BPM-Studie - an der ZHAW

Business Process Management 2016
Status quo und Best Practices
«Kundennutzen durch digitale
Transformation?»
Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik
in Kooperation mit dem Institut für Marketing Management
Elke Brucker-Kley, Denisa Kykalová, Thomas Keller,
David Grünert, Simon Näpflin, Sandro Graf, Amélie-Charlotte Körner
Studienpartner
Leasing
IMPRESSUM
Herausgeber
ZHAW School of Management and Law
Stadthausstrasse 14
Postfach
8401 Winterthur
Schweiz
Institut für Wirtschaftsinformatik
www.zhaw.ch/iwi
Projektleitung, Kontakt
Elke Brucker-Kley
[email protected]
September 2016
Copyright © 2016,
ZHAW School of Management and Law
Alle Rechte für den Nachdruck und die
Vervielfältigung dieser Arbeit liegen beim
Institut für Wirtschaftsinformatik der
ZHAW School of Management and Law.
Die Weitergabe an Dritte bleibt ausgeschlossen.
Business Process Management 2016
Management Summary
«Kundennutzen durch digitale Transformation?»
oder technologischer Gadgets zu, sondern befassen sich
lautet der Untertitel der diesjährigen BPM-Studie.
intensiv mit Defiziten in der Durchgängigkeit ihrer Prozesse
Das Fragezeichen steht für eine Vielzahl offener
und mit der Modernisierung ihrer Arbeitsplätze. Das fachliche
Fragen und Zweifel, die sich bei der Realisierung
und technische Prozessmanagement ist dabei gefordert,
dieses Heilsversprechens auf Kunden- und Unter-
aber das volle Potenzial für die Maximierung des Kundennut-
nehmensseite früher oder später einstellen. Die
zens ist noch nicht ausgeschöpft.
Vision des Endzustands kling verlockend: Kunden
profitieren von innovativen Produkten und Dienst-
Die Studie kommt zum Schluss, dass das Hype-Thema «di-
leistungen, die nicht nur effizienter erbracht wer-
gitale Transformation» die Chance bietet, das Prozessma-
den, sondern eine neue Dimension von Kundener-
nagement in einem neuen Licht zu betrachten. Der Beitrag,
lebnissen eröffnen. Unternehmen stehen vor der
den das Prozessmanagement zur Gestaltung des digitalen
Aufgabe, die Voraussetzungen für diese digitale
Wandels leisten kann, ist unbestritten. Isoliert sind die damit
Erlebniswelt zu schaffen, das heisst nicht nur ihr
verbundenen Herausforderungen jedoch nicht zu bewälti-
traditionelles Geschäftsmodell, ihre Strategien und
gen. Das Prozessmanagement muss sich aktiv mit den Pa-
Kultur zu hinterfragen und anzupassen, sondern
radigmen, Methoden und Werkzeugen anderer Manage-
auch ihre betrieblichen Strukturen, Abläufe und
mentdisziplinen auseinandersetzen. Gelingt es Synergien mit
Systeme so weit zu entwickeln, dass sie eine radi-
den Kräften des Innovationsmanagements, Enterprise Ar-
kale Öffnung in Richtung ihrer Kunden zulassen.
chitecture Managements, Wissensmanagements und Cus-
Gestaltungsfelder sind also vorhanden. Doch wo
tomer Experience Managements zu nutzen, können Chan-
und wie wirkt das Prozessmanagement?
cen, aber auch Grenzen der Prozessdigitalisierung sehr viel
wirksamer ausgelotet werden. Ein derart technologienahes
Die BPM-Studie 2016, die das Institut für Wirtschaftsinfor-
und datenzentrisches Prozessmanagement, das sowohl die
matik in Zusammenarbeit mit dem Institut für Marketing Ma-
Mitarbeitenden- als auch die Kundenperspektive einnimmt,
nagement an der ZHAW School of Management and Law
kann eine aktive Rolle bei der zielgenauen Planung und Ge-
durchgeführt hat, beleuchtet die Rolle des Prozessmanage-
staltung des digitalen Wandels im Front- und Back-End von
ments als Gestaltungshebel des digitalen Wandels. Im Rah-
Unternehmen spielen.
men eines Praxisworkshops mit fünf Unternehmen (AMAG
Leasing AG, Kanton Zürich, Swisscom, Swiss Re, Vontobel)
wurden Herausforderungen, Lösungsansätze und Erfolgsmuster diskutiert und als Fallstudien für die vorliegende Studie aufbereitet.
Die Ergebnisse einer Umfrage ergänzen diese qualitative
Perspektive und präsentieren den Status quo des Prozessmanagements an den Themenschnittstellen «Digitalisierung»
und «Kundennutzen» in Unternehmen. 180 Teilnehmende
aus unterschiedlichen Branchen haben dazu beigetragen,
ein differenziertes Bild der digitalen Transformation zu zeichnen. Entgegen der medialen Wahrnehmung wenden sich
Unternehmen keinesfalls nur der publikumswirksamen «Sonnenseite» der Digitalisierung in Form mobiler Applikationen
1
2
Inhalt
Inhalt
Management Summary
1
Inhaltsverzeichnis2
1.
Zielsetzung und Studiendesign
1.1 Forschungsgegenstand und Ausgangslage
1.2Studiendesign
4
4
7
. Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als 2
Gestaltungselement des technologischen Wandels
12
3. Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
3.1 Strategische Ausrichtung 3.2Prozessdigitalisierung
3.3 Digitale Transformation
3.4 Was will der Kunde?
3.5 Kundenperspektive in der Prozessgestaltung und -optimierung
3.6 Kundendaten: Quellen, Nutzung und Einsatz für die Prozessausführung
17
. Fallstudien «Erfolgsmuster: Kundennutzen 4
durch digitale Transformation?»
45
19
23
27
30
34
40
4.1
Fallstudie AMAG Leasing AG: «Videobasierte Identifikation als Wegbereiter
für das Online-Leasing» 46
4.2
Fallstudie Kanton Zürich: «e-Umzug – Online umziehen»
63
4.3
Fallstudie SWISS RE: «Case Management in P&C Reinsurance –
Wissensarbeit im Fokus»
75
4.4
Fallstudie Vontobel: «Digitalisiertes Service Management schafft Kundennutzen»
89
4.5
Fallstudie Swisscom: «Die Einführung von Produktions- und Servicekatalogen –
der erste Schritt zur industrialisierten Fertigung»
98
Business Process Management 2016
5.
Fazit111
5.1
Status quo «Kundennutzen durch Digitale Transformation»:
Fazit aus der Online-Befragung
5.2
Erfolgsmuster: «Kundennutzen durch digitale Transformation»:
Fazit aus den Fallstudien
5.3
BPM quo vadis? –
Prozessmanagement als Gestaltungshebel der digitalen Transformation
111
114
117
Literaturverzeichnis119
Abbildungsverzeichnis121
Experten123
Autoren124
Studienpartner126
Anhang128
Teilnehmerkreis der Online-Befragung
128
Fragenkatalog der Online-Befragung
132
3
4
Zielsetzung und Studiendesign
1. Zielsetzung und Studiendesign
1.1 FORSCHUNGSGEGENSTAND UND AUS-
wärtigen Warnungen, dass ein Moment der Unachtsamkeit
GANGSLAGE
genügt, um von einem innovativen Startup aus dem Markt
Bietet das Hype-Thema «digitale Transformation»
gedrängt zu werden, tragen nicht gerade dazu bei, sich
die Chance, Prozessmanagement in ein ganz neu-
freudig dem Thema «Digitalisierung» zuzuwenden.
es Licht zu rücken? Ist Prozessmanagement vielleicht sogar eine wesentliche Voraussetzung, um
Digitale Transformation – Für wen?
den digitalen Wandel zielgenauer zu gestalten?
Dabei ist häufig unklar, was sich konkret hinter dem Begriff
Oder wird Prozessmanagement im Zeitalter der
«digitale Transformation» verbirgt. Dass sich Unternehmen
selbstorganisierenden Teams und Customer Jour-
verändern und kundenzentriert sein sollen, ist nichts Neues.
neys letztlich überflüssig? Nicht nur Branchen, son-
Auch Digitalisierung ist mehr als vier Jahrzehnte nach Erfin-
dern auch Managementdisziplinen sind herausge-
dung des Mikroprozessors und mehr als zwei Jahrzehnte
fordert, sich mit der Relevanz der digitalen
nach der Geburt des World Wide Webs keine neues Phäno-
Transformation zu beschäftigen, sich neu zu ord-
men. Neu zu sein scheint die Geschwindigkeit, die diese
nen, sich besser zu verzahnen und sich letztlich zu
Transformation aufgenommen hat und die Reichweite, mit
wandeln.
der sie in alle Lebensbereiche eindringt und die Grenzen zwischen Mensch, Maschine und Unternehmen zunehmend
Die Business Process Management (BPM)-Studie 2016
aufweicht. Diese Tendenz wird nicht erst seit kurzem beob-
widmet sich einem Thema, das für viele bereits zum Reiz-
achtet. Die Suche nach einer Definition der digitalen Transfor-
wort geworden ist. Das Schlagwort «digitale Transformation»
mation zeigt, dass der Begriff bereits zur Jahrtausendwende
dominiert nicht nur die Veranstaltungskalender, sondern in
in einem sehr ähnlichen Licht diskutiert wurde. So definieren
zunehmendem Masse die strategischen Diskussionen in
(Stolterman & Fors, 2004) in ihrem Research Position Paper
Unternehmen aller Grössen und Branchen. Im Rampenlicht
«Technology and the Good Life» digitale Transformation als
stehen mobile Apps oder vielversprechende digitale Helfer
die Summe aller Veränderungen, die digitale Technologien in
und technologische Gadgets, wie Serviceroboter oder Aug-
allen Aspekten des menschlichen Lebens verursachen (Ab-
mented-Reality-Brillen, die Kunden und Mitarbeitenden
bildung 1). Sie leiten daraus die Forderung an die Informatik-
neue Dimensionen der Interaktion eröffnen sollen. Die Faszi-
forschung ab, das eindimensionale Verständnis von Informa-
nation ist gross, doch für Unternehmen ist häufig unklar, wel-
tionstechnologie um die Perspektive des menschlichen
che Relevanz diese Innovationen für ihr Geschäftsmodell
Erlebens zu erweitern. Technologien werden unter diesem
haben und wie sie sie in die bestehenden Prozess- und
Blickwinkel nicht nach rein funktionalen Kriterien für Nutzer in
Systemlandschaften integrieren können. Auch die allgegen-
bestimmten Rollen (z.B. Kunde, Entscheider) entworfen,
«Nach und nach wird jede Branche und jeder Lebensbereich
von der Digitalisierung erfasst werden – von Produktion bis
Dienstleistung, von Bildung bis Gesundheit. Der technische
Fortschritt verheisst ein besseres, angenehmeres und längeres Leben und bedroht zugleich praktisch jedes etablierte
Geschäftsmodell.»
GDI: Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft (Frick & Höchli, 2014)
Business Process Management 2016
sondern für Menschen, die ein Leben führen und Bedürfnis-
Digitale Transformation – Wie und wozu?
se haben, die sich nicht ausschliesslich auf eine Lebenswelt
Doch welche Möglichkeiten haben Unternehmen, diese Kun-
begrenzen lassen, sondern kontextübergreifend sind. Sie
denerlebnisse bewusst zu gestalten und ihre Produkte und
reihen sich damit in eine Strömung des Information Systems
Dienstleistungen auf Kundenbedürfnisse auszurichten, die sich
Engineering ein, die seit Ende der 1990er-Jahre mit Diszipli-
kaum einschätzen lassen? Obwohl Pine & Gilmore (1998) die
nen wie «Human-Centered Computing», «User Experience»
Wichtigkeit von Gerüchen und haptischen Erlebnissen beto-
oder «Interactions Design» das Anwendererlebnis in den Mit-
nen, sehen sie das Potenzial neuer Technologien. So beschrei-
telpunkt des Systementwurfs stellt. Im selben Zeitraum ent-
ben sie das Visionarium Reality Center des Grafikworkstation-
steht der Begriff der «Customer Experience», erstmals er-
Herstellers Silicon Graphics, das bereits 1996 dreidimensionale
wähnt von (Pine & Gilmore, 1998) in einem Artikel im Harvard
Produktvisualisierungen ermöglichte, mit denen Produktent-
Business Review, die mit einer sehr ähnlichen Haltung das
wickler und Kunden verschiedene Produktvarianten mit allen
positive Kundenerlebnis als wesentliche Basis einer nachhal-
Sinnen erproben konnten, um die vielversprechendsten frühzei-
tigen und für alle Seiten wertstiftenden Kundenbeziehung
tig zu erkennen. Seither ist viel geschehen. 3D-Virtual-Reality-
einstufen. Die sich in der Folge entwickelnde Disziplin des
Brillen für das ultimative Gaming- und Filmerlebnis sind heute für
«Customer Experience Management» ist jedoch grundsätz-
jedermann erschwinglich. Mobile Technologien, Social Media
lich technologieunabhängig und bezieht sich auf jeden Be-
und Wearables gehören zum digitalen Alltag. Konsumenten
rührungspunkt mit dem Kunden, egal ob physisch oder digi-
verfügen über digitale Möglichkeiten und Kompetenzen, die
tal. Wesentlich dabei ist die Anerkennung des Kundennutzens
Unternehmen zunehmend ausnutzen, um Interaktionen und
als relativer Wert aus Kundensicht («perceived value»). Beim
Transaktionen unmittelbarer und schneller zu gestalten. Dieser
wahrgenommenen Kundennutzen werden Preis und Qualität
Einsatz neuer Technologien steht folglich auch im Mittelpunkt
zu subjektiven Grössen, die von jedem Kunden individuell für
vieler Definitionen und Analysen zum Thema «digitale Transfor-
jede Situation und abhängig von Erfahrungen, Vergleichen
mation». Auch die oft zitierte Definition der MIT Sloan Manage-
und Werthaltungen definiert werden (McDougall & Levesque,
ment Review, die im Rahmen einer Studie mit Cap Gemini ent-
2000).
stand, stellt digitale Transformation mit der Anwendung neuer
«As goods and services become commoditized, the customer
experiences that companies create will matter most …
A Rolling Stones concert-goer, for example, will pay a
premium for an official T-shirt emblazoned with the date and
city of the concert. That’s because the price points are a
function less of the cost of goods than of the value the buyer
attaches to remembering the experience.»
(Pine & Gilmore, 1998))
5
6
Zielsetzung und Studiendesign
Abb. 1:
DEFINITIONEN FÜR DIGITALE TRANSFORMATION
Für wen?
«The digital transformation can be understood as the changes that the digital technology causes or influences in all
aspects of human life. This research challenge has to be
accepted on behalf of humans, not in their roles as users,
customers, leaders, or any other role, but as humans living
a life.»
(Stolterman & Fors , 2004)
Wozu?
«We define Digital Transformation as the use of new digital
technologies (social media, mobile, analytics or embedded
devices) to enable major business improvements (such as
enhancing customer experience, streamlining operations or
creating new business models).»
(MIT Sloan Management Review Report, 2013)
Wie? Womit?
«It’s tempting to look for simple definitions, but to be meaningful and sustainable, we believe that digital should be seen less as a thing and more a way
of doing things. To help make this definition more concrete, we’ve broken it
down into three attributes: creating value at the new frontiers of the business
world, creating value in the processes that execute a vision of customer experiences, and building foundational capabilities that support the entire structure.»
(McKinsey, 2015)
Business Process Management 2016
Technologien (Social Media, Mobile etc.) gleich (Fitzgerald, Kru-
1.2 STUDIENDESIGN
schwitz, Bonnet, & Welch, 2014, S. 2; Abbildung 1). Der Blick
«Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als
auf den Anwendungszweck dieser Technologien ergibt jedoch
Gestaltungshebel der digitalen Transformation?»
ein deutlich differenzierteres Bild. Mit den drei Bereichen «Cus-
lautet die Forschungsfrage der BPM-Studie 2016.
tomer Experience», «Operational Improvements» und «Business
Mögliche Chancen und Potenziale der Digitalisie-
Model Change» wird der Rahmen für die Gestaltung der digita-
rung für das Prozessmanagement wurden in For-
len Transformation gesteckt. Innerhalb der operationalen Ver-
schungsfragen und Hypothesen formuliert. Im Rah-
besserungen finden sich «alte Bekannte» wie Prozessdigitalisie-
men einer quantitativen Online-Befragung wurde
rung, Worker Enablement und Performance Management, die
der Status quo in Unternehmen erhoben. Gemein-
nicht perfekt in das Bild der neuen Technologien passen, aber
sam mit Unternehmen wurden Fallstudien erarbei-
dennoch von Unternehmen als wesentliches Element der digi-
tet und Erfolgsmuster abgeleitet.
talen Transformation betrachtet werden. Digitale Transformation
scheint also nicht nur im Front-End, in der Interaktion mit Kun-
1.2.1 Forschungsfragen und Hypothesen
den stattzufinden, sondern beeinflusst auch die Gestaltung und
Die Ergebnisse der BPM-Studie des Vorjahres haben ge-
Ausführung der operativen Prozesse. Ist dies der naheliegende
zeigt, dass Unternehmen Prozessmanagement zuneh-
Ansatzpunkt für das betriebliche Prozessmanagement? Oder
mend mit dem Ziel einer stärkeren Kundenorientierung ein-
greift diese Betrachtung, die das Prozessmanagement im
setzen. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gab die
Back-End-Silo der operativen Verbesserungen einordnet, zu
Erhöhung der Kundenzufriedenheit als Motivation für das
kurz? Hat das Prozessmanagement auch Einfluss auf die Ge-
betriebliche Prozessmanagement an (Brucker-Kley, et al.,
staltung der Kundenerlebnisse oder sogar das Potenzial, das
2015). Effizienz war in der letztjährigen Studie mit 61 % die
Geschäftsmodell zu verändern und Produkt- und Serviceinno-
dominierende Zielsetzung für das Prozessmanagement, je-
vationen zu schaffen? Könnte Prozessmanagement, sowohl im
doch wurde Kundenzufriedenheit auf Platz zwei sogar häufi-
fachlich-strategischen als auch im technisch-operativen Sinn,
ger genannt als das Ziel der Transparenz (38 %). Die Frage
eine der grundlegenden Fähigkeiten («foundational capabilities»)
nach der Umsetzung ergab jedoch ein ernüchterndes Bild.
sein, die gemäss (McKinsey & Co, 2015) in Unternehmen vor-
Durchgängige und am Kundenbedarf ausgerichtete Prozes-
handen sein müssen, um ihr Geschäft wertstiftend digital trans-
se standen nur für rund ein Viertel der befragten Unterneh-
formieren zu können (Abbildung 1)?
men im Fokus. Fast 40 % setzten keine Methoden oder
Technologien ein, um ihre Prozesse flexibel an den Kontext
Die Forschungsfrage
oder die Bedürfnisse ihrer Kunden anzupassen und wenn,
An diesem Punkt setzt die BPM-Studie 2016 an und stellt sich
dann nutzten sie vordefinierte Geschäftsregeln, um komple-
folgende Frage: «Welche Rolle spielt Prozessmanagement als
xe stark strukturierte Prozesse zu steuern. Innovation war
Gestaltungselement der digitalen Transformation? Sie widmet
nur für rund 16 % der befragten Unternehmen ein Thema für
sich den Themenschnittstellen der drei Wirkungsfelder «Kun-
das Prozessmanagement. Lediglich 22 % der befragten Un-
denutzen – Digitalisierung – Prozessmanagement» und unter-
ternehmen erhoben systematisch Automatisierungspotenzi-
sucht im Rahmen einer qualitativen und quantitativen Studie:
al. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie des Vorjah-
–– Den Status quo in der Praxis: In welcher Ausprägung setz-
res stellt sich die Frage, ob das Prozessmanagement in
ten Unternehmen im deutschsprachigen Raum Konzepte,
Unternehmen strategisch und operativ für die Herausforde-
Methoden und Technologien an diesen Schnittstellen ein?
rungen des digitalen Wandels gerüstet ist. Kann das Pro-
–– Erfolgsmuster in Unternehmen: Welche Erfahrungen, Lö-
zessmanagement über Effizienzsteigerung und Automatisie-
sungsansätze und Resultate weisen Unternehmen auf, die
rung standardisierter Back-End-Prozesse hinaus einen Beitrag
den Kundennutzen und die Möglichkeiten der Digitalisie-
zu veränderten Kundenerlebnissen und innovativeren Pro-
rung ins Zentrum ihrer BPM-Initiativen stellen?
dukten und Dienstleistungen leisten?
7
8
Zielsetzung und Studiendesign
Effizienz versus Kundenerlebnis?
Prozessmanagement – Kundenutzen –
Auch die Ergebnisse anderer jüngerer Studien zur Ausprä-
Digitalisierung
gung des Prozessmanagements deuten darauf hin, dass es
Das spürt auch das traditionell auf Transparenz und Effizien-
noch Entwicklungspotenziale in den für die digitale Transfor-
zgewinne ausgerichtete Prozessmanagement, das sich ver-
mation essentiellen Bereichen Kundenorientierung und Digi-
mehrt der Frage stellen muss, welche Rolle die durch den
talisierung gibt. So resümiert der 2016 aktualisierte Digital
technologischen Wandel veränderte Kundenbeziehung beim
Maturity & Transformation Report (Universität St.Gallen;
Entwurf, bei der Operationalisierung und bei der Optimierung
Crosswalk, 2016), der auf einer Befragung von mehr als 500
von Prozessen spielt. Wie lassen sich die neuen Möglichkei-
Schweizer Unternehmen beruht, dass es insbesondere in
ten, die sich aus neuen Interaktionsformen mit Kunden und
den Bereichen Customer Experience und Prozessdigitalisie-
Mitarbeitenden ergeben, mit den vorhandenen oder zu
rung niedrige Erfüllungsraten und einen hohen Aufholbedarf
schaffenden Fähigkeiten im Back-End in Einklang zu brin-
gäbe. Überprüft wurden beim Kriterium Prozessdigitalisie-
gen? Wie lassen sich dabei sowohl durchgängige und effizi-
rung unter anderen Geschäftsfähigkeiten wie Prozessauto-
ente Prozesse als auch überzeugende digitale und physi-
matisierung, die Entscheidungsunterstützung durch Big-Da-
sche
ta-Analysen und die Planung und die Durchführung von
Anforderungen an den Themenschnittstellen zwischen Pro-
digitalen Marketingmassnahmen. Eine Studie von (BPM&O;
zessmanagement, Kundennutzen und Digitalisierung wurden
BearingPoint, 2015) bei 270 Unternehmen im deutschspra-
im Rahmen der vorliegenden Studie als Forschungsfragen
chigen Raum kam zum Schluss, dass das Prozessmanage-
formuliert (Abbildung 2), mit Hypothesen hinterlegt und in
ment im Vergleich zu den Back-End-Operations und Sup-
den quantitativen und qualitativen Elementen der Studie ad-
portprozessen (z.B. IT, Finanzen) in den Bereichen mit
ressiert.
