how möglichst effizient einzu- lung und Testing. Allerdings arbeiten diese Teams in der Re- setzen und die vorhandenen Daten und vor allem auch Do- gel über längere Zeit in derselben Zusammensetzung zusam- kumente optimal zu nutzen. men. Auch in den Teams der Swiss Re gibt es eine typische Rollenverteilung: Der Client-Manager ist während des ganzen Ziel 1: Prozesses prinzipiell die Ansprechperson für den Kunden. Zusammenführen des Know-hows zur richtigen Zeit Der Underwriter kennt die fachlichen Grundlagen für die Ein- Die Swiss Re gilt als «das Unternehmen der tausend Berufe». schätzung und Zeichnung von Risiken. Diese Einschätzun- In der Tat decken Swiss Re Mitarbeitende ein breites Spekt- gen dienen den Aktuaren, sprich den Mathematikern, als rum an Professionen und Ausbildungen ab, die notwendig Grundlage für die Erstellung der Risikomodelle, welche die sind, um die vielfältigen Risiken fachmännisch einzuschät- Mitarbeitenden aus dem Underwriting als Entscheidungs- zen, aber auch, um in den Zielmärkten regionale Besonder- grundlage verwenden. Diese müssen letztendlich das Risiko heiten berücksichtigen zu können. Allgemein gilt das Rück- zeichnen, um ein Versicherungsprodukt dem Kunden anbie- versicherungsgeschäft als wissens- und dokumentenintensiv, ten zu können. Zudem sind am Verkaufsprozess auch noch und es setzt eine sehr enge Kundenbindung und ein Vertrau- Mitarbeitende aus dem Bereich Business Services beteiligt, ensverhältnis zwischen Kunden und Swiss Re voraus. Wäh- die primär die Koordinations- und Administrationsaufgaben rend der Offert- und Vertragsanpassungsphase findet eine aus dem Underwriting übernehmen. Durch die Variabilität der intensive Zusammenarbeit derjenigen Mitarbeitenden statt, Produkte ist es jedoch nötig, dass diese Rollen je nach Markt- die für den jeweiligen Fall über die nötige Expertise und Er- und Kundenbedürfnis von unterschiedlichen Mitarbeitenden fahrung verfügen. Weil die angebotenen Versicherungspro- wahrgenommen werden. Diese Dynamik wirkt sich auf die dukte möglichst genau auf die Bedürfnisse des Kunden ab- Anforderungen an das IT-System aus. Dieses muss es er- gestimmt werden, wird auch die Zusammensetzung des möglichen, dass ein geographisch, organisatorisch und funk- Teams dem Markt- und Kundensegment angepasst. Darin tional verteiltes sowie ad hoc zusammengestelltes Team effi- liegt ein wesentlicher Unterschied zu cross-funktionalen zient zusammenarbeiten kann. Business Process Management 2016 Ziel 2: wahrscheinlich, dass Erstversicherer die gesammelten Daten Verknüpfen der relevanten Daten und Dokumente den Rückversicherern zur Verfügung stellen werden, um ihrer- am richtigen Ort seits bessere Vertragsbedingungen aushandeln zu können. Neben den Mitarbeitenden kommt den Dokumenten eine zen- Damit kämen die Rückversicherer den Endkunden ein gutes trale Rolle zu. Die Swiss Re wurde 1863 gegründet und ver- Stück näher und würden sich ihrerseits die Möglichkeit schaf- fügt damit über einen riesigen Dokumentenbestand. Diese fen, mit neuen Produkten neue Märkte zu erschliessen. Wissensbasis gilt es zu nutzen und die relevanten Dokumente und Daten am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Im Ge- Gegenstand der Transformation gensatz zu anderen Branchen liegt der Fokus der Digitalisie- Die Antwortzeiten und die Komplexität der Zusammenarbeit rung daher nicht in erster Linie auf dem Ersetzen von Papier stellen für Swiss Re, wie eingangs erwähnt, eine grosse Her- durch elektronische Dokumente und Daten, sondern auf einer ausforderung bei der Interaktion mit Kunden dar. Die Antwort verbesserten Verknüpfung der Daten. Die zentrale Aufgabe darauf wird jedoch nicht in der Digitalisierung der Kunden- des Systems in Bezug auf Dokumente ist es, den Teammit- schnittstelle gesehen, denn die Komplexität der angebotenen gliedern Zugriff auf alle relevanten Unterlagen zu ermöglichen. Produkte und Dienstleistungen übersteigt nach heutigen An- Hierfür müssen nicht nur die offiziellen Dokumente wie bei- sichten die Möglichkeiten von simplen Web-Formularen und spielsweise Verträge ins System einfliessen, sondern auch die automatisch erzeugten Tracking- und Fortschrittsanzeigen. Dokumentation des Entscheidungsprozess, der in E-Mails, Auch die Kunden verlangten keinen konkreten Ausbau von Chat und anderen Kanälen stattfindet. Im Zentrum stehen je- Online-Diensten, sondern schätzen den Brand, die Expertise, doch nicht Daten und Dokumente, sondern die Kollaboration Kapitalkraft und die Interaktion mit Swiss Re. Der persönliche innerhalb des Teams und die Kommunikation mit dem Kun- Kontakt und die über viele Jahre gleichbleibenden Ansprech- den. Letzere muss so stattfinden, dass sie möglichst fortlau- partner wurden sogar als wichtiges Argument für die Ge- fend archiviert wird und nicht am Schluss transferiert werden schäftsbeziehung mit Swiss Re genannt. Der Hebel musste muss. also intern angesetzt werden und es war bald klar, dass die Probleme nicht durch Anpassungen an einem einzelnen IT- Dass die Verknüpfung von Informationen in Zukunft für die Ver- System behoben werden konnten, sondern dass eine verbes- sicherungswirtschaft weiter an Relevanz gewinnen wird, legen serte Verknüpfung der bestehenden Systeme erforderlich war. auch jüngere Studien nahe. Gemäss der PWC-Studie «Insu- Es wurde daher beschlossen, ein neues System einzuführen, rance 2020 & beyond» wären bereits heute 67 % der Kunden das die bestehenden Systeme verknüpft, deren Zusammen- bereit, Sensoren am Auto oder am Haus anzubringen, wenn arbeit orchestriert und eine einheitliche Oberfläche zu den ver- sie dafür von günstigeren Prämien profitieren könnten (PWC, wendeten Systemen bietet. Damit sollte maximale Transpa- 2015). Die Studie zeigt ausserdem, dass die Auswertung von renz für die Wissensmitarbeiter geschaffen werden und diese Daten in Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird: 93 % der befähigen, ihr Fachwissen noch besser einzubringen, ohne CEOs von Versicherungsunternehmen schätzen Data-Mining durch Routineaufgaben unnötig belastet zu sein. Gleichzeitig und Datenanalyse mit Abstand als die zukünftig wichtigsten bot sich mit diesem Lösungsansatz die Möglichkeit, den Auf- digitalen Technologien für die Versicherungsbranche ein. Ob- wand zum Einarbeiten neuer Mitarbeiter zu reduzieren und den wohl sich diese Veränderungen rund um Themen wie «Internet Wunsch nach einem zeitgemässen User-Interface (UI) zu erfül- of Things» (IoT) und die zunehmende Vernetzung zunächst auf len. Das UI sollte zudem mit Chat und anderen Funktionen zur das Erstversicherungsgeschäft auswirken wird, ändert es Unterstützung der Kollaboration erweitert werden. Durch das auch die Ausgangslage für die Rückversicherungen. Die zu- Verknüpfen der Systeme sollte ausserdem die Möglichkeit ge- sätzlichen Daten werden es den Rückversicherern ermögli- schaffen werden, die Archivierung zu vereinfachen, den Fort- chen, die Risiken wesentlich präziser abzuschätzen und Än- schritt einzelner Cases zu überwachen sowie Daten über das derungen der Risikolage frühzeitig zu antizipieren. Es ist daher Vorgehen zu sammeln. 79 80 Fallstudien 4.3.3 Umsetzung und Wirkung Der erste Anlauf Die systemseitige Umsetzung der Anforderungen Der im April 2014 eingeführte erste Lösungsansatz sah wie stellte Swiss Re vor grosse Herausforderungen. folgt aus (Abbildung 56): Den bisher hauptsächlich verwen- Schrittweise und mit einem klaren Richtungswech- deten Werkzeugen für Kommunikation und Dokumentenma- sel näherte man sich den Bedürfnissen der Mitar- nagement (Outlook, Documentum und Lotus Notes) wurde beitenden an. Die Erfahrungen zeigen, wie an- die BPM-Plattform Appway zur Seite gestellt. spruchsvoll es sein kann, trotz detaillierter Kenntnis der Sachlage ein System für äusserst vielschichtige Die BPM-Plattform umfasste folgende Kompo- Anforderungen zu realisieren und dabei die wahren nenten: Bedürfnisse und Gewohnheiten der Anwender im –– Workbench: enthält die Übersicht aller laufenden Cases Fokus zu behalten. und die Tasks, gefiltert nach Mitarbeitenden oder Teams. Zudem zeigt die Workbench die neu eingegangenen Die Anforderungen wurden in sogenannten Process Disco- Offertanfragen und bietet die Möglichkeit, zu diesen very Workshops mit Experten aus den jeweiligen Geschäfts- Anfragen den Offertprozess zu starten. abteilungen, Business-Analysten, Product-Ownern sowie –– Client-Offering: führt den Benutzer entlang von einzelnen einzelnen Entwicklern und Anwendern des Systems erho- Screens durch den Offerterstellungsprozess. Dieser ben. Diese wurden ergänzt durch Besuche vor Ort, bei de- besteht aus einem Hauptprozess sowie mehreren Sub- nen den Systembenutzern über die Schulter geschaut wur- prozessen pro Untervertrag. Welche Subprozesse aus- de. Ferner hatte das IT-Team bereits ein gutes Verständnis, geführt werden, ist produkte- und marktabhängig. Zudem wie die Benutzer die verschiedenen Systeme verwenden. enthält das Client-Offering verschiedene Mittel für die Abb. 56 ARCHITEKTURÜBERSICHT DES ERSTEN LÖSUNGSANSATZES Business Process Management 2016 Kollaboration: Eine Chat-Funktion für den Austausch im knüpfen. Diese Verknüpfungsinformationen blieben über die Team, eine Kommentarfunktion für einzelne Tasks und eigentliche Ausführung des Prozesses hinaus erhalten. Der Dokumente und die Möglichkeit, zu signalisieren, woran Digital-Binder half also dabei, den in den Dokumenten ver- man gerade arbeitet. borgenen «Wissensschatz» Stück für Stück zu heben. –– E-Mail-Editor: erlaubt die E-Mail Kommunikation mit dem Kunden direkt aus der BPM-Plattform und sorgt für die Obwohl die Lösung viele Vorteile bot, fühlten sich die Mitar- automatische Archivierung der so abgewickelten Kom- beitenden noch nicht optimal unterstützt: munikation. –– Der in die Plattform integrierte E-Mail-Editor erfüllte die –– Operational Dashboard: gibt einen Überblick aller laufenden Cases. Anforderungen der Benutzer nur bedingt. Im Vergleich zu Outlook fehlten wichtige Funktionen, wie zum Beispiel Formatierungsmöglichkeiten und die Anbindung des Der Arbeitsprozess gestaltete sich wie folgt: Während der Adressbuchs. Zudem bot der E-Mail-Editor nur eine Origination-Phase wurde mit dem Kunden wie bis anhin via eingeschränkte Sicht auf die Kommunikation mit dem Outlook kommuniziert. In Abbildung 56 entspricht dies der Kunden, denn er zeigte nur E-Mails an, die entweder aus Verbindung mit der Bezeichnung (1). Mit dem Eingehen der der Plattform geschrieben wurden oder als Antwort auf Offertanfrage musste einmalig in der Workbench ein neuer eine solche E-Mail eingegangen waren. Offertprozess gestartet (2) und anschliessend die bereits ge- –– Der Wechsel vom Outlook in die Plattform beim Über- sammelten Informationen und Dokumente manuell in den gang von der Origination- in die Offering-Phase wurde Prozess übertragen werden (3). Nun konnte das Team mit als mühsam empfunden. Alle bereits gesammelten Infor- der Arbeit beginnen. Die Workbench respektive das Client- mationen und Unterlagen mussten von Hand zusam- Offering zeigte die offenen Tasks an und ordnete diese ein- mengetragen und manuell in die BPM-Plattform überführt zelnen Teammitgliedern zu (4). Das Team konnte sich bei der werden. Ausführung über die Kollaborationsfunktionen austauschen –– Die Kollaborationsfunktionen entsprachen nicht den und die Arbeit so koordinieren. Da mit dem E-Mail-Editor die Bedürfnissen der Mitarbeitenden und wurden daher Kommunikation mit dem Kunden direkt aus der Plattform ge- kaum genutzt. Diese bevorzugten es, wie bis anhin per führt wurde (5), konnte die ganze Offertphase mit einem ein- Telefon und E-Mail zusammenzuarbeiten. zigen Tool bewältigt werden. Dieses Vorgehen hatte den Vor- –– Der Client-Offering-Prozess war trotz seines modularen teil, dass alle Schritte ab dem Eingang der Offertanfrage Aufbaus mit parallel ausführbaren Subprozessen nicht korrekt und ohne zusätzlichen Aufwand archiviert wurden. flexibel genug und wurde als Einschränkung in verschie- Nur falls vom Kunden oder von anderer Stelle Unterlagen denen Teams und Märkten empfunden. oder Informationen zum Fall unabhängig von der Workbench –– Das Tool bot noch keinen Mehrwert bei der Entschei- zugestellt wurden, mussten diese manuell dem Case hinzu- dungsfindung. Zwar verbesserte die BPM-Plattform die gefügt werden (6). Für die Archivierung wurden die beste- Datenlage, es war jedoch nicht möglich, alle Daten eines henden Dokumentenablagen Lotus Notes und Documentum Kunden zu aggregieren respektive Daten verwandter über einen Service-Layer an die BPM-Plattform angebun- Fälle auszuwerten und zu vergleichen. den. Damit konnte die Plattform alle neu erfassten Dokumente sowie die Korrespondenzen automatisch an der richtigen Aus der Sicht der Benutzer bot das neue System zweifelsfrei Stelle in den Dokumentenablagen archivieren. Zudem wurde zufriedenstellende neue Funktionen wie den Digital-Binder, eine Suchfunktion für bestehende Dokumente integriert und aber die Unzulänglichkeiten überlagerten den Nutzen in die- mit dem sogenannten Digital-Binder kombiniert. Dieser er- ser ersten Phase. Die User-Interfaces waren den bewährten laubte es, bestehende Dokumente mit einem Case, einzel- Systemen funktionell unterlegen und das neue System ver- nen Subprozessen oder einem anderen Dokument zu ver- langte zusätzliche Aufgaben, wie den Datentransfer zu Be- 81 82 Fallstudien ginn der Offertphase. Der Medienbruch am Anfang des Of- Architekturübersicht, mit den grau gekennzeichneten neu fertprozesses begleitete die Mitarbeitenden auch während hinzugekommenen Komponenten. der folgenden Arbeiten. Immer wieder mussten Informationen, die von ausserhalb der Plattform an die Mitarbeitenden Das System enthält die folgenden Erweiterungen: herangetragen wurden, manuell in die Plattform überführt –– Mail-App: Ermöglicht es, zu einer vorhandenen E-Mail- werden. Kommunikation einen neuen Offertprozess zu starten oder die Kommunikation einem bestehenden Offertpro- Das Prozessmanagement-Team erkannte, dass die Lösung zess zuzuordnen. In beiden Fällen werden die Nachrich- die Bedürfnisse ihrer internen Kunden noch nicht optimal er- ten sowie alle Anhänge automatisch in die BPM-Platt- füllte. Zudem wurde deutlich, dass der neue standardisierte form übertragen und von dieser in die Datenablage Offertprozess nicht flexibel genug war für den beabsichtigten transferiert. Wird die Kommunikation fortgesetzt, wird Ausbau des Geschäfts in Wachstumsmärkten sowie für die diese automatisch in den entsprechenden Fall übertra- Zusammenarbeit mit regionalen und nationalen Anbietern. gen. Zudem werden Tasks aus der Workbench direkt in Der optimale Grad an Standardisierung und Flexibilisierung der Mail-App angezeigt und können teilweise direkt in des Prozesses war mit der Lösung noch nicht erreicht. Oder der App erledigt werden, ohne in die Plattform zu wech- in den Worten von C. Darwin: «It is not the strongest of the seln. species that survives, nor the most intelligent that survives. It is the one that is most adaptable to change.» –– Case und Process Hub: Sind die neu geschaffenen Schnittstellen im Information Hub, welche die von der Mail-App benötigten Funktionen zur Verfügung stellen. Die zweite Version –– Anbindung des Exchange-Servers: Neben Documen- Statt die Funktionalität des E-Mail-Editors weiter auszubauen tum und Lotus Notes ist neu auch der Exchange-Server und die Integration der Kommunikation mit dem Kunden in via Information Hub an die BPM-Plattform angebunden. die Plattform weiter voranzutreiben, wurde ein klarer Rich- Dies ermöglicht einen effizienten Transfer der Nachrich- tungswechsel beschlossen. Im optimierten System, das sich ten und Anhänge von der Mail in die Dokumentenabla- heute im Einsatz befindet, ist Outlook das führende Tool in Bezug auf Kundenkommunikation und Korrespondenz, wäh- gen. –– Data Warehouse und Reporting Cockpit: Das DWH rend BPM Plattform Appway und der Information Hub die in- dient dem Speichern aller Aktivitäten aus der Mail-App telligente Steuerung und Informationsversorgung des Offer- und der Workbench und kombiniert damit die Daten aus terstellungsprozesses sicherstellen. Abbildung 57 zeigt die den beiden Front-Ends. Diese Daten sind die Grundlage «Eine global konsistente Definition von Aktivitäten ist wichtiger, als dass der exakt selbe Ablauf von Aktivitäten weltweit angeordnet wird. Eine Standardisierung des Prozesses kann durchaus wertvernichtend sein, wenn diese nicht genügend Flexibilität zulässt und den entsprechenden Markt-, Kunden- und lokalen Arbeitsbedürfnissen entspricht.» Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re Business Process Management 2016 für das neu geschaffene Reporting Cockpit, in dem lichen Teams oder Mitarbeitenden Tasks erzeugt. Diese laufende und abgeschlossene Cases nach verschiede- werden per E-Mail über die anstehenden Aufgaben infor- nen Kriterien ausgewertet werden können. miert. Gewisse, einfachere Aufgaben können direkt über die Mail-App ausgeführt werden (3). Bei komplexeren Aufgaben Mit der Überarbeitung ändert sich der Arbeitsprozess deut- muss über den entsprechenden Link im E-Mail in die Work- lich, indem gewisse Schritte nun ganz oder teilweise direkt in bench gewechselt und die Aufgabe dort ausgeführt werden Outlook erledigt werden können (siehe Abbildung 57, grün (4). Neben dem E-Mail, das für die initiale Eröffnung des Ca- gekennzeichnete Nummern). Die Arbeit beginnt wie gehabt ses verwendet wurde, können weitere E-Mails dem Case mit der Kommunikation via Outlook während der Origination- zugeordnet und dadurch zusammenhängend archiviert wer- Phase (1). Kommt es zu einer Offertanfrage, wird in der Mail- den. In jedem Fall sorgt die Mail-App dafür, dass wenn eine App ein neuer Case eröffnet (2). Dabei müssen zusätzliche bereits übertragene Kommunikation fortgesetzt wird, diese Angaben für die Einordnung der Anfrage gemacht werden Fortsetzung automatisch dem Case hinzugefügt und archi- und die Anhänge müssen einzelnen Kategorien oder Unter- viert wird (5). Wie bis anhin kann in der Workbench nach re- verträgen zugeordnet werden. Mit diesen Angaben startet levanten Dokumenten gesucht werden und mit Hilfe des Di- das System in der BPM-Plattform Appway den entsprechen- gital-Binder mit dem Case oder Teilen davon verknüpft den Case, transferiert alle Nachrichten und Anhänge vom E- werden (6). Im neu geschaffenen Reporting-Cockpit (7) kön- Mail in die Dokumentenablagen und verknüpft diese mit dem nen die Mitarbeitenden historische und aktuelle Daten bei- jeweiligen Case. Anschliessend werden jene Teile des Offert- spielsweise zu einem Kunden oder einer Branche auswerten prozesses, die keine weiteren Angaben erfordern, automa- und als Basis für ihre Entscheidungen nutzen. Um die kriti- tisch durchlaufen. Abschliessend werden für die verantwort- sierte mangelnde Flexibilität des Offertprozesses zu behe- Abb. 57 ARCHITEKTURÜBERSICHT DES ZWEITEN LÖSUNGSANSATZES 83 84 Fallstudien «Outlook ist das zentrale Element in der heutigen Kundenkorrespondenz. Mit der Integration von Outlook und der BPM-Plattform Appway über eine Mail App konnten einzelne Schritte vom Prozess dorthin verlagert werden, wo der Benutzer tatsächlich seine Aufgaben wahrnimmt und somit eine wesentliche Verbesserung der User Experience erreicht werden.» Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re ben, wurde dieser in kleinere unabhängige «Mini-Prozesse» Arbeitsprozess zur Verfügung. Ermöglicht wird diese Integra- zerlegt. Ähnlich einer Check-Liste können die Mitarbeitenden tion durch die BPM-Plattform Appway, die die Bearbeitung nun die Reihenfolge einzelner Tasks flexibler wählen und bei der Cases und der dazugehörigen Informationen steuert. Bedarf gewisse Schritte auslassen. Das System lässt die Mitarbeitenden nun so arbeiten, wie es der Markt, der Kunde Das verbesserte System ist seit Herbst 2015 mit zunehmen- oder der Regulator erfordert. Die Mitarbeitenden werden der Akzeptanz im Einsatz. Outlook ist nun wieder das einheit- durch die Front-End-Integration der Funktionalität in Outlook liche Front-End für die elektronische Kommunikation mit dem nun in der digitalen Arbeitsumgebung unterstützt, in der sie Kunden und bietet mit der Mail App eine einfache, intuitive am effizientesten arbeiten. Die Mitarbeitenden sind also nicht und ansprechende Integration des BPM-Systems Appway. mehr gezwungen, verschiedenen Systemen zu folgen, um Die BPM-Plattform erfüllt ihre Aufgabe als Rückgrat des Sys- eine Funktionalität zu nutzen, sondern die Funktionalität folgt tems. Sie ermöglicht die flexible Bearbeitung der Cases, ver- dem Nutzer. Vorhandene Medienbrüche wurden beseitigt teilt die Aufgaben an die richtigen Mitarbeitenden, bindet die und es steht nun ein vollständig integrierter durchgängiger Dokumentenverwaltung ein und entlastet den Benutzer zu- (ADAPTIVE) CASE MANAGEMENT che Case-Management-Systeme wurden jeweils für Ein typisches Einsatzgebiet von Case Management eine bestimmte Anwendungsdomäne wie beispielswei- Systemen ist die Koordination von Arbeiten in schwach se das Spital-, Justiz oder Polizeiwesen entwickelt. In strukturierten Prozessen. Insbesondere bei Prozessen, diesem Zusammenhang wird auch oft von sogenannten deren Verlauf nicht vollständig vorhersagbar ist und bei Production-Case-Management-Systemen (PCM) ge- deren Ausführung die Mitarbeitenden selbst über die sprochen. Von einem Adaptive-Case-Management Notwendigkeit einzelner Arbeitsschritte sowie deren -System kann gesprochen werden, falls das System Reihenfolge entscheiden müssen, können Case-Ma- Funktionen zur Verfügung stellt, um den Arbeitsprozess nagement-Systeme einen wichtigen Beitrag leisten an die Bedürfnisse des Cases anzupassen (Swenson, (Motahari-Nezhad & Swenson, 2013). Natürlich erlau- 2011). Mittlerweile wurde der Trend auch von der Object ben auch traditionelle Automatisierungen mittels BPM- Management Group aufgegriffen, welche seit 2014 mit Systemen verschiedene Ausführungspfade, diese müs- CMMN einen Standard für die Notation von Case Ma- sen aber entweder explizit modelliert oder durch das nagement Modellen unterhält (OMG, 2014). Erlauben von Ausnahme realisiert werden. Herkömmli- Business Process Management 2016 nehmend von Routineaufgaben wie beispielsweise der Ar- chen chivierung. Mitarbeitenden, unterstützt werden. Angestrebt wird letztlich Fachkenntnisse und der Verfügbarkeit der ein wissensbasiertes System, das proaktiv Informationen Wie sich das neue Tool auf die Zufriedenheit der Kunden sammelt, aufbereitet und situationsabhängig bereitstellt, die auswirkt, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschlie- für den jeweiligen Fall relevant sein könnten. Damit würde der ssend beurteilt werden. Auch für die systematische Auswer- Prozess der Wissensbereitstellung vom heutigen Pull-Modus tung der Antwortzeit bei Kundenanfragen und anderer KPIs in einen Push-Modus überführt (Abbildung 58) und so die ist das System noch nicht lange genug im Einsatz. Zudem Vision von P&C IT realisiert: steht für das laufende Jahr noch das Rollout weiterer vielversprechender Neuerungen an, wie beispielsweise die halbautomatische Klassifizierung von Dokumenten, die den Nutzen des Systems weiter erhöhen werden Ausblick Die Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Systems sind äusserst vielseitig. Ein zentrales Anliegen wird es sein, die gesammelten Daten besser zu nutzen. Um Offertanfragen automatisch zu kategorisieren und zu priorisieren, könnten Grössen wie die Abschlusswahrscheinlichkeit oder die zu erwartende Rendite als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Auch das Zusammenstellen des cross-funktionalen Teams könnte, unter Berücksichtigung der erforderli- «Our Digital Operating platform enables handling more information to take decisions in less time while using our intelligence to build new value proposition for clients (e.g. loss prevention) leveraging new skills.» Vision P&C IT, (Swiss Re, 2016) Abb. 58 ZUKÜNFTIGE EINSATZMÖGLICHKEITEN DES SYSTEMS 85 86 Fallstudien 4.3.4 Fazit lität in der Risikozeichnung, was sich letztlich in Wachstum Die vorliegende Fallstudie von Swiss Re zeigt die niederschlägt. Der zentrale Beitrag der Digitalisierung liegt Komplexität, die Systeme zur Unterstützung von darin, das vorhandene Wissen zur richtigen Zeit am richtigen wissens- und dokumentenzentrierten Prozessen in Ort einzusetzen und dabei die vorhandenen Informationen einem kollaborativen Umfeld zu bewältigen haben. möglichst optimal zu nutzen. Dabei geht es in erster Linie darum, das optimale Mass an Standardisierung und Flexibilisierung zu Was wurde bzw. wird digital transformiert? finden, um Wissensarbeiter von Routinearbeiten zu entlasten und in ihren Entscheidungen zu unter- Business Model: neue Märkte rascher erschliessen stützen. Auch die Erschliessung neuer Märkte und Zielgruppen stellt eine Motivation für die Transformation des Offertprozesses Die beschriebene Digitalisierung des Offerterstellungspro- dar. Mit der Schaffung eines durchgängigen und flexiblen zesses im Bereich P&C Reinsurance der Swiss Re, deckt ein Case Management sowie einer modernisierten Arbeitsumge- breites Spektrum der im Rahmenwerk der Studie untersuch- bung werden hierfür wichtige Grundlagen geschaffen. Neu- ten strategischen und operativen Wirkungs-felder ab. Die en Mitarbeitenden erschliesst sich der Offertprozess durch wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 59 gekenn- die reduzierte Komplexität der Systemlandschaft und die ver- zeichnet und nachfolgend dargestellt: einfachte Bedienung rascher. Die Operating-Modelle können schneller und effektiver an die Markt- und Kundenanforde- Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung rungen angepasst werden. wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert? Business Operations: Interaktion mit Kunden optimal unterstützen Kundennutzen: Persönlicher Kontakt und Kontinuität der Ansprechpartner Der Kunde profitiert durch die Lösung von kürzeren Antwort- sind wesentliche Elemente der Kundenbeziehung im Bereich zeiten, kompetitiven Produkten und Lösungen und letztlich P&C Reinsurance. Das System setzt auf diesen Prinzipien auch von einer verbesserten Entscheidungs- und Bera- auf und konsolidiert interne sowie externe Kommunikations- tungsqualität. vorgänge an einem Ort, um alle Informationen zu einem Case jederzeit abrufen und systematisch archivieren zu können. Produkt- und Service-Innovation: Auf dieser Grundlage kann letztlich die Service- und Ent- Die adaptive Lösung schafft die Voraussetzungen, um Pro- scheidungsqualität verbessert werden. dukt- und Service-Innovationen kosteneffizient und flexibel weiter vorantreiben zu können. Wie und wodurch wird transformiert? Operational & Service Excellence: Prozessdigitalisierung: Wissensarbeit orchestrieren Operational & Service Excellence wird erreicht, indem Fach- Die neue Lösung bietet allen am Offertprozess Beteiligten in kräfte von Routineaufgaben entlastet werden, Expertise für P&C Reinsurance ein durchgängiges Case Management mit Kunden bedarfsgerecht gebündelt wird und indem die Arbeit sehr wenigen Medienbrüchen. Der Fokus verlagert sich von optimal auf die Mitarbeitenden verteilt wird. Die Wissensar- der sequenziellen Erledigung von Tasks in unterschiedlichen beiter können sich unter diesen Voraussetzungen auf die Systemen hin zur Befähigung der Mitarbeitenden im Ent- wesentlichen Aspekte ihrer Tätigkeit konzentrieren, das scheidungsprozess. Das dafür relevante Wissen wird über heisst auf die Kunden, die Produktentwicklung und die Qua- die Information Hubs zentralisiert aufbereitet und zur Verfü- Business Process Management 2016 gung gestellt. Der Abruf dieses Wissens im Pull-Modus soll zukünftig um kognitive Assistenten erweitert werden, die das Wissen proaktiv im Push-Modus bereitstellen. Flexibilisierung: Cases gezielt bearbeiten Durch den weitgehenden Verzicht auf eine vordefinierte Abfolge der Tasks wird die Voraussetzung geschaffen, Cases flexibel und abhängig von den für eine Entscheidung im konkreten Fall notwendigen Fähigkeiten zu lenken. 87 88 Fallstudien Abb. 59 SWISS RE-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS Business Process Management 2016 4.4 FALLSTUDIE VONTOBEL: «DIGITALISIERTES Eine im Jahr 2013 intern durchgeführte Erhebung der Be- SERVICE MANAGEMENT SCHAFFT KUNDEN- nutzerzufriedenheit ergab ein tieferes Resultat als angestrebt. NUTZEN Ausserdem wurden die Kosten als verhältnismässig hoch eingeschätzt, wobei eine genaue Zuordnung und Begründung der Kosten aufgrund des Fehlens einer transparenten IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON –– Markus Schneider, Leiter Operation Services, Vontobel –– Philipp Klauser, Applikationsverantwortlicher Jira, Vontobel Kostenstruktur nicht möglich war. Ein wichtiger Aspekt zum Verständnis dieser Fallstudie sind die eingesetzten betrieblichen Standardsysteme. Wie in viele Unternehmen der Finanzbranche, zeichnen sie sich durch eine grosse Heterogenität aus Diese Heterogenität bezieht sich einerseits auf die Phasen des Lebenszyklus, in welchen die einzelnen Applikationen stehen, andererseits aber auch auf die Plattformen, auf welchen diese betrieben werden. 4.4.1 Ausgangssituation und Rahmen Damit einhergehen typischerweise auch heterogene Sup- Vontobel ist ein führender Schweizer, international portstrukturen, welche die unterschiedliche IT-Landschaft agierender Private Wealth und Asset Manager, der widerspiegeln. Ein standardisiertes Incident- und Problem- sich zum Ziel gesetzt hat, die anvertrauten Kunden- management existierte nicht. Dies führte dazu, dass Mitar- vermögen langfristig zu schützen und zu mehren. beitende informelle Kanäle für die Lösung ihrer konkreten Spezialisiert auf das aktive Vermögensmanage- Anliegen nutzten, was einem effizienten Einsatz von Ressour- ment und massgeschneiderte Anlagelösungen be- cen widersprach und sich in den Kosten niederschlug. rät Vontobel verantwortungsvoll und vorausschauend. Rund 1 500 Mitarbeitende erbringen an weltweit Die folgenden Aussagen über Kundenzufriedenheit beziehen 22 Standorten erstklassige und massgeschneiderte sich auf die Mitarbeitenden von Vontobel. Die Bankkunden Dienstleistungen für international ausgerichtete sind indirekt betroffen und daher nicht Gegenstand der Fall- Kunden. Per Ende 2015 verwaltete Vontobel CHF studie. 187,2 Mrd. an Kundenvermögen, bei einer Kapitalbasis von CHF 1,43 Mrd. und einer CET1-Kapital- Die statistische Auswertung der Mitarbeitendenumfrage vor quote von 17,9 %. Die Namenaktien der Vontobel der Durchführung von Verbesserungsmassnahmen ergab Holding AG sind seit 1986 an der SIX Swiss Ex- ein Mittelwert von 4.8 auf einer Skala von 1 bis 6, was beina- change kotiert. Die Familie Vontobel und die ge- he dem angestrebten Wert von 5.0 entsprach. Der Mittelwert meinnützige Vontobel-Stiftung besitzen die Aktien- ergab also keinen Grund zur Sorge. Doch die Standardab- und Stimmenmehrheit und stehen damit für weichung war auffallend gross, was Anlass zu einer detaillier- Unabhängigkeit, unternehmerisches Denken und teren Auswertung gab. Diese weitergehende Analyse zeigte Weitsicht. auf, dass vor allem im Bereich Störungsbehebung und Kundeninformation die grössten Verbesserungspotentiale lagen. Die Supporteinheit «Operation» erbringt weltweit alle IT- In diesen Bereichen waren die Teilresultate wesentlich Dienstleistungen. Die Sparte «Operation Services» stellt schlechter. Ausserdem gab es grössere Abweichungen zwi- hauptsächlich alle 1st- und 2nd-Level Support-Dienstleistun- schen den einzelnen Geschäftsfeldern, was auf stark unter- gen bezüglich des Electronic Workplace bereit, ist die primä- schiedliche Supportbedürfnisse bzw. auf unterschiedliche re Anlaufstelle für die Benutzer bezüglich IT-Fragen und ist für Supportqualitäten hindeutete. Die in der Umfrage abgegebe- den IT-Betriebsprozess verantwortlich. nen Kommentare von Mitarbeitenden liessen Rückschlüsse 89 90 Fallstudien auf konkrete Problemstellungen zu. So war vor allem die lan- Dienstleistungsqualität, weniger Systemen und somit auch ge Bearbeitungszeit von Incidents ein Problem, sofern die tieferen Kosten führen können. Störung nicht direkt durch telefonischen Support gelöst werden konnte. 3.Wie können die vorhandenen betrieblichen Informationen aus den eingesetzten IT-Systemen wie z.B. Logdateien ge- 4.4.2 Motivation und Zielsetzung Kundenzufriedenheit, mehr Transparenz und Effizi- nutzt werden, um den anvisierten Verbesserungsprozess effektiv zu unterstützen? enz in der Leistungserbringung und eine bessere Die eingesetzten betrieblichen Informationssysteme produ- Verfügbarkeit von Informationen in kritischen Sup- zieren Daten, mit welchen die Vergangenheit recht lücken- portprozessen standen im Mittelpunkt der Trans- los nachvollzogen werden kann (z.B. Logfiles). Es stellt sich formation. weniger die Frage nach der Verfügbarkeit solcher Daten, sondern vielmehr nach der gezielten und nachvollziehba- Ausgehend von der geschilderten Ausgangssituation und ren Nutzung dieser Informationen und den daraus gezoge- einer Vielzahl von Interviews mit den Stakeholdern wurden nen Schlüssen, wie z.B. das Überwachen von betriebli- folgende Kernfragen und Hypothesen formuliert: chen KPIs. 1. Kann die Kundenzufriedenheit gesteigert werden, indem Wie einleitend erwähnt, wurde der Support für jede Applikati- das gleiche Angebot rascher, qualitativ hochstehender und on bzw. Infrastrukturplattform verschieden gelöst. Diese Hete- idealerweise zu tieferen Kosten angeboten wird? rogenität wurde durch den Einsatz unterschiedlichster Sup- Die Annahme, dass dies möglich sein muss, beruht auf der port-Werkzeuge und Arbeitsmethoden noch akzentuiert. Aus Erkenntnis, dass die Ursache für die teilweise fehlende dieser historisch gewachsenen Situation ergaben sich folgen- Kundenzufriedenheit oftmals in der sehr langen Reaktions- de Herausforderungen: zeit des Supports bzw. in sehr unterschiedlichen Reaktionszeiten lag. Ein anderer Grund für eine fehlende Kun- 1.Wie können die betroffenen Supportmitarbeitenden moti- denzufriedenheit lag teilweise in einer nicht einwandfreien viert werden, mit einem gemeinsamen Support-Werkzeug, Lösungsfindung. Das heisst, das gemeldete Problem z.B. einem einheitlichen Ticketsystem, zu arbeiten? konnte nicht, nur teilweise oder nicht befriedigend gelöst Diese Fragestellung impliziert, dass die eingesetzten Werk- werden. Dies schlug sich auch in höheren Kosten nieder, zeuge im Support durch ein Werkzeug ersetzt werden, mit da das gleiche Problem mehrfach und auf unterschiedliche dem alle Mitarbeitenden arbeiten müssen. Das bedeutet, Weise gelöst wurde. Ebenso fehlte eine gemeinsame Wis- dass die meisten Supportmitarbeitenden auf ihr ange- sensbasis. stammtes Werkzeug verzichten und sich mit einem Wechsel abfinden müssen. Üblicherweise wird ein solcher 2.Können die bestehenden Ressourcen effizienter und effek- Wechsel nur unter Zwang erfolgen und somit nicht als et- tiver eingesetzt werden, um mehr Aufgaben bei gleichzeitig was Positives empfunden, was sich allenfalls in einer höhe- höherer Qualität zu bewältigen? ren Fluktuation oder in einer temporär schlechteren Sup- Die Hypothese lautet, dass durch die informalen Strukturen portqualität manifestieren kann. und die heterogene IT-Landschaft der Anteil an unproduktiver Zeit grundsätzlich höher ist als in einer standardisierten 2.Kann eine verbesserte Transparenz durch Standardisie- Supportorganisation. Selbstverständlich verursacht jedes rung und Harmonisierung zu einer höheren Benutzerzufrie- System Sockelkosten, welche nur schwer reduzierbar denheit führen? sind. Mit einem standardisierten Vorgehen können definitiv Transparenz wird von Supportmitarbeitenden und Kunden Synergien genutzt werden, welche zu einer höheren unterschiedlich wahrgenommen. Beide profitieren von Business Process Management 2016 Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit, wobei Vergleich- reiche konnten über qualitative Analysen gefunden werden. barkeit aus Sicht des Leistungserbringers auch negativ Hierbei wurden Six-Sigma-Methoden angewendet. Aber wahrgenommen werden kann. Aus Kundensicht ist Trans- auch quantitative Analysen wie beispielsweise von Durch- parenz jedoch eindeutig ein Qualitätsmerkmal und eine laufzeiten führten zur Identifikation von kritischen Bereichen. wichtige Grundlage für eine partnerschaftliche Zusam- Aus der Kenntnis dieser kritischen Bereiche wurden dann menarbeit und letztlich für eine höhere Benutzerzufrieden- Soll-Prozesse abgeleitet. In einem weiteren Schritt wurden heit. diese Soll-Prozesse in der Organisation implementiert. 3.Kann trotz Standardisierung und Harmonisierung genug Agilität gewahrt bleiben? Bevor jedoch der geschilderte Verbesserungsprozess starten konnte, wurde eine geeignete Notation für die Prozess- Agilität bezeichnet die Fähigkeit, auf Ereignisse und/oder modellierung evaluiert und der Fokus der Prozessmodellie- Anforderungen situativ zu reagieren. Standardisierung und rung definiert. Von besonderer Relevanz war die Festlegung Harmonisierung hingegen verlangen, dass auf ähnliche von Prozessverantwortlichen. Um die Voraussetzungen für Ereignisse und/oder Anforderungen in einer wohldefinier- eine breite Akzeptanz zu schaffen, wurden die Prozesse in ten Form reagiert wird. Durch die historisch gewachsene die übergeordnete OP Prozesslandkarte integriert und auf Vielfalt an Werkzeugen und individuellen Vorgehensmetho- diese Weise transparent kommuniziert, breit abgestützt und den ist die Gefahr gross, dass Supportmitarbeitende einer insbesondere an bestehenden und etablierten informellen Standardisierung skeptisch bis ablehnend gegenüberste- Prozessen ausgerichtet. hen. Dabei ist jedoch bei adäquatem Tooleinsatz, welcher beispielsweise auch Case Management umfassen kann, die Funktionalität gegeben, um Agilität gezielt und nachhaltig zu unterstützten. 4.4.3 Umsetzung und Wirkung Bereits zu Beginn der Lösungssuche wurde deutlich, dass nur die gesamtheitliche Betrachtung von vier Lösungselementen zu einer erfolgreichen Verbesse- Abb. 60 rung der Situation führen konnte: klar definierte Pro- VIER LÖSUNGSELEMENTE zesse, die sich auf korrekte und vollständige Stammdaten in einer Configuration Management Database (CMDB) abstützen, die Abbildung dieser Prozesse in einem Tool und der Zugriff der User über das zentrale Intranetportal (Abbildung 60). Die Konzeption und Umsetzung des Vorhabens orientierte sich am klassischen Vorgehen eines kontinuierlichen Prozessmanagements (Abbildung 61). In einem ersten Schritt wurden Ist-Prozesse dokumentiert. Die Methodik hierzu stützte sich auf Interviews, Workshops und Dokumentenstudium ab. In einem zweiten Schritt wurden dann kritische Bereiche identifiziert. Diese kritischen Be- 91 92 Fallstudien Durch die Einführung einer verbindlichen Notation konnte mit prozesse zentral. Diese bestanden zu diesem Zeitpunkt nicht allen Beteiligten auf derselben Grundlage diskutiert werden. und mussten von Grund auf erhoben werden. Um sie pro- Allfällige Probleme an den Schnittstellen zwischen den Pro- fessionell verwalten und unterhalten zu können, wurde eine zessschritten konnten rasch erkannt und mit deren Beseiti- Configuration-Management-Datenbank (CMDB) aufgebaut. gung begonnen werden. Der Aufbau dieser Datenbank erforderte sehr viel Zeit und Die Frage nach einer adäquaten Automatisierung der Sup- musste mit hoher Qualität erfolgen, um später keine Proble- portprozesse war aus Sicht der Effizienzsteigerung sehr zen- me bei der Prozessausführung zu erhalten. tral. Entsprechend zentral wurde auch die Evaluation eines geeigneten Werkzeugs zur Unterstützung der Supportpro- Dabei stand eine automatisierte Bereitstellung der Daten im zesse betrachtet. Die Wahl fiel auf Jira ServiceDesk. Ein Vordergrund, um immer aktuelle Daten in hoher Qualität zur wichtiges Auswahlkriterium war dabei die bereits vorhandene Verfügung zu haben. Es wurden daher die bestehenden Anwenderakzeptanz von Attlassian Jira. Zum Zeitpunkt der Systeme in Abhängigkeit zueinander gestellt und eine soge- Entscheidung war Jira ServiceDesk aus einer funktionalen nannte konföderierte CMDB erstellt (Abbildung 62). Sicht nicht das beste, aber aus Sicht der Mitarbeitenden das Auf dem Weg in Richtung optimierte IT-Unterstützung waren wohl akzeptierteste Werkzeug. in einem nächsten wichtigen Schritt Fragen bezüglich der Im Kontext einer möglichst hohen Automatisierung sind die Usability zu klären. Es existierten keine Standards hierzu. Identifikation von Steuer- und Stammdaten für die Support- Entsprechend bestand auch bezüglich diesem Kriterium eine Abb 61 BPM LIFECYCLE in Anlehnung an (Dumas, La Rosa, Mendling, & Reijers, 2013) Process identification Process architecture Process discovery Conformance and performance insights As-is process model Process monitoring and controlling Process analysis insights on weaknesses and their impact Executable process model Process implementation Process redesign to-be process modell Business Process Management 2016 Abb. 62 KONFÖDERIERTE CONFIGURATION MANAGEMENT DATENBANK grosse Heterogenität. Bei aller Beachtung methodischer Er- geschenkt und der Zugang zu dieser Lösung in das zentrale kenntnisse stellte das Prinzip der Praxisorientierung und der Intranetportal integriert. Dieses Portal dient als zentrale An- realen Machbarkeit eine wichtige Orientierungshilfe dar. laufstelle für sämtliche Supportanfragen. Auf diesem Portal finden sich zudem sämtliche für den Support relevanten Do- Aus Sicht IT war es zwingend, die Supportwerkzeuge nahtlos kumente. Mit der Einführung dieses zentralen Zugangs er- in die Systemlandschaft zu integrieren. So wurde grossen gaben sich auch neue Anwendungs- und Informationsmög- Wert auf die Einhaltung von Standards und deren Interopera- lichkeiten. So ist es jederzeit möglich, den Status von bilität gelegt. Ziel war es, einen möglichst hohen Automatisie- Anträgen einzusehen und die Portalseiten zu personalisie- rungsgrad in den Hauptprozessen Incident- und Request- ren. Weitergehende Auswertungsmöglichkeiten, welche auf Management zu erreichen. Diese Hauptprozesse bergen die Daten beruhen, die durch die einheitlichen Tickets und Ar- grössten Potentiale für Einsparungen, Effizienzsteigerungen beitsweisen entstanden sind, konnten so geschaffen wer- und eine Verbesserungen des Benutzernutzens. den. Diese dienen der kontinuierlichen Verbesserung des Dienstleistungsangebotes und der Sicherstellung einer Die mangelnde Benutzerzufriedenheit war ein zentraler Aus- gleichbleibend hohen Servicequalität, indem Schwachstel- löser für die Transformation. Folglich wurde dem Kunden bei len und deren Ursachen rascher und einfacher eruiert wer- der Erarbeitung der IT-gestützten Lösung grosse Beachtung den können. 93 94 Fallstudien Abb. 63 PORTALLÖSUNG Abb. 64 SERVICE CENTER IT Neu können nicht nur IT-Support-Services über das Service-Center-Portal bezogen werden, sondern alle Geschäftsfelder organisieren ihre Support-Aktivitäten über dieses Portal (Abbildung 63), was aus Benutzersicht eine Vereinfachung darstellt und gleichzeitig auch die Usability stark erhöht. Im Fokus stehen dabei auch HR-Prozesse wie beispielsweise der Eintritt oder der Austritt von Mitarbeitenden. Um die Usability weiter an den Kundenbedürfnissen auszurichten, wurden innovative Suchfunktionen implementiert (Abbildung 64). Nach erfolgreicher Einführung der beschriebenen Neuerungen und Verbesserungen verbleiben noch einige Herausforderungen. Diese umfassen im Wesentlichen: 1.Datenschutz: Der Inhalt von Tickets könnte in einem anderen Anwendungskontext vertraulich sein. Diesem Umstand wird mit der aktuellen Version nur teilweise Rechnung getragen. Business Process Management 2016 2. Der Supportprozess bzw. die Verarbeitung von Tickets sourcenintensiv war, ist der Nutzen definitiv höher einzu- kann als Muster auch ausserhalb von Supportprozessen schätzen. Auch das Verständnis der Kundenbedürfnisse ist angewendet werden. Es braucht deshalb auch eine Ab- als wesentlicher Erfolgsfaktor zu werten. Eine grosse Rolle grenzung zu klassischen Geschäftsprozessen. spielt bei Vontobel hierbei die Internationalität der Anwender, die durch das Wachstum in Asien und USA zunehmend an 3.Vereinheitlichung der noch nicht berücksichtigten ServiceRequests in Bezug auf Look & Feel. Bedeutung gewinnt. Dieser Internationalität wird zunehmend Rechnung getragen, indem Servicezeiten angepasst, diese Standorte besucht und aktiv die lokalen Kundenbedürfnisse 4.Umgang mit Prozessen, für welche eine Automatisierung erhoben werden. Das war in der Anfangsphase der Transfor- aus ökonomischer Betrachtung nicht sinnvoll erscheint. mation aus Ressourcengründen noch nicht in der gleichen Intensität möglich. 5.Unterstützung von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets. Die Fallstudie deckt ein schmales Spektrum der im Rahmen der Studie erforschten Aspekte der digitalen Transformation Sicherstellung eines kontinuierlichen Kundenfeedbacks 6. ab. Das Vorhaben verändert primär die Domäne Business und systematisches Analysieren von schlechten Bewer- Operations und macht die Relevanz der Prozessdigitalisie- tungen von Tickets zur Wahrung der Glaubwürdigkeit. rung deutlich. Auch wenn Systeme wie Jira ServiceDesk schon seit vielen Jahren bekannt sind und auch eingesetzt 4.4.4 Fazit werden, zeigt dieses Fallbeispiel deutlich, dass vielfach ope- Die Einführung der oben geschilderten Lösungsele- rative Optimierungspotentiale über lange Zeit brach liegen mente (Prozesse, CMDB, Tool, einheitlicher Kunden- und diese mit herkömmlicher Technik realisiert werden kön- zugang) hatte eine markante Steigerung der Kun- nen. Die wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 65 denzufriedenheit zur Folge. Bereits ein Jahr nach gekennzeichnet und nachfolgend dargestellt: Einführung waren die Kundenzufriedenheitswerte innerhalb des gesetzten Zielbandes (Veränderung Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung um 0.3 Punkte von 4.8 auf 5.1 auf einer Skala von 1 wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen bis 6). Der Support erfolgte schneller, zu tieferen wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert? Kosten und mit einer grösseren Anwenderfreundlichkeit. Eine positive Dynamik konnte sich etablieren. Kundennutzen: einheitliche Supportprozesse Unabhängig vom konkreten Supportfall werden die relevan- Fehlende Kennzahlen waren ein wesentliches Defizit der ten Daten einheitlich in das System eingetragen und der Sta- Ausgangssituation. Mit der eingeführten Lösung sind diese tus ist auf Kundenseite ersichtlich. Dies erhöht die Transpa- Kennzahlen nun automatisiert verfügbar und auch nachvoll- renz und schliesslich das Vertrauen, auch wenn der ziehbar. Auf der Grundlage dieser neu gewonnenen Transpa- persönliche Kontakt mit dem Supportmitarbeitenden kürzer renz können nun quantitative Entscheidungsgrundlagen für wird oder gar ganz wegfällt. die Entwicklung des Betriebs zur Verfügung gestellt werden. Das wiederum resultiert in einer höheren Zufriedenheit der Operational & Service Excellence: Transparenz und Supportmitarbeitenden und letztlich in Schnelligkeit messbar tieferen Kosten. Ein Auslöser für das Vorhaben waren die Mehraufwände, die durch mangelhafte Bearbeitung von Supportanfragen verur- Rückblickend ist auch der Aufbau einer CMDB als zentraler sacht wurden. Durch die Transparenz der für alle einzuse- Erfolgsfaktor zu betrachten. Obwohl der Aufbau sehr res- henden Supportanfragen werden diese zeitnaher erledigt. 