Kundenerlebnisse
realisieren?
Diese
hohen
Kundenkontakt wie Marketing, Sales und Service vergleichsweise schwach ausgeprägt ist. Auch der Einfluss von Ergeb-
HYPOTHESEN
nissen der Kundenzufriedenheitsmessungen auf die Pro-
Strategische Ausrichtung – Kundenzentrisches und
zessgestaltung ist laut dieser Studie noch begrenzt. Dass
technologienahes BPM
Unternehmen aber auch beim Thema Digitalisierung primär
Unternehmen nennen die verstärkte Kundenorientierung
an stark strukturierte back-end-lastige Prozesse denken, er-
neben Effizienz und Transparenz als wichtige Motivation
staunt und bestätigt zugleich, dass Effizienzsteigerung auch
für das Prozessmanagement. Dennoch spielt der Kunden-
im Zeitalter der digitalen Transformation eine Notwendigkeit
nutzen für Rechtfertigung und konkrete Ausgestaltung des
bleibt. Diesen Schluss legt eine Studie von (Crisp Research,
Prozessmanagements eine untergeordnete Rolle. Pro-
2015) mit über 500 Führungskräften in Deutschland nahe.
zessdesign, -automatisierung und -optimierung in Unter-
Sie zeigt, dass 42 % der befragten Unternehmen den gröss-
nehmen sind primär auf Effizienz ausgerichtet. Auch die
ten Einfluss der digitalen Transformation in der Optimierung
Business Cases für BPM-Investitionen (organisatorisch
von Produktions- und Logistikprozessen sehen, wohingegen
und technisch) basieren in der Regel auf Effizienzgewin-
die Digitalisierung der Kundenbeziehung mit 31 % auf Platz
nen. Kundenzufriedenheit bleibt ein strategisch formulier-
zwei landet. Dieser Balanceakt zwischen Kundenperspektive
tes Ziel, das indirekt über Qualität, Geschwindigkeit und
und internem Fokus, zwischen technologischen Möglichkei-
Preis unterstützt wird, das jedoch noch kaum mit unmittel-
ten und finanzieller Machbarkeit stellt Unternehmen unab-
bar wirksamen Massnahmen des operativen Prozessma-
hängig von Grösse und Branche vor grosse Herausforderun-
nagements – wie etwa individualisierten Prozessen – ad-
gen.
ressiert wird.
Business Process Management 2016
Abb. 2: Forschungsfragen
WELCHE ROLLE SPIELT PROZESSMANAGEMENT ALS GESTALTUNGSELEMENT DER DIGITALEN
TRANSFORMATION?
9
10
Zielsetzung und Studiendesign
Interne Sicht versus Kundenperspektive
mationssystemen möglich. Insbesondere kleinen und mittle-
Digitale Transformation wird von Kunden und Mitarbeitenden
ren Unternehmen fehlt häufig die Infrastruktur, um diese Inte-
getrieben, die die Potenziale moderner Technologien kennen
gration rasch und wiederverwendbar zu realisieren. Diese
und selbstverständlich erwarten, dass Unternehmen diese
«harte Realität» der digitalen Transformation wird mit Blick auf
ausnutzen. Die Anforderungen an den Technologieeinsatz
prestigeträchtige Technologien an der Schnittstelle zum
kommen somit vom Kunden und anwendenden Mitarbeiten-
Kunden (z.B. mobile Apps), gerne ausgeblendet. Auch das
den und können nicht isoliert formuliert werden. Diese konse-
breite Spektrum der Prozessdigitalisierung wird häufig nicht
quente und frühzeitige Einnahme der Kundenperspektive
ausgenutzt. Prozessdigitalisierung umfasst mehr als nur die
muss auch für die Gestaltung, Ausführung und Weiterent-
Automatisierung von Standardprozessen. Die IT-Unterstüt-
wicklung der Prozesse (Prozessziele, -struktur, IT-Unterstüt-
zung schwach strukturierter, wissensintensiver Prozesse,
zung) gelten. Die konsequente Ausrichtung auf den Kunden-
ein wesentlicher Aspekt des digitalen Arbeitsplatzes, ist in
bedarf wird im Prozessmanagement heute vor allem unter
Unternehmen immer noch schwach ausgeprägt. Methoden,
dem Prinzip «End-to-End-Prozessmanagement» zusammen-
um zielgerichtet Prozesse zu digitalisieren, das heisst, die
gefasst.End-to-End-Prozessmanagement konzentriert sich
passende Digitalisierungsform und den optimalen Grad an
jedoch auf das Kundenbedürfnis im Sinne eines Prozessin-
Standardisierung beziehungsweise Flexibilisierung oder Be-
puts und dessen Erfüllung im Sinne eines Prozessoutputs,
fähigung zu finden, existieren kaum. Auch die Frage, ob
der häufig mit dem Prozessziel gleichgesetzt wird. Der durch-
Technologieeinsatz Kundennutzen immer erhöht oder unter
gängige Prozess selbst wird aus der unternehmensinternen
Umständen auch minimiert oder gar zerstört, wird in Zeiten
Perspektive gestaltet, ohne den Berührungspunkten zum
hektischer Digitalisierungsinitiativen nicht systematisch ad-
Kunden besondere Beachtung zu schenken. Für die Kun-
ressiert.
denbeziehung oder das Kundenerlebnis kritische Aktivitäten
oder Informationsflüsse sind in Prozessmodellen typischer-
Digitalisierung = datenzentrisches Prozessma-
weise nicht speziell gekennzeichnet. Customer Journeys hin-
nagement
gegen, die die Befindlichkeiten des Kunden an allen Berüh-
Daten sind der Treibstoff der digitalen Transformation und
rungspunkten mit dem Unternehmen abbilden (Gartner
spielen auch für die kundenorientierte Ausgestaltung, Flexi-
Research, 2014), werden isoliert im Marketing eingesetzt und
bilisierung und Optimierung der Prozesse eine zentrale Rol-
haben häufig keinen Bezug zu den Prozessmodellen
le. Die Digitalisierung der Kundenbeziehung führt zwangsläufig zu einem massiven Wachstum der Kundendaten.
Prozessdigitalisierung: die richtige Form und das
Damit verbunden sind nicht nur neue Möglichkeiten, Kun-
richtige Mass
denerlebnisse auch in der digitalen Welt individuell zu ge-
Digitalisierung wird in vielen Unternehmen heute aus-
stalten oder innovative Produkte und Dienstleistungen an-
schliesslich im Front-End für die Optimierung des Kundener-
zubieten, sondern die Verantwortung der Unternehmen,
lebnisses oder ausschliesslich im Back-End für Standardi-
über das gesetzliche Mindestmass hinaus Transparenz
sierung und Effizienzsteigerung betrieben. Diese isolierten
über die Haltung und Verwendung dieser Daten herzustel-
Aktivitäten sind nicht zielführend. Durchgängige und flexible
len. Unternehmen sind sich dieser Verantwortung bewusst
Prozesse, die Effizienz und Kundenerlebnis gleichermassen
und auf der Suche nach geeigneten Mechanismen, diese
optimieren, werden nur durch Integration von Front- und
Transparenz zu gewährleisten und so eine vertrauensvolle
Back-End und gegebenenfalls externen Partnern und Infor-
Kundenbeziehung nachhaltig sicherzustellen.
Business Process Management 2016
Abb. 3
VORGEHEN ZUR KONZEPTION UND DURCHFÜHRUNG DER STUDIE
Okt – Nov 2015
Studiendesign
& Vorstudie
Dez 2015 – März 2016
Fallstudien
identifizieren
und debriefen
April – Juni 2016
Praxisworkshop
durchführen,
auswerten
Hypothesen
schärfen
Juni– Aug 2016
BPM-Symposium
29.9.2016
Studie verfassen
und publizieren
Ergebnisse
und Cases
präsentieren
Online-Befragung
durchführen,
auswerten
–– Qualitativ – Erfolgsmuster in Unternehmen: Im Rahmen offe-
1.2.2 Vorgehen und Ergebnisse
Die Studie umfasst einen quantitativen und qualitativen For-
ner Interviews und eines ganztägigen Workshops werden
schungsteil:
Fallstudien mit Unternehmen erarbeitet, die ihre Erfahrungen,
Lösungsansätze und Resultate aus kundenzentrischen
–– Quantitativ – Status quo in der Praxis: Im Rahmen einer
Online-Befragung wird die Ausprägung, mit der Unter-
Digitalisierung- bzw. Prozessmanagement-Initiativen aufzeigen.
nehmen im deutschsprachigen Raum Konzepte, Methoden und Technologien an den Schnittstellen von Pro-
Abbildung 3 skizziert das Vorgehen. Die nachstehende Tabelle
zessmanagement, Kundenorientierung und
fasst den Inhalt der vorbereitenden sowie quantitativen und quali-
Digitalisierung einsetzen, erhoben.
tativen Forschungsteile und deren Ergebnisse zusammen.
Tabelle 1
VORGEHEN UND ERGEBNISSE
Vorgehen
Ergebnisse (Studie)
Was ist digitale Transformation? Welche
Handlungsfelder eröffnen sich für das
Prozessmanagement?
Vorstudie:
– Definitionen und Gestaltungsebenen der «digitalen Transformation»
– Stand der Forschung «BPM & digitale
Transformation»
Forschungsfragen und
Hypothesen
 Kapitel 1
Rahmenwerk der Studie
 Kapitel 2
In welcher Ausprägung setzten
Unternehmen Konzepte, Methoden und
Technologien an den Schnittstellen
zwischen Prozessmanagement,
Kundennutzen und Digitalisierung ein?
Quantitativ:
– Online-Befragung von Unternehmen im deutschsprachigen Raum (April–Mai 2016)
Studienteilnehmenden
– Branchenübergreifende Analyse der
Umfrageergebnisse
Umfrage-Ergebnisse
 Kapitel 3
Fazit: Status quo
 Kapitel 5.1
Welche Erfahrungen, Lösungsansätze und Qualitativ:
Resultate weisen Unternehmen auf, die
– Debriefings mit Fallstudienkandidaten
den Kundennutzen und die Möglichkeiten – Ganztägiger Praxis-Workshop mit 5 Unternehmen
der Digitalisierung ins Zentrum ihrer BPMInitiativen stellen?
Fallstudien von Amag Leasing,
Vontobel, Kanton Zürich, Swiss
Re und Swisscom
 Kapitel 4
Fazit: Erfolgsmuster
 Kapitel 5.2
Welche Konsequenzen ergeben sich für
das Prozessmanagement?
Fazit: Quo vadis BPM?
 Kapitel 5.3
11
12
Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels
2. Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement
des technologischen Wandels
«Kundennutzen durch digitale Transformation?»
2. Was wird digital transformiert?
lautet der Untertitel der diesjährigen BPM-Studie.
Ü
Kundenerlebnis
Das Fragezeichen steht für eine Vielzahl offener
Ü
Geschäftsmodell
Fragen und Zweifel, die sich bei der Realisierung
Ü
Business Operations
dieses Heilsversprechens früher oder später einstellen. Die Vision des Endzustands kling verlo-
3. Wie beziehungsweise womit wird digital transfor-
ckend: Kunden profitieren von innovativen Produk-
miert? Fokus: Prozessmanagement
ten und Dienstleistungen, die nicht nur effizienter
erbracht werden, sondern eine neue Dimension von
Strategisch, konzeptionell:
Kundenerlebnissen eröffnen. Unternehmen stehen
Ü
Kundenzentrische und technologienahe BPM-Strategi
allerdings vor der Aufgabe, die Voraussetzungen zu
en: Digitalisierungspotenzial (und Digitalisierungsgren-
schaffen, das heisst nicht nur ihr traditionelles Ge-
zen) identifizieren
schäftsmodell, ihre Strategien und ihre Kultur zu
Ü
Kundenzentrische End-to-End-Prozessarchitekturen und
hinterfragen, zu verändern oder zumindest anzu-
-modelle: Transparenz: Kundennutzen und für die Kun-
passen, sondern auch ihre betrieblichen Struktu-
denbeziehung kritische Punkte sichtbar machen
ren, Abläufe und Systeme so weit zu entwickeln,
dass sie eine Öffnung in Richtung Kunde zulassen.
Operativ, technisch:
Gestaltungsfelder sind also vorhanden. Doch wo
Formen der Prozessdigitalisierung zweckmässig einsetÜ und wie wirkt das Prozessmanagement?
zen für:
– Optimierung von Effizienz und/oder Qualität
Um mögliche Wirkungsbereiche des Prozessmanagements im
– Flexibilisierung und Individualisierung von Kundeninter-
Kontext der digitalen Transformation herauszuarbeiten, wurde
im Rahmen der Vorstudie ein Rahmenwerk entworfen, das die
aktionen
– Synchronisierung von physischen und digitalen Kun-
Gestaltungsfelder der digitalen Transformation aufzeigt (Abbil-
denerlebnissen
dung 4). Das Rahmenwerk diente zum einen als Arbeitsdefiniti-
Ü
on für den Begriff der digitalen Transformation und zum ande-
– Kundendaten und operativen Prozessdaten für die fle-
ren als Projektionsfläche, um strategische, fachliche sowie
xible Prozesssteuerung einsetzen (retrospektiv und in
technische Lösungselemente des Prozessmanagements in
Echtzeit)
diesem Gestaltungsrahmen zu platzieren. Im qualitativen Forschungsteil wurde das Rahmenwerk eingesetzt, um die Fallstudien der beteiligten Unternehmen einzuordnen, Erfolgsfaktoren
zu
identifizieren
und
Entwicklungspotenziale
zu
diskutieren.
Das Rahmenwerk basiert auf bestehenden Definitionen (Kapitel
1.1) und betrachtet die digitale Transformation aus drei Perspektiven:
1. Wozu und für wen wird digital transformiert?
Ü
Kundennutzen
Ü
Produkt- und Service-Innovation
Ü
Operational und Service Excellence
Kundenwissen & Customer Analytics:
– Transparenz der Datenhaltung für Kunden sicherstellen
Business Process Management 2016
Abb. 4: Thematisches Rahmenwerk der BPM-Studie 2016
BPM STUDIE 2016: KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANSFORMATION?
GESTALTUNGSFELDER UND POTENZIALE FÜR DAS PROZESSMANAGEMENT
13
14
Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels
DIGITALE TRANSFORMATION – WOZU UND FÜR
Dies hat auch Einfluss auf die kontinuierliche Entwicklung der
WEN?
Operational und Service Excellence. Die Optimierung von
Was möchten Unternehmen durch digitale Transformation
Prozessen im Back- und Front-End hinsichtlich Qualität und Effizi-
erreichen und wer profitiert von diesen Errungenschaften
enz stellt eine weitere wesentliche Motivation für die digitale Trans-
(Abbildung 5)? Wie bereits in Kapitel 1.1 ausgeführt, steht
formation in Unternehmen dar. Vor allem an der Schnittstelle zum
der Kunde mit seinen Bedürfnissen, Emotionen und persön-
Kunden, aber auch zu Partnern und einer neuen Generation von
lichen Werthaltungen im Fokus der digitalen Transformation.
Mitarbeitenden, ist jedoch nicht immer fassbar, welche Leistung
Technologien einzusetzen, um positive Kundenerlebnisse zu
unter welchen Bedingungen als exzellent betrachtet wird. Flexibili-
schaffen, ist eine nachvollziehbare Motivation. Die Realisie-
tät und Reaktionsfähigkeit, in der Regel in Echtzeit, sind eine neue
rung dieser Erlebnisse und der effektive Wirkungsnachweis
Dimension von Operational und Service Excellence, die hohe An-
fallen jedoch schwer. Kundenbedürfnisse sind häufig nicht
forderungen an Daten- und Prozessintegration mit sich bringt.
ausgesprochen und werden von Unternehmen lediglich angenommen und in Anforderungen formuliert, sei es für die
Die Innovation von Produkten und Services ist Motivation und
Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung oder
Treiber der digitalen Transformation zugleich. Technologische Neu-
für den Entwurf eines Prozesses oder einer Softwarelösung.
erungen sind die wesentliche Kraft hinter vielen Produkt- und
Der Kundennutzen wird im Customer Experience Manage-
Service-Innovationen in den verschiedensten Branchen. Neue
ment als relativer Wert betrachtet («perceived value»), der je
Wettbewerber nutzen diese Chance, um mit innovativen digitalen
nach Situation und Erfahrungshintergrund von jedem Kun-
Dienstleistungen in den Markt zu drängen. Aber auch etablierte
den individuell empfunden wird. Objektive, auch vom Pro-
Anbieter erweitern ihr Produkt- und Dienstleistungsportfolio um di-
zessmanagement traditionell anvisierte Grössen wie Schnel-
gitale Innovationen. Grundvoraussetzung ist ein offenes Innovati-
ligkeit, Qualität oder Preis werden so zu subjektiven Grössen,
onsmanagement, das neue Konzepte wie Design Thinking in in-
die den Kundennutzen zweifelsohne beeinflussen, jedoch
terdisziplinären, unternehmensweiten und -übergreifenden Teams
nicht für jeden Kunden und in jedem Kontext gleichermassen
und die Einbindung von Kunden in Produktentwicklungs- und In-
relevant sind.
novationsprozesse («Co-Creation») aufgreift.
Abb. 5
DIGITALE TRANSFORMATION – WOZU UND FÜR WEN?
Business Process Management 2016
DIGITALE TRANSFORMATION – WAS WIRD TRANS-
den Prozessarchitekturen und -modellen niederschlagen, die
FORMIERT?
wiederum einen Beitrag leisten, neue und veränderte Prozes-
Reichweite und Wirkungsfelder der digitalen Transformation
se durchgängig und konsequent am Kundenbedarf ausge-
innerhalb des Unternehmens und für den Kunden können
richtet zu entwerfen. Voraussetzung ist eine enge Verzah-
unterschiedlich ausgeprägt sein: von der Ergänzung oder
nung
Optimierung eines Online-Kanals, über die Ausstattung von
Geschäfts- und Informationssystemarchitektur (z.B. durch
Aussendienstmitarbeitern mit mobilen Applikationen oder der
die Hinterlegung von Geschäftsobjekten, Applikationen, Da-
durchgängigen Automatisierung eines Prozesses bis hin zu
tenquellen), um Integrationsherausforderungen, Informati-
einer Veränderung oder Erweiterung des Geschäftsmodells.
onsbedürfnisse und Digitalisierungpotenziale oder -defizite
Grosses Potenzial liegt vor allem in den Wirkungszusammen-
offenbar werden zu lassen. Im Idealfall spielt ein derart kun-
hängen zwischen den Transformationsbereichen Kundener-
denzentrisch und technologienah aufgestelltes Prozessma-
lebnis, Geschäftsmodell und Business Operations (Abbil-
nagement eine aktive Rolle in der Identifikation von Business
dung
Cases für die die Prozessdigitalisierung im Front- und Back-
6).
Werden
Produkte,
Dienstleistungen
oder
Distriubutionskanäle digital erweitert, muss sich dies auch in
der
End.
Abb. 6
DIGITALE TRANSFORMATION – WAS WIRD TRANSFORMIERT?
Prozessarchitektur
und
-modelle
mit
der
15
16
Das Rahmenwerk: Prozessmanagement als Gestaltungselement des technologischen Wandels
DIGITALE TRANSFORMATION – WOMIT? (FOR-
herausragender Kundenerlebnisse im Front-End und durch-
MEN DER PROZESSDIGITALISIERUNG)
gängiger Prozesse setzt eine sehr viel breitere Technologieba-
Digitalisierung wird häufig mit technologischen Gadgets, So-
sis in Unternehmen voraus (Abbildung 7), die teilweise bereits
zialen Netzwerken und mobilen Applikationen assoziiert, die
vorhanden, aber nicht immer integriert ist und nicht immer auf
in erster Linie Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten mit
den neuesten Technologien oder Systemarchitekturen beruht.
dem Unternehmen und dessen Produkten und Dienstleis-
Im Rahmen der vorliegenden Studie werden unter dem Begriff
tungen eröffnen. Prozessdigitalisierung rückt erst beim
Prozessdigitalisierung insbesondere auch der Technologieein-
Stichwort «Operational Excellence» ins Bild und wird typi-
satz für schwach strukturierte und wissensintensive Prozesse
scherweise mit der Automatisierung stark strukturierter und
verstanden, die die Kollaboration und Entscheidungsunter-
standardisierter Prozesse gleichgesetzt. Doch diese enge
stützung von Mitarbeitenden, gegebenenfalls mit Einbezug
Sicht deckt nur einen Teil des Spektrums ab. Die Schaffung
von Kunden oder Partnern, unterstützen.
Abb. 7
DIGITALE TRANSFORMATION – WIE UND WOMIT? (FORMEN DER PROZESSDIGITALISIERUNG)
Business Process Management 2016
3. Ergebnisse der Umfrage: «Status
quo: Kundennutzen durch digitale
Transformation?»