95 96 Fallstudien Ebenso führt die Möglichkeit des Kunden, die Lösung zu bewerten, zu einem Feedbackloop, der sich positiv auf die Qualität auswirkt. Was wurde bzw. wird digital transformiert? Business Operations: durchgehend digital und asynchron Durch den flächendeckenden Einsatz von Jira ServiceDesk laufen die Supportprozesse primär asynchron ab. Eine synchrone Kommunikation beispielsweise über Telefon ist nur noch in Ausnahmefällen nötig. Dies spielt eine wichtige Rolle bei der Einführung erweiterter Supportzeiten. Wie und wodurch wird transformiert? Prozessdigitalisierung: Automatisierung und Integration im Back-End Um einen qualitativ hochstehenden und raschen Support anbieten zu können, müssen eine Vielzahl von Informationssystemen eingebunden sein. Ein Supportsystem ohne Anbindung an die bestehenden betrieblichen Informationssysteme (CMDB, Monitoring, etc.) kann nicht die flächendeckenden Informationen anbieten wie eine hoch integrierte Lösung. Business Process Management 2016 Abb. 65 VONTOBEL-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS 97 98 Fallstudien 4.5 FALLSTUDIE SWISSCOM: «DIE EINFÜHRUNG Das strategische Ziel der Swisscom – «die beste Begleiterin VON PRODUKTIONS- UND SERVICEKATALOGEN – und vertrauensvolle und inspirierende Partnerin in der ver- DER ERSTE SCHRITT ZUR INDUSTRIALISIERTEN netzten Welt zu sein» und ihren Kunden immer, überall, si- FERTIGUNG» cher und einfach verfügbare Leistungen mit ausserordentlichen Erlebnissen zu bieten (vgl. Abbildung 66) – erfordert, IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON –– Andreas Hilber, Head of Process Architecture dass sie gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Trends antizipiert und aufnimmt. Als wegweisend für die Zukunft der ICT-Branche schätzt sie dabei die folgenden Trends ein (Swisscom AG, 2015): Network & IT Operations, Swisscom AG –– Immer online: Die Digitalisierung führt dazu, dass nicht nur Menschen, sondern auch intelligente Applikationen 4.5.1 Ausgangssituation und Rahmen und Geräte zunehmend miteinander vernetzt sein Swisscom ist das führende Telekommunikations- werden. und eines der führenden IT-Unternehmen der –– Internetbasiert «All IP»: Produkte & Services werden Schweiz und bietet Geschäfts- und Privatkunden künftig auf Basis des Internet-Protokolls betrieben. Mobilfunk, Festnetz, Internet, Digital-TV und Infor- Speicherplatz, Rechenleistung und Software werden matik-Dienstleistungen an. Über den Wholesale- verstärkt aus dem Internet bezogen. Kanal stellt sie auch Dritten ihre Netz- und IT-Infra- –– Globaler Wettbewerb: Weltweit tätige Mitbewerber profi- struktur zur Verfügung. Mit 21 600 Mitarbeitenden tieren von globalen Skaleneffekten und verändern die erwirtschaftete Swisscom 2015 einen Jahresum- Geschäftsmodelle durch eine verstärkte Nutzung von satz von rund CHF 11,6 Mia. Kundendaten. Abb. 66 UNTERNEHMENSSTRATEGIE «SWISSCOM 2020» Business Process Management 2016 Eine diesen Anforderungen entsprechende Netz- und IT-Inf- schen rastruktur, welche effizient und zielgerichtet eingesetzt wer- kontinuierlich erodieren. Trotzdem müssen hohe Investitionen Geschäft mit nutzungsabhängigen Angeboten den kann, ist dabei eine Grundvoraussetzung. Sie muss in die sich verändernde Technologie und den Ausbau der nicht nur professionell unterhalten und betrieben, sondern Infrastruktur getätigt werden. Um dieser Entwicklung gerecht auch kontinuierlich ausgebaut und immer wieder neu ausge- zu werden, muss einem Ergebnisrückgang auch durch Stei- richtet werden, um dem wachsenden Bedarf an Leistungen gerung der Effizienz begegnet werden. gerecht zu werden: Der Breitbandbedarf im Festnetz verdoppelt sich alle 16 Monate, im Mobilfunk jährlich. Mit neuen Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die Organisations- Servicedienstleistungen steigt ebenfalls der Bedarf an Data- einheit «Network & IT Operations» (ca. 2 300 Mitarbeiter) da- centerleistungen stetig an. mit, wie sie künftig ihren Auftrag – den zentralen Betrieb der Infrastruktur – effizient und günstig gestalten, und gleichzeitig Doch technologischer Wandel, intensiver lokaler und globa- die vereinbarte Qualität erhöhen kann. Abbildung 67 visuali- ler Wettbewerb und die sich verändernden Kundenbedürf- siert die Aufgabe von «Network & IT Operations» innerhalb nisse führen dazu, dass die Preise und Volumen im klassi- des Prozessmodells von Swisscom. Abb. 67 ROLLE DER ORGANISATIONSEINHEIT «NETWORK & IT OPERATIONS» IM PROZESSMODELL SWISSCOM 99 100 Fallstudien 4.5.2 Motivation und Zielsetzung Mit dem katalogbasierten Ansatz soll sinngemäß eine Ver- Durch den Zusammenschluss Swisscom IT Servi- schiebung wie folgt stattfinden: ces und Swisscom Schweiz im Jahre 2014 wurde die Produktion in einer Einheit zusammengeführt, welche aufgrund ihrer Historien unterschiedliche Kun- VON: ZU: Historisch entstandene Strukturierte Fertigungs- densegmente bediente und zum Teil überlappende und dokumentierte Produktionskataloge aufwies. Ein einheitlicher ge- Fertigungsprodukte produkte und industrialisierte Fertigung meinsamer Katalog wurde als Hebel für die Standardisierung, Zusammenführung und Abstimmung der Leistungserbringung aufeinander erkannt. Dies mit dem Ziel, die Leistungs-, Qualitäts- & Betriebskosten-Transparenz zu adressieren und auf die künftigen Herausforderungen optimal vorbereitet Hohe Komplexität Funktionale, generische Merkmale Siloartiger Aufbau Konfigurierbare Modularität Hohe Integrationskosten Reduzierte Komplexität Toolabhängigkeit Toolunabhängigkeit und ausgerichtet zu sein. Abb. 68 FERTIGUNG IN VERTEILTEN FERTIGUNGSSTRASSEN ÜBER VIELE ORGANISATIONSEINHEITEN HINWEG Business Process Management 2016 «Unser Anspruch ist eine industrialisierte Fertigung in einer verteilten ICT-Produktionsumgebung zu schaffen, um damit einen Beitrag zu leisten, den Umsatz- und Ergebnisrückgang durch Steigerung der Effizienz kompensieren zu können. Und dies bei Erhöhung der zur Verfügung gestellten Qualität.» Andreas Hilber, Head of Process Architecture, Network & IT Operations, Swisscom AG INDUSTRIALISIERTE FERTIGUNG Durch die Fertigung hoher Güterstückzahlen können ver- Industrialisierung ist ein volkswirtschaftlicher Prozess, der schiedene Rationalisierungsmöglichkeiten genutzt und durch signifikante Zunahme von gewerblicher Gütererzeu- tiefe Stückkosten erzielt werden. Wegen der wegfallen- gung mit wachsendem Maschineneinsatz in grossge- den häufigen Umrüstungsnotwendigkeit der Produktions- werblicher, arbeitsteiliger Produktionsorganisation geprägt anlagen bietet sich eine Teil-/Automatisierung des Pro- ist (Gabler Wirtschaftslexikon). duktionsprozesses an. Gleichzeitig darf die Kundenperspektive nicht aus dem Fo- Abbildung 69 demonstriert die Mehrstufigkeit dieser Tren- kus geraten, damit der Kunde seine Bedürfnisse in seiner nung von WAS und WIE. Ein Core Service ist die kleinste eigenen Sprache formulieren kann, ohne sich zuerst mit dem bestell-, liefer- und verkaufbare Leistungseinheit. Vordefinier- technischen Hintergrund der Produkte und der dafür not- te Konfigurationsmöglichkeiten und Optionen erlauben eine wendigen Infrastruktur auseinandersetzen zu müssen. gewisse Individualisierung. Die Qualität wird in einem SLA vereinbart. Ein Service Part ist ein Halbfabrikat, das in einer «Die Kunden wollen ein Service-Erlebnis und keine IT-Komponenten!» Andreas Hilber, Head of Process Architecture IT & Network Operation, Swisscom AG Fertigungsstrasse produziert und in verschiedenen Core Services wiederverwendet werden kann. Er umfasst personelle Leistungen (Arbeitsaufträge, Prozesse, Stunden) und techn. Leistungen (HW, SW, Lizenzen etc.). Die Qualität wird in einem OLA definiert. Von einem solchen Vorgehen verspricht sich Network & IT Operations folgende operative Zielsetzungen zu erreichen Die konsequente Trennung des WAS (Kundenwunsch) und und dadurch der Koexistenz zwischen Economy of Scale des WIE (für Kunden Lösung erbringen) ist deshalb eines der und Economy of Scope optimal begegnen zu können: Kernprinzipien, um die industrialisierte Fertigung umsetzen zu –– Economy of Scope: Dank Modularisierung der Produkte können. Erst ihre Befolgung erlaubt eine konsequente Stan- wird der Swisscom-Vertrieb befähigt, die Endkunden dardisierung und damit Economy of Scale zu liefern bei flexibler, schneller und effizienter zu bedienen und somit gleichzeitiger Ermöglichung von Economy of Scope. Mit an- Time-to-Market bei erhöhter Qualität zu senken (Ver- deren Worten, Modularisierung der Leistungserbringung bei bundeffekte durch eine gemeinsam genutzte Infrastruktur gleichzeitiger Standardisierung der Variabilität (Anzahl der der modularisierten Produkte ermöglichen eine optimierte Ausprägungen eines einzelnen Moduls). Servicebereitstellung beim Kunden). 101 102 Fallstudien Abb. 69 vice- und Produktarchitektur der Grundstein zur industriali- KERNPRINZIPIEN DER INDUSTRIELLEN FERTIGUNG, TRENNUNG VOM WAS UND WIE sierten Fertigung gelegt. Die neuen Kataloge sollen zunächst die IST-Situation spiegeln und die internen Produkte (Halbfabrikate) mit neuen Informationen (wie z.B. Herstellungskosten, Konfigurationsdaten, KPI-Zielwerte, Arbeitspläne (Prozess), Stücklisten (HW, SW…) angereichert werden. Diese müssen einheitlich erhoben und dargestellt werden, so dass normalisierte Daten entstehen und auf den höheren Stufen weiter genutzt werden können. 2. E2E-Prozesse zwischen Produktion und Vertrieb: Auf der zweiten Stufe werden die modularisierten und katalogisierten Halbfabrikate aus der Produktion den Verkaufseinheiten zur Verfügung gestellt. Die Durchgängigkeit der Prozesse und die einfachere Handhabbarkeit der informationsreichen Kataloge sollen eine intensive Nutzung der Kataloge an der Front bewirken, was sich wiederum in planbaren Auslieferungs- und Herstellungsprozessen und einer kürzeren Time-to-Market niederschlägt. –– Economy of Scale: Reduzierte Produktvariabilität ermög- 3. Serviceinventar: licht Massenproduktion, Prozess-Standardisierung und Auf der dritten Stufe sollen die effektiv laufenden Service-Ins- -Automatisierung und eine bessere Steuerung der Be- tanzen gemäss Verträgen in einem Serviceinventar festgehal- triebskosten. Dies resultiert in reduzierten Kosten und ten werden, um einerseits ein konsistentes Inventar der Kon- gesteigerter Effizienz. figurationselemente (CI, configuration item) über den Product Life Cycle entwickeln und benötigte Anpassungen der Infra- 4.5.3 Umsetzung und Wirkung struktur erkennen zu können. Andererseits ermöglicht ein In 5 Stufen zur industrialisierten Fertigung Serviceinventar auch eine kritische Auseinandersetzung mit Anfangs 2015 (Januar bis März) konzipierte Swisscom Net- dem bestehenden Produktangebot und seiner Neuausrich- work & IT Operations ein fünfstufiges Vorgehenskonzept tung. (Abbildung 70), welches sie zur industrialisierten Fertigung führen soll. Jede Stufe baut auf der vorangehenden Stufe 4. Service Monitoring & Service Level und Mengen- auf, wobei jede Stufe für sich bereits einen Mehrwert er- Reporting: bringt. Ein proaktives Service Level Management hilft, die Herausforderungen der verteilten Produktionsumgebung zu managen. 1. Produktionskataloge für interne Betriebs- & externe Markt-Leistungen: 5. Verrechenbarkeit: Auf der untersten Stufe wird durch Dekomposition und Ka- Die durch die Umsetzung der unteren Stufen entstandene talogisierung der produzierten Services in einer neuen Ser- Kostentransparenz ermöglicht weitere Effizienzsteigerung. Business Process Management 2016 Phase 1 Um dabei für alle Produkte gleich vorgehen und die vielfälti- Im April 2015 begann Swisscom Network & IT Operations gen Themen gleichwertig behandeln zu können, bedarf es die unterste Stufe des Vorgehensmodells «Produktionskata- einheitlicher Merkmalsdefinitionen, Regelwerke und definier- loge für interne Betriebs- & externe Markt-Leistungen» in ei- ter Prozesse. Die Swisscom Operations definierte deshalb ner ersten Phase umzusetzen. Innerhalb von 10 Monaten 10 Prinzipien für die Produktmodellierung: wurde die gesamte Breite des Produktionsportfolios wie z.B. Connectivity, Grundinfrastruktur IT-Application oder Multime- 1. Die Funktionen und Leistungen der Produkte ste- dia mit der anerkannten bE_Methode® einheitlich dekompo- hen im Zentrum. niert, zu Services modelliert und als wiederverwendbare, in- Der Blickwinkel der Leistungsbezüger (das WAS bzw. der dividualisierbare Standardleistungen im Katalog abgebildet. Bedarf des Kunden) ist hierfür relevant. Es sollen individuali- Dieser Katalog bein-haltet vielschichtige Informationen zu: sierbare Leistungen –– den enthaltenen Leistungen (HW, SW, Prozessleistun- tungselement bei gleichzeitiger Standardisierung derer Varia- gen/Stunden etc.) –– den wählbaren Funktionen und den möglichen QualitätsLeveln –– den Herstellkosten (Stücklisten, Arbeitspläne, Lizenzen, aus einer Modularisierung von Leis- bilität entwickelt werden, wobei die möglichst hohe Wiederverwendung von Halbfabrikaten in diesen individuell zusammengestellten Produkten das Ziel sein soll (vgl. auch Prinzip Nr. 6). Volumen wie z.B. Speicherbedarf etc.) Abb. 70 DIE 5 STUFEN ZUR INDUSTRIALISIERTEN FERTIGUNG 103 104 Fallstudien 2. Koexistenz von Economy of Scope (Servicebereit- 4. End-to-End(E2E)-Governance der Servicearchi- stellung beim Kunden) & Economy of Scale (individu- tektur. alisierter Massenfertigung). Die E2E-Governance verbindet die teilweise verschiedenen Durch die Schaffung von Transparenz über heute bereits Vorgaben aus den unterschiedlichen Portfolios. Sie regelt produzierte Leistungen und der Entkoppelung des WAS vom und orchestriert entlang der ganzen Wertschöpfungskette WIE (Abbildung 72) können individuelle Produkte am Markt alle relevanten Themen (definiert einheitliche Methoden und angeboten (Scope) und durch Wiederverwendung beste- E2E-Prozesse, Begriffe, Merkmale, Regeln & Symbole, Re- hender Infrastruktur trotzdem in ökonomisch interessanten leases, Status etc.) und erlaubt es, die richtigen Dinge auch Massen produziert werden (Scale). richtig zu tun. 3. Portfolios definieren die Produktverantwortung 5. Entkopplung Katalog & Serviceinventar (Produkt- (für z.B. Plattformleistungen & interne/externe Markt- & Angebot-Lebenszyklus). leistungen bei Organisationen). Im Katalog werden die bestellbaren Leistungen (mit allen Um den vielfältigen Bedürfnissen bzw. Sichten innerhalb der möglichen Funktionen und Ausprägungen) abgebildet, im verschiedenen Einheiten gerecht zu werden, soll in der Pro- Serviceinventar dagegen aktive Instanzen (d.h. z.B. Angebo- duktverantwortung die Entkopplung von WAS und WIE ge- te und Vertragsentwürfe) hinterlegt. spiegelt werden. In den Commercial-Portfolios sollen verkaufbzw. lieferbare Produkte für Endkunden (WAS), in 6. Entkopplung von Core Service & Service Part. Production-Portfolios die für die CFUs (= Customer Facing Eine durchgehende Methodik bei der Modulierung von Servi- Units = Vertriebseinheiten der Swisscom) produzier- bzw.lie- ces und die Entkopplung zwischen der Ebene Core-Service ferbaren Leistungen bewirtschaftet werden. Um die benötig- (lieferbare Einheit) und Service Part (Halbfabrikat) schafft die ten Wertschöpfungstiefen nutzergerecht abbilden zu können, Grundlage für die individualisierte Wiederverwendung von können je nach Bedarf mehrere CFUs und mehrere Produc- Halbfabrikaten bzw. Infrastruktur. tion-Portfolios definiert werden. Abb. 71 SERVICES-LEBENSZYKLUS Business Process Management 2016 7. Entkopplung von Service Level (SLA) & Operatio- Basierend auf den 10 Prinzipien wurden mithilfe der folgen- nal Level (OLA) Agreements. den und weiteren Fragen die internen Produktmanager zu In der industriellen und verteilten Produktion sollen Vereinba- den existierenden Services befragt, darauf aufbauend eine rungen einheitlich, standardisiert und durchgängig getroffen neue Service- und Produktarchitektur abgebildet, die de- werden, um interne und externe Kundenbeziehungen komponierten Services richtigen Ebenen zugeordnet und (durch SLAs) und interne Leistungserbringungsbeziehun- erfasst: gen (durch OLAs) effizient zu «objektivieren» bzw. zu steuern. –– Welcher Nutzen (Funktionen, Features) soll mit dem 8. Entkopplung von Prozessleistungen, Status & Re- –– Wie modular (Optionen, Varianten) muss das Produkt Produkt X beim Kunden erzeugt werden? leases je Servicearchitektur-Ebene. Im Produktentwicklungsprozess soll für eine neue Anforderung die Phase «Setup» nur einmalig durchlaufen wer-den, d.h. Anpassungen werden gleichzeitig auf allen Ebenen ausgelöst. Sobald die Anforderungen aller Ebenen in «ready for service» sind, wird die Betriebsphase angestossen. Auf diese Weise erfolgt die Evolution von Services in kleinen Schritten durch verschiedene Releases und der Betrieb einer neu- sein? –– Welche Service-Level-Zielwerte können vereinbart werden? –– Welche Teilleistungen können aus