Welchen Beitrag leistet das Prozessmanagement
«Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als Gestal-
für die Maximierung des Kundennutzens? Wie las-
tungselement der digitalen Transformation?» lautet die For-
sen Unternehmen die Kundenperspektive in die
schungsfrage der BPM-Studie 2016, die sich den The-
Prozessgestaltung einfliessen? In welcher Ausprä-
menschnittstellen der drei Wirkungsfelder Kundenutzen
gung setzen Unternehmen Kunden- und Prozess-
– Digitalisierung – Prozessmanagement widmet. Ziel der quan-
daten ein, um Kundenerlebnisse zu individualisie-
titativen Befragung war es, den Status quo des Methoden-
ren? Ist dabei Transparenz und Datenherrschaft für
und Werkzeugeinsatzes innerhalb und an den Schnittstellen
Kunden sichergestellt? Erheben Unternehmen sys-
dieser drei Wirkungsfelder zu erheben und Erkenntnisse über
tematisch Digitalisierungspotenzial in ihren Pro-
die Ausrichtung und den Reifegrad des Prozessmanage-
zessen? Wie steht es um die Durchgängigkeit der
ments in Unternehmen im Hinblick auf die Herausforderun-
Prozesse und welche Formen der Prozessdigitali-
gen des technologischen Wandels zu gewinnen. Ausgehend
sierung kommen dabei zum Einsatz? Diese und
von den in Kapitel 1 formulierten Forschungsfragen und Hy-
weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Online-
pothesen sowie dem in Kapitel 2 vorgestellten Rahmenwerk
Befragung, die im Rahmen der vorliegenden Studie
wurden für die quantitative Erhebung Unterforschungsfragen
im Mai 2016 durchgeführt wurde.
in sechs Themenbereichen formuliert (Abbildung 8) und ein
Abb. 8
UNTERFORSCHUNGSFRAGEN FÜR DIE 6 THEMENBEREICHE
17
18
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Fragenkatalog ausgearbeitet1. Die Ergebnisse der Online-
Abb. 9
Befragung werden in den nachfolgenden Kapiteln nach die-
TEILNEHMENDE NACH GRÖSSE
DES UNTERNEHMENS
sen sechs Themenbereichen gegliedert präsentiert.
Die Online-Befragung richtete sich an Unternehmen im
KMUs (1 –249 Mitarbeitende)
Grosse (250 und mehr)
in %
39,3 %
60,7 %
deutschsprachigen Raum und wurde mehrheitlich von Teilnehmenden aus Unternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt in
der Schweiz (81 %) beantwortet². 178 Personen aus unterschiedlichen Funktionsbereichen und aus Unternehmen diverser Branchen haben sich an der Online-Umfrage beteiligt
und haben dazu beigetragen, den Status quo des Prozessmanagements im Kontext der digitalen Transformation zu erheben. Fast drei Viertel der Befragten sind in der Unternehmensleitung
(20 %),
im
Projekt-,
Qualitäts-
oder
Prozessmanagement oder in der Informatik tätig und stellen
eine unternehmensweite Betrachtung der erhobenen Themenkreise sicher. Nahezu 80 % der Befragten nehmen eine
spezifische Prozessmanagement-Funktion (z.B. Prozessverantwortlicher, Process-Manager, Chief Process Officer etc.)
wahr, so dass von einem fundierten Fach- und Erfahrungswissen bei der Beantwortung der Fragen ausgegangen werden kann.
Der Blick auf die Unternehmensgrösse der Teilnehmenden
zeigt ein Verhältnis von 1:1,5 zwischen KMUs und grossen
Unternehmen: 70 befragte Personen repräsentieren dabei
kleinste, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), was 39,3 %
der Gesamtteilnehmerzahl entspricht, 108 Befragte bzw.
60,7 % gehören grossen Unternehmen (in den folgenden
Abbildungen als GrossU bezeichnet) mit 250 oder mehr Mitarbeitenden an³.
1 D
er vollständige Fragenkatalog findet sich im Anhang der Studie. Das Studiendesign sowie die zugrundeliegenden Forschungsfragen und Hypothesen
sind Gegenstand von Kapitel 1.
2 D
ie vollständigen Daten zur Zusammensetzung des Teilnehmerkreises der
Online-Befragung finden sich im Anhang der Studie.
3 In einigen der folgenden Auswertungen wird auf die relative Beteiligung der
Unternehmen zu ihrer Grössen-Gruppe, die gesamthaft an der Umfrage teilgenommen hat, hingewiesen (z.B. «29 % der befragten KMUs und 42 % der
befragten grossen Unternehmen geben Transparenz als wichtigsten strategischen Treiber für das Prozessmanagement an», vgl. Abbildung 12). Dies soll
helfen, grössentypische Fokus-, Reifegrad- und Vorgehensunterschiede zu
erkennen. Wird auf die Unternehmensgrösse (in den Abbildungen als UGGrösse referenziert) nicht eingegangen, kann davon ausgegangen werden,
dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Grössengruppen gibt.
Frage A5
N=178
Business Process Management 2016
3.1 STRATEGISCHE AUSRICHTUNG
digitalen Transformation eine zentrale Rolle spielen, stehen
Transparenz und Wirtschaftlichkeit sind die etab-
für Unternehmen weniger im Mittelpunkt des Prozessma-
lierten Zielsetzungen des strategischen Prozess-
nagements, nahmen gegenüber dem Vorjahr jedoch um
managements in Unternehmen. Die Studie geht
10 % zu. Der Blick auf die Unternehmensgrösse zeigt (ohne
von der Hypothese aus, dass Prozessmanagement
Abbildung), dass die KMUs, relativ betrachtet, häufiger als
auch einen relevanten Beitrag leisten kann, um
die grossen Unternehmen Kundenzufriedenheit (71 % aller
Kundenerlebnisse zu optimieren oder Produkte,
befragten KMUs, 63 % aller befragten GrossU) und Innovati-
Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu inno-
on (34 % der KMUs, 21 % der GrossU) als Motivationen für
vieren. Um dies zu erreichen, müssen die Weichen
das Prozessmanagement nennen. Diese Themen scheinen
bereits bei der strategischen Ausrichtung des Pro-
für KMUs wichtiger zu sein als für grosse Unternehmen. Dies
zessmanagements gestellt werden. Haben Organi-
bestätigen auch die weiteren Befragungsergebnisse (vgl.
sationen die Weichen entsprechend gestellt?
Abbildung 14 und Abbildung 31).
Die Frage nach den drei wichtigsten strategischen Treibern
Ein interessantes Bild ergibt die Frage nach der Priorisie-
für das Prozessmanagement ergibt ein gewohntes Bild (Ab-
rung der drei genannten Ziele von 1 (höchste Priorität) bis 3
bildung 10): Wie bereits in der letztjährigen BPM-Studie (Bru-
(Abbildung 11). Hier zeigt sich, dass Transparenz immer
cker-Kley, et al., 2015) ist die Steigerung der Wirtschaftlich-
noch die vorrangigste Motivation für das Prozessmanage-
keit die Topmotivation für das Prozessmanagement (83 %),
ment der befragten Unternehmen ist (36 %), gefolgt von
dicht gefolgt von den Transparenzthemen (78 %) Prozessbe-
Kundenzufriedenheit (28 %) und dem auf den ersten Blick
wusstsein, Qualitätssicherung und Governance/Risk/Com-
dominierenden Wirtschaftlichkeitsthema (26 %). Dieses Re-
pliance (GRC). An Relevanz gewonnen hat erneut die Kun-
sultat unterstreicht die hohe Relevanz der Transparenz als
denzufriedenheit (64 %), die 2015 bereits 49 % der Befragten
wesentliche Voraussetzung für die nachgelagerte Operatio-
als Motivation angegeben hatten. Treiber wie Flexibilität
nalisierung, Standardisierung und Optimierung der Prozes-
(34 %) und Innovation (25 %) hingegen, die im Kontext der
se.
Abb. 10
STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS
in %
32,6
50,6
Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Produktivität, Ertragskraft)
Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung, Erfüllung regulatorischer Vorschriften,
Risikomanagement)
Kundenzufriedenheit / - nutzen
Flexibilität (Personalisierung von Prozessinstanzen,
rasche Anpassung von Prozessen an sich ändernde
Rahmenbedingungen)
Innovation (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodell)
Andere
26,4
51,7
27,0
37,1
13,5
21,3
12,9
12,4
2,8 2,2
N=178
Frage B1 (Nennung von 3 Zielen möglich)
0
20
1 – 249
40
60
250 und mehr Mitarbeitende
80
19
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Der Detailblick auf die Ziele erster Priorität nach Unterneh-
Abb. 11
STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS – PRIORISIERT
miniert klar die Transparenz mit 42 %, gefolgt von Kundenzufriedenheit (28 %) und Wirtschaftlichkeit (25 %). Interessant
ist, dass Innovation nur von KMUs als wichtigster BPM-Treiber gewählt wurde. Die absolute Zahl ist jedoch zu klein (4
Teilnehmende), um Schlussfolgerungen ziehen zu können.
5
11,2
Druck konfrontiert, auf den digitalen Wandel zu reagieren.
Offen bleibt die Frage, wo sie mit der Digitalisierung beginnen
sollen, das heisst, wie sie Anwendungsfelder und Technolo1,1
0
1. Prio
Unternehmen sehen sich im Wettbewerb mit einem hohen
5
1,7
2,8
2,3
2,3
10
Strategische Impulse durch Potenzialanalysen
14,6
8,7 11,2
9,6
20
18,5
19,1
20,8
18,0
18,0
30
parenz, Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit ähnlich
hoch gewichtet wurden. Bei den grossen Unternehmen do-
Flexibilität
Innovation
Andere
27,5
40
mensgrösse (Abbildung 12) zeigt, dass bei den KMUs Transin %
34,8
36,5
Wirtschaftlichkeit
Transparenz
Kundenzufriedenheit / -nutzen
25,8
20
0
2. Prio
3. Prio
Frage B1 (Priorisierung von 3 Zielen möglich; 1=höchste Priorität)
N=178
gien mit einem hohen Nutzenpotenzial identifizieren können.
Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Unternehmen
das Prozessmanagement noch nicht systematisch einset-
Abb. 12
STRATEGISCHE ZIELE DES PROZESSMANAGEMENTS –
«1. PRIORITÄT» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
in %
Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein,
Qualitätssicherung, Erfüllung regulatorischer
Vorschriften, Risikomagement)
28,6
41,7
27,1
Kundenzufriedenheit / -nutzen
27,8
27,1
Wirtschaftlichkeit (Effizienz,
Produktivität, Ertragskraft)
25,0
Flexiblität (Personalisierung von Prozessinstanzen,
rasche Anpassung von Prozessen an sich
ändernde Rahmenbedingungen)
Innovation (Produkte, Dienstleistungen,
Geschäftsmodell)
Andere
Frage B1 (Priorisierung von 3 Zielen möglich)
2,9
2,8
5,7
0,0
5,7
0,0
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
10
in % von KMU
20
30
in % von GrossU
40
50
Business Process Management 2016
zen, um Digitalisierungspotenziale zu erkennen, zum Beispiel
strukturierte Prozesse oder Kundeninteraktionen. Ernüch-
indem sie relevante Informationen in strategischen Prozess-
ternd hingegen ist der geringe Anteil der Unternehmen, die
landkarten oder Prozessmodellen visualisieren bzw. hinterle-
diese Potenzialanalysen systematisch durchführen, was
gen oder operative Prozessdaten analysieren.
Zweifel an der Wirkungskraft der durchgeführten Analysen
aufkommen lässt. Insbesondere Analysen, die Digitalisie-
Die Frage nach diesbezüglichen Aktivitäten führt jedoch zu
rungspotenziale über die Unternehmensgrenzen hinweg
einem optimistischeren Bild (Abbildung 13): Zwei Drittel der
(17 %) sowie Sourcing-/ Outsourcingpotenziale (11 %) ermit-
Unternehmen führen gelegentlich oder systematisch Poten-
teln, werden kaum systematisch durchgeführt. Auch die für
zialanalysen in mindestens einem der erfragten Bereiche
das Kundenerlebnis wichtigen Optimierungspotenziale von
durch. Mehr als drei Viertel der Unternehmen identifizieren
Nutzeroberflächen (UX) werden noch kaum systematisch
erfolgskritische Prozesse oder Prozesse, die für die Kunden-
identifiziert (13 %).
zufriedenheit kritisch sind. Ähnlich viele Unternehmen identifizieren Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial
Die Detailauswertung nach Unternehmensgrösse (Abbildung
sowie Digitalisierungspotenziale für kollaborative, schwach
14) offenbart, dass beide Gruppen ähnlich aktiv sind und
Abb. 13
POTENZIALANALYSEN FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG STRATEGISCHER ENTSCHEIDE
Für die Kundenerfahrung oder -zufriedenheit
kritische Prozesse
27,5
57,3
29,8
53,9
in %
11,8
14,0
Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial
Digitalisierungspotenziale (über reine Standardisierung /
Automatisierung hinaus, z.B. Kollaboration,
Kundeninteraktion, Flexibilisierung etc.)
20,2
58,4
24,7
51,1
18,0
19,7
Erfolgskritische Prozesse (Wettbewerbsperspektive)
Optimierungspotenzial der User Experience (Nutzungserlebnis von
Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen)
12,9
Potenzial für Prozessintegration über Unternehmensgrenzen
hinweg (mit Partnern, Lieferanten)
16,9
57,3
27,5
52,2
11,2
27,5
55,6
25,8
Out / Sourcingpotenzial
Andere
Frage D2 (Mehrfachnennung möglich)
0,6 1,7 2,2
0
20
systematisch
40
60
gelegentlich
80
100
nie
21
22
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
zumindest gelegentlich Potenzialanalysen durchführen (zwischen 54 % und 89 % der jeweiligen Grössengruppe). Bei
der Identifizierung der kundenkritischen Prozesse sind jedoch die KMUs leicht aktiver (89 % vs. 82 % von grossen
Unternehmen), für die diese Analyse die meist eingesetzte
ist. Bei den grossen Unternehmen liegt ein etwas stärker
ausgeprägter Fokus auf der Erhebung des Standardisierungund Automatisierungspotenzials vor. Dieses Resultat entspricht den oben identifizierten Zielprioritäten nach Unternehmensgrösse.
Abb. 14
POTENZIALANALYSEN FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG STRATEGISCHER ENTSCHEIDE –
«SYSTEMATISCH ODER GELEGENTLICH» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
88,6
Für die Kundenerfahrung oder
-zufriedenheit kritische Prozesse
82,4
77,1
Standardisierungs- und
Automatisierungspotenzial
88,0
Digitalisierungspotenziale (über reine
Standardisierung / Automatisierung hinaus, z.B.
Kollaboration, Kundeninteraktion,
Flexibilisierung etc.)
74,3
81,5
72,9
Erfolgskritische Prozesse
(Wettbewerbsperspektive)
77,8
Optimierungspotenzial der User Experience
(Nutzungserlebnis von Websites, Apps und
anderen SW-Oberflächen)
60,0
76,9
Potenzial für Prozessintegration über
Unternehmensgrenzen hinweg
(mit Partnern, Lieferanten)
54,3
78,7
58,6
Out / Sourcingpotenzial
72,2
2,9
Andere
Frage D2 (Mehrfachnennung möglich)
in %
1,9
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
20
in % von KMU
40
60
in % von GrossU
80
100
Business Process Management 2016
3.2 PROZESSDIGITALISIERUNG
erledigt werden. Der hohe Stellenwert der Wirtschaftlichkeit
Modellierung, Standardisierung und Automatisie-
und der Kundenzufriedenheit als Ziel des Prozessmanage-
rung sind die klassischen Methoden des Prozess-
ments (Abbildung 10) und die Tatsache, dass über 80 % der
managements, um Transparenz- und Wirtschaft-
befragten Organisationen Standardisierungs- und Automati-
lichkeitsziele zu erreichen. Prozesse durchgängig
sierungspotenziale erheben, könnte den Schluss nahelegen,
zu machen und Medienbrüche zu beseitigen, sind
dass Unternehmen mit Zielrichtung «Operational und Service
die zentralen Bestrebungen. Sollen jedoch Prozes-
Excellence» in die Durchgängigkeit ihrer Prozesse investie-
se über die Unternehmensgrenzen hinaus in Rich-
ren. Ein Blick in den Alltag der befragten Unternehmen zeigt
tung Kunden oder Partner geöffnet werden und sich
jedoch, dass Scannen, Drucken und das handschriftliche
gar flexibel an den Kontext des Kunden anpassen,
Unterzeichnen von Dokumenten bei der Hälfte der befragten
muss das Standardrepertoire der Prozessdigitali-
Unternehmen noch zum Unternehmensalltag gehören (Abbil-
sierung erweitert werden.
dung 15). Die restlichen Unternehmen geben an, dass dieser Umgang mit Papierdokumenten nicht mehr täglich ge-
Durchgängigkeit der Prozesse
schieht. Nur ein sehr geringer Anteil ist in der Digitalisierung
Durchgängige Prozesse sind eine wesentliche Vorausset-
so weit fortgeschritten, dass Papier komplett aus der Aufga-
zung sowohl für Effizienz als auch für bessere Kundenerleb-
benerledigung verbannt ist (< 9 % beim Drucken, <6 % beim
nisse. Bearbeitungs- und Reaktionszeiten werden verkürzt.
Scannen, < 5 % beim Unterschreiben). Auch bei der System-
Kundenanliegen können rasch und im Idealfall in Echtzeit
integration sind Defizite vorhanden: Bei rund der Hälfte der
Abb. 15
MEDIENBRÜCHE IM UNTERNEHMENSALLTAG
Handschriftliches Unterschreiben von Dokumenten (im
Gegensatz zu digitaler Unterschrift)
Individuelle Suche von Informationen (in
unterschiedlichen Systemen und Nachfragen
bei Personen), um Entscheide treffen zu können
in %
48,3
47,2
4,5
50,0
44,9
4,5
56,7
5,6
37,1
Scannen von Dokumenten
Drucken von Dokumenten zur
Erledigung von Aufgaben
52,8
Mehrfacheingaben von gleichen Informationen
in unterschiedliche Informatiksysteme
27,0
9,0
36,5
23,6
48,3
N=178
Frage D1 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
täglich
40
60
gelegentlich
80
100
nie
23
24
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Unternehmen gehört die Suche in verschiedenen isolierten
und deshalb die Integration der Systeme und die Durchgän-
Informationssystemen, um Entscheide treffen zu können,
gigkeit der Prozesse einfacher umsetzbar ist.
zum Alltag (50 %). In weiteren 45 % ist dies gelegentlich erforderlich. Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in un-
Die mediale Präsenz des digitalen Wandels ist stark von Op-
terschiedliche Informationssysteme hingegen konnten in im-
timierungen und Erweiterungen im Front-End in Form von
merhin 23 % der befragten Unternehmen bereits eliminiert
mobilen Applikationen, Sozialen Plattformen etc. geprägt.
und in weiteren 48 % reduziert werden, sind aber in mehr als
Dies garantiert jedoch noch keine Durchgängigkeit der Pro-
einem Viertel der Unternehmen immer noch alltäglich (27 %).
zesse Front-to-Back bzw. Back-to-Front. Die Frage nach
den Methoden, die Unternehmen einsetzen, um Prozesse
Interessant ist, dass verhältnismässig mehr KMUs angeben,
durchgängig von und zum Kunden-Front-End zu realisieren,
dass diese Tätigkeiten bei ihnen nie vorkommen (Abbildung
offenbart den Stand dieser Durchgängigkeit (Abbildung 17):
16), was auf eine höhere Durchgängigkeit der Prozesse, das
44 % der befragten Unternehmen räumen ein, dass sie kei-
heisst weniger Medienbrüche und bessere Systemintegrati-
ne Methoden einsetzen, und ihre Prozesse folglich noch
on, hindeutet. Insbesondere bei den Mehrfacheingaben von
nicht durchgängig sind und Medienbrüche aufweisen. Wenn
gleichen Informationen in unterschiedlichen Systemen
Durchgängigkeit realisiert wird, dann implementieren Unter-
scheint die Grösse des Unternehmens eine Rolle zu spielen:
nehmen diese mehrheitlich ausgehend vom Front-End, in-
41 % der KMUs geben an, nie Mehrfacheingaben tätigen zu
dem sie Dateneingaben des Kunden z.B. über Web Servi-
müssen, bei grossen Unternehmen sind es nur 12 %. Eine
ces
Erklärung könnte darin liegen, dass die IT-Landschaften der
zweithäufigste Strategie ist die Simplifizierung oder Optimie-
KMUs weniger komplex als bei grossen Unternehmen sind
rung von internen Applikationen, so dass auch Kunden oder
an
interne
Systeme
übertragen
%).
(41 Die
Abb. 16
MEDIENBRÜCHE IM UNTERNEHMENSALLTAG – «NIE» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
41,4
Mehrfacheingaben von gleichen Informationen
in unterschiedliche Informatiksysteme
12,0
10,0
Drucken von Dokumenten zur
Erledigung von Aufgaben
8,3
8,6
Scannen von Dokumenten
Individuelle Suche von Informationen (in
unterschiedlichen Systemen und Nachfragen bei
Personen), um Entscheide treffen zu können
3,7
11,4
0,0
Handschriftliches Unterschreiben
von Dokumenten (im Gegensatz zu
digitaler Unterschrift)
Frage D1 (Mehrfachnennung möglich)
in %
8,6
1,9
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
10
in % von KMU
20
30
in % von GrossU
40
50
Business Process Management 2016
Partner diese Systeme und Oberflächen nutzen können
bel bzw. individualisiert ablaufen, indem sie sich in (Fast-)
(31 %). Einen plattformbasierten Ansatz über eine BPM-
Echtzeit auf den aktuellen Kontext, die Eigenschaften oder
oder Workflow-Lösung wählen hingegen nur 23 % der be-
das Verhalten eines Kunden ausrichten. Mitarbeitende sol-
fragten Unternehmen. Dies könnte darauf hinweisen, dass
len durch eine flexible und informationsreiche IT-Unterstüt-
Unternehmen die durchgängige Digitalisierung von Prozes-
zung in wissensintensiven und schwach strukturierten Pro-
sen projektbezogen, ausgehend von individuellen Anwen-
zessen befähigt werden. Die Frage nach dem Einsatz
dungsfällen und Business Cases, aber nicht unternehmens-
solcher Methoden und Werkzeuge ergibt ein durchwachse-
weit angehen.
nes Bild (Abbildung 18). Mehr als ein Viertel der befragten
Unternehmen gibt an, keine solchen Methoden oder Werk-
Unternehmen scheinen diese Defizite der Prozessdurch-
zeuge einzusetzen. Am stärksten verbreitet ist die Anwen-
gängigkeit erkannt zu haben und investieren deshalb aktuell
dung agiler Methoden für die Prozessmodellierung (33 %).
intensiv in Automatisierung bzw. Digitalisierung durchgängi-
Im Rahmen der Prozessausführung ist, wie bereits in der
ger Prozesse und den digitalen Arbeitsplatz (siehe Kapitel
letztjährigen BPM-Studie erkennbar, der Einsatz von Busi-
3.3 Digitale Transformation, Abbildung 19).
ness Rules am gebräuchlichsten (31 %). Business Rules
flexibilisieren Prozesse, indem die Geschäftsregeln getrennt
Flexibilisierung der Prozesse
von den eigentlichen Prozessmodellen verwaltet, wiederver-
Durchgängige Prozesse sind ein erster Schritt, um Kunde-
wendet und angepasst werden, so dass Änderungen im
nerlebnisse und den digitalen Arbeitsplatz im Unternehmen
Prozess rascher umsetzbar sind. Beim Einsatz von Business
zu optimieren. Bestimmte Anwendungsszenarien oder Ziel-
Rules sind grosse Unternehmen fast doppelt so aktiv wie
gruppen verlangen jedoch nach mehr. Prozesse sollen flexi-
KMUs (38 % der GrossU vs. 21 % der KMUs). Für sie scheint
Abb. 17
EINSATZ TECHNISCHER METHODEN FÜR DURCHGÄNGIGE PROZESSE VOM UND ZUM KUNDEN
Spezifische Applikationen / Komponenten / Formulare, die in eine
Website oder App integriert sind und die Dateneingaben des
Kunden direkt (ohne Systembrüche) an ein internes System
übertragen (z.B. via XML, Webservices)-> «Outside-In»
Anpassung von intern genutzten Applikationen (Oberfläche,
Funktionalitäten), so dass sie auch externen Kunden zur
Verfügung gestellt werden können -> «Inside-Out»
Eine BPM / Workflow-Lösung / Plattform / Suite, die Prozesse
durchgängig vom Kunden-Frontend (Website, Portal, App)
hin zu den Backend-Systemen und Datenspeichern
implementiert bzw. integriert
in %
27,0
14,6
21,3
9,6
7,9
15,2
0,6 0,6
Andere
Keine, die Ausführung unserer Prozesse ist nicht durchgängig,
d.h. Medienbrüche sind vorhanden
19,7
24,7
N=178
Frage D7 (Mehrfachnennung möglich)
0
10
1 – 249
20
30
40
250 und mehr Mitarbeitende
50
25
26
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
sich der Aufwand für die Formalisierung und Implementie-
auszuwählen oder zu definieren, sind auf dem Vormarsch
rung der Geschäftsregeln mehr zu rechnen als für kleinere
(nur 13 % in der BPM-Studie 2015 vs. 28 % 2016). Adapti-
und mittlere Unternehmen. Ad-hoc Workflows, die Prozess-
ve Case Management hingegen fristet weiterhin ein Ni-
beteiligte in schwach strukturierten Prozessen dabei unter-
schendasein (5 % 2015, 12 % 2016) ebenso wie andere
stützen, Aktivitäten situationsabhängig flexibel auszulösen,
wissensbasierte, selbstlernende Verfahren.
Abb. 18
EINSATZ VON METHODEN FÜR FLEXIBLE UND KONTEXTSENSITIVE PROZESSE
Agile Methoden (um Fachexperten die kollaborative und
intuitive Modellierung und Anpassung von Prozessen im
Rahmen der Prozessausführung zu ermöglichen, z.B.
flexibles, beschleunigtes und praxisnahes Prozess(re)design)
8,4
Ad-hoc Workflows (um Prozessbeteiligte / Fachexperten
bei der Auslösung / Auswahl / Definition von Aktivitäten
in nicht vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen)
10,7
23,0
16,9
11,2
Formalisierte Ereignisregelung (um auf Ereignisse in der
Prozessausführung reagieren zu können,
z.B. durch eine Event Engine)
6,2
Adaptive Case Magement (um Entscheidungen und
Prozesssteuerung in wissensintensiven und nur teilweise
vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen)
6,7
Prädiktive und selbstlernende Methoden (um auf der
Grundlage von Erfahrungsdaten aus vergangenen
Prozessdurchläufen, Rückschlüsse auf den Ablauf aktueller
und künftiger Prozesse zu ziehen, z.B. durch data mining)
19,7
12,9
Formalisierte Geschäftsregeln (um die Ausführung komplexer
Prozesse zu steuern, z.B. durch eine Business Rules Engine)
Zugriff auf Wissensbasen (um Entscheide in der
Prozessausführung zu unterstützten)
in %
14,6
11,2
5,1
3,4
5,1
0,6 1,7
Andere
Wir nutzen noch keine solchen Methoden
14,0
12,9
N=178
Frage D6 (Mehrfachnennung möglich)
0
5
1 – 249
10
15
20
25
30
250 und mehr Mitarbeitende
35
Business Process Management 2016
3.3 DIGITALE TRANSFORMATION
Nomen est omen: Digitale Transformation ist kein Zustand,
Digitale Transformation ist ein Hype-Thema, doch
sondern bedeutet Veränderung. Folglich sind die befragten
wo stehen Unternehmen, wenn es darum geht, den
Unternehmen in allen erfragten Handlungsfeldern der digita-
digitalen Wandel konkret zu implementieren? Ent-
len Transformation sehr aktiv, aber vieles befindet sich noch
wickeln sie innovative digitale Produkte und Dienst-
in der Umsetzung oder wird erprobt (Abbildung 19). Im Un-
leistungen? Optimieren oder erweitern sie ihre di-
terschied zur medialen Wahrnehmung stehen dabei jedoch
gitalen Schnittstellen zum Kunden? Bleibt das
nicht die reinen Front-End-Themen an erster Stelle. Das The-
Back-End isoliert oder werden Prozesse durchgän-
ma Automatisierung und Digitalisierung durchgängiger Pro-
gig digitalisiert? Profitieren auch die Mitarbeiten-
zesse führt das Feld knapp an, wobei sich Unternehmen in
den von innovativeren digitalen Arbeitsplätzen?
diesem Handlungsfeld mehrheitlich noch in der Umsetzungs-
Und mit welchen Mitteln reagiert die Informatik auf
und Experimentierphase befinden. Dies korreliert mit den
diese Herausforderungen?
festgestellten Durchgängigkeitsdefiziten der Prozesse, die
Abb. 19
AKTIONSFELDER DER DIGITALEN TRANSFORMATION
Automatisierung / Digitalisierung durchgängiger Prozesse
(Workflow, Prozessintegration)
24,7
Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende flexibler /
mobiler und effektiver zu unterstützen (digital workplace)
26,4
Digitale Erweiterung bestehender Produkte / Dienstleistungen
24,7
Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit im Kontext
der Digitalisierung von Prozessen und Kundeninteraktionen
27,5
15,2
Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis
von Websites, Apps und anderen SW-Oberflächen)
12,4
Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse
(Big Data, Kundenkontext, Lokalisierung, predictive analytics)
9,0
Wir haben eine unternehmensweite Strategie und
Roadmap für die digitale Transformation
14,0
30,3
27,0
12,4
29,2
23,6
14,0
29,2
24,7
27,5
23,0
21,3
23,0
22,5
36,0
24,2
32,0
25,8
25,3
32,0
16,3
10,1
32,6
36,5
9,0
Aufbau / Teilnahme an digitalen Plattformen / Netzwerken
mit Partnern (zur Realisierung unternehmensübergreifender
Prozesse und Angebote)
Andere
33,1
15,7
Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zu externen
Kunden und Endgeräten / Dingen (Social Media, Mobile,
Cloud, Internet der Dinge)
Entwicklung neuer digitaler Produkte / Dienstleistungen
in %
28,1
34,8
37,1
22,5
24,2
36,0
1,7 4,5
N=178
Frage B2 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
bereits realisiert
wird aktuell realisiert
40
60
wird evaluiert / realisiert
nein
80
100
27
28
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
bei vielen Unternehmen den Alltag aktuell noch prägen (vgl.
(77 %). Andere wesentliche Handlungsfelder, wie die Opti-
Kapitel 3.2). Ähnlich aktiv, mit einem leicht höheren Anteil be-
mierung der User Experience (vorrangig auf externe Kunden
reits realisierter Projekte sind Unternehmen bei der Einfüh-
mit 67 %, weniger auf die eigenen Mitarbeitenden mit 43 %,
rung innovativer digitaler Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiten-
seltener auf Partner/Kooperationen mit 25 % ausgerichtet4)
den. Ebenfalls mehr als 80 % arbeiten an der digitalen
und Big Data liegen zwar etwas zurück und befinden sich
Erweiterung bestehender Produkte oder Dienstleistungen,
noch in der Umsetzung oder Experimentierphase, sind je-
wobei der digitale Wandel in diesem Bereich im Vergleich zur
doch mit über 60 % ebenfalls sehr präsent in den befragten
Automatisierung und zum digitalen Arbeitsplatz noch deutli-
Unternehmen. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass immerhin
cher im Werden und Experimentieren ist. Erstaunlich ist die
60 % der Unternehmen eine digitale Transformationsstrategie
Tatsache, dass der Einsatz neuer Technologien an der
haben oder gerade erarbeiten oder eine solche evaluieren.
Schnittstelle zum Kunden (Social Media, Mobile, IoT etc.)
Verabschiedet und in Aktion ist eine solche jedoch erst bei
zwar im Vorderfeld liegt, aber keine Spitzenposition einnimmt
rund 14 % der befragten Unternehmen.
4 Ohne Abbildung, Unterfrage D2a (siehe Fragenkatalog im Anhang)
Abb. 20
AKTIONSFELDER DER DIGITALEN TRANSFORMATION –
«UMGESETZT ODER ANGESTREBT ODER EVALUIERT» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
84,3
Automatisierung / Digitalisierung durchgängiger
Prozesse (Workflow, Prozessintegration)
90,7
Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende
flexibler / mobiler und effektiver zu unterstützen
(digital workplace)
85,7
86,1
72,9
Digitale Erweiterung bestehender
Produkte / Dienstleistungen
87,0
Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle
zu externen Kunden und Endgeräten / Dingen
(Social Media, Mobile, Cloud, Internet der Dinge)
68,6
83,3
Sicherstellung von Datenschutz und
Datensicherheit im Kontext der Digitalisierung
von Prozessen und Kundeninteraktionen
70,0
Entwicklung neuer digitaler Produkte /
Dienstleistungen
70,0
78,7
74,1
Aufbau/ Teilnahme an digitalen Plattformen/
Netzwerken mit Partnern (zur Realisierung
unternehmensübergreifender Prozesse u. Angebote)
65,7
73,1
Optimierung der User Experience
(Nutzungserlebnis von Websites, Apps und
anderen SW-Oberflächen)
52,9
80,6
Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung
und Analyse (Big Data, Kundenkontext,
Lokalisierung, predictive analytics)
52,9
68,5
52,9
Wir haben eine unternehmensweite Strategie
und Roadmap für die digitale Transformation
65,7
1,4
Andere
Frage B2 (Mehrfachnennung möglich)
in %
1,9
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
20
in % von KMU
40
in % von GrossU
60
80
100
Business Process Management 2016
Die Detaillauswertung nach Unternehmensgrösse (Abbil-
Herkömmliche Methoden und Strukturen der Informatik genü-
dung 20) zeigt, dass der digitale Arbeitsplatz von KMUs
gen den dynamischen Anforderungen des digitalen Wandels
und grossen Unternehmen gleichermassen angestrebt
in Unternehmen häufig nicht. Wie reagieren Unternehmen da-
wird. Bei allen weiteren Aktionsfeldern haben die grossen
rauf (Abbildung 21)? Für das Projektmanagement und die
Unternehmen einen Vorsprung. Insbesondere bei techno-
Softwareentwicklung sind agile Methoden in mehr als der Hälf-
logie- und kostenintensiven Aktionsfeldern wie beim Ein-
te der befragten Unternehmen etabliert. Einen ähnlich starken
satz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse,
Einfluss auf Kompetenzen und Paradigmen in der Bereitstel-
beim Einsatz von Web-2.0-Technologien oder bei der
lung von IT-Leistungen hat Serviceorientierung, die bei immer-
Optimierung der User Experience fallen die Unterschiede
hin 42 % der befragten Unternehmen als Wegbereiter des di-
auf. Ebenfalls leicht im Rückstand sind die KMUs bei der
gitalen Wandels eingesetzt wird. Die Unterstützung von
unternehmensweiten Verankerung der Digitalisierung in
mobilen Endgeräten ist mit 35 % überraschend niedrig. Sie
Form einer Strategie oder Roadmap für die digitale Trans-
scheinen für den digitalen Arbeitsplatz oder die Schnittstelle
formation.
zum Kunden weniger relevant als vermutet (vgl. Abbildung 19).
Abb. 21
REAKTIONEN DER IT AUF DEN UNTERNEHMERISCHEN UND TECHNOLOGISCHEN WANDEL
in %
33,7
Agile Methoden im Projektmagement und
in der Softwareentwicklung
18,5
Adoption von neuen Produkten bzw.
neuen Produktfunktionalitäten
16,9
25,3
13,5
28,7
Serviceorientierung (SOA)
Unterstützung von mobilen Endgeräten (Apps und / oder
mobilfähige Webseiten für Mitarbeitende und / oder Kunden)
9,6
Gezieltes Outsourcing bzw. Anbindung von Drittanbietern
(z.B. Cloudlösungen), um einen Anwendungsfall
komplett oder teileweise abzudecken
14,0
25,8
18,5
11,2
17,4
Aufbau / Betrieb von Kundenportalen
Kurzfristige Beschaffung oder Entwicklung von sehr spezifischen
best-of-breed Lösungen für einzelne Anwendungsfälle
Bimodale Architektur, die es erlaubt stabile Kern- und
Supportapplikationen auf der einen Seite und agile kurzlebigere
Lösungen auf der anderen Seite in zwei verschiedenen
Umgebungen zu entwickeln und zu betreiben
5,6
9,6
10,1
3,4
0,0 0,6
Gar keine
2,8
6,7
Andere
N=178
Frage E1 (Mehrfachnennung möglich)
0
10
1 – 249
20
30
40
50
250 und mehr Mitarbeitende
60
29
30
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
3.4 WAS WILL DER KUNDE?
hen sich hier eindeutig in einer Spitzenposition, aber mehr als
Die Schaffung positiver Kundenerlebnisse ist ein
die Hälfte glauben zumindest punktuell über einen Vorsprung
zentrales Element der digitalen Transformation. Un-
gegenüber den Mitbewerbern zu verfügen.
ternehmen investieren in die digitale Erweiterung
bestehender Produkte und führen neue Technologi-
Methoden, um die Kundenbedürfnisse zu erheben, werden
en an der Schnittstelle zum Kunden ein. Das alles
bereits intensiv eingesetzt (Abbildung 23). Zum Standard ge-
setzt voraus, dass Unternehmen die vermeintlichen
hört bei den befragten Unternehmen die Auswertung von Kun-
und echten Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. Um
denreklamationen. Mehr als 70 % tun dies sogar systematisch,
Kundenbedürfnisse frühzeitiger und unmittelbarer
weitere 24 % gelegentlich. Auch Kundenbefragungen mittels
zu erfassen, wurde das Repertoire der klassischen
Fragebogen oder anderer quantitativer Instrumente (79 %) so-
Marktforschung um Methoden wie Prototyping oder
wie qualitative Kundeninterviews (75 %) sind regelmässig oder
Customer Journeys erweitert. Setzen Unternehmen
gelegentlich im Einsatz. Neben diesen retrospektiven Mass-
diese Methoden bereits ein? Wie steht es um die
nahmen, die nach dem Kundenerlebnis ansetzen, sind Metho-
Kenntnis der Kundenbedürfnisse und Kundenzufrie-
den für eine frühzeitige Erkennung der Kundenbedürfnisse auf
denheit in den befragten Unternehmen?
dem Vormarsch: Ein Viertel der befragten Unternehmen setzten
Prototypen oder Tests mit Kunden vor der Einführung neuer
Bei nahezu allen befragten Unternehmen (95 %) ist die Kunden-
Produkte und Dienstleistungen bereits systematisch ein, um
orientierung, zumindest auf dem Papier, strategisch verankert
die Akzeptanz neuer Angebote oder Interaktionsformen zu prü-
(Abbildung 22). Ein Blick auf die Umsetzung der Kundenaus-
fen. Weitere 47 % setzen diese gelegentlich ein. Social Media
richtung zeigt, dass nur 39 % auch vollumfänglich über die not-
Monitoring ist bei nahezu zwei Dritteln der befragten Unterneh-
wendigen personellen, finanziellen und technischen Ressour-
men im Einsatz, 30 % betreiben es sogar systematisch.
cen hierfür verfügen. Für 51 % der Unternehmen ist dies
zumindest teilweise der Fall. Ob dieser Mitteleinsatz ausreicht,
Kunden-Communities hingegen sind weniger präsent, werden
um in Sachen Kundenverständnis und -ausrichtung eine bran-
aber doch bei nahezu der Hälfte der befragten Unternehmen
chenführende Stellung einzunehmen, schätzen die befragten
systematisch oder gelegentlich genutzt. Auch Business Intelli-
Unternehmen verhalten selbstbewusst ein. Nur rund 16 % se-
gence kommt bei der überwiegenden Mehrzahl der Unterneh-
Abb. 22
AUSPRÄGUNG DER KUNDENORIENTIERUNG
Kundenorientierung ist in unserer
Marketing– /Unternehmensstrategie verankert
Wir verfügen über die notwendigen Ressourcen (finanziell,
personell, Infrastruktur) um die Ausrichtung auf
Kundenbedürfnisse voranzutreiben
Wir sind mit unseren Aktivitäten im Hinblick auf die Kenntnis
der Kundenbedürfnisse führend in unserer Branche
in %
69,1
26,4
51,1
38,8
16,3
3,9
9,6
53,4
28,1
N=178
Frage C2 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
ja
40
teilweise
60
80
nein
100
Business Process Management 2016
Abb. 23
METHODEN FÜR DIE ERHEBUNG DER BEDÜRFNISSE VON EXTERNEN UND INTERNEN KUNDEN
Wir analysieren die bei uns eingehenden
Beschwerden von Kunden
Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer Methoden
(z.B. mit Fragebogen)
Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer Methoden
(z.B. Interviews, Gruppendiskussionen)
Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die
Kundenzufriedenheit bzw. den Kundennutzen zulassen (z.B.
Verweilzeit auf der Website, Zuwachs Up- und Crossselling,
Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen)
Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen
Angebotskonzepten (Prototypen) direkt mit Kunden
(z.B. in Produkttests) bevor wir neue Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen einführen
Wir sammeln Daten über Einzelkunden und / oder
Kundensegmente und werten sie aus
39,3
44,4
34,3
37,6
24,7
47,2
29,2
39,9
29,8
Wir nutzen die «Customer Journey», um Bedürfnisse unserer
Kunden prozess- und interaktionsorientiert
zu erheben
18,5
Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community,
die bei kundenspezifischen Fragestellungen / Themen
aktiv mit uns zusammenarbeitet
16,9
22,5
23,0
25,8
26,4
36,0
30,3
36,0
39,3
32,6
44,9
31,5
9,0
2,2
18,5
39,9
30,9
Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug auf
unser Unternehmen im World Wide Web
(Social Media Monitoring)
Wir nutzen die «Employee Journey», um die
Berührungspunkte der Mitarbeitenden von der
Rekrutierung an abzubilden, und die Arbeitsumgebung danach
zu gestalten
24,2
71,3
in %
55,1
0,6 0,6 3,4
Andere
N=178
Frage C3 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
systematisch / regelmässig
40
60
gelegentlich
80
100
nie
31
32
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
men zum Einsatz: 71 % erheben regelmässig oder gelegentlich
Kennzahlen, die Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit
zulassen und 68 % analysieren Kundendaten.
Am unteren Ende der Liste, aber doch von mehr als der Hälfte
der befragten Unternehmen systematisch oder gelegentlich
angewandt, stehen interaktionsorientierte Erhebungsmethoden, die die Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Berührungspunkte der externen Kunden mittels Customer Journey (54 %)
und der internen Kunden, sprich der Mitarbeitenden, mittels
Employee Journey (40 %) abbilden.
Grosse Unternehmen scheinen die Distanz zum Kunden etwas
stärker ausgleichen zu müssen als KMUs. Alle Methoden zur
Erhebung der Kundenbedürfnisse werden von grossen Unternehmen ausgeprägter eingesetzt als von KMUs (Abbildung
24). Insbesondere beim Einsatz von quantitativen oder stark
technologieabhängigen Methoden sind die KMUs deutlich weniger aktiv: 51 % der KMUs versus 75 % der grossen Unternehmen nutzen systematisch oder gelegentlich Social Media Monitoring. Bei quantitativen Umfragen und der Erhebung von
Kennzahlen sind die befragten KMUs jeweils um rund 20 %
weniger aktiv als die grossen Unternehmen.