anderen Portfolios oder extern bezogen werden? –– Wo liegen die Verantwortungsbereiche in der bestehenden Organisation? –– Können die Service Parts wiederverwendet werden? en Anforderung kann wiederkehrend aufgenommen bzw. in beliebig vielen Services wiederverwendet werden. Ergebnisse Phase 1 «Produktionskataloge für interne Betriebs- & externe Markt-Leistungen» 9. Entkopplung von Service Management & Produc- Seit April 2016 sind die neuen Kataloge – konsequent und tion Management. strikt methodisch in Portfolios entlang der Wertschöpfungs- Analog zu Prinzip Nr. 7 müssen das Production Management kette strukturiert – verfügbar. Sie bilden leistungsorientierte und das Service Management getrennt und entsprechende und IT-Stack-unabhängige Servicebäume, wodurch die Port- Rollen aufeinander abgestimmt werden. Core Services, Ser- folio-übergreifende Integration von Leistungen sichergestellt vice Packages & Business Services gehören dabei zum Ser- wird. Durch die Baumstruktur sind auch die Leistungs- und vice Management und werden mithilfe von Service Level & Kosteninformationen einfach aggregierbar. Mengen Reports gesteuert und überwacht. Service Assets und Configuration Items werden im Rahmen des Production Während der Produktmodellierung stellte sich Network & IT Management mithilfe von Operation Level Reports gesteuert Operations die Frage, ob alle potenziell möglichen Ausprä- und überwacht. gungen der Leistungen und Infrastruktur (z.B. alle Typen von Betriebsservern) analysiert und abgedeckt werden sollen. Es 10. Financial, Quality & Capacity Controlling (Men- wurde bewusst entschieden, nicht alle Details im ersten gen, Kosten, Qualität, Umsätze). Schritt aufzunehmen, sondern schnell die Gesamtbreite des Im Bereich Service Management werden Kennzahlen zu Portfolios abzudecken und allfällige Lücken im Gebrauch zu E2E-Verfügbarkeit von Systemen und deren Performance, im bereinigen. Bereich Production Management Kennzahlen für die Infrastruktur- und Plattformverfügbarkeit ausgewiesen und über- Erste positive Ergebnisse stellten sich bereits während der prüft. Erstellung des Kataloges ein. So fragten die Produktmanager 105 106 Fallstudien «Die Produktkataloge liefern die Grundlage für die industrialisierte Fertigung.» Andreas Hilber, Head of Process Architecture Network & IT Operations, Swisscom AG 4.5.4 Fazit Die vorliegende Fallstudie zeigt das Vorgehen und die Erfahrungen der Swisscom Network & IT Operations bei der Standardisierung ihrer Leistungen und der Entwicklung einer neuen Service- und Produktarchitektur. Getrieben durch die steigende Komplexität der Produkte und die wachsenden Qualitätsanforderungen der Kunden, welche die bereits in dieser Phase nach den standardisierten Produkten Betriebskosten erhöhen, galt es, bei gleichzeitiger nach, was ein wichtiger Beitrag und gewünschter Effekt für Erhöhung der Qualität Kosten zu reduzieren und die Wiederverwendung von bestehenden Leistungen ist. die Effizienz zu steigern. Inspiration holte sich Swisscom aus der herstellenden Industrie und ori- Nächste Schritte entierte sich an der individualisierten Massenpro- Die erste Projektphase («Produktkataloge für interne Be- duktion (industrialisierten Fertigung). Um das lang- triebs- & externe Markt-Leistungen») erreichte mit der Bereit- fristige Ziel, «leading-edge ICT Provider» zu stellung normalisierter Servicedaten den angestrebten Sta- erreichen, wurden fünf Stufen definiert, die einen tus, der notwendig ist, um in die zweite Projektphase Rahmen für eine Einführung in Phasen und für den (End-to-End-Prozesse zwischen Produktion und Vertrieb) Einsatz und die kontinuierliche Verbesserung die- überzugehen. ser Methode im täglichen Betrieb bilden. Im April 2016 hat Swisscom Network & IT Operations diese Mit der Umsetzung der ersten Phase wurde der Grundstein zweite Phase gestartet. Im Fokus stehen die Durchgängig- für die Einführung der industrialisierten Fertigung gelegt. Eine keit, Standardisierung und Automatisierung der datengetrie- neue Produkt- und Servicearchitektur wurde entwickelt, Ser- benen End-to-End-Prozesse und die deutliche Vereinfa- vices dekomponiert und als wiederverwendbare, individuali- chung der Katalognutzung für die Mitarbeitenden (interne sierbare Standardleistungen in transparenten, homogenen Leistungsbezüger) durch die Realisierung einer internen On- und entlang der Wertschöpfungskette strukturierten Katalo- line-Shop-Lösung. Damit soll die Wiederverwendung der gen abgebildet. Dies wurde insbesondere durch die konse- Katalogelemente erhöht werden. quente Trennung des WAS und des WIE bzw. die Entkopplung von Produkt- und Produktionssicht (Abbildung 72) ermöglicht und auf verschiedenen Ebenen appliziert Die dabei entstandenen normalisierten Daten bilden die Voraussetzung, um die weiteren Stufen der Transformation in Angriff nehmen zu können. Gleichzeitig wurden Prinzipien und Methoden entwickelt, die nach der erstmaligen Ist-Aufnahme und -Abbildung der Produkte auch weiterhin eingesetzt werden, um die Kataloge aus der Projekt- in die Betriebsphase zu überführen und ihre künftige aktive Bewirtschaftung sicherzustellen. Dadurch wird sich auch der Bereitstellungsprozess verändern, der bis dato einen starken Projektcharakter aufwies. Business Process Management 2016 Abb. 72 GESAMTÜBERSICHT ZIELE, VORGEHEN, LÖSUNGSANSATZ Abb. 73 ERFOLGSFAKTOREN 107 108 Fallstudien Die Wirkung der bereits erreichten Änderungen quantifiziert Swisscom Network & IT Operations mit einer Effizienzsteigerung von drei bis fünf Prozent. Erhöht wurde auch die Akzeptanz der internen Leistungsbezüger, die die Transparenz der Servicekomponenten sehr schätzen und diese bewusst und gezielt anwenden. Nun gilt es, diesen «Spirit» weiter zu tragen und alle Mitarbeitenden vom Nutzen des Kataloges zu überzeugen. Die wichtigsten Faktoren, die zu diesem Erfolg geführt haben, fasst die Abbildung 73 zusammen. «Hard ist soft und soft ist hard – erfolgreiches Katalogmanagement setzt eine Kulturveränderung mit motivierten Mitarbeitenden voraus.» Andreas Hilber, Head of Process Architecture, Network & IT Operations, Swisscom AG Einbettung in das Studienframework – Kundennutzen durch digitale Transformation? duktion von Komplexität macht die Infrastruktur nicht nur für Network & IT Operations beherrschbarer und effizienter, son- Im Unterschied zu Unternehmen in manch anderen Bran- dern macht sie auch transparenter und begreifbarer für die chen, die über Relevanz und Fokus der Digitalisierung noch Leistungsbezieher. Verfügbare Produkte, deren Leistungs- nachdenken, ist sie für Swisscom Kerngeschäft. Dem Be- umfang und Herstellkosten sind aus den Katalogen rasch trieb einer Netzwerk- und IT-Infrastruktur, deren Zweck es ist, ersichtlich und auswählbar. Geschäfts- und Privatkunden, Partnern und Mitarbeitenden «das Beste in der vernetzten Welt – immer und überall» zu Produkt- & Service Innovation: Time-to-Market bieten» (Swisscom AG, 2015), kommt dabei zweifelsfrei eine Standardisierung und Zugänglichkeit bewirken, dass Leistun- Schlüsselrolle zu. In diesem Sinne stellt die Swisscom-Stra- gen, aufgrund ihrer Eigenschaften schneller abgerufen wer- tegie 2020 die Ziele «beste Erlebnisse bieten» und «beste den können. Die Entwicklung neuer Produkte und Services Infrastruktur bauen» auf eine Ebene. Das eine ist ohne das wird beschleunigt, da bestehende Komponenten wiederver- andere nicht möglich. Die vorliegende Fallstudie macht die- wendet werden können, anstatt bei jedem Bedarf Anforde- sen Wirkungszusammenhang deutlich. Sie zeigt auf, dass rungen aufs Neue zu spezifizieren. ein effizienter und hochstandardisierter IT-Betrieb nicht nur für Operational & Service Excellence steht, sondern sich auch Operational Service Excellence: Economies of scale auf die Fähigkeit, Produkte und Services rasch zu innovieren & scope und auf das Kundenerlebnis auswirkt. Durch die Wiederverwendbarkeit nach dem Vorbild der Halbfabrikate in der industriellen Fertigung werden Skaleneffekte Die Fallstudie deckt somit ein breites Spektrum an Aspekten erzielt (drei bis fünf Prozent realisierte Effizienzsteigerung). aus dem Studienframework ab, die in Abbildung 74 gekenn- Leistungsbreite und Leistungstiefe sind aus Kundensicht er- zeichnet und nachfolgend ausgeführt sind: höht, da die Produktkataloge ein grosses Spektrum an individuell kombinierbaren Produkten integrieren. Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen Was wurde bzw. wird digital transformiert? wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert? Business Model: «Produkt- und Service-Modelle» Kundennutzen: Transparenz & Zugänglichkeit Swisscom Network & IT Operations hat sich mit den angebo- Die Fallstudie zeigt, dass Prinzipien wie Konsistenz und Ein- tenen Produkten und Dienstleistungen auseinandergesetzt fachheit für Swisscom nicht nur für die Gestaltung von End- und in einer Produkt- und Servicearchitektur neu strukturiert. nutzerdiensten gilt, sondern auch für den IT-Betrieb. Die Re- Grundprinzip der Produktmodellierung ist die Frage «Was er- Business Process Management 2016 hält der interne oder externe Kunde an nutzbaren Leistungen?» («Know-Your-Product»). Business Operations: Mit dem beschriebenen 5-Stufen-Konzept werden die kritischen Geschäftsfähigkeiten, die Swisscom Network & IT Operations als «leading-edge ICT Betrieb mit internationaler Reputation» anstrebt (Produktkataloge, durchgängige Prozesse, Serviceinventar, Service Engine etc.), definiert, schrittweise umgesetzt und kontinuierlich verbessert («Know-YourCapabilities») Wie und wodurch wird transformiert? (Technologieeinsatz, Elemente der Prozessdigitalisierung) Produktdaten und Automatisierung: Mit den Produktkatalogen, die die Services (Hardware, Software und Prozessleistungen) dekomponiert, standardisiert und einheitlich abbildet, wurde die Grundlage für automatisierte und datengetriebene Serviceprozesse geschaffen. Der nächste Schritt – Automatisierung durchgängiger Prozesse – wurde gestartet. Online Shop: Die Interaktion mit Swisscom-internen Leistungsbezügern wird in Phase 2 durch die Bereitstellung der Kataloge in einem internen Online-Shop realisiert. Dies ist ein erster Schritt, um automatisierte Produktion in durchgängige End-to-EndProzesse zu integrieren. 109 110 Fallstudien Abb. 74 SWISSCOM-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS Business Process Management 2016 5. Fazit 5.1 STATUS QUO «KUNDENNUTZEN DURCH Die digitale Transformation ist nicht nur ein mediales Phäno- DIGITALE TRANSFORMATION»: FAZIT AUS DER men, sondern zeigt sich sehr konkret in einer Vielzahl von ONLINE-BEFRAGUNG Massnahmen und Aktivitäten in den Unternehmen. Dabei wen- Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als den sie sich keinesfalls nur der «Sonnenseite» der Digitalisie- Gestaltungselement der digitalen Transformation? rung in Form mobiler Applikationen oder technologischer Gad- Ziel der quantitativen Online-Befragung war es, den gets zu, sondern befassen sich intensiv mit Defiziten in der Status quo des Methoden- und Werkzeugeinsatzes Durchgängigkeit ihrer Prozesse und mit der Modernisierung innerhalb und an den Schnittstellen der drei Wir- ihrer Arbeitsplätze. Das fachliche und technische Prozessma- kungsfelder «Prozessmanagement – Kundennutzen nagement ist also gefordert, aber das volle Potenzial für die – Digitalisierung» zu erheben und daraus Erkenntnis- Maximierung des Kundennutzens ist noch nicht ausgeschöpft. se über die Bereitschafft des Prozessmanagements Die Erkenntnisse aus der quantitativen Online-Befragung (Ab- für den digitalen Wandel abzuleiten. bildung 75) führen zu folgendem Fazit: STRATEGISCHE AUSRICHTUNG DES PRO- gegeben, wenn Unternehmen digitale Kanäle optimie- ZESSMANAGEMENTS – KUNDENZENTRISCH ren oder erweitern. 44 % der Unternehmen geben an, UND TECHNOLOGIENAH? keine Methoden einzusetzen, um Prozesse vom und Transparenz ist immer noch die wichtigste Motivation für zum Kunden, das heisst Front-to-Back, durchgängig das Prozessmanagement. Doch Kundenzufriedenheit ge- zu realisieren. Dies lässt befürchten, dass viele der ak- winnt an Relevanz und wird ähnlich hoch priorisiert wie Effi- tuell im Rahmen von Digitalisierungsinitiativen realisier- zienz, die mehr als 80 % der Unternehmen als Zielsetzung ten Front-End-Lösungen ohne durchgängige Anbin- nennen, aber nur noch rund ein Viertel der Unternehmen dung an die Back-End-Systeme bleiben und zu Silos als höchste Priorität des Prozessmanagements betrachtet. werden. Die flexible oder gar individuelle Anpassung Unternehmen nutzen die durch das Prozessmanagement von Prozessen an den Kundenkontext ist im Zeitalter gewonnene Transparenz zumindest punktuell, um für die der «Customer Experience» noch keinesfalls Alltag. Kundenzufriedenheit kritische Prozesse, Standardisie- 27 % der Unternehmen setzen keinerlei Methoden für rungs- und Automatisierungspotenzial oder Digitalisie- die Flexibilisierung ihrer Prozesse ein. Wenn sie es tun, rungspotenzial für schwach strukturierte Prozesse oder dann kommen in Form von Geschäftsregeln etablierte Kundeninteraktionen zu identifizieren. Systematisch genutzt Technologien zum Einsatz, die für komplexe, aber gut werden diese Analysen jedoch von weniger als einem Drit- formalisierbare Anwendungsfälle greifen. Innovativere, tel der befragten Unternehmen. Für das Prozessmanage- wissensbasierte und selbstlernende Methoden wie bei- ment besteht also durchaus noch Potenzial, stärkere Im- spielsweise Adaptive Case Management, die auch pulse schwach strukturierte und wissensintensive Prozesse für die Digitalisierung und kundenorientierte Gestaltung der Prozesse zu setzen. digitalisieren könnten, fristen hingegen weiterhin ein Schattendasein. Erfreulich ist der vermehrte Einsatz PROZESSDIGITALISIERUNG – DURCHGÄNGIG von Ad-hoc-Workflows im Vergleich zum Vorjahr, da sie UND FLEXIBEL? Prozessbeteiligten mehr Freiheit für die Ausgestaltung Medienbrüche gehören immer noch zum Alltag in Un- konkreter Prozessinstanzen in schwach strukturierten ternehmen. Durchgängigkeit ist auch nicht unbedingt Prozessen geben. 111 112 Fazit DIGITALE TRANSFORMATION – FRONT-END te, Dienstleistungen oder Interaktionsformen vor der VERSUS BACK-END, STRATEGISCH VERSUS Markteinführung systematisch. Mehr als die Hälfte der OPPORTUNISTISCH? Unternehmen setzen Customer Journeys ein, 18 % be- Die Hypothese, dass sich Unternehmen aktuell vor allem reits systematisch. den medienwirksamen Front-End-Themen der Digitalisierung widmen, hat sich nicht bestätigt. Unternehmen haben KUNDENPERSPEKTIVE – WAS LEISTEN PRO- offensichtlich erkannt, dass sie sich zunächst den zuneh- ZESSLANDKARTEN UND -MODELLE? mend dringlichen Durchgängigkeitsdefiziten ihrer Prozesse Obwohl Kundenzufriedenheit ein hoch priorisiertes Ziel zuwenden müssen (88 %), bevor sie die «digitalen Tore» zum des Prozessmanagements ist, werden Prozesslandkar- Kunden aufstossen können. Auch die Schaffung innovativer ten, die zentralen Kommunikationsinstrumente des strate- digitaler Arbeitsplätze geniesst Vorrang (86 %). Entweder re- gischen Prozessmanagements, von weniger als einem agieren Unternehmen auf den Druck einer neuen Generation Drittel der Unternehmen genutzt, um Kundenbedarf und von Mitarbeitenden oder sie sehen Mobilität und moderne Kundenbeziehungen zu visualisieren. Die konsequente Kollaboration als Voraussetzung für eine bessere Interaktion End-to-End-Ausrichtung zeigt sich nur bei 18 % der Pro- mit Partnern und Kunden. Innovation und Customer Experi- zesslandkarten. 