Business Process Management 2016
Abb. 24
METHODEN FÜR DIE ERHEBUNG DER BEDÜRFNISSE VON EXTERNEN UND INTERNEN KUNDEN –
«SYSTEMATISCH ODER GELEGENTLICH» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
94,3
Wir analysieren die bei uns eingehenden
Beschwerden von Kunden
96,3
Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer
Methoden (z.B. mit Fragebogen)
67,1
87,0
Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer
Methoden (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen)
71,4
77,8
Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit bzw. den
Kundennutzen zulassen (z.B. Verweilzeit auf der
Website, Zuwachs Up- und Cross-selling,
Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen)
61,4
78,7
Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen
Angebotskonzepten (Prototypen) direkt mit
Kunden (z.B. in Produkttests) bevor wir neue
Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen
einführen
65,7
75,9
Wir sammeln Daten über Einzelkunden und/
oder Kundensegmente und werten sie aus
64,3
72,2
Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug
auf unser Unternehmen im World Wide Web
(Social Media Monitoring)
51,4
75,0
Wir nutzen die «Customer Journey», um
Bedürfnisse unserer Kundenprozess- und
interaktions-orientiert zu erheben
50,0
57,4
Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community,
die bei kundenspezifischen Fragestellungen/
Themen aktiv mit uns zusammenarbeitet
42,9
53,7
Wir nutzen die «Employee Journey», um die
Berührungspunkte der Mitarbeitenden von
der Rekrutierung an abzubilden, und die
Arbeitsumgebung danach zu gestalten
Andere
Frage C3 (Mehrfachnennung möglich)
in %
32,9
45,4
2,9
0,0
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
20
in % von KMU
40
in % von GrossU
60
80
100
33
34
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
3.5 KUNDENPERSPEKTIVE IN DER PROZESSGE-
delliert oder über eine Prozesslandkarte verfügt (Abbildung
STALTUNG UND -OPTIMIERUNG
25). Die angestrebte Transparenz wird also erreicht. Bleibt
Unternehmen haben erkannt, dass es wichtig ist,
die Frage, ob diese Transparenz genutzt wird, um den Kun-
die Bedürfnisse ihrer bestehenden und potentiellen
denbedarf oder neuralgische Punkte in der Kundeninterakti-
Kunden zu kennen. Dies allein reicht jedoch noch
on aufzuzeigen. Hier bestätigt sich die Hypothese, dass viele
nicht, um den Kundennutzen und die Kundenzufrie-
Unternehmen Prozesse ausschliesslich aus der internen Per-
denheit zu steigern. Die Erkenntnisse müssen in
spektive abbilden (30 %). Auch auf den Prozesslandkarten
die strategische Ausrichtung, aber vor allem in die
sind Kundenbedarf oder -beziehung bei weniger als bei ei-
Ausgestaltung von Produkten, Dienstleistungen
nem Drittel der Unternehmen präsent (29 %). In einzelnen
und des operativen Geschäfts einfliessen. Das Pro-
Prozessmodellen nutzen 42 % der Unternehmen die Mög-
zessmanagement bietet Ansatzpunkte: Die Visuali-
lichkeiten, Kundeninteraktionen abzubilden.
sierung der Kundenbedürfnisse und -interaktionen
in Prozesslandkarten und -modellen könnte wert-
Erst 30 % der Unternehmen nutzen die Prozesslandkarte, um
volle Einsichten liefern, um Optimierungspotenzia-
die Kundenperspektive zu visualisieren. Abbildung 26 zeigt,
le im Front- und Back-End mit Blickrichtung Kun-
in welcher Form und Ausprägung Unternehmen dies aktuell
dennutzen systematisch zu identifizieren. Werden
umsetzen: 18 % haben ihre Prozesslandkarten bereits auf die
diese Möglichkeiten und die Synergien zwischen
Wertschöpfungskette ausgerichtet und visualisieren End-to-
Marketing und Prozessmanagement bereits ge-
End-Prozesse konsequent vom Kundenbedarf bis zur Leis-
nutzt? Und in welchen Aktivitäten zur Modernisie-
tungserfüllung für den Kunden. 11 % visualisieren unter-
rung und Optimierung der Kundeninteraktionen
schiedliche Kundengruppen auf ihren Prozesslandkarten.
schlägt sich dies nieder?
Nur knapp 6 % der befragten Unternehmen kennzeichnen
ihre kundenkritischen Prozesse, obwohl 28 % systematisch
Visualisierung der Kundenperspektive
und weitere 57 % gelegentlich die für den Kundennutzen und
Die aktuelle Befragung bestätigt die Erkenntnis aus den
die Kundenzufriedenheit kritischen Prozesse identifizieren
BPM-Studien der letzten Jahre, dass die überwiegende
(siehe Kapitel 3.1, Abbildung 13). Prozesslandkarten spielen
Mehrheit der befragten Unternehmen (87 %) Prozesse mo-
also nur eine geringe Rolle, wenn es darum geht die Erkennt-
Abb. 25
VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN UND -BEDARF
IN PROZESSMODELLEN UND -LANDKARTEN
in %
15,2
26,4
Ja, in einzelnen Prozessmodellen
Nein, wir modellieren Prozesse nur aus unserer
internen Sicht, ohne die Kunden und die
Interaktionen mit ihnen explizit zu modellieren
Ja, in unseren Prozesslandkarten
8,4
21,9
8,4
20,8
1,1 1,7
Andere
Nein, wir modellieren weder Prozesslandkarten
noch Prozesse
9,6
3,9
N=178
Frage D3 (Mehrfachnennung möglich)
0
15
1 – 249
30
250 und mehr Mitarbeitende
45
Business Process Management 2016
nisse dieser Analysen zu visualisieren. Betrachtet man Pro-
zessmodellen, wenn sie Prozesse kundenzentrisch betrach-
zesslandkarten als zentrales Instrument des strategischen
ten oder optimieren wollen.
Prozessmanagements, stellt sich die Frage, weshalb sich
eine so hochpriorisierte Zielsetzung wie Kundenorientierung
Customer Journeys für die Prozessoptimierung
kaum in den Prozesslandkarten niederschlägt.
Bei der Frage nach den genutzten Methoden, um Kundenbedürfnisse zu erheben, gaben 54 % an, dass sie Customer
Etwas stärker werden die einzelnen Prozessmodelle genutzt,
Journey nutzen um Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Inter-
um die Kundeninteraktionen festzuhalten (32 %, Abbildung
aktionen ihrer Kunden zu erheben. Fast 20 % tun dies syste-
27). Dies geschieht primär mit den standardmässig durch
matisch (vgl. Abbildung 23). Mehr als die Hälfte der Organi-
Modellierungsnotationen vorgegebenen Darstellungsmög-
sationen, die die Customer Journey bereits einsetzen, nutzt
lichkeiten wie Pool, Lane oder Swimmlane bzw. mithilfe von
die Erkenntnisse für die Gestaltung oder Optimierung kun-
BPMN-Kollaborationsdiagrammen. Erst wenige unterschei-
denorientierter Prozesse (vgl. Abbildung 28). Die Customer
den dabei die verschiedenen Kundengruppen (7 %). Eben-
Journey wird also nicht nur als modernes Instrument in Mar-
falls eher selten abgebildet werden die Detailinformationen
ketinghänden betrachtet, sondern in den Organisationen
über den Interaktionskanal (19 %) und die mit den Kunden
zielgerichtet für die Optimierung der Prozesse eingesetzt.
über den Kanal ausgetauschten Informationen oder Ge-
Das Potenzial, Prozessdesign und Customer Journey Map-
schäftsobjekte (12 %). Nur 5 % kennzeichnen die neuralgi-
ping zu verbinden, ist erkannt, wird aber sowohl von grossen
schen Kundeninteraktionen. Prozessverantwortliche und
Unternehmen als auch von KMUs noch nicht vollumfänglich
-beteiligte erhalten also kaum Orientierungshilfen aus Pro-
ausgeschöpft.
Abb. 26
VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN IN PROZESSLANDKARTEN
Wir visualisieren unsere Wertschöpfung als
End-to-End-Prozesse auf Ebene Prozesslandkarte
(konsequent ausgehend vom Kundenbedarf und
durchgehend bis zur Leistungserfüllung für den Kunden)
Wir visualisieren unterschiedliche Kundengruppen
auf unserer Prozesslandkarte
Wir visualisieren den Kunden unspezifisch als Block
auf der obersten Ebene unserer Prozesslandkarte
Wir kennzeichnen Prozesse, bei denen wir Kundenkontakt
haben und welche für Kundenzufriedenheit / -erfahrung
besonders kritisch sind
Andere
12,4
5,1
7,9
3,4
2,8
7,3
3,9
1,7
0,6
in %
1,1
N=178
Frage D4 (Mehrfachnennung möglich)
0
6
1 – 249
12
250 und mehr Mitarbeitende
18
35
36
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Bei der Employee Journey zeigt sich ein ähnliches Bild (Ab-
tenden, ist bei der Mehrzahl der befragten Unternehmen
bildung 29). Der Einsatz für die Prozessoptimierung ist je-
noch nicht im Einsatz (siehe Abbildung 23, 60 %). Dass we-
doch etwas schwächer ausgeprägt und erwartungsgemäss
niger als die Hälfte der verbleibenden 40 % der Unterneh-
stärker durch Grossunternehmen geprägt. Die Methode der
men, die die Employee Journey systematisch oder gelegent-
Employee Journey, das heisst, die Adaption der Customer
lich einsetzen, die Erkenntnisse nur begrenzt für die
Journey auf die Bedürfnisse und Interaktio-nen mit Mitarbei-
Prozessgestaltung einsetzen, könnte den Schluss nahele-
Abb. 27
VISUALISIERUNG VON KUNDENINTERAKTIONEN IN EINZELNEN PROZESSMODELLEN
21,9
10,1
Wir visualisieren am Prozess beteiligte Kunden mit
einem Symbol (Pool, Lane, Swimmlane, …)
Wir beschriften die Interaktionen mit Detailinformationen
oder stellen diese visuell durch Symbole / Farben dar
(z.b. Beschriftung der Nachrichtenflüsse mit
Kommunikationstyp wie Telefon, E-Mail, Brief, Online etc.)
12,9
6,2
Wir stellen die mit dem Kunden ausgetauschten
Geschäftsobjekte mit einem Symbol dar und geben
den angestrebten Zustandsstatus an
4,5
Wir unterscheiden zwischen Kundengruppen durch
Nutzung verschiedener Symbole, Farben oder
anderer Markierungen
2,8
7,9
4,5
2,8
Wir kennzeichnen die für Kundenzufriedenheit
kritischen Interaktionen speziell
in %
2,2
0,6 0,0
Andere
N=178
Frage D5 (Mehrfachnennung möglich)
5
0
10
15
1 – 249
20
25
30
35
250 und mehr Mitarbeitende
Abb. 28
NUTZUNG DER «CUSTOMER JOURNEY» –
ERKENNTNISSE FÜR DIE KUNDENORIENTIERTE PROZESSGESTALTUNG / -OPTIMIERUNG
Ja
Kann ich nicht beurteilen
Nein
21,6
in %
35,1
18,6
8,2
6,2
10,3
N=97
Frage C3a
0
10
1–249
20
30
40
50
250 und mehr Mitarbeitende
60
Business Process Management 2016
gen, dass der Fokus bei der Prozessoptimierungen mit inter-
Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen erweitern
nem Fokus traditionell auf Harmonisierung und Standardisie-
oder optimieren digitale Touchpoints oder Kanäle, allerdings
rung liegt und nicht auf Mitarbeiterbefähigung und -bindung.
überwiegend taktisch/punktuell (52 %) und weniger strate-
Vor dem Hintergrund allerdings, dass mehr als 80 % der be-
gisch/systematisch (26 %). Dies deckt sich mit dem medial
fragten Unternehmen die Einführung innovativer digitaler Ar-
geprägten Bild, dass Unternehmen digitale Transformation
beitsplätze für ihre Mitarbeitenden als Aktionsfeld der digita-
typischerweise in Form von Einzelinitiativen betreiben, indem
len Transformation nennen (siehe Kapitel 3.3, Abbildung 19),
sie beispielsweise eine mobile App lancieren oder eine Web-
scheint schlichtweg die Employee Journey als Methode in
site modernisieren. Die gewünschte Durchgängigkeit der
diesem Kontext noch zu wenig bekannt oder – insbesondere
physischen und digitalen Kundenerlebnisse scheinen Unter-
in KMUs – zu wenig relevant zu sein.
nehmen dabei nicht aus den Augen zu verlieren, wobei auch
diese eher punktuell (43 %) als systematisch (22 %) stattfin-
Gestaltung der Kundeninteraktion
det. Die physischen Kanäle werden im Zeitalter des techno-
Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten mit dem Unterneh-
logischen Wandels nicht vernachlässigt. Die Mehrzahl der
men und dessen Produkten und Dienstleistungen zu eröff-
befragten Unternehmen (58 %) investiert weiterhin systema-
nen, ist ein wesentlicher Aspekt der digitalen Transformation.
tisch oder punktuell in die Optimierung ihrer physischen Ka-
Die oben beschriebene konzeptionelle Sicht auf die Kunden-
näle wie beispielsweise Ladenflächen. Ähnlich relevant ist in
perspektive in Form von Customer Journeys oder Prozess-
diesem Zusammenhang die Befähigung der Mitarbeitenden
modellen bildet nur die Grundlage für die Ausgestaltung der
mit Kundenkontakt durch digitale Hilfsmittel (61 %). Bemer-
Kundenbeziehung. Doch welche Massnahmen ergreifen Un-
kenswert ist, dass die Erweiterung der digitalen Kanäle im-
ternehmen, um das Kundenerlebnis im operativen Geschäft
merhin bei bereits fast der Hälfte der befragten Unternehmen
effektiv zu verändern (Abbildung 30)?
so weit geht, die Kunden ihre Oberflächen, Interaktionen
Abb. 29
NUTZUNG DER «EMPLOYEE JOURNEY» –
ERKENNTNISSE FÜR MITARBEITERORIENTIERTE PROZESSGESTALTUNG / -OPTIMIERUNG
Ja
Kann ich nicht beurteilen
Nein
15,3
in %
30,6
25,0
5,6
11,1
12,5
N=72
Frage C3b
0
10
1 – 249
20
30
40
250 und mehr Mitarbeitende
50
37
38
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
oder gar Produkte und Dienstleistungen selbst gestalten zu
renz der Datenhaltung für die Kunden noch kaum ein
lassen (48 %). Allerdings bieten aktuell nur erst 10 % der be-
strategisches Thema auf Unternehmensebene ist (12 %).
fragten Unternehmen diese fortgeschrittene Form der Digita-
Wenn überhaupt wird das Bedürfnis der Kunden, zu wissen
lisierung ihren Kunden systematisch an. Interessant ist, dass
oder gar zu bestimmen, welche Daten wo und wie lange ge-
obwohl die Sicherstellung von Datenschutz und -sicherheit
speichert werden und zu welchem Zweck Daten verwendet
im Kontext der Digitalisierung bei rund der Hälfte aller befrag-
werden, nur punktuell berücksichtigt (34 %). Dies legt den
ten Unternehmen bereits realisiert (27 %) oder in der Umset-
Schluss nahe, dass sich viele Unternehmen darauf be-
zung ist (25 %; vgl. Kapitel 3.3, Abbildung 19), die Transpa-
schränken, die gesetzlichen Anforderungen in Sachen Da-
Abb. 30
AKTIVITÄTEN ZUR GESTALTUNG DER KUNDENINTERAKTION
Erweiterung oder Optimierung digitaler
Touchpoints / Kanäle
22,5
Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen
(basierend auf Datenauswertung und Kundenkenntnis)
19,1
Erweiterung oder Optimierung physischer
52,2
26,4
Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig vom
Touchpoint / Kanal (physisch und digital)
Flexiblere / kompetentere / schnellere Bedienung des Kunden
durch Hilfsmittel in der Hand von
Mitarbeitenden mit Kundenkontakt
(z.B. Wissensdatenbank auf mobilem Gerät)
in %
17,4
42,7
30,9
45,5
32,0
44,9
16,3
34,8
42,1
15,7
38,8
Touchpoints / Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.)
Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare Produkte,
Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen
digitaler Touchpoints
Transparenz und Mitbestimmung der Kunden bei der
Sammlung, Haltung und Auswertung persönlicher Daten
(Personendaten und Interaktions/ Transaktionsdaten)
37,6
10,1
11,8
48,3
33,7
49,4
0,0 1,1 3,9
Andere
N=178
Frage C1 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
systematisch / strategisch
40
60
punktuell / taktisch
80
100
nie
Business Process Management 2016
tenschutz zu erfüllen, aber über diese Pflichtübung hinaus
aber auch um die Durchgängigkeit der verschiedenen Kanä-
keine weiteren Anstrengungen unternehmen, ihren Kunden
le geht (Abbildung 31). Dafür gehen KMUs vergleichsweise
mehr Kontrolle über die gespeicherten Daten zu gewähren.
stärker auf den einzelnen Kunden ein und lassen ihn Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen oder Oberflächen digitaler
Grosse Unternehmen gehen die Optimierung der Kundenin-
Touchpoints individuell und flexibel mitgestalten (59 % der
teraktionen etwas aktiver an, insbesondere wenn es um die
befragten KMUs versus 41 % der grossen Unternehmen).
Touchpoints, sowohl die digitalen als auch die physischen,
Abb. 31
AKTIVITÄTEN ZUR GESTALTUNG DER KUNDENINTERAKTION –
«SYSTEMATISCH ODER PUNKTUELL» NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
in %
72,9
Erweiterung oder Optimierung
digitaler Touchpoints / Kanäle
82,4
60,0
Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig
vom Touchpoint / Kanal (physisch und digital)
68,5
Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen (basierend auf Datenauswertung
und Kundenkenntnis)
68,6
62,0
Flexiblere / kompetentere / schnellere
Bedienung des Kunden durch Hilfsmittel
in der Hand von Mitarbeitenden mit
Kundenkontakt (z.B. Wissensdatenbank
auf mobilem Gerät)
60,0
62,0
Erweiterung oder Optimierung physischer
Touchpoints / Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.)
52,9
61,1
Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare
Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen
oder Oberflächen digitaler Touchpoints
58,6
40,7
Transparenz und Mitbestimmung der Kunden
bei der Sammlung, Haltung und Auswertung
persönlicher Daten (Personendaten und
Interaktions -/ Transaktionsdaten)
47,1
44,4
1,4
Andere
Frage C1 (Mehrfachnennung möglich)
0,9
0
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
10
20
in % von KMU
30
40
in % von GrossU
50
60
70
80
90
39
40
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
3.6 KUNDENDATEN: QUELLEN, NUTZUNG UND
denverhaltens zu nutzen. Kaum auf dem Radar hingegen
EINSATZ FÜR DIE PROZESSAUSFÜHRUNG
sind IoT-Technologien, die abhängig von Branche und An-
Die Studie geht von der Hypothese aus, dass Kun-
wendungsfeld sicher eingesetzt oder getestet werden, aber
dendaten und operative Prozessdaten der Treibstoff
deren Einsatzfeld offensichtlich (noch) nicht in der Analyse
der digitalen Transformation sind. Sie spielen eine
des Kundenverhaltens gesehen wird.
zentrale Rolle, wenn es um die kundenorientierte
Ausgestaltung, Flexibilisierung und Optimierung der
KMUs und grosse Unternehmen nutzen Kundendatenban-
Prozesse geht. Doch nutzen Unternehmen dieses
ken oder CRM-Systeme und Kundenumfragen in etwa in
Potenzial? Aus welchen Quellen und zu welchen
gleichem Masse, bei allen anderen Quellen sind die grossen
Zwecken beziehen sie ihr Kundenwissen und nutzen
Unternehmen aktiver (Abbildung 33). Am deutlichsten ist der
sie es für die Gestaltung des Kundenerlebnisses und
Vorsprung der Grossen bei der Nutzung der Daten aus Kern-
der Prozessausführung? Nehmen Unternehmen da-
und Transaktionssystemen. Fast zwei Drittel der befragten
bei die Verantwortung, die Datenhaltung für ihre
grossen Unternehmen nutzt sie, aber nur ein Drittel der
Kunden transparent zu gestalten, wahr?
KMUs.
Die etablierten Marketinginstrumente Kundenumfrage (77 %)
Um Kundendaten zentral für alle Unternehmensfunktionen
und dedizierte Kundendatenbanken oder CRM-Systeme
und -systeme bereitzuhalten, haben sich Kundendatenban-
(67 %) sind für die befragten Unternehmen die wichtigsten
ken oder funktionsreichere CRM-Systeme etabliert (Abbil-
Quellen für Kundendaten (Abbildung 32). Aber auch Soziale
dung 34). 59 % der befragten Unternehmen verfügen über
Medien sind mit 57 % auf dem Vormarsch, wenn auch nur
diese zentralen Kundeninformationssysteme, aber nur 41 %
begrenzt systematisch ausgewertet (15 %). Die Auswer-tung
nutzen sie für Analysen und Berichte. Eine Ursache könnte
operativer Daten aus Kern- und Transaktionssystemen spielt
im Informationsgehalt der Systeme liegen: Nur 38 % der Un-
durchaus eine grosse Rolle (52 %), aber es bleibt noch Po-
ternehmen speichern in ihren CRM-Systemen über die rei-
tenzial, diese Quellen systematisch für die Analyse des Kun-
nen Kundenstammdaten hinaus auch Informationen zu Kun-
Abb. 32
QUELLE UND REGELMÄSSIGKEIT DER ERHEBUNG VON KUNDENDATEN
Auswertungen von Kundenumfragen und
Kundenfeedbacks / -reklamationen
43,8
Dediziert erstellte Kundendatenbanken bzw.
CRM-Systeme (Customer Relationship Management)
41,0
Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren,
Blogs, Bewertungsplattformen etc.)
15,2
Kern- und Transaktionssystem
Auswertungen von Bewegungs- und Kontextdaten
(aus Web-Analyse bzw. andere Tracking-Tools,
Lokalisierungsdaten)
Sensoren / Wearables / Dinge (Internet of Things)
33,1
5,1
26,4
13,5
23,6
42,1
26,4
24,2
25,3
9,6
3,4
in %
43,3
25,8
64,6
8,4
1,1 0,6 2,2
Andere
N=178
Frage C4 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
systematisch / regelmässig
40
60
gelegentlich
80
100
nie
Business Process Management 2016
Abb. 33
QUELLE UND REGELMÄSSIGKEIT DER ERHEBUNG VON KUNDENDATEN –
NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
in %
71,4
Auswertungen von Kundenumfragen und
Kundenfeedbacks / -reklamationen
80,6
Dediziert erstellte Kundendatenbanken
bzw. CRM-Systeme (Customer
Relationship Management)
62,9
70,4
48,6
Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren,
Blogs, Bewertungsplattform etc.)
63,0
32,9
Kern- und Transaktionssysteme
63,9
Auswertungen von Bewegungs- und
Kontextdaten (aus Web-Analyse bzw.
andere Tracking-Tools, Lokalisierungsdaten)
28,6
39,8
7,1
Sensoren / Wearables / Dinge (Internet of Things)
14,8
2,9
Andere
Frage C4 (Mehrfachnennung möglich)
0,9
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
10
0
20
in % von KMU
30
40
50
60
70
80
90
in % von GrossU
Abb. 34
VERBREITUNG UND EINSATZWEISE VON CRM-SYSTEMEN
… wir unterhalten eine oder mehrere
Kundendatenbanken / CRM-Systeme
… liefert kundenbezogene Daten für Analysen
und Berichte
… wird mit Daten aus der operativen Prozessausführung
befüllt (Transaktionsdaten, Interaktionsdaten)
… liefert Kundendaten in vollständig oder teilweise
automatisierte Prozesse (Schnittstelle / Systemintegration)
Andere
… wir haben kein CRM-System
in %
24,2
34,8
13,5
27,5
25,3
12,9
13,5
23,0
1,1 3,4
10,1
9,6
N=178
Frage C7 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
1 – 249
40
250 und mehr Mitarbeitende
60
41
42
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
dentransaktionen und -interaktionen. Ähnlich schwach
den in erster Line verwendet, um Produkte und Dienstleis-
ausgeprägt ist auch der Informationsfluss von den CRM-
tungen zu entwickeln oder anzupassen (54 %). KMUs sind in
Systemen in IT-Systeme, die die Prozessausführung auto-
diesem Punkt führend (Abbildung 36: 61 % der befragten
matisieren (36 %). Beide Erkenntnisse führen zum Schluss,
KMUs versus 49 % der grossen Unternehmen). Kundenda-
dass CRM-Systeme noch unzureichend integriert sind. Eine
ten werden ausserdem ausgewertet, um Webseiten oder
mögliche Grundlage für die kundenorientierte Prozessgestal-
Ladenflächen (48 %) zu optimieren und um Muster und Ten-
tung und -steuerung scheint somit noch nicht ausreichend
denzen im Kundenbedarf zu erkennen sowie individuelle
geschaffen beziehungsweise ausgeschöpft.
Empfehlungen ableiten zu können (44 %). Für das Prozessdesign und die kundenorientierte Optimierung von Prozes-
Kundendaten nutzen die befragten Unternehmen in erster
sen werden diese Kundendatenauswertungen hingegen we-
Linie kumuliert und asynchron, das heisst, Daten über Kun-
niger genutzt (35 %). Synchrone Reaktionen auf das Verhalten
den und deren Verhalten werden zunächst gesammelt und
eines individuellen Kunden, die es erlauben, den Prozess in
ausgewertet, um dann Rückschlüsse zu ziehen und Mass-
Echtzeit situationsspezifisch anzupassen, sind erst knapp
nahmen abzuleiten (Abbildung 35). Diese Erkenntnisse wer-
bei einem Fünftel der befragten Unternehmen Realität (19 %).
Abb. 35
NUTZUNG VON KUNDENDATEN
… um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln
oder bestehende anzupassen
… um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden zu
verbessern (z.B. Optimierung Website, Ladengestaltung)
… um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu erkennen
und diese für individuelle Empfehlungen oder Reaktionen
zu nutzen (predictive alytics)
… für das Prozessdesign, um Prozesse mit Blick auf
Kundenorientierung zu gestalten und zu optimieren
… für die Prozessausführung, um einen Prozessverlauf in
Echtzeit kunden- / kontextspezifisch anpassen zu können
Andere
Wir nutzen unsere Kundendaten nicht
in %
29,8
24,2
30,3
17,4
27,0
17,4
23,0
12,4
5,6
13,5
1,1 0,0
1,7 3,9
N=178
Frage C5 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
1 – 249
40
250 und mehr Mitarbeitende
60
Business Process Management 2016
Abb. 36
NUTZUNG VON KUNDENDATEN – NACH UNTERNEHMENSGRÖSSE
in %
61,4
… um neue Produkte und Dienstleistungen zu
entwickeln oder bestehende anzupassen
49,1
… um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden
zu verbessern (z.B. Optimierung
Website, Ladengestaltung)
44,3
50,0
… um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu
erkennen und diese für individuelle Empfehlungen
oder Reaktionen zu nutzen (predictive alytics)
44,3
44,4
… für das Prozessdesign, um Prozesse
mit Blick auf Kundenorientierung zu gestalten
und zu optimieren
31,4
38,0
… für die Prozessausführung, um einen
Prozessverlauf in Echtzeit kunden- /
kontextspezifisch anpassen zu können
Andere
14,3
22,2
2,9
0,0
4,3
Wir nutzen unsere Kundendaten nicht
6,5
N(KMU)=70
N(GrossU)=108
Frage C5 (Mehrfachnennung möglich)
0
20
10
30
40
50
60
70
in % von GrossU
in % von KMU
Abb. 37
EINFLUSSMÖGLICHKEITEN DER KUNDEN AUF DIE DATENHALTUNG («UNSERE KUNDEN …»)
… geben uns ihr Einverständnis, bestimmte Daten
über sie zu sammeln
… können bestimmen, welche Informationen sie
von uns regelmässig erhalten wollen
14,6
9,0
… können bestimmen, ob und wofür wir ihre
Daten auswerten
2,8
Andere
… wissen nicht, welche Daten wir über sie
sammeln
29,2
12,4
… können veranlassen, dass bestimmte Daten
nicht gesammelt oder gelöscht werden
1,1
in %
17,4
19,7
5,6
5,6
10,7
8,4
N=178
Frage C6 (Mehrfachnennung möglich)
0
10
1 – 249
20
30
40
250 und mehr Mitarbeitende
50
43
44
Ergebnisse der Umfrage: «Status quo: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Es besteht also noch ungenutztes Potenzial, Kundendaten
Löschung verlangen können (29 %). So kann es in bestimm-
systematischer für flexiblere Prozesse und bessere Kunde-
ten Branchen und Anwendungsbereichen regulatorische
nerlebnisse einzusetzen.
Rahmenbedingungen geben, die es explizit erforderlich machen, Daten oder Kundenkommunikationen aufzubewahren
Beschränkte Datenherrschaft
das heisst nicht zu löschen. Insgesamt scheint das Bedürf-
Es bestätigt sich der Eindruck (siehe Abbildung 30, Kapitel
nis der Kunden nach Transparenz bei den befragten Unter-
3.5), dass die befragten Unternehmen noch kaum die Not-
nehmen noch nicht spürbar beziehungsweise noch nicht
wendigkeit sehen, ihren Kunden über das gesetzliche Min-
adressiert zu sein: 19 % geben an, dass ihre Kunden nicht
destmass hinaus Kontrolle oder zumindest Transparenz über
wissen, welche Daten das Unternehmen über sie sammelt
die gespeicherten Kundendaten zu gewähren (Abbildung
und nur 8 % der Unternehmen räumen ihren Kunden ein Mit-
37). Weniger als die Hälfte der Unternehmen geben an, zu-
bestimmungsrecht darüber ein, ob und wofür Kundendaten
mindest das Einverständnis der Kunden zur Datensammlung
gesammelt werden. Die Themen Transparenz der Datenhal-
einzuholen (44 %). Die Notwendigkeit, dies zu tun, ist unter
tung und persönliche Datenherrschaft scheinen also noch
Umständen kontextabhängig wie auch die Möglichkeit, dass
nicht ausreichend adressiert zu sein.
Kunden die Speicherung ihrer Daten unterbinden oder deren
Business Process Management 2016
4. F
allstudien «Erfolgsmuster: Kundennutzen durch digitale Transformation?»
Welche Erfahrungen, Lösungsansätze und Resulta-
School of Management and Law. Für die Vorbereitung, Dis-
te weisen Unternehmen auf, die den Kundennutzen
kussion und Analyse der Fallstudien kam das in Kapitel 2
und die Möglichkeiten der Digitalisierung ins Zent-
vorgestellte thematische Rahmenwerk zur Anwendung.
rum ihrer BPM-Initiativen stellen? Welche Methoden und Werkzeuge setzen sie ein? Wie wirken sich
Die Fallstudien und deren Analyse sind Gegenstand der
diese Aktivitäten auf das Geschäftsmodell, die
nachfolgenden Kapitel5. Erkenntnisse aus den Fallstudien
Business Operations und das Kundenerlebnis aus?
und den Diskussionen im Workshop werden im Fazit im Sinne von Erfolgsmustern zusammengefasst (Kapitel 5.2)
Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines eintägigen Praxisworkshops, der im Rahmen des qualitativen Forschungsteils
Das Studienteam dankt allen am Workshop beteiligten Un-
der Studie im Juni 2016 im Service Lab der ZHAW School of
ternehmen (Abbildung 38), die ihr Expertenwissen und ihre
Management and Law in Winterthur stattfand. Ziel des Work-
wertvolle Zeit für die Vorbereitung, Diskussion und Auswer-
shops war es, Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu-
tung der Fallstudien bereitgestellt haben.
sammenzubringen, die Prozessmanagement auf einem ähnlich hohen Niveau betreiben, um ihre Fallbeispiele im
Expertenkreis zu diskutieren. Durchgeführt und moderiert
wurde der Workshop vom Institut für Wirtschaftsinformatik
und dem Institut für Marketingmanagement der ZHAW
5 D
ie Analyse und Aufbereitung der Fallstudien für die vorliegende Studienpublikation erfolgte durch das Studienteam der ZHAW. Die Firmenvertreter sind im
Anhang «Experten» sowie bei den jeweiligen Fallstudien in den nachfolgenden
Kapiteln aufgeführt.
Abb. 38
DIE FALLSTUDIEN IM ÜBERBLICK
Fallstudie
Leasing
Thema
Präsentiert von
Videobasierte Identifikation als
Wegbereiter für das Online-Leasing
–– E
sad Ceranic
Projektverantwortlicher Business Analyst
–– Patrick Frauchiger
Leiter Marketing und Verkauf
eUmzug – elektronisch umziehen
einfach gemacht
–– L
ukas Steudler
Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch
Staatskanzlei des Kantons Zürich
Case Management in P&C
Reinsurance: Wissensarbeit im Fokus
–– M
arco Peyer
Head BPM & Service Operations
P&C Re-Insurance
Digitalisiertes Service Management
schafft Kundennutzen
–– M
arkus Schneider
Leiter Operation Services
–– Philipp Klauser
Applikationsverantwortlicher Jira
Einführung von Produkt- &
Servicekatalogen: Der erste Schritt
zur industrialisierten Fertigung
–– A
ndreas Hilber
Head of Process Architecture Network
and IT Operations
45
46
Fallstudien
4.1 FALLSTUDIE AMAG LEASING AG: «VIDEOBA-
Beteiligungen am Zürcher Startup Sharoo und dem stations-
SIERTE IDENTIFIKATION ALS WEGBEREITER FÜR
ungebundenen Catch a Car von Mobility erweitert die AMAG
DAS ONLINE-LEASING»
das Geschäftsfeld im Bereich Carsharing und digitale Mobilitätsdienstleistungen. 2016 wurde bei AMAG zum «Jahr der
Digitalisierung» erklärt. Mit diesem Fokus wurde der strategi-
Leasing
IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON
–– Esad Ceranic
Projektverantwortlicher Business Analyst
sche Rahmen für verschiedene Projekte in allen Bereichen
der AMAG-Gruppe geschaffen, so auch für die in dieser Fallstudie beschriebenen Aktivitäten zur Weiterentwicklung des
Online-Leasings und der dafür eingesetzten videobasierten
Online-Identifikation.
–– Patrick Frauchiger
Leiter Marketing und Verkauf
Status quo: Digitalisierung im Back- und Front-End
AMAG Leasing stellt sich den Herausforderungen der Digitalisierung bereits seit einigen Jahren und hat die Prozesse und
4.1.1 Kontext und Ausgangssituation
Systeme sowohl im Front- als auch im Back-End verändert
Die 1980 gegründete AMAG Leasing AG ist seit 2009
und erweitert. Der massivste Eingriff gelang mit der durch-
Marktführer im Schweizer Fahrzeugleasingmarkt
gängigen Automatisierung des Leasingbewilligungsprozes-
und bewirtschaftet (Stand 2016) rund 130 000 aktive
ses. Die bis dahin von Medienbrüchen und manuellen Arbei-
Verträge im Privatkunden- und Firmenleasingge-
ten
schäft. Sie ist eine zur Careal Holding gehörige Ge-
Vertragsausstellung wurden durchgängig digitalisiert. Im
sellschaft, die für den Schweizer und Liechtenstei-
Rahmen eines strategischen Automatisierungsprojektes wa-
ner Markt die Finanzierung der Konzernprodukte
ren die BPM-Lösung Axonivy eingeführt und zahlreiche inter-
sicherstellt. Rund 30 % aller in die Schweiz impor-
ne und externe Systeme integriert worden (z.B. CRM, Ver-
tierten Fahrzeuge stammen aus dem Markenportfo-
tragsmanagement, Zentralstelle für Kreditinformationen/ZEK,
geprägten
Abläufe
vom
Leasingantrag
bis
zur
lio der AMAG Gruppe, die 2015 einen Umsatz von​
CRIF Teledata). Mehr als 200 Geschäftsregeln, die bei der
4,4 Milliarden erzielte und damit zu den 50 umsatz-
Prüfung und Bewilligung der Leasinganträge zur Anwendung
stärksten Unternehmen der Schweiz zählt. Rund 100
kommen, wurden implementiert. Durch die Anwendung und
der 5 400 Mitarbeitenden der AMAG-Gruppe sind für
fortlaufende Optimierung dieser Geschäftsregeln im digitali-
die AMAG Leasing AG tätig. AMAG Leasing AG ist
sierten Prozess kann AMAG Leasing Anträge zunehmend
eine sogenannte Captive Leasinggesellschaft, das
vollständig automatisiert, das heisst ohne manuelle Prüfung,
heisst markengebundene Leasinggesellschaft, die
bewilligen. Für bewilligte Anträge können ohne Systembruch
die Marken VW, Audi, SEAT, Skoda und VW Nutzfahr-
die Vertragsunterlagen erstellt werden. Aussichtslose Anträ-
zeuge abdeckt.
ge werden aufgrund hinterlegter KO-Kriterien frühzeitig im
Prozess automatisch erkannt und abgelehnt. Die automati-
Für die AMAG Gruppe und so auch für die AMAG Leasing
sierte Bewilligungsquote, die aktuell bei 20 bis 25 % liegt,
AG stehen die Herausforderungen und Chancen der Digitali-
wird durch die fortlaufende Optimierung der hinterlegten Ge-
sierung in der Automobilindustrie (siehe Infobox) im Zentrum
schäftsregeln weiter erhöht (Zielwert: 30 %). AMAG Leasing
einer Reihe strategischer Initiativen. So wurde für die eigenen
konnte damit nicht nur nachweislich die Produktivität steigern
Garagenbetriebe eine Tablet-Lösung für die mobile Service-
(+32 %), sondern schafft Freiraum für komplexe Anträge, die
annahme entwickelt, mit deren Hilfe der Serviceberater mit
eine vertiefte Abklärung erfordern. AMAG Händler und Kun-
dem Kunden direkt beim Fahrzeug alle Punkte aufnehmen
den profitieren von einem raschen Entscheid in einem durch-
und Auskunft über Kosten, Dauer etc. geben kann. Mit den
gängigen Prozess mit deutlich reduzierten Bearbeitungszei-
Business Process Management 2016
DIGITALISIERUNG IN DER AUTOMOBIL-
der Automobilbranche zur digital geprägten «Mobilitätsin-
BRANCHE – REAKTIONEN DER AKTEURE
dustrie» (Wedeniwski, 2015). (Berger & Rechenbach,
Digitalisierung verändert nicht nur Kundenerlebnisse, Ge-
2015) illustrieren diese Reaktionen unter anderem mit fol-
schäftsprozesse und Geschäftsmodelle, sondern hat das
genden Beispielen:
Potenzial, ganze Branchen mit ihren Produkten, Dienst-
–– Im 2012 eröffneten «Audi City-Showroom der Zu-
leistungen und Wertschöpfungsketten zu transformieren.
kunft» in London stehen nicht mehr als drei physische
Dies hat das Beispiel der Musikindustrie bewiesen. In der
Fahrzeuge auf 690m2. Die Beratung basiert auf virtu-
Automobilbranche scheint genau das aktuell zu passie-
eller Realität und der Verkauf ist von den interaktiven
ren, und der Wandel birgt grosse Herausforderungen aber
Beratungsflächen räumlich getrennt. Im ersten Halb-
auch Chancen für bestehende und neue Akteure. Treiber
jahr 2013 wurden 50 % der Autos im Londoner Show-
sind nicht nur technologische Entwicklungen wie «Internet
room ohne eine Probefahrt verkauft (Singh, 2014).
of Things», Elektromobilität oder autonomes Fahren, son-
–– Daimler bündelt seit 2014 unter der neuen Dienstleis-
dern auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwick-
tungsmarke «mercedes me» und dem gleichnamigen
lungen, wie die Überalterung der Gesellschaft, die abneh-
Kundenportal alle Onlinedienste und mobile Applikati-
mende Bedeutung des Autos als Statussymbol oder
onen rund um das Fahrzeug (connect), dessen Ser-
Ressourcen- und Platzbeschränkungen. Daraus resultie-
vice (assist) und Finanzierung. Auch die Kunden-
rende Trends wie die intermodale Mobilität (die kombi-
Community (Soziale Netzwerke) sowie
nierte Nutzung mehrerer Verkehrsmittel) lassen die Branchengrenzen aufweichen. Sie bringen neue Anbieter ins
Mobilitätsdienste (z.B. moovel) sind integriert.
–– Seit 2013 ist bei der Volkswagen-Leasingbörse für
Spiel, deren Geschäftsmodelle häufig digital geprägt sind
Gebraucht- und Jahreswagen in Deutschland die
(z.B. Uber, Carsharing) und unterstreichen die zunehmend
Eintrittspforte für den Kunden nicht mehr der stationä-
etablierte Einstellung «Nutzen statt Besitzen» in einer
re Handel, sondern die Online-Leasingbörse, die das
«Share Economy» (Adam & Meyer, 2015). Aber auch tra-
Geschäft abschliessend an den vom Kunden online
ditionelle Akteure, wie Automobilvertrieb und Leasingge-
gewählten Händler übergibt.
ber, die im Mittelpunkt der vorliegenden Fallstudie stehen,
sowie Automobilhersteller reagieren auf diesen Wandel
ten (-70 %), was sich in einer nachweisbar höheren
Der Online-Leasingrechner erlaubt Kunden – online ohne
Kundenzufriedenheit niederschlägt. Für AMAG Leasing zeigt
Eingabe persönlicher Daten, nur mit Auswahl weniger Eck-
sich der durchgängig digitalisierte und standardisierte Pro-
daten des Wunschfahrzeuges (Marke, Modell, Motorisie-
zess nicht nur in einer gesteigerten Effizienz, sondern in ho-
rung) – die Höhe der monatlichen Leasingrate zu berechnen
her Datenqualität, einer optimierten Risikobewertung sowie
sowie den Einfluss bestimmter Faktoren wie Laufzeit oder
einer deutlichen Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit.
jährliche Laufleistung zu simulieren (Abbildung 39).
Nicht nur die Arbeitsumgebung für AMAG-Leasing-Mitarbei-
Das Online-Leasingzertifikat (Abbildung 40) ist unabhängig
tende und AMAG-Händler wurde in den letzten Jahren digi-
von einem konkreten Fahrzeugwunsch. Leasinginteressierte
talisiert, auch im Front-End wurde investiert. Auf der AMAG-
erhalten nach Eingabe ihrer persönlichen Daten, die auch An-
Website werden mit dem Online-Leasingzertifikat und einem
gaben zur finanziellen Situation und Lebensunterhaltskosten
Leasingrechner zwei Online-Tools für leasing-interessierte
umfassen, direkt im Anschluss per E-Mail ein sogenanntes
Kunden angeboten.
Leasingzertifikat, das keine verbindliche Zusage darstellt, aber
47
48
Fallstudien
Auskunft gibt über den finanziellen Rahmen, in dem AMAG
gen gesetzt werden können. Der Online-Leasingrechner
ein Leasingangebot unterbreiten kann. Legt der Kunde das
bietet eine lange Verweildauer (durchschnittlich fünf Minu-
Leasingzertifikat beim Händler vor, können über eine Identifi-
ten) und viel Traffic (12 000 Seitenaufrufe monatlich), aber
kationsnummer die bereits eingegebenen persönlichen Da-
keine verwertbaren Kundendaten. Somit ist nicht nachvoll-
ten für den Leasingantrag abgerufen und verwendet wer-
ziehbar, welche und wie viele Leasingverträge aus der Nut-
den. Eine Plausibilisierung und Validierung der online
zung entstehen. Das Leasingzertifikat hingegen liefert wert-
eingegebenen persönlichen Daten findet heute erst beim
volle Kundendaten, aber durch die fehlende Verifikation der
Händler auf der Grundlage eines amtlichen Ausweisdoku-
Kundendaten ist nicht eindeutig nachvollziehbar ist, welche
ments statt. Aktuell sind die beiden Instrumente nicht integ-
Anträge tatsächlich aus einem Online-Leasingzertifikat ent-
riert. Das bedeutet, sie liefern wertvolle Daten, die jedoch
stehen. Auch für welche Fahrzeuge sich ein Kunde interes-
nicht in Beziehung zueinander oder zu tatsächlichen Verträ-
siert, ist nicht ersichtlich.