30 % der Unternehmen räumen ein, Pro- ence treten dabei jedoch nicht in den Hintergrund. Unter- zesse ausschliesslich aus der internen Perspektive zu nehmen arbeiten intensiv an digital erweiterten (81 %) oder modellieren. Dass Prozessmodelle damit bedingt einsetz- neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen (72 %) und bar sind, um Prozessverantwortliche und Prozessbeteilig- investieren in neue Technologien an der Schnittstelle zum te bei der kundenorientierten Optimierung von Prozessen Kunden (z.B. Mobile, IoT, Social Media) oder experimentie- zu unterstützen liegt auch daran, dass kaum Details zu ren zumindest mit diesen (77 %). KMUs sind leicht zurückhal- den Kundeninteraktionen hinterlegt werden und auch die tender bei technologie- und kostenintensiven Themen, wie für die Kundenbeziehung kritischen Aktivitäten und Inter- der Optimierung der User Experience, Big Data oder einer kationen nicht speziell gekennzeichnet werden. service-orientierten Architektur. Die Frage, ob diese Aktivitäten opportunistisch oder top-down von einer unternehmens- KUNDENDATEN – GRUNDLAGE FÜR DIE PRO- weiten digitalen Strategie getrieben sind, lässt sich aktuell ZESSOPTIMIERUNG UND FLEXIBLE PROZESS- nicht abschliessend beantworten. Nur 14 % der Unterneh- AUSFÜHRUNG? men haben eine digitale Transformationsstrategie, aber wei- Obwohl Unternehmen Kundendaten ausgeprägt sam- tere 44 % geben an, an einer solchen zu arbeiten oder zu- meln und auswerten, werden sie für die Prozessgestal- mindest eine solche in Betracht zu ziehen. tung und -ausführung noch nicht umfassend genutzt. Nur etwa ein Drittel der Unternehmen nutzt Kundendaten für KUNDENBEDÜRFNISSE – FRAGEBOGEN ODER die kundenorientierte Prozessoptimierung und -gestal- CUSTOMER JOURNEY? tung. Nur 19 % nutzt Kundendaten, um Prozesse in Echt- Klassische retrospektive und quantitative Methoden, um zeit zu flexibilisieren. Eine Ursache könnte in der noch Kundenbedürfnisse zu erheben, wie die Auswertung von nicht optimal ausgeprägten Integration der CRM-Systeme Reklamationen, oder in die Prozessausführung liegen. In Sachen Datenherr- Kundenzufriedenheitskennzahlen sind immer noch domi- Kundenzufriedenheitsumfragen schaft spüren die Unternehmen grösstenteils noch keinen nant. Methoden, die darauf ausgerichtet sind, Kundenbe- Druck, die Transparenz und Mitbestimmungsmöglichkei- dürfnisse frühzeitig zu erheben, gewinnen aber durchaus ten ihrer Kunden über das gesetzliche Mindestmass hin- an Relevanz. 25 % «prototypen» oder testen neue Produk- aus zu erweitern. Business Process Management 2016 Abb. 75 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE DER QUANTITATIVEN ONLINE-BEFRAGUNG 113 114 Fazit 5.2. ERFOLGSMUSTER: «KUNDENNUTZEN DURCH eintägige Praxisworkshop mit fünf Unternehmen einen ver- DIGITALE TRANSFORMATION» – FAZIT AUS DEN tieften Einblick in verschiedene Anwendungsszenarien FALLSTUDIEN und Lösungsansätze. Die Interviews mit den Firmenvertre- Welchen Beitrag kann das Prozessmanagement – tern im Vorfeld des Workshops, die Präsentationen und über Standardisierung und Effizienzsteigerung hin- Diskussionen im Workshop sowie die Analyse und Aufbe- aus – für die Gestaltung des technologischen Wan- reitung der Fallstudien im Anschluss (Kapitel 4) schärften dels und die Maximierung des Kundennutzens nicht nur die Hypothesen, sondern erlauben Rückschlüs- leisten? Welche Rolle spielt dabei die Digitalisie- se auf mögliche Erfolgsmuster für den Einsatz des Pro- rung von Prozessen und Kundenerlebnissen? zessmanagements als Hebel für den digitalen Wandel. Die identifizierten Erfolgsmuster, eingeordnet in das Rahmen- Während die Ergebnisse der Online-Befragung ein rein werk der Studie (Kapitel 2) sind nachfolgend zusammen- quantitatives Bild vom Status quo vermitteln, erlaubte der gefasst. KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANS- –– Betreten Unternehmen mit der Digitalisierung einer FORMATION? Dienstleistung Neuland (AMAG Leasing, eUm- –– Externe und interne Kunden mit neuen digitalen oder zugZH), braucht es hingegen andere Ansätze. In digital erweiterten Produkten, Dienstleistungen und diesen Fällen führt die frühzeitige Einbeziehung der Interaktionsmöglichkeiten zu überzeugen, gelingt Kundenperspektive zum Erfolg. Kundenbedürfnisse Unternehmen immer noch, indem sie offensichtliche lediglich anzunehmen und in Anforderungen zu Defizite beziehungsweise Optimierungspotenziale formulieren, genügt in diesen Fällen nicht. Inter- erkennen und adressieren. Kürzere Reaktionszeiten, views zu Haltungen und Erwartungen, Prototyping im Idealfall Echtzeit-Reaktionen und mehrstufige Pro- und Testen verschiedener Szenarien mit Kunden, zesse oder Wege, die entfallen (eUmzugZH, AMAG), bevor ein digital erweitertes oder vollständig digitali- oder eine verbesserte Service- und Beratungsqualität siertes Angebot finalisiert und eingeführt wird, stellt durch die optimierte Verfügbarkeit von Informationen sicher, dass Einstiegspunkte, Prozesse und Ober- (Swiss Re), mögen keinen «Wow-Effekt» erzeugen, flächen bedarfsgerecht und intuitiv gestaltet wer- werden von Kunden in allen untersuchten Fallstudien den. aber geschätzt und noch nicht als selbstverständlich empfunden. Möglich ist dies immer dann, wenn durch –– Die Reduktion von Komplexität steht im Mittelpunkt diese Optimierungen für Kunden ein relativer Nutzen von Initiativen, die in erster Linie auf Effizienzsteige- im Vergleich zu Erfahrungen in der Vergangenheit oder rung aus interner Perspektive ausgerichtet sind. In mit anderen Dienstleistungen oder Anbietern entsteht. der Wirkung zeigt sich jedoch, dass auch Kunden Kundennutzen als relative Grösse anzuerkennen, hilft von Standardisierung und Harmonisierung profitie- Unternehmen, auch ihre digitalen Transformationsakti- ren, indem Leistungen, einfacher zugänglich, trans- vitäten zu relativieren, das heisst, abhängig von Reife- parenter und verständlicher werden (Vontobel, grad einer Branche oder eines Marktes pragmatisch Swisscom). Einfachheit und Konsistenz erzeugen vorzugehen und in einem ersten Schritt naheliegende Kundennutzen und lassen sich als Erfolgsmuster spürbare Verbesserungen für Kunden zu realisieren. auch auf externe Kunden anwenden. Business Process Management 2016 DURCHGÄNGIGE PROZESSE FÜR OPERATIONAL Potenziale erkannt, können sich Geschäftsbereiche & SERVICE EXCELLENCE oder -funktionen neu positionieren und ihre Rolle in der –– Positive Kundenerlebnisse entstehen, wenn Prozesse Organisation beziehungsweise der Wertschöpfungs- durchgängig sind. Gleichzeitig lieferten Defizite in der kette verändern (AMAG, Vontobel). Durchgängigkeit der Prozesse in allen vorliegenden Fallstudien überzeugende Business Cases für die digitale Transformation. –– Moderne und intuitive digitale Arbeitsplätze sind wichtige Voraussetzungen für Unternehmen, deren Strategien auf die Erschliessung neuer Märkte und Kunden- –– Synchrone Kommunikation mit Kunden in digitalen segmente ausgerichtet sind (Swiss Re, Vontobel). Kanälen zeichnet überzeugende Online-Angebote aus, Neue, häufig global verteilte Mitarbeitende sind so die Kunden ohne Verzögerung und in einem Schritt die rasch produktiv und können in global harmonisierten gewünschten Leistungen bereitstellen (AMAG, eUm- Prozessen und Instrumenten kollaborieren und Kun- zugZH). Dies setzt jedoch ein hohes Mass an Automati- den bedienen. Unternehmen, die den digitalen Ar- sierung, implementierter Geschäftslogik (z.B. durch beitsplatz auf diese Weise innovieren, finden das opti- Geschäftsregeln), hohe Datenqualität und Integration im male Mass an Standardisierung und Flexibilisierung, Back-End voraus (Amag, Swiss Re). Interne Kunden um Wissensarbeitende von Routinearbeiten zu entlas- und Supportprozesse sind dabei nicht zu vernachlässi- ten und in ihren Entscheidungen zu unterstützen. gen. Ist es Unternehmen gelungen, diese bereits durchgängig zu digitalisieren, können die Erfahrungen und –– Auch die Standardisierung in Bereitstellungsprozessen Infrastrukturen als Grundlage für überzeugende Service- kann Produkt- und Service-Innovationen unterstützen, prozesse auch für externe Kunden dienen (Vontobel). indem sie die Time-to-Market verkürzt (Swisscom). Dabei wenden Unternehmen Ansätze aus der industri- –– Integration ist ein Erfolgsschlüssel in allen vorliegenden ellen Fertigung nicht nur auf Prozesse, sondern auch Fallstudien. Gelingt es CRM-Systemen oder Kundenda- auf Produkte und Dienstleistungen an. Resultate sind tenbanken, interne und externe Systeme, Datenquellen Produkt- und Dienstleistungskataloge mit einer gro- und Ablagen auf effiziente Art und Weise zu integrieren, ssen Leistungsbreite und -tiefe, aus denen im Bau- beschleunigt dies die Implementierung durchgängiger kastenprinzip Leistungen individuell kombiniert und Prozesse. Service-orientierte Architekturen (AMAG, bezogen werden können. eUmzugZH) und plattformbasierte Ansätze über BPMLösungen (Swiss Re) stellen effiziente und unterneh- –– Plattformen, die Partner vernetzen, um neue Dienst- mensweite Grundlagen für die Prozessintegration zur leistungen und Produkte zu erbringen und durchgängi- Verfügung. ge Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinaus mit Partnern in der Wertschöpfungskette ermöglichen, PRODUKT- & SERVICE-INNOVATIONEN BEFÄHIGT können das Geschäftsmodell erweitern oder verän- DURCH EIN DIGITALISIERTES RÜCKGRAT dern. Im öffentlichen Sektor lassen sich die Ergebnisse –– Unternehmen, die Prozesse im Back-End bereits solcher E-Government-Innovationen in Referenzmo- durchgängig digitalisiert haben, können Innovations- dellen abbilden und so deren flächendeckende Aus- chancen im Front-End rascher ergreifen und sich so dehnung für die Bevölkerung beschleunigen (eUm- Wettbewerbsvorteile sichern (AMAG). Werden solche zugZH). 115 116 Fazit Abb. 76 KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANSFORMATION? – FAZIT Business Process Management 2016 5.3 BPM QUO VADIS? – PROZESSMANAGEMENT digitalisierung systematisieren und deren nahtlose Spezifizie- ALS GESTALTUNGSHEBEL DER DIGITALEN rung in implementierungsfähige Use Cases beschleunigen. In TRANSFORMATION diesem Modus kann das Prozessmanagement auch Impulse für das Innovationsmanagement in interdisziplinären Teams Bietet das Hype-Thema «digitale Transformation» die geben. Licht zu betrachten? So lautete die Eingangsfrage Flexibel und transparent – «Data-Centric BPM» Chance, Prozessmanagement in einem ganz neuen der BPM-Studie 2016. Der Beitrag, den das Prozess- management zur Gestaltung des digitalen Wandels leisten kann, ist unbestritten. Isoliert sind die damit verbundenen Herausforderungen jedoch nicht zu bewältigen. Das Prozessmanagement muss sich aktiv mit den Paradigmen, Methoden und Werkzeugen anderer Managementdisziplinen auseinandersetzen. Gelingt es Synergien mit den Kräften des Innovationsmanagements, Enterprise Architecture Manage- ments, Wissensmanagements und Customer Experience Managements zu nutzen, können Chancen, aber auch Grenzen der Prozessdigitalisierung sehr Bereits in der BPM-Studie 2015 zum Thema «Prozessintelligenz» wurde die schwach ausgeprägte Nutzung operativer Prozessdaten in Unternehmen thematisiert. Die diesjährige Studie bestätigt dieses Defizit in Bezug auf die Nutzung von Kunden- und Bewegungsdaten für die Optimierung und Flexibilisierung von Prozessen. Reaktionsfähigkeit in Echtzeit bedeutet hohe Anforderungen and die Daten- und Prozessintegration. Das fachliche und operative Prozessmanagement kann wertvolles Wissen über Kunden nur nutzen, wenn es Kompetenzen mit den Disziplinen Business Intelligence und Data Governance bündelt. Nicht ausser Acht gelassen werden darf dabei der Anspruch der Kunden auf eine selbstbe- viel wirksamer ausgelotet werden. stimmte und transparente Haltung und Nutzung der Daten. Technologienah und strategisch – BPM und Ge- Wissenbasiert und intuitiv – «Employee-Centric BPM» schäftsarchitekturen als Impulsgeber Die Schaffung innovativer und attraktiver «Digital Workplaces» Transparenz und Effizienz sind die etablierten Gradmesser ist ein aktuell intensiv bearbeitetes Aktionsfeld von Unterneh- für die Wirksamkeit des Prozessmanagements. Unterneh- men im Kontext der digitalen Transformation. Einerseits haben men, die bereits über ein strategisch ausgerichtetes, unter- Unternehmen also erkannt, dass moderne Arbeitsplätze eine nehmensweites Prozessmanagement sowie Prozessland- wesentliche Voraussetzung für modernes und kundenorien- karten verfügen, können diese wertvolle Ausgangsbasis tiertes Arbeiten darstellen. Andererseits fristen selbstlernende nutzen, um Digitalisierungspotenziale systematisch zu iden- Methoden (z.B. Adaptive Case Management), die Wissens- tifizieren. Voraussetzung ist eine enge Verzahnung der Pro- arbeitende im Push-Modus mit relevanten Informationen und zessarchitektur und -modelle mit der Geschäfts- und Infor- Handlungsalternativen versorgen, immer noch ein Schatten- mationssystemarchitektur. Die konzertierte Modellierung von dasein. Will das Prozessmanagment einen Beitrag zur Unter- Prozessen, Geschäftsfähigkeiten, Rollen, Stakeholdern, stützung wissensintensiver Prozesse und attraktiver digitaler Zielen bis hin zu Geschäftsobjekten und Business Services Arbeitsplätze leisten, muss es den Horizont über die Automa- im Kontext des Enterprise Architecture Management kann tisierung standardisierter Prozesse hinaus in Richtung Know- die Identifikation relevanter Business Cases für die Prozess- ledge Management und Künstliche Intelligenz erweitern. 117 118 Fazit Perspektivenwechsel – «Customer-Centric BPM» Unternehmen setzen zunehmend Methoden ein, um Kundenerlebnisse zu verbessern und Kundenbedürfnisse frühzeitig in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einzubeziehen. Die konsequente Einnahme der Kundenperspektive ist bei der Entwicklung von Personas oder Customer Journeys selbstverständlich. Das Prozessmanagement hingegen enwirft und optimiert Prozesse in der Regel aus rein interner, operativer Perspektive. Herausragende Kundenerlebnisse bedingen jedoch sowohl eine optimale Gestaltung der Customer Touchpoints als auch durchgängige Prozesse. Die Potenziale eines Zusammenwirkens von Prozessmanagement und Marketing sowie Customer Experience Management gilt es daher zu nutzen, unter anderem um besser abzuschätzen, wann und wo Prozessdigitalisierung den Kundennutzen erhöhen oder gar minimieren oder zerstören kann. Abb. 77 BPM QUO VADIS? ENTWICKLUNGSPOTENZIALE IM KONTEXT DES DIGITALEN WANDELS Business Process Management 2016 Literaturverzeichnis Accenture. (2015). Accenture Technology Vision 2015, eCH. (kein Datum). E-Government Standards. Von http:// Digital Business Era: Stretch your boundaries. Von https:// www.ech.ch/ abgerufen www.accenture.com/us-en/it-technology-trends-2015 abgerufen eGovernmentZH. (2012). 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März 2016. und Best Practices «Prozessintelligenz» – Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik. Winterthur: ZHAW School of Management and Law. Crisp Research. (2015). Digital Leader - Leadership im digitalen Zeitalter. Kassel. Dumas, M., La Rosa, M., Mendling, J., & Reijers, H. A. (2013). Fundamentals of business process management. Heidelberg: Springer. eCH. (2015). eCH-0093: Prozess Wegzug Zuzug. Von http://www.ech.ch/vechweb/page?p=dossier&documentN umber=eCH-0093&documentVersion=2.0 abgerufen eCH. (2015). eCH-0194: Schnittstellenstandard eUmzug. Von http://www.ech.ch/vechweb/page?p=dossier&docume ntNumber=eCH-0194 abgerufen Fitzgerald, M., Kruschwitz, N., Bonnet, D., & Welch, M. (2014). Embracing digital technology: A new strategic imperative. MIT sloan management review, 55(2), S. 1-12. Frick, K., & Höchli, B. (2014). Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft. (G. D. Institut, Hrsg.) Rüschlikon / Zürich: GDI. Gartner Research. (2014). 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Business Process Management 2016 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Definitionen für Digitale Transformation 6 Abb. 2: Forschungsfragen Abb. 3: Vorgehen zur Konzeption und Durchführung der Studie 11 Abb. 4: Thematisches Rahmenwerk der BPM-Studie 2016 13 Abb. 5: Digitale Transformation - Wozu und für wen? 14 Abb. 6: Digitale Transformation - Was wird transformiert? 