Abb. 39
ONLINE-LEASING RECHNER (WWW.AMAG.CH)
Business Process Management 2016
Abb. 40
ONLINE-LEASINGZERTIFIKAT (WWW.AMAG.CH)
4.1.2 Motivation und Zielsetzung
Leasingprozess sichergestellt werden, kann AMAG
Mit dem vom Antrag, über die Bewilligung bis zur
Leasing sowohl den bestehenden Leasingprozess
Vertragserstellung und -administration durchgän-
optimieren als auch neue Wege im Online-Leasing
gig digitalisierten Leasingprozess hat AMAG Leas-
einschlagen.
ing betriebsseitig die Voraussetzungen geschaffen,
um in einem nächsten Schritt den Prozess weiter in
AMAG Leasing unterliegt als Finanzintermediär den Regula-
Richtung Endkunde zu öffnen. Für Kunden stehen
torien zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terroris-
mit dem Online-Leasingrechner und dem Online-
musfinanzierung. Diese umfassen zum einen das Geld-
Leasingzertifikat bereits zwei Instrumente zur Ver-
wäschereigesetz (GWG) und zum anderen die Verordnung
fügung, die jedoch nicht in den digitalisierten Leas-
der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Bekämp-
ingprozess eingebunden sind. Die rechtskonforme
fung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Fi-
Feststellung der Kundenidentität spielt hierbei eine
nanzsektor (GwV-FINMA). Darin sind unter anderem die
Schlüsselrolle. Kann diese in einem digitalisierten
Sorgfaltspflichten bezüglich der Identifikation der Vertrags-
49
50
Fallstudien
partei, sprich des Kunden, bei der Aufnahme einer Ge-
Geschäftsbeziehung bis zur Nachlieferung eines aus-
schäftsbeziehung festgelegt. Um diesen gerecht zu werden,
reichenden Identifikationsdokuments als abgebrochen gilt
muss gemäss Art. 45 GwV-FINMA der Kunde persönlich
(Art. 55 GwV-FINMA). Hinzu kommt ein administrativer Meh-
beim Finanzintermediär vorstellig werden, der eine Kopie des
raufwand für die Nachbearbeitung, der im Rahmen des
Identifizierungsdokuments erstellen, datieren, unterzeichnen
Business Cases mit rund 150 Personentagen jährlich quan-
und zu den Akten legen muss. Im Fall von AMAG findet diese
tifiziert wurde.
Identifikation beim Händler statt, der diese Kopien digitalisiert
und im Leasingsystem hinterlegt. Wird der Leasingantrag be-
Ursache der Problematik ist die für alle Akteure umständliche
willigt und ein Vertrag erstellt, ist AMAG Leasing gemäss
und an den stationären Handel gebundene Form der Identi-
GwG verpflichtet, den gesamten Vorgang und somit auch
tätsprüfung. Die genannten regulatorischen Vorgaben im Fi-
die Identifizierungsdokumente im Rahmen der Vertragsad-
nanzsektor liessen den Einsatz online- und videobasierter
ministration einer Qualitätsprüfung zu unterziehen (Abbildung
Tools für die Identifikation des Vertragspartners bis dato in der
41). Bei einem signifikanten Anteil der bearbeiteten Fälle er-
Schweiz nicht zu. Die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung
füllen die Identifizierungsdokumente die Qualitätskriterien
auf rein digitalem Weg war somit für einen Finanzintermediär
nach GwG/GwV-FINMA nicht (z.B. aufgrund eines schlecht
nicht möglich. Dies änderte sich jedoch mit dem Erlass des
erkennbaren Fotos). In diesen Fällen muss AMAG Leasing
FINMA-Rundschreibens «Video- und Online-Identifizierung»
den Händler auffordern, den Kunden nochmals in die Ga-
im März 2016, das die Sorgfaltspflichten bei der Aufnahme
rage zu bestellen, um sich erneut zu identifizieren. Das Fahr-
von Geschäftsbeziehungen über digitale Kanäle regelt (FIN-
zeug ist zu diesem Zeitpunkt in der Regel bereits ausgeliefert.
MA, 2016). Die FINMA stellt darin die Video- und Onlineiden-
Somit schafft diese Prozedur nicht nur unzufriedene Kunden,
tifizierung unter bestimmten Voraussetzungen mit der per-
sondern auch rechtliche Unklarheit, da die Aufnahme der
sönlichen Vorsprache des Kunden gleich (siehe Infobox).
Abb. 41
AUSWIRKUNGEN NICHT GWG/GWV-FINMA-KONFORMER IDENTITÄTSDOKUMENTE
AUF DEN LEASINGPROZESS
Händler bietet den Kunden
erneut auf
150 Tage Mehraufwand für
Nachbearbeitung
Verkäufer
Kunde
Erneute Identifikation beim
Händler: Unzufriedenheit
Leasingantrag
ALAG
Bei einem grossen Anteil aller Fälle erfüllt
das Identitätsdokument die Qualitätskriterien nach GwG/GwV-Finma nicht
automatisierte Bewilligung
Vertragsadministration
Business Process Management 2016
FINMA ERMÖGLICHT VIDEOIDENTIFIZIERUNG
–– Die Bild- und Tonqualität muss eine einwandfreie Iden-
Mit Inkrafttreten des FINMA-Rundschreibens «Video- und
tifikation gewährleisten. Während der Videoübertra-
Online-Identifizierung» im März 2016 (FINMA, 2016), ist es
gung müssen Bilder der Vertragspartei und des Identi-
Finanzdienstleistern nun auch in der Schweiz möglich,
fizierungsdokuments erstellt werden.
Kunden bei der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, z.B.
–– Alle Angaben nach Art. 44 GwG und Art. 60 GwV-
bei einer Kontoeröffnung oder einem Leasingantrag, über
FINMA (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse,
digitale Kanäle zu identifizieren. Die FINMA stellt damit, wie
Staatsangehörigkeit) müssen vor der Videositzung
bereits 2014 die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin, die
erfasst und übermittelt sein. Vor Beginn des Ge-
Video- und Online-Identifizierung mit der persönlichen Vor-
sprächs muss das ausdrückliche Einverständnis zur
sprache des Kunden gleich. Die FINMA begründet diesen
Videoidentifizierung eingeholt werden.
Schritt damit, «unnötige Hürden in der FINMA-Regulierung
–– Alle vor und während der Videositzung erhobenen
abzubauen und die Innovations- und Wettbewerbsfähig-
Daten werden abgeglichen, Die Echtheit des Doku-
keit des Finanzplatzes Schweiz sicherzustellen» (FINMA,
ments wird visuell oder mit technischen Mitteln ge-
2016). Von den angepassten regulatorischen Rahmenbe-
prüft. Es sind nur Ausweisdokumente zugelassen, die
dingungen profitieren nicht nur Fintech-Startups, sondern
über eine MRZ und optische Sicherheitsmerkmale
alle Finanzdienstleister, die Geschäftsbeziehungen mit ih-
verfügen.
ren Kunden von Beginn an, das heisst bereits beim sogenannten «client onboarding» digital gestalten wollen.
–– Im Laufe der Sitzung ist die Identität der Vertragspartei
mittels einer zugestellten Transaktionsnummer (TAN)
o.ä. zu verifizieren.
Ein wesentlicher Grundsatz des Geldwäschereigesetzes
und der Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor ist die Identifikation der
–– Die durchführenden Mitarbeitenden müssen geschult
und durch einen Gesprächsleitfaden unterstützt sein.
–– Der Finanzintermediär kann eine dritte Partei mit der
Identifizierung beauftragen.
Vertragspartei bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung (Art.
3 GwG, Art. 44 GWV-FINMA). Bis zum Inkrafttreten des
In der Schweiz bieten Swisscom («Digital Identification &
FINMA-Rundschreibens war die Identifizierung nur durch
Signing») und die Schweizerische Post («ID-Check») die
persönliche Vorsprache mit einem amtlichen Ausweis (inkl.
Videoidentifikation an. Beide Dienste basieren auf der Soft-
Identitätsfoto) möglich (Art. 45 GWV-FINMA). Als einzige
ware der Berliner WebID Solutions, deren Service auch
Alternative zur persönlichen Vorsprache war die Zustellung
AMAG Leasing nutzt. Firmenkunden, die diese Anbieter für
einer echtheitsbestätigten Kopie auf dem Postweg mit ei-
die Identifikation oder Altersprüfung ihrer Kunden einset-
ner zusätzlichen Prüfung der Postadresse durch eine
zen, bezahlen pro Vorgang («pay per use»). Die Daten wer-
Postzustellung vorgesehen. Das FINMA-Rundschreiben
den an den Finanzdienstleister über eine sichere und ver-
erweitert diese Möglichkeiten nun auf digitale Kanäle. So
schlüsselte Verbindung übermittelt und anschliessend aus
ist neu die Videoidentifizierung von einem beliebigen End-
den Systemen des Identifikationsanbieters gelöscht. Auf
gerät des potenziellen Kunden möglich, sofern die folgen-
eine interne Lösung setzt UBS, die im März eine App für
den Grundsätze erfüllt sind (FINMA-RS, Abs. 5 bis 22):
die Videoidentifikation auf der Basis der Softwarelösung
–– Die Identifizierung erfolgt mittels audiovisueller Kommu-
IDnow lanciert hat. Sowohl WebID als auch IDnow bieten
nikation in Echtzeit, das heisst in einer Live-Schaltung.
zusätzlich zur rechtssicheren Verifizierung im Video-Chat
–– Die sichere Übertragung und das Auslesen und Ent-
Funktionen für den digitalen Vertragsabschluss an. Über
schlüsseln der Information aus der maschinenlesbaren
eine in Echtzeit erstellte elektronische Signatur kann der
Zone (MRZ) des Ausweises ist sichergestellt.
Kunde im Video-Chat einen Vertrag digital unterzeichnen.
51
52
Fallstudien
Abb. 42
ZIELSETZUNG – ONLINE-BEWILLIGUNG
Der Kunde...
Mein AMAG
LeasingZertifikat
EVGDHBDC1R
… berechnet seinen monatlichen
Maximalbetrag für ein Leasing
… lässt sich anschliessend
online identifizieren
… bekommt die verbindliche Zusage
für einen Leasingvertrag
Vor dem Hintergrund dieser aufsichtsrechtlichen Änderung,
–– Langfristig (Folgephase): Der Kunde erhält nicht nur eine
die bereits im Dezember 2015 von der FINMA angekündigt
Zusage für einen Leasingvertrag, sondern kann online
und in einem Regelungsentwurf zur Stellungnahme kommu-
ein Fahrzeug auswählen, einen Leasingvertrag abschlie-
niziert wurde, konnte AMAG Leasing rasch reagieren und die
ssen und einen Termin für die Fahrzeugübergabe beim
Identifikationsproblematik unter neuen Voraussetzungen auf-
Händler vereinbaren.
greifen. Nach Prüfung verschiedener Alternativen entschied
 K
undennutzen: Kunden, die ein Online-Leasing dem
sich AMAG Leasing, die Einsatzmöglichkeiten der videobasi-
Besuch beim Händler vorziehen, können den komplet-
erten Identifikation für Digitalisierung des Leasings auszunut-
ten Prozess online durchlaufen.
zen. Das Projekt wurde im Frühjahr 2016 mit folgenden Zielsetzungen gestartet:
Mit dem Projekt setzt AMAG Leasing klare Signale für die
digitale Ausrichtung der AMAG. Das Projekt Video-Identifika-
–– Kurzfristig (Phase 1, Sommer 2016): Optimierung des
tion kann wertvolle Erkenntnisse und Grundlagen für die
aktuellen Prozesses durch die Video-Identifikation: Meh-
Digitalisierung weiterer Prozesse und Geschäftsbereiche
raufwände auf Seiten AMAG Leasing, Händler und
schaffen. Wesentlich für den Erfolg wird sein, ob es AMAG
Kunde, die durch mangelhafte Identitätsnachweise ent-
Leasing gelingt, die Kundenbedürfnisse bei der Gestaltung
stehen, werden reduziert.
des Online-Leasings einzubeziehen und so auch neue Ziel-
 Kundennutzen: Der Kunde kann sich bequem im Video-Chat identifizieren. Der erneute Weg zum Händler
entfällt.
–– Mittelfristig (Phase 2, Herbst 2016): «Online-Bewilligung»
(Abbildung 42): Das Online-Leasingzertifikat wird durch
die Video-Identifikation zur verbindlichen Zusage für einen Leasingvertrag.
 Kundennutzen: Der Kunde kann persönliche Daten
über seine finanzielle Situation und Lebenshaltungskosten diskret online erfassen und erhält innert Minuten
eine verbindliche Zusage.
gruppen durch positive Kundenerlebnisse zu überzeugen.
Business Process Management 2016
«Wir stellen die Wirkung haptischer Erlebnisse und persönlicher
Beziehungen im Automobilvertrieb nicht in Frage, aber es gibt Zielgruppen und Situationen, für die wir frühzeitig digitale Ergänzungen
und Alternativen anbieten wollen. In der diskreten Online-Erfassung persönlicher Daten für einen Leasingantrag, von zuhause
und jederzeit, komplettiert durch die unkomplizierte videobasierte
Online-Identifikation, sehen wir einen echten Kundenutzen.»
Patrick Frauchiger, Leiter Verkauf und Marketing, AMAG Leasing AG
DIGITALISIERUNG IN DER AUTOMOBIL-
40 % der befragten potentiellen Kunden, die über den
BRANCHE – WAS WILL DER KUNDE?
Kauf oder die Finanzierung eines Fahrzeuges nach-
Nicht nur die Angebotsseite verändert sich, auch das Infor-
denken oder in den letzten zwölf Monaten ein Auto
mations- und Entscheidungsverhalten der Automobilkun-
gekauft oder finanziert haben, nutzen das Internet, um
den ist im Wandel. Studien zeigen, dass Online-Kanäle
sich über das Thema Leasing/Finanzierung zu infor-
nicht nur an Bedeutung gewinnen, sondern in der Phase
mieren. Rund 24 % informieren sich telefonisch oder
der Informationsbeschaffung bereits dominieren. Aber auch
persönlich beim Händler.
Kundenerlebnisse im stationären Handel bleiben relevant:
–– Die Fahrzeugfinanzierung wird dabei für Konsumenten
–– Mehr als 80 % der Neuwagenkunden und nahezu
im Entscheidungsprozess zunehmend wichtiger. Auf
100 % der Gebrauchtwagenkunden starten die Informa-
die Frage, zu welchem Zeitpunkt sie sich über die
tionssuche online. Die Anzahl der Besuche beim Händ-
Finanzierung ihres Neu- oder Gebrauchtwagens infor-
ler vor dem Autokauf sind von durchschnittlich fünf auf
mieren, gaben 48,2 % der Befragten an, dass sie dies
bis zu einem Besuch gesunken (abhängig von Region
vor der Modellwahl, 29,4 % während und 14,2 % nach
und Marke). Mehr als 80 % der Kunden wollen jedoch
der Wahl des Modells tun.
auf die Probefahrt beim Händler nicht verzichten (Global
Consumer Survey in USA, Europa und China (McKinsey & Co, 2014)).
–– Die Studie empfiehlt Autobanken und Autohändlern
auf diese Herausforderungen und Chancen gemeinsam mit Multikanalvertriebsstrategien zu re-
«Der Händler verliert in der Anfangsphase die
agieren. Weitere Potenziale werden in der Nutzung
Informationshoheit über das Produkt.»
des Internets, über die statische Information hinaus,
Detlev Mohr, Leiter Automotive Practice Europe (McKinsey & Co., 2014)
als Transaktionsplattform für das Leasing gesehen.
Auch die Erweiterung des Angebots um neue Mo-
–– Auch bei Fahrzeugleasing und -finanzierung ist das
bilitätskonzepte (z.B. Übernahme von Carsharing-
Internet zur wichtigsten Informationsquelle für Kunden
Lizenzen, Bring-/Hohldienste) werden als gemein-
geworden, wie eine Studie bei Endkunden in Deutsch-
sames Aktionsfeld für Handel und Leasinggeber
land zeigt (Ernest & Young GmbH, 2013). Mehr als
vorgeschlagen (Ernest & Young GmbH, 2013).
53
54
Fallstudien
4.1.3 Umsetzung und Wirkung
Um die oben beschriebenen Ziele zu erreichen, gliedert
AMAG Leasing ist sich bewusst, dass sie mit der
AMAG Leasing das Projekt in drei Phasen (Abbildung 43).
Online-Videoidentifikation Neuland im Schweizer
Finanzdienstleistungsmarkt betritt. Die Möglich-
In der ersten Phase wird die Online-Videoidentifikation im
keiten, die sich dadurch für die weitere Ausgestal-
bestehenden Prozess eingesetzt, um die Mehraufwände zu
tung des Online-Leasings bis hin zum digitalisi-
reduzieren, die entstehen, wenn der GwG-Check der Ver-
erten Absatz ergeben, sollen daher schrittweise
tragsadministration Mängel beim Identitätsnachweis feststellt
getestet und umgesetzt werden. Die Kundenbedür-
(Abbildung 44). AMAG Leasing muss in diesem Fall nicht
fnisse werden auf diesem Weg frühzeitig erhoben
mehr wie bis anhin den Händler auffordern, den Kunden er-
und in die Ausgestaltung einbezogen.
neut aufzubieten, um sich persönlich auszuweisen. Stattdes-
Abb. 43
VORGEHEN UND INHALTE DER PHASEN
PHASE 1
PHASE 2
– Online-Video-Identifikation statt erneutem Händler-Besuch
– Mehraufwände durch nachträgliche Identifikation senken
– Kundenbedürfnisse und Akzeptanz erheben
Backend-Prozess
und Prototyp
– P
rojektziel: Verbindliche Zusage für einen Leasingvertrag online
– L
easing-Zertifkat mit Identitätsnachweis
Online-Bewilligung
– Potenzial: Leasing und Fahrzeugauswahl online
Online-Absatz
Mein AMAG
LeasingZertifikat
EVGDHBDC1R
FOLGEPHASE
Abb. 44
PHASE 1 – BACKEND-PROZESS UND PROTOTYP
@
Kunde
1
Identitätsdokument erfüllt
Qualitätskriterien nach
GwG/GwV-Finma nicht
Verkäufer
2
ALAG
3
Business Process Management 2016
sen wird aus dem Prozessmanagementsystem eine E-Mail
(«Online-Bewilligung») sind nicht mehr nur Kunden, die sich
an den Kunden mit einem Link zur Online-Videoidentifikation
erneut identifizieren, angesprochen, sondern alle potentiellen
erstellt (1). Der Kunde identifiziert sich online (2) und die Dat-
Kunden, die online einen Leasing-Antrag stellen möchten
en werden an AMAG Leasing übermittelt (3). In dieser Pilot-
(Abbildung 45). Für die Eingabe ihrer persönlichen Daten
phase nutzt AMAG Leasing für die Online-Videoidentifikation
nutzen Kunden das Online-Leasingzertifikat (1), das den fi-
die Dienstleistung der WebID Switzerland AG.
nanziellen Rahmen, innerhalb dessen ein Leasing möglich
ist, online prüft und bescheinigt. In einem nächsten Schritt
Nach erfolgreichem «Prototyping» wird die Zielgruppe der
werden im Video-Chat mit Web-ID die eingegebenen per-
Online-Identifikation erweitert und das bereits bestehende
sönlichen Daten und die Identität der Person und deren Aus-
Online-Leasingzertifikat in den Prozess integriert. In Phase 2
weis geprüft (siehe Infobox «FINMA ermöglicht Online-Video-
Abb. 45
PHASE 2 – ONLINE-BEWILLIGUNG
4
5
6
Kunde
Verkäufer
ALAG
Mein AMAG
1
3
LeasingZertifikat
EVGDHBDC1R
2
Abb. 46
FOLGEPHASE – ONLINE-ABSATZ
4
5
Kunde
Verkäufer
1
ALAG
Mein AMAG
LeasingZertifikat
EVGDHBDC1R
2
3
55
56
Fallstudien
identifikation») (2). Die Daten werden an AMAG Leasing
sen werden kann (4). Abschliessend könnte der Kunde ei-
übermittelt (3), die dem Kunden auf dieser Grundlage online
nen Termin für die Fahrzeugübergabe beim Händler (5) online
eine verbindliche Zusage für einen Leasingvertrag erteilen
vereinbaren. Die Frage der Verfügbarkeit des Fahrzeuges
kann (4). Mit dieser Zusage kann der Kunde zum Händler,
wird durch den hohen Standardisierungsgrad der Fahrzeuge
um ein Auto auszuwählen und den Vertrag zu unterzeichnen
in Bezug auf Motorisierung und Ausstattung zunehmend un-
(5). Abschliessend wird die Vertragsadministration ausgelöst.
wesentlich.
Mit der Online-Bewilligung ist das Projektziel für AMAG Lea-
Die Lösungsarchitektur
sing erreicht. In einer Folgephase werden anschliessend die
Für die Umsetzung der Szenarien hat die AMAG Leasing
Potenziale für den gesamten Absatzprozess betrachtet. In
durch die Automatisierung des Bewilligungsprozesses sys-
diesem Szenario (Abbildung 46) erstellt sich der Kunde on-
temseitig bereits wesentliche Voraussetzungen geschaffen.
line ein Leasingzertifikat (1), lässt sich per Video-Chat identi-
Das CRM-System und das Vertragsmanagement-System
fizieren (2) und wählt ebenfalls online das Fahrzeug aus (3).
Leasman sind in den automatisierten Prozess integriert. Auch
Eine Schnittstelle zur webbasierten Fahrzeugauswahl, das
die Infrastruktur für den Datenaustausch ist mit SAP/PI be-
Gegenstand eines laufenden Projekts ist, soll diesen Schritt
reits vorhanden. Für die Umsetzung der oben beschriebenen
ermöglichen. Die bestehende durchgängige Automatisie-
Phasen müssen lediglich die bestehenden Online-Instru-
rung würde zudem ermöglichen, dass nicht nur eine verbind-
mente Leasing-Zertifikat und Leasing-Rechner sowie der ex-
liche Zusage für einen Leasingvertrag ausgestellt werden
terne Videoidentifizierungsservice eingebunden werden (Ab-
kann, sondern auch der Leasingvertrag online abgeschlos-
bildung 47).
Abb. 47
SYSTEMLANDSCHAFT – STATUS-QUO UND ERWEITERUNGEN FÜR DAS ONLINE-LEASING
Business Process Management 2016
Was will der Kunde?
AMAG Leasing drei Szenarien erarbeitet, die unterschiedli-
Die grösste Herausforderung für AMAG Leasing ist nicht die
che Zugänge zum Online-Leasing darstellen. Die Ergebnisse
systemseitige Implementierung des online erweiterten Lea-
der Interviews und Beobachtungen werden eingesetzt, um
singprozesses. Da sie mit der erst kürzlich in der Schweiz
den Zugang zum Online-Leasing möglichst einfach und be-
möglichen Video-Identifizierung Neuland beschreitet, ist die
dürfnisgerecht zu gestalten. Abbildung 48 fasst Ziele und
Akzeptanz der Schweizer Kunden nicht vorhersehbar. Auch
Vorgehen zusammen.
die Bereitschaft für ein vollständig online durchgeführtes
Erste Erkenntnisse
Fahrzeugleasing lässt sich kaum abschätzen.
Die Beobachtungen und qualitativen Tiefeninterviews mit den
Sind Schweizer Kunden bereit, vertrauliche Daten im Rah-
Probanden liefern für AMAG aufschlussreiche Erkenntnisse
men eines Video-Chats, in dessen Verlauf Fotos von ihnen
sowohl über die grundlegende Einstellung und den Wissens-
und ihren Ausweisdokumenten erstellt werden, mit einer
stand potentieller Kunden zum Thema Leasing, als auch
Drittpartei zu teilen? Sehen sie einen Vorteil darin, Daten zu
über deren Umgang mit den bestehenden Online-Tools und
ihrer persönlichen und finanziellen Situation online zu erfas-
mit der Online-Identifikation.
sen, um direkt eine verbindliche Zusage für ein Leasing zu
erhalten? Und zu welchem Zeitpunkt befassen sie sich mit
Bezüglich der Bereitschaft, sich online identifizieren zu las-
dem Thema Leasing? Bevor oder nachdem sie ihr Traumau-
sen, können die Befragten relativ klar in zwei Gruppen einge-
to ausgewählt haben?
teilt werden: während es für die einen nicht bzw. noch nicht
in Frage kommt, ihr Gesicht und ihre ID im Internet in eine
Um diese Fragen bereits vor der definitiven Implementierung
Kamera zu halten, sehen andere – vor allem unter dem Ge-
des Online-Leasingprozesses zu klären, hat sich AMAG Lea-
sichtspunkt, dass es sich um eine moderne und zeitsparen-
sing entschieden, mit dem Service Lab der Zürcher Hoch-
de Methode handelt – darin kein Problem. Abgesehen von
schule für Angewandte Wissenschaften zusammenzuarbei-
diesen Grundeinstellungen der Probanden hängt die Bereit-
ten.
mit
schaft für eine solche Online-Identifikation auch vom Wissen
Fahrzeugleasing haben oder ein solches in Betracht ziehen,
der Befragten über Leasing ab. Haben diese in der Vergan-
werden Interviews durchgeführt und die aktuellen Online-
genheit bereits einen Leasing-Vertrag abgeschlossen und
Tools sowie die Video-Identifikation mit WebID getestet. Als
wissen, dass im Prozess zu irgendeinem Zeitpunkt eine Iden-
Ausgangspunkt für diesen qualitativen Ansatz wurden mit
tifikation auf sie zukommt, rechnen sie im Online-Prozess
Mit
Testkunden,
die
bereits
Erfahrungen
«Die Online-Bewilligung kann ein Alleinstellungsmerkmal für die
AMAG Leasing werden, aber die Akzeptanz der videobasierten
Identifikation durch Schweizer Kunden und deren Bedürfnisse
beim Online-Leasing sind ungewiss. Vielleicht sind wir etwas
früh für den Schweizer Markt? Aus diesem Grund testen wir
verschiedene Szenarien mit extern rekrutierten Probanden.»
Esad Ceranic, Projektverantwortlicher, AMAG Leasing AG
57
58
Fallstudien
auch eher mit diesem Schritt. Personen, welche noch keine
die Datensicherheit gewährleistet wird. Diese nicht zwingend
Erfahrung mit Leasing haben, reagieren entsprechend unvor-
rational begründeten Zweifel haben zur Folge, dass einige
bereitet und zurückhaltend auf die Situation. Unabhängig von
der Probanden den Gang zum Händler bevorzugen würden,
Wissen und Einstellungen ist die Identifizierung über das In-
um sich identifizieren zu lassen. Eine weitere Erkenntnis aus
ternet für alle Probanden ein neuer Anwendungsfall, der Ver-
den Interviews und Beobachtungen ist, dass die Bereitschaft
unsicherung auslöst. Eine wichtige Rolle spielt dabei die
zu einer Online-Identifikation und zu einem Online-Leasing-
Rahmenbedingung, dass die Online-Identifikation über einen
Prozess insgesamt steigt, wenn die Interviewten mit der Aus-
Drittanbieter durchgeführt wird: auch wenn die Online-Identi-
wahl des Autos in den Prozess einsteigen.
fikation in die amag.ch-Seite eingebettet ist und die Nutzer
vor Aufbau der Livesitzung darauf hingewiesen werden, dass
Auf der Grundlage dieser und weiterer Erkenntnisse wurden
sie mit dem Partner WebID verbunden werden, ist das Ver-
Handlungsempfehlungen formuliert, die kurzfristig umsetzba-
trauen in WebID nicht in gleichem Umfang gegeben wie in
re operative Massnahmen und mittel- bis langfristige strategi-
die bekannte AMAG. Die Interviewten fragen sich unter an-
sche Massnahmen umfassen. Zentral wiegt dabei die Er-
derem, wie das Unternehmen die Daten handhabt und wie
kenntnis, dass, unabhängig vom untersuchten Szenario, ein
Abb. 48
KOOPERATION MIT DEM ZHAW SERVICE LAB
ZIELE
– Den Prozess über die Online-Identifikation beschleunigen und Aufwände reduzieren
– Den Zugang zum Leasing-Angebot vereinfachen
– Die Konversion von Besuchern der Tools hin zu Zertifikaten und Verträgen erhöhen
– Das Kundenerlebnis allgemein optimieren
SZENARIO 1: BUDGET
Der Kunde hat ein Budget, das einzuhalten ist. Mit diesem im Hinterkopf macht er sich an den Online-Leasing-Prozess.
SZENARIO 2: AUTO
Der Kunde hat online oder beim Händler sein Traumauto gesehen. Dies möchte er nun online leasen.
SZENARIO 3: ONLINE-SHOPPING
Aufgrund des Leasingzertifikats, das der Kunde erhalten hat, werden ihm zum Budget passende Autos vorgeschlagen.
EINSTELLUNG/ERWARTUNG
AKTUELLE ONLINE-TOOLS
WEB ID
Zugang Leasing-Prozess ALAG
– Warm-Up
– Erfahrungen mit Leasing
– Spontanes Vorgehen bei einem solchen Prozess
– Erwartungen an Onlineprozess
Leasingrechner und Zertifikat
– Spontane Reaktionen
– Ausführen der Tools mit Thinking-aloud
– Likes und Dislikes
– Treiber und Hürden
Web ID-Prozess durchgehen
– Spontane Reaktionen
– Prozessdurchführung
– Likes und Dislikes
– Treiber und Hürden
– Akzeptanz
ERGEBNISSE
– Mindset bezüglich Leasingprozess
– Bedürfnis- und Motivstrukturen
– Im Vorfeld wahrgenommene «gains» und «pains»
–Einstellungen
– Verständlichkeit und «Handhabung» der Tools
– Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der aktuellen
Tools
– Wie gehen die Befragten mit dem Web-ID Prozess um
(inkl. Akzeptanz)
– Abschliessende Gesamtbeurteilung
Business Process Management 2016
Grundbedürfnis nach Transparenz und Unterstützung im ge-
len beteiligten Akteuren entlang der Absatzkette getragen
samten Prozess auf Kundenseite besteht. Dabei geht es
werden. AMAG Leasing hat sich entschieden, diese zentra-
nicht nur um grundlegende Informationen zum Thema Lea-
len Fragestellungen auf der Grundlage erster Erfahrungen
sing und eine Erklärung der Schritte im Leasingprozess und
schrittweise zu adressieren. Abzuwarten, bis alle organisato-
dessen Fortschritt, sondern um eine verständliche Aufklä-
rischen, betriebspolitischen und rechtlichen Fragestellungen
rung zu Beginn und prozessbegleitend, welche Informatio-
abschliessend geklärt sind, lässt der Wettbewerbsdruck in
nen und Aktivitäten zum Abschluss der einzelnen Schritte
einer zunehmend digitalisierten Automobilbranche nicht zu.
notwendig sind.
Klar an den Ausgangspunkt gestellt werden hingegen die
Bedürfnisse, Reaktionen und Einstellungen der Kunden.
Ausblick
Zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Fallstudie be-
AMAG Leasing ist sich bewusst, dass für den Erfolg eines
findet sich AMAG Leasing in der Phase des «Prototyping» der
durchgängigen Online-Leasings nicht nur technische Lösun-
Online-Videoidentifikation. Parallel werden die Erkenntnisse
gen und optimal gestaltete Oberflächen entscheidend sind.
aus den Interviews und Beobachtungen mit Probanden im
Die beschriebenen Neuerungen im Leasingprozess wirken
Service Lab ausgewertet und die operativen und strategi-
sich massiv auf interne Abläufe, Strukturen und Rollenvertei-
schen Handlungsempfehlungen für die Optimierung der
lungen aus, die über das Leasing hinausgehen und den ge-
Online-Angebote sowie die Ausgestaltung der Digitalisie-
samten Fahrzeugabsatz betreffen. Die Veränderungen in der
rungsstrategie eingesetzt.
Kundenbeziehung und im Kundenverhalten müssen von al-
59
60
Fallstudien
4.1.4 Fazit
Besuch beim Händler vorziehen, den kompletten Prozess
Die vorliegende Fallstudie von AMAG Leasing zeigt,
online durchlaufen. Um sicherzustellen, dass das Online-
wie eine im Back-End begonnene digitale Transfor-
Leasing tatsächlich positive Kundenerlebnisse schafft und
mation für die Schaffung neuer Kundenerlebnisse
neue Zielgruppen überzeugt, werden Kundenbedürfnisse
genutzt wird. Ausgehend von einem durchgängig
frühzeitig in die Ausgestaltung einbezogen.
automatisierten Bewilligungsprozess kann die Tür
zum Kunden geöffnet und ein Online-Leasing ange-
Produkt- und Service-Innovation:
boten werden. Machbar wird dies durch veränderte
Das Serviceangebot der AMAG wird durch das Online-Lea-
regulatorische Rahmenbedingungen, die eine On-
sing digital erweitert. Ein durchgängiges Online-Leasing
line-Videoidentifikation für Finanzdienstleistungs-
ohne Medienbrüche war in der Schweiz aufgrund der fehlen-
kunden in der Schweiz neu zulassen. Auf dieser
den Rechtsgrundlagen für die Online-Identifikation bisher
Grundlage kann AMAG Leasing Geschäftsbezie-
nicht möglich. AMAG Leasing kann diese Lücke schliessen
hungen mit Kunden GwG-konform online eröffnen
und Wettbewerbsvorteile sichern. Der veränderte Prozess
und ihnen eine Alternative zum Weg über den sta-
bietet Anknüpfungspunkte für weitere Innovationen; so könn-
tionären Handel bieten.
ten Carsharing-Modelle in das Online-Leasing eingebunden
und angeboten werden. Aktuell lassen viele Leasinganbieter
Die Fallstudie deckt ein breites Spektrum der im Rahmen der
Carsharing nicht zu. Die AMAG Gruppe hat mit ihrer Beteili-
Studie erforschten Aspekte der digitalen Transformation ab.
gung am Zürcher Startup Sharoo und Catch a Car von Mo-
Das Vorhaben verändert die Domänen Kunde, Geschäfts-
bility signalisiert, dass sie offen ist, diese Formen der Mobili-
modell und Business Operations gleichermassen und macht
tät in ihr Geschäftsmodell zu integrieren.
die Relevanz der Prozessdigitalisierung deutlich. Die wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 49 gekennzeichnet
Operational & Service Excellence:
und nachfolgend dargestellt:
Ein Auslöser für das Vorhaben waren die Mehraufwände, die
durch mangelhafte Identitätsnachweise in der Vertragsadmi-
Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung
nistration und in der Folge beim Händler und letztlich beim
wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen
Kunden entstehen. Wird die Online-Videoidentifikation von
wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert?
den Kunden akzeptiert, können die Prozesskosten reduziert
und die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Auch das On-
Kundennutzen: Online-Alternative zum Händlerbe-
line-Leasing mit Neukunden profitiert von dieser Durchgän-
such
gigkeit des Leasingprozesses von der Eröffnung der Ge-
In einem ersten Schritt profitieren bestehende Kunden, deren
schäftsbeziehung bis hin zur Vertragsadministration.
Fahrzeug bereits ausgeliefert ist und deren Ausweisdokument die GwG-Qualitätsprüfung nicht besteht. Sie ersparen
Was wurde bzw. wird digital transformiert?
sich den Weg zum Händler und können sich bequem online
im Video-Chat erneut identifizieren. Mit der Integration des
Business Model: Neue Rolle für AMAG Leasing
Online-Leasing-Rechners und des Online-Leasingzertifikats
Traditionell wird ein Fahrzeuggeschäft, sei es Kauf oder Lea-
werden Zielgruppe und Nutzen erweitert. Der komplette Lea-
sing, über den stationären Handel angebahnt. Die Möglich-
singantrag kann diskret und bequem online gestellt werden
keit einen Leasingantrag rechtskonform vollständig online
und führt bei positiver Bewilligung direkt zur verbindlichen
abzuwickeln, bietet der AMAG Leasing neue Möglichkeiten
Zusage. Wird die Auswahl des Fahrzeuges zukünftig integ-
in der Interaktion mit dem Kunden und in der Unterstützung
riert, können Kunden, die diese Form der Interaktion einem
des Händlers in der Geschäftsanbahnung insbesondere mit
Business Process Management 2016
Blick auf die stetig zunehmenden gesetzlichen Regulierun-
Wie und wodurch wird transformiert?
gen. Der stationäre Handel bleibt für das Kundenerlebnis
jedoch nicht nur bei Probefahrten oder beim Service relevant
Prozessdigitalisierung: Automatisierung und Integra-
und es gilt daher, die optimale Rollenverteilung im veränder-
tion im Back-End
ten Geschäftsmodell zu finden.
Kunden ein Online-Leasing anzubieten, das innert Minuten,
das heisst in nahezu Echtzeit, nicht nur Informationen zum
Business Operations: Digital und physisch
finanzierbaren Rahmen liefert, sondern auch eine verbindli-
Mit dem automatisierten Bewilligungsprozess ist bei AMAG
che Zusage erteilt, bedingt ein hohes Mass an Systeminteg-
Leasing bereits ein stabiles operatives Rückgrat für das
ration und implementierter Geschäftslogik im Back-End.
Online-Leasing vorhanden. Effizienz und Produktivität des
Mehr als 200 Geschäftsregeln waren im Rahmen des auto-
Leasingprozesses wurde auf dieser Grundlage deutlich ge-
matisierten Bewilligungsprozesses bereits implementiert und
steigert und fortlaufend verbessert. Mit der Online-Videoi-
weiterentwickelt worden. Alle relevanten internen und exter-
dentifikation und dem Online-Leasing wird die Reichweite
nen Systeme waren bereits integriert.
dieses optimierten Prozesses nun in Richtung Kunde erweitert. Dabei gilt es digitale und physische Kundenerlebnisse
Prozessdigitalisierung: Orchestrierung im
durchgängig zu gestalten. Beim automatisierten Bewilli-
Front-End
gungsprozess ist die optimale Einbindung des Handels be-
Die Integration der bestehenden Tools für das Online-Lea-
reits gelungen und auch die Erfahrungen mit dem Online-
sing in diese Infrastruktur stellt technisch keine grosse Her-
Leasingzertifikat
online
ausforderung für AMAG Leasing dar. Der Fokus liegt vielmehr
begonnenen Prozess im stationären Handel vollenden kön-
auf der optimalen Ausgestaltung des Prozesses aus der Per-
nen.
spektive des Kunden. Kunden haben unterschiedliche Be-
zeigen,
dass
Kunden
einen
dürfnisse und Ausgangssituationen für das Online-Leasing
End-to-End-Prozessarchitektur und technologienahe
(z.B. Fahrzeugwunsch, fixes Budget). AMAG Leasing prüft,
BPM-Strategie
ob der digitalisierte Prozess verschiedene Einstiegspunkte
Die End-to-End-Prozesse im Automobilvertrieb betreffen alle
bieten und sich idealerweise dem Kundenverhalten anpas-
AMAG Gesellschaften. Die Entwicklung der Prozessarchi-
sen muss, um ein individuelles Kundenerlebnis auch in der
tektur und die fachliche Prozessmodellierung findet daher
Online-Welt zu bieten. Ein noch nicht vollständig ausge-
auf Ebene AMAG-Gruppe statt. AMAG Leasing nutzt diese
schöpftes Potenzial stellen in diesem Zusammenhang die
für die Prozessoptimierung. Auf Impulse in Richtung Digitali-
operativen Daten dar, die AMAG Leasing durch die Prozess-
sierungspotenzial wartet AMAG Leasing jedoch nicht, son-
automatisierung bereits gewonnen hat. Auf dieser Grundlage
dern setzt hier auf die Erkenntnisse aus den umgesetzten
wären sowohl retrospektiv als auch prädiktiv Rückschlüsse
Automatisierungsprojekten.
auf das Kundenverhalten möglich.
61
62
Fallstudien
Abb. 49
AMAG LEASING-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS
Business Process Management 2016
4.2 FALLSTUDIE KANTON ZÜRICH: «E-UMZUG –
ONLINE UMZIEHEN»
IM PRAXISWORKSHOP PRÄSENTIERT VON:
Lukas Steudler
Leiter Geschäftsstelle
egovpartner.zh.ch,
Staatskanzlei des Kantons Zürich
«E-Government ist selbstverständlich: transparente, wirtschaftliche und medienbruchfreie elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung,
Wirtschaft und Verwaltung.»
Leitbild der eGovernment Strategie Schweiz (2007, aktualisiert 2016)
4.2.1 Ausgangssituation und Rahmen
Vor diesem Hintergrund wurde 2012 auf Ebene Bund ein
In der Schweiz ziehen jährlich rund 700 000 Haus-
priorisiertes E-Government-Vorhaben A1.12 mit dem Titel
halte um (ISB, 2015), 200 000 davon im Kanton Zü-
eUmzugCH definiert, mit dem Ziel «schweizweit den elek-
rich. Damit verbunden ist die Verpflichtung, sich bei
tronischen, papierfreien Umzug für schweizerische und
der Gemeinde um- bzw. abzumelden und bei der
ausländische Staatsangehörige in der Schweiz zu ermög-
Zuzugsgemeinde anzumelden. eUmzugZH ermög-
lichen» (VSED, 2012, S. 4). Der Bund reagierte damit zum
licht Einwohnern und Einwohnerinnen im Kanton
einen auf die sich verändernde Mobilität der Bevölkerung
Zürich seit April 2016, diese Meldungen unabhängig
und zum anderen auf die zunehmende Komplexität eines
von Schalteröffnungszeiten via Internet zu erledi-
stark dezentralisierten Meldewesens, das an die rund
gen. Eingebettet in ein nationales Vorhaben eUm-
2 600 Städte und Gemeinden in der Schweiz delegiert ist
zugCH soll dies zukünftig auch schweizweit mög-
(VSED, 2012). Diese setzen für die Einwohnerkontrolle un-
lich sein. Die Erfahrungen bei der Umsetzung von
terschiedliche IT-Lösungen von Gemeindesoftwareanbie-
eUmzugZH sowie die Herausforderungen und Lö-
tern ein, die vereinzelt bereits einen Umzug als Online-
sungsansätze, einen durchgängigen Meldeprozess
Service ermöglichen. Der Nutzen ist jedoch auf Umzüge
in einem föderalen System zu realisieren, sind Ge-
innerhalb einer Gemeinde oder zwischen Gemeinden, die
genstand der vorliegenden Fallstudie.
das gleiche System nutzen, begrenzt. Um einen Umzug
unabhängig von der eingesetzten Gemeindesoftware flä-
Digitalisierung ist ein wesentliches Element einer modernen,
chendeckend zwischen verschiedenen Gemeinden eines
bürgernahen und effizienten Verwaltung. Einwohner und Ein-
Kantons oder kantonsübergreifend anbieten zu können,
wohnerinnen haben zunehmend das Bedürfnis, Behörden-
strebt das Vorhaben A1.12 eine schweizweite Harmoni-
gänge nicht mehr persönlich und zeitaufwendig am Schalter,
sierung und Standardisierung der Meldeprozesse bei Ad-
sondern jederzeit online von zuhause oder unterwegs zu er-
ressänderungen sowie Weg- und Zuzug an, ohne dabei in
ledigen. Aber auch für die Verwaltung bietet ein mehrstufiger
die Kompetenzen von Gemeinden und Kantonen einzu-
und mit Medienbrüchen behafteter Prozess wie die Adminis-
greifen.
tration eines Um-, Zu- oder Wegzugs die Chance, durch den
Einsatz zeitgemässer Informationstechnologien Ineffizienzen
zu beseitigen.
63
64
Fallstudien
Das elektronische Meldewesen in der Schweiz
Umzugsmeldung zwischen Gemeinden, die das gleiche
Wesentliche rechtliche und technische Grundlagen für ein
Einwohnerkontroll(EK)-System einsetzen, ermöglichen. Aller-
elektronisches Meldewesen wurden in der Schweiz bereits
dings lässt sich auf diesem Weg ein flächendeckendes An-
mit dem Projekt «Registerharmonisierung» und dem Regis-
gebot nur bedingt realisieren, da beispielsweise allein im
terharmonisierungsgesetz geschaffen. Eine Schlüsselrolle
Kanton Zürich EK-Systeme von sechs verschiedenen Anbie-
spielt in diesem Kontext die Datenübermittlungsplattform
tern im Einsatz sind, deren Lösungen standardkonform mitei-
des Bundesamts für Statistik «sedex» (=secure data ex-
nander integriert werden müssten, um Umzüge zwischen
change), die seit 2008 den gesetzlich geregelten, sicheren
allen Gemeinden abzudecken. Kantonale Lösungen reduzie-
und standardisierten Datenaustausch zwischen den ange-
ren diese Komplexität, indem sie den Meldeprozess unab-
schlossenen amtlichen Registern von Bund, Kantonen und
hängig von den EK-Systemen oder EK-Verbünden in den
Gemeinden sicherstellt (BfS). Auch die Einwohnerregister
Gemeinden allen Einwohnern des Kantons anbieten und die
der Städte und Gemeinden wurden sukzessive an sedex
Integration mit den verschiedenen EK-Systemen und exter-
angeschlossen. Eine weitere Grundlage bilden die Stan-
nen Informationsquellen (z.B