15 Abb. 7: Digitale Transformation - Wie und womit? (Formen der Prozessdigitalisierung) 16 Abb. 8: Unterforschungsfragen für die 6 Themenbereiche 17 Abb. 9: Teilnehmende nach Grösse des Unternehmens (KMU vs. Grosse Unternehmen) 18 9 Abb. 10: Strategische Ziele des Prozessmanagements 19 Abb. 11: Strategische Ziele des Prozessmanagements - priorisiert 20 Abb. 12: Strategische Ziele des Prozessmanagements – «1. Priorität» nach Unternehmensgrösse 20 Abb. 13: Potenzialanalysen für die Unterstützung strategischer Entscheide 21 Abb. 14: Prozessmanagement-Mittel für strategische Entscheidungsunterstützung – «systematisch & gelegentlich» nach Unternehmensgrösse 22 Abb. 15: Medienbrüche im Unternehmensalltag 23 Abb. 16: Medienbrüche im Unternehmensalltag – «Nie» nach Unternehmensgrösse 24 Abb. 17: Einsatz technischer Methoden für durchgängige Prozesse vom und zum Kunden 25 Abb. 18: Einsatz von Methoden für flexible und kontextsensitive Prozesse 26 Abb. 19: Aktionsfelder der digitalen Transformation 27 Abb. 20: Aktionsfelder der digitalen Transformation – «umgesetzt oder angestrebt oder evaluiert» nach Unternehmensgrösse 26 Abb. 21: Reaktionen der IT auf den unternehmerischen und technologischen Wandel 29 Abb. 22: Ausprägung der Kundenorientierung 30 Abb. 23: Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen Kunden 31 Abb. 24: Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen Kunden – «systematisch oder gelegentlich» nach Unternehmensgrösse 33 Abb. 25: Visualisierung von Kundeninteraktionen und –bedarf in Prozessmodellen und -landkarten 34 Abb. 26: Visualisierung von Kundeninteraktionen in Prozesslandkarten 35 Abb. 27: Visualisierung von Kundeninteraktionen in einzelnen Prozessmodellen 36 Abb. 28: Nutzung der «Customer Journey»-Erkenntnisse für die kundenorientierte Prozessgestaltung/-optimierung 36 Abb. 29: Nutzung der «Employee Journey»-Erkenntnisse für mitarbeiterorientierte Prozess-Gestaltung/-Optimierung 37 Abb. 30: Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion 38 Abb. 31: Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion – «systematisch oder punktuell» nach Unternehmensgrösse 39 Abb. 32: Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten 40 Abb. 33: Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten – nach Unternehmensgrösse 41 Abb. 34: Verbreitung und Einsatzweise von CRM-Systemen 41 Abb. 35: Nutzung von Kundendaten 42 Abb. 36: Nutzung von Kundendaten nach Unternehmensgrösse 43 Abb. 37: Einflussmöglichkeiten der Kunden auf die Datenhaltung («Unsere Kunden …») 43 Abb. 38: Die Fallstudien im Überblick 45 Abb. 39: Online-Leasing Rechner (www.amag.ch) 48 Abb. 40: Online-Leasingzertifikat (www.amag.ch) 49 Abb. 41: Auswirkungen nicht GwG/GwV-Finma-konformer Identitätsdokumente auf den Leasingprozess 50 121 122 Abbildungsverzeichnis Abb. 42: Zielsetzung - Online-Bewilligung 52 Abb. 43: Vorgehen und Inhalte der Phasen 54 Abb. 44: Phase 1 - Backend-Prozess und Prototyp 54 Abb. 45: Phase 2 – Online-Bewilligung 55 Abb. 46: Folgephase - Online-Absatz 55 Abb. 47: Systemlandschaft - Status-quo und Erweiterungen für das Online-Leasing 56 Abb. 48: Kooperation mit dem ZHAW Service Lab 58 Abb. 49: AMAG Leasing-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks 62 Abb. 50: eUmzugZH aus der Perspektive des Nutzers 67 Abb. 51: eUmzugZH - Prozess und Lösungselemente 69 Abb. 52: Projektorganisation für die Umsetzung von eUmzugZH im Kontext eUmzugCH 70 Abb. 53: eUmzug-Fallstudie im Studienframework 74 Abb. 54: Übersicht des Offertstellungsprozess im Bereich Property & Casualty Reinsurance 75 Abb. 55: Marktsegmente und Wachstumspotential 77 Abb. 56: Architekturübersicht des ersten Lösungsansatzes 80 Abb. 57: Architekturübersicht des zweiten Lösungsansatzes 83 Abb. 58: Zukünftige Einsatzmöglichkeiten des Systems 85 Abb. 59: Swiss Re-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks 88 Abb. 60: Vier Lösungselemente 91 Abb. 61: BPM Lifecycle in Anlehnung an (Dumas, La Rosa, Mendling, & Reijers, 2013) 92 Abb. 62: Konföderierte Configuration Management Datenbank 93 Abb. 63: Portallösung 94 Abb. 64: Service Center IT 94 Abb. 65: Vontobel-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks 97 Abb. 66: Unternehmensstrategie «Swisscom 2020» 98 Abb. 67: Rolle der Organisationseinheit «Network & IT Operations» im Prozessmodell Swisscom Abb. 68: Fertigung in verteilten Fertigungsstrassen über viele OEs hinweg 100 Abb. 69: Kernprinzipien der industriellen Fertigung Trennung vom Was und Wie 102 Abb. 70: Die 5 Stufen zur industrialisierten Fertigung 103 Abb. 71: Services-Lebenszyklus 104 Abb. 72: Gesamtübersicht Ziele, Vorgehen, Lösungsansatz 107 Abb. 73: Erfolgsfaktoren 107 Abb. 74: Swisscom-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks 110 Abb. 75: Zusammenfassung der Ergebnisse der quantitativen Online-Befragung 113 Abb. 76: Kundennutzen durch digitale Transformation? -Fazit 116 Abb. 77: BPM quo vadis? Entwicklungspotenziale im Kontext des digitalen Wandels 118 Abb. 78: Teilnehmende nach Land der Geschäftstätigkeit des Unternehmens 128 Abb. 79: Teilnehmende nach Grösse des Unternehmens 128 Abb. 80: Teilnehmende nach Land und Unternehmensgrösse 128 Abb. 81: Teilnehmende nach Branchengruppe 129 Abb. 82: Teilnehmende nach Position 130 Abb. 83 Teilnehmende nach Funktionsbereich 131 Abb. 84: Teilnehmende nach Wahrnehmung einer Prozessfunktion 131 99 Business Process Management 2016 Experten Das Studienteam der ZHAW dankt allen am Workshop beteiligten Unternehmen und Organisationen, die ihr Expertenwissen und ihre wertvolle Zeit für die Vorbereitung, Präsentation und Diskussion der Fallstudien bereitgestellt haben. Patrick Frauchiger Leiter Marketing und Verkauf, AMAG Leasing AG Leasing Esad Ceranic Projektverantwortlicher & Business Analyst, AMAG Leasing AG Markus Schneider Leiter Operation Services, Vontobel Philipp Klauser Applikationsverantwortlicher Jira, Vontobel Andreas Hilber Head of Process Architecture Network & IT Operations, Swisscom AG Marco Peyer BPM & Service Operations, P&C Reinsurance, Swiss Re Lukas Steudler Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch, Staatskanzlei des Kantons Zürich 123 124 Beteiligte Personen und Unternehmen Autoren Elke Brucker-Kley [email protected] Denisa Kykalová [email protected] Prof. Dr. Thomas Keller [email protected] David Grünert david.grü[email protected] ELKE BRUCKER-KLEY DAVID GRÜNERT Elke Brucker-Kley ist Leiterin des BPM Research Lab am In- David Grünert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für stitut für Wirtschaftsinformatik. Sie leitet Forschungs- und Wirtschaftsinformatik. Er unterrichtet Software Engineering im Beratungsprojekte in den Themenbereichen Informations- Studiengang Wirtschaftsinformatik und forscht zu neuen Mo- und Prozessmanagement sowie IT-Strategie und Projektma- dellierungsansätzen für Geschäftsprozesse sowie dem Ein- nagement. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf dem satz von Gesten- und Sprachsteuerung zur Bearbeitung von Entwurf von Geschäftsarchitekturen und der strategischen Modellen. Ausrichtung und Operationalisierung des Prozessmanagements in unterschiedlichen Branchen. INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSINFORMATIK DENISA KYKALOVÁ Das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) der ZHAW Denisa Kykalová ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Insti- School of Management and Law ist eine anwendungs- tut für Wirtschaftsinformatik. Sie leitet Forschungs- und Bera- orientierte Plattform für Forschung an der Schnittstelle tungsprojekte in den Themenbereichen Informations- und von Betriebswirtschaft und Informatik. Im Auftrag von Prozessmanagement. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen Wirtschaftspartnern führen wir Studien in unterschied- auf dem Entwurf von Prozessarchitekturen in unterschiedli- lichen Disziplinen der Wirtschaftsinformatik sowie an- chen Branchen mit Fokus auf die Energiebranche. wendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte durch. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse PROF. DR. THOMAS KELLER fliessen direkt in die Lehre und Weiterbildung ein. Prof. Dr. Thomas Keller ist Professor für Wirtschaftsinformatik. Er doziert zu den Themen Prozessautomatisierung und ZHAW School of Management and Law Enterprise Architecture im Studiengang Wirtschaftsinformatik Institut für Wirtschaftsinformatik (MSc und BSc) und in der Weiterbildung. Zu seinen For- www.zhaw.ch/iwi schungs- und Beratungsschwerpunkten zählen Prozessau- Stadthausstrasse 14, CH–8400 Winterthur tomatisierung, Business Integration und Software-Architek- [email protected], Telefon +41 58 934 66 90 tur. Business Process Management 2016 Sandro Graf [email protected] Amélie-Charlotte Körner [email protected] SANDRO GRAF Sandro Graf ist Dozent am Institut für Marketing Management INSTITUT FÜR MARKETINGMANAGEMENT und leitet die Fachstelle Service Lab. Er unterrichtet Konsu- Das Institut für Marketing Management (IMM) deckt mentenverhalten, Service Design und Customer Experience das ganze Spektrum des modernen Marketings ab – in Management. Sein Team beschäftigt sich vorwiegend mit Beratung, Forschung und Entwicklung, Lehre und der Wahrnehmung von Konsumenten und unterstützt Unter- Weiterbildung. Wir arbeiten mit Grossunternehmen, nehmen bei der Verbesserung der vermittelten Kundenerleb- KMU und Privatpersonen zusammen sowie mit Part- nisse. nerhochschulen auf nationaler und internationaler Ebene. Dank unserem gut ausgebauten Netzwerk bieten AMÉLIE-CHARLOTTE KÖRNER wir Ihnen ein umfassendes Know-how, das kontinuier- Amélie-Charlotte Körner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin lich weiterentwickelt wird. Das Service Lab der ZHAW am Institut für Marketing Management. Neben ihrer Lehrtätig- unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung der keit als Marketing-Übungsleiterin leitet und unterstützt sie mit vermittelten Kundenerlebnisse und stellt sicher, dass ihrem Hintergrund als Psychologin und qualitative Marktfor- neue Produkte konsequent auf Kundenbedürfnisse scherin vor allem qualitative Forschungsprojekte. ausgerichtet sind. ZHAW School of Management and Law Institut für Marketing Management www.zhaw.ch/imm Stadthausstrasse 14, CH–8400 Winterthur [email protected], Telefon +41 58 934 66 90 125 126 Beteiligte Personen und Unternehmen Studienpartner Über Appway, Lösungspartner der Swiss Re Die Digital Business Plattform von Appway unterstützt Dienstleistungsunternehmen bei der Realisierung einer digitalen Transformation, welche über eine reine Automatisierung hinausgeht. Sie bietet die vier zentralen Bausteine «User Experience», «Work Automation», «Agile Development» und «Continuous Delivery» und deckt damit unter anderem die Funktionalitäten einer Business-Process-Management-Suite ab (inklusive Business Rules, Business Activity Monitoring). Mittels Appway können Unternehmen skalierbare und zuverlässige digitale EnterpriseApplikationen entwickeln und selbst steuern. Die umfangreiche Plattform koordiniert alle relevanten Interaktionen im kollaborativen digitalen Arbeitsplatz und übermittelt wichtige Business-Erkenntnisse, die Organisationen dazu inspirieren, ihre Visionen in wirkende Lösungen umzusetzen. Durch die nahtlose Orchestrierung von Menschen, Wissen und Systemen erzeugt Appway eine kollektive Intelligenz und ermöglicht es Unternehmen, sich für das digitale Zeitalter neu zu erfinden. Mit Hauptsitz in Zürich sowie Niederlassungen in New York, Ticino, Hong Kong, Singapur, Toronto sowie London arbeiten Appway und seine preisgekrönte Technologie für über 165 Organisationen und 420 000 Menschen weltweit. Appway AG, Lessingstrasse 5, CH–8002 Zürich, www.appway.com Business Process Management 2016 Unterstützt von Die AMAG und ihre 5 400 Mitarbeitenden sorgen mit Leidenschaft dafür, dass Menschen gut unterwegs sind. Die individuellen Wünsche und Träume rund um die Mobi- Leasing lität faszinieren uns. Unser Antrieb ist, sie zu erfüllen. Damit sind wir eine umfassende und landesweit bestens positionierte Mobilitätsanbieterin. Wir verkaufen hochwertige Automobile, stellen ihren Betrieb in allen Situationen sicher und ermöglichen den Menschen mit unserem eigenen Leasingunternehmen und weiteren Dienstleistungen, ihre Mobilitätsträume zu erfüllen. Unser Fokus ist der Kunde, immer und überall. Autofahrerinnen, Autofahrer und Firmenkunden schenken der AMAG Vertrauen, weil wir sie über Qualität und Fachkompetenz hinaus mit einem exzellenten Service immer wieder positiv überraschen. Das Beste in der vernetzten Welt – immer und überall. Swisscom ist das führende Telekommunikations- und eines der führenden IT-Unternehmen der Schweiz. Der Bereich IT- und Network Operations betreibt das gesamte Fest- und Mobilnetz. Ebenso alle IT-Dienstleistungen für den Privat und Geschäftskundenbereich sowie die intern genutzten IT-Anwendungen. Vontobel ist ein führender Schweizer, international agierender Private Wealth und Asset Manager, der sich zum Ziel gesetzt hat, die anvertrauten Kundenvermögen langfristig zu schützen und zu mehren. Spezialisiert auf das aktive Vermögensmanagement und massgeschneiderte Anlagelösungen berät Vontobel verantwortungsvoll und vorausschauend. Rund 1500 Mitarbeitende erbringen an weltweit 22 Standorten erstklassige und massgeschneiderte Dienstleistungen für international ausgerichtete Kunden. 127 128 Anhang Anhang TEILNEHMERKREIS DER ONLINE-BEFRAGUNG Abb. 78 TEILNEHMENDE NACH LAND DER GESCHÄFTSTÄTIGKEIT DES UNTERNEHMENS Schweiz Deutschland Andere Österreich Frage A4 Abb. 79 TEILNEHMENDE NACH GRÖSSE DES UNTERNEHMENS in % 1– 9 Mitarbeitende 10 – 49 50 – 249 250 und mehr 82 % 12 % 5% 1% in % 9,6 % 16,9 % 12,9 % 60,7 % Frage A5 N=178 N=178 Abb. 80 TEILNEHMENDE NACH LAND UND UNTERNEHMENSGRÖSSE Schweiz Deutschland Andere Österreich 6,7 13,5 in % 11,8 50,0 2,2 2,8 1,1 5,6 5,1 0,6 0,6 N=178 Frage A4 0 30 1–9 10 – 49 60 50 – 249 250 und mehr Mitarbeitende 90 Business Process Management 2016 Abb. 81 TEILNEHMENDE NACH BRANCHENGRUPPE in % 0,6 1,1 16,9 Finanz- und Versicherungsdienstleistungen Öffentliche Dienstleistungen Informatik Beratung, sonstige Dienstleistungen Andere Handel, Logisitk, Telekommunikation 0,6 2,2 2,2 11,2 4,5 5,6 7,3 4,5 2,2 1,7 5,1 1,1 0,6 1,1 6,2 5,6 3,4 1,1 Energie- und Wasserversorgung Erziehung, Bildung und Forschung Gesundheitswesen Verarbeitung, Produktion, Bau 2,8 1,1 0,6 0,6 0,6 0,6 1,1 3,9 2,2 1,1 Immobilienwirtschaft 0,6 Chemie, Pharma N=178 Frage A6 0 4 1–9 10 – 49 8 12 16 50 – 249 250 und mehr Mitarbeitende 20 129 130 Anhang Abb. 82 TEILNEHMENDE NACH POSITION in % 0,6 4,5 2,2 20,2 Projektleiter 5,6 6,2 4,5 3,9 Geschäftsleitung Leiter Abteilung Business Analyst Fachexperte / Spezialist Berater Leiter Fachbereich / Business-Unit 3,9 3,9 0,6 2,2 10,1 1,7 1,7 12,9 1,1 1,7 0,6 2,2 1,1 2,2 12,4 4,5 2,2 6,7 1,1 2,2 8,4 4,5 1,1 Leiter Stabstelle IT-Architekt Andere Programmleiter Verwaltungsrat / Aufsichtsrat Entwickler 2,8 1,1 1,7 1,1 1,1 3,9 2,8 0,6 1,7 0,6 1,1 N=178 Frage A2 (Mehrfachnennung möglich) 0 5 1–9 10 – 49 10 15 20 25 50 – 249 250 und mehr Mitarbeitende 30 Business Process Management 2016 Abb. 83 TEILNEHMENDE NACH FUNKTIONBEREICH in % 2,2 Projekt- / Organisations- / Qualitätsmagement / Prozessmagement 3,4 5,1 Unternehmensleitung 28,7 2,2 7,3 5,1 1,7 2,2 Informatik 12,4 5,6 1,1 0,6 Business Development / Change Management / Unternehmensentwicklung 4,5 0,6 1,1 1,1 2,8 Verkauf / Vertrieb / Marketing 0,6 1,7 0,6 1,7 Andere 0,6 0,6 1,1 Produktmanagement 0,6 0,6 1,1 Forschung und Entwicklung 2,2 Beschaffung / Produktion / Logistik 0,6 0,6 Finanzen / Controlling N=178 Frage A1 0 20 10 1–9 10 – 49 30 40 50 – 249 250 und mehr Mitarbeitende Abb. 84 TEILNEHMENDE NACH WAHRNEHMUNG EINER PROZESSFUNKTION Prozess-Berater / BPM-Experte / Prozess-Architekt Prozessverantwortlicher / Process-Owner 4,5 3,9 1,1 3,9 1,7 2,8 in % 3,4 24,2 2,2 14,0 2,2 9,0 Leiter Geschäftsprozessmanagement Process-Manager Andere Chief Process Officer 0,6 2,2 1,1 1,1 1,1 8,4 3,4 1,1 1,7 0,6 2,2 1,1 Keine 4,5 3,4 12,4 N=178 Frage A3 (Mehrfachnennung möglich) 0 10 1–9 10 – 49 20 30 50 – 249 250 und mehr Mitarbeitende 40 131 132 Anhang FRAGENKATALOG DER ONLINE-BEFRAGUNG Fragen Antwortmöglichkeiten Antworttyp A – Allgemeine Fragen A1 In welchem Funktionsbereich Ihres Unternehmens sind Sie tätig? –– Unternehmensleitung –– Forschung und Entwicklung –– Beschaffung / Produktion / Logistik –– Verkauf / Vertrieb / Marketing –– Business Development / Change Management / Unternehmensentwicklung –– Projekt- / Organisations- / Qualitätsmanagement / Prozessmanagement –– Produktmanagement –– Finanzen / Controlling –– Personalwesen –– Informatik –– Anderes – Bitte nennen: Single A2 Welche Position haben Sie in Ihrer Organisation? –– Verwaltungsrat / Aufsichtsrat –– Geschäftsleitung –– Leiter Fachbereich/Business-Unit –– Leiter Stabstelle –– Leiter Abteilung –– Business Analyst –– Entwickler –– Projektleiter –– Programmleiter –– Berater –– IT-Architekt –– Fachexperte / Spezialist –– Anderes – Bitte nennen: Mehrfach A3 Üben Sie eine Prozessfunktion aus? –– Keine –– Chief Process Officer –– Leiter Geschäftsprozessmanagement –– Prozess-Berater / BPM-Experte / Prozess-Architekt –– Prozessverantwortlicher / Process-Owner –– Prozess Manager –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach A4 In welchem Land ist Ihre Organisation primär tätig? –– Schweiz –– Deutschland –– Österreich –– Anderes – Bitte nennen: Mehrfach A5 Wie viele Mitarbeitende zählt Ihre Organisation weltweit? –– 1 bis 9 –– 10 bis 49 –– 50 bis 249 –– 250 und mehr Single A6 Welcher Branche gehört Ihre Organisation an? –– Energie- und Wasserversorgung –– Verarbeitung, Produktion, Bau –– Chemie, Pharma –– Immobilienwirtschaft –– Handel, Logistik, Telekommunikation –– Öffentliche Dienstleistungen –– Gesundheitswesen –– Beratung, sonstige Dienstleistungen –– Finanz- und Versicherungsdienstleistungen –– Erziehung, Bildung und Forschung –– Informatik –– Andere – Bitte nennen: Single Business Process Management 2016 Fragen Antwortmöglichkeiten Antworttyp B – BPM-Ziele & Digitalisierungs-Aktivitätsbereiche B1 Welche strategischen Ziele treiben ihr Prozessmanagement? Bitte kreuzen Sie die DREI aktuell wichtigsten an. B1a Bitte priorisieren Sie diese Ziele, indem Sie sie in die richtige Reihenfolge auf der rechten Seite ziehen (höchste Priorität=zuoberst) B2 Haben Sie Projekte oder Geschäftsfähigkeiten in den folgenden Bereichen der digitalen Transformation? –– Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung, Erfüllung Regulatorischer Vorschriften, Risikomanagement) –– Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Produktivität, Ertragskraft) –– Flexibilität (Personalisierung von Prozessinstanzen, rasche Anpassung von Prozessen an sich ändernde Rahmenbedingungen) –– Kundenzufriedenheit/-nutzen –– Innovation (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodell) –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach –– Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zu externen Kunden und Endgeräten/Dingen (Social Media, Mobile, Cloud, Internet der Dinge) –– Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse (Big Data, Kundenkontext, Lokalisierung, predictive analytics) –– Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende flexibler/mobiler und effektiver zu unterstützen (digital workplace) –– Automatisierung/Digitalisierung durchgängiger Prozesse (Workflow, Prozessintegration) –– Digitale Erweiterung bestehender Produkte/Dienstleistungen –– Entwicklung neuer digitaler Produkte/Dienstleistungen –– Aufbau/Teilnahme an digitalen Plattformen/Netzwerken mit Partnern (zur Realisierung unternehmensübergreifender Prozesse und Angebote) –– Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit im Kontext der Digitalisierung von Prozessen und Kundeninteraktionen –– Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) –– Wir haben eine unternehmensweite Strategie und Roadmap für die digitale Transformation –– Andere – Bitte nennen: nein – wird evaluiert/ getestet – wird aktuell realisiert – bereits realisiert –– Erweiterung oder Optimierung digitaler Touchpoints/Kanäle –– Erweiterung oder Optimierung physischer Touchpoints/Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.) –– Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig vom Touchpoint/Kanal (physisch und digital) –– Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen (basierend auf Datenauswertung und Kundenkenntnis) –– Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen digitaler Touchpoints –– Transparenz und Mitbestimmung der Kunden bei der Sammlung, Haltung und Auswertung persönlicher Daten (Personendaten und Interaktions-/Transaktionsdaten) –– Flexiblere/kompetentere/schnellere Bedienung des Kunden durch Hilfsmittel in der Hand von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt (z.B. Wissensdatenbank auf mobilem Gerät) –– Andere – Bitte nennen: nie – punktuell/ taktisch – systematisch/ strategisch C – Kundenorientierung C1 Beschäftigt sich Ihre Organisation mit Themen, die die Interaktionen mit Ihren externen Kunden betreffen? 133 134 Anhang Fragen Antwortmöglichkeiten Antworttyp C2 Passen folgende Aussagen auf Ihr Unternehmen? –– Wir sind mit unseren Aktivitäten im Hinblick auf die Kenntnis der Kundenbedürfnisse führend in unserer Branche –– Kundenorientierung ist in unserer Marketing-/Unternehmensstrategie verankert –– Wir verfügen über die notwendigen Ressourcen (finanziell, personell, Infrastruktur) um die Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse voranzutreiben nein – teilweise – ja C3 Was unternehmen Sie, um die Bedürfnisse Ihrer Kunden und Ihrer Mitarbeitenden zu erheben? –– Wir analysieren die bei uns eingehenden Beschwerden von Kunden –– Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer Methoden (z.B. mit Fragebogen) –– Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer Methoden (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen) –– Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen Angebotskonzepten (Prototypen) direkt mit Kunden (z.B. in Produkttests) bevor wir neue Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen einführen –– Wir nutzen die «Customer Journey», um Bedürfnisse unserer Kunden prozessund interaktions-orientiert zu erheben –– Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug auf unser Unternehmen im World Wide Web (Social Media Monitoring) –– Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community, die bei kundenspezifischen Fragestellungen/Themen aktiv mit uns zusammenarbeitet –– Wir nutzen die «Employee Journey», um die Berührungspunkte der Mitarbeitenden von der Rekrutierung an abzubilden, und die Arbeitsumgebung danach zu gestalten –– Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit bzw. den Kundennutzen zulassen (z.B. Verweilzeit auf der Website, Zuwachs Up- und Cross-selling, Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen) –– Wir sammeln Daten über Einzelkunden und/oder Kundensegmente und werten sie aus –– Andere – Bitte nennen: nie – gelegentlich – systematisch/ regelmässig C3a Nutzen Sie die Erkenntnisse der «Customer Journey» für die kundenorientierte Gestaltung/Optimierung Ihrer Prozesse? –– Ja –– Nein –– Kann ich nicht beurteilen Single C3b Nutzen Sie die Erkenntnisse der «Employee Journey» für die mitarbeiterorientierte Gestaltung/Optimierung Ihrer internen Prozesse und Abläufe (z.B. Rekrutierung, Personalentwicklung)? –– Ja –– Nein –– Kann ich nicht beurteilen Single C4 Aus welchen Quellen und wie häufig erheben Sie Kundendaten und Daten, die sie nutzen, um Rückschlüsse auf das Kundenverhalten zu ziehen? –– Dediziert erstellte Kundendatenbanken bzw. CRM-Systeme (Customer Relationship Management) –– Kern- und Transaktionssysteme –– Auswertungen von Kundenumfragen und Kundenfeedbacks/-reklamationen –– Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren, Blogs, Bewertungsplattformen etc.) –– Sensoren/Wearables/Dingen (Internet of Things) –– Auswertungen von Bewegungs- und Kontextdaten (aus Web-Analyse- bzw. anderen Tracking-Tools, Lokalisierungsdaten) –– Andere – Bitte nennen: nie – gelegentlich – systematisch/ regelmässig Business Process Management 2016 Fragen Antwortmöglichkeiten Antworttyp C5 Wir nutzen unsere Kundendaten … –– … um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu erkennen und diese für individuelle Empfehlungen oder Reaktionen zu nutzen (predictive analytics) –– … um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende anzupassen –– … um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden zu verbessern (z.B. Optimierung Website, Ladengestaltung) –– …für die Prozessausführung, um einen Prozessverlauf in Echtzeit kunden-/ kontextspezifisch anpassen zu können –– … für das Prozessdesign, um Prozesse mit Blick auf Kundenorientierung zu gestalten und zu optimieren –– … nicht –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach C6 Können ihre Kunden auf die Daten, welche Sie über sie sammeln, Einfluss nehmen? «Unsere Kunden… –– … wissen nicht, welche Daten wir über sie sammeln –– … geben uns ihr Einverständnis, bestimmte Daten über sie zu sammeln –– … können veranlassen, dass bestimmte Daten nicht gesammelt oder gelöscht werden –– … können bestimmen, ob und wofür wir ihre Daten auswerten –– … können bestimmen, welche Informationen sie von uns regelmässig erhalten wollen –– Andere - Bitte nennen: Mehrfach C7 Unser CRM-System … –– … wir haben kein CRM-System –– … wir unterhalten eine oder mehrere Kundendatenbanken/CRM-Systeme –– … liefert Kundendaten in vollständig oder teilweise automatisierte Prozesse (Schnittstelle/Systemintegration) –– … wird mit Daten aus der operativen Prozessausführung befüllt (Transaktionsdaten, Interaktionsdaten) –– … liefert kundenbezogene Daten für Analysen und Berichte –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach D – Operational und Service Excellence & BPM D1 Gehören folgende Tätigkeiten in Ihrem Unternehmen zum Alltag? –– Drucken von Dokumenten zur Erledigung von Aufgaben –– Scannen von Dokumenten –– Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in unterschiedliche Informatiksysteme –– Handschriftliches Unterschreiben von Dokumenten (im Gegensatz zu digitaler Unterschrift) –– Individuelle Suche von Informationen (in unterschiedlichen Systemen und Nachfragen bei Personen), um Entscheide treffen zu können nie – gelegentlich – täglich D2 Erheben/Identifizieren Sie folgende entscheidungsunterstützenden Informationen? –– Erfolgskritische Prozesse (Wettbewerbsperspektive) –– Für die Kundenerfahrung oder -zufriedenheit kritische Prozesse –– Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial –– Digitalisierungspotenziale (über reine Standardisierung/Automatisierung hinaus, z.B. Kollaboration, Kundeninteraktion, Flexibilisierung etc.) –– Potenzial für Prozessintegration über Unternehmensgrenzen hinweg (mit Partnern, Lieferanten) –– Out/Sourcing-Potenzial –– Optimierungspotenzial der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen) –– Andere – Bitte nennen: nie – gelegentlich – systematisch D2a Wo legen Sie den Fokus bei der Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen)? –– Auf externe Kunden –– Auf Mitarbeitende –– Auf Partner / Kooperationen –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach 135 136 Anhang Fragen Antwortmöglichkeiten Antworttyp D3 Visualisieren Sie Kundeninteraktionen und -bedarf in Ihren Prozessmodellen und -Landkarten? –– Nein, wir modellieren weder Prozesslandkarten noch Prozesse –– Nein, wir modellieren Prozesse nur aus unserer internen Sicht, ohne die Kunden und die Interaktionen mit Ihnen explizit zu modellieren –– Ja, in unseren Prozesslandkarten –– Ja, in einzelnen Prozessmodellen –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach D4 Wie visualisieren Sie Kundeninteraktionen in Ihren Prozesslandkarten? –– Wir visualisieren den Kunden unspezifisch als Block auf der obersten Ebene unserer Prozesslandkarte –– Wir visualisieren unterschiedliche Kundengruppen auf unserer Prozesslandkarte –– Wir visualisieren unsere Wertschöpfung als End-to-End-Prozesse auf Ebene Prozesslandkarte (konsequent ausgehend vom Kundenbedarf und durchgehend bis zur Leistungserfüllung für den Kunden) –– Wir kennzeichnen Prozesse, bei denen wir Kundenkontakt haben und welche für Kundenzufriedenheit/-erfahrung besonders kritisch sind –– Andere - Bitte nennen: Mehrfach D5 Wie visualisieren Sie Kundeninteraktionen in Ihren einzelnen Prozessmodellen? –– Wir visualisieren am Prozess beteiligten Kunden mit einem Symbol (Pool, Lane, Swimmlane, …) –– Wir unterscheiden zwischen Kundengruppen durch Nutzung verschiedener Symbole, Farben oder anderer Markierungen –– Wir beschriften die Interaktionen mit Detailinformationen oder stellen diese visuell durch Symbole/Farben dar (z.b. Beschriftung der Nachrichtenflüsse mit Kommunikationskanaltyp wie Telefon, E-Mail, Brief, Online etc.) –– Wir stellen die mit dem Kunden ausgetauschten Geschäftsobjekte mit einem Symbol dar und geben den angestrebten Zustandsstatus an –– Wir kennzeichnen die für Kundenzufriedenheit kritischen Interaktionen speziell –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach D6 Welche Methoden setzen Sie ein, um die Flexibilität und Kontextsensitivität Ihrer Prozesse zu ermöglichen? –– Keine –– Formalisierte Geschäftsregeln (um die Ausführung komplexer Prozesse zu steuern, z.B. durch eine Business Rules Engine) –– Formalisierte Ereignisregelung (um auf Ereignisse in der Prozessausführung reagieren zu können, z.B. durch eine Event Engine) –– Zugriff auf Wissensbasen (um Entscheide in der Prozessausführung zu unterstützten) –– Adaptive Case Management (um Entscheidungen und Prozesssteuerung in wissensintensiven und nur teilweise vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen) –– Ad-hoc Workflows (um Prozessbeteiligte/Fachexperten bei der Auslösung/ Auswahl/Definition von Aktivitäten in nicht vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen) –– Agile Methoden (um Fachexperten die kollaborative und intuitive Modellierung und Anpassung von Prozessen im Rahmen der Prozessausführung zu ermöglichen, z.B. flexibles, beschleunigtes und praxisnahes Prozess(re)design) –– Prädiktive und selbstlernende Methoden (um auf der Grundlage von Erfahrungsdaten aus vergangenen Prozessdurchläufen, Rückschlüsse auf den Ablauf aktueller und künftiger Prozesse zu ziehen, z.B. durch data mining) –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach Business Process Management 2016 Fragen D7 Welche Methoden setzen Sie ein, um die IT-gestützte Ausführung von Prozessen durchgängig von und zum Kunden zu realisieren? Antwortmöglichkeiten Antworttyp –– Keine, die Ausführung unserer Prozesse ist nicht durchgängig, d.h. Medienbrüche sind vorhanden –– Spezifische Applikationen/Komponenten/Formulare, die in eine Website oder App integriert sind und die Dateneingaben des Kunden direkt (ohne Systembrüche) an ein internes System übertragen (z.B. via XML, Webservices) -> «Outside-In» –– Anpassung von intern genutzten Applikationen (Oberfläche, Funktionalitäten), so dass sie auch externen Kunden zur Verfügung gestellt werden können -> «Inside-Out» –– Eine BPM/Workflow-Lösung/Plattform/Suite, die Prozesse durchgängig vom Kunden-Frontend (Website, Portal, App) hin zu den Backend-Systemen und Datenspeichern implementiert bzw. integriert –– Andere – Bitte nennen: Mehrfach –– Gar nicht –– Durch Serviceorientierung (SOA) –– Durch die Adoption von neuen Produkten bzw. neuen Produktfunktionalitäten –– Durch Agile Methoden im Projektmanagement und in der Softwareentwicklung –– Durch eine bimodale Architektur, die es erlaubt stabile Kern- und Supportapplikationen auf der einen Seite und agile kurzlebigere Lösungen auf der anderen Seite in zwei verschiedenen Umgebungen zu entwickeln und zu betreiben –– Durch die kurzfristige Beschaffung oder Entwicklung von sehr spezifischen best-of-breed Lösungen für einzelne Anwendungsfälle –– Durch gezieltes Outsourcing bzw. Anbindung von Drittanbietern (z.B. Cloudlösungen), um einen Anwendungsfall komplett oder teileweise abzudecken –– Durch die Unterstützung von mobilen Endgeräten (Apps und/oder mobilfähige Webseiten für Mitarbeitende und/oder Kunden) –– Durch den Aufbau/Betrieb von Kundenportalen –– Andere - Bitte nennen: Mehrfach E – Technologie E1 Mit welchen Mitteln reagiert Ihre Informatik auf die Herausforderungen des unternehmerischen und technologischen Wandels? 137 138 Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften School of Management and Law St.-Georgen-Platz 2 Postfach 8401 Winterthur Schweiz www.sml.zhaw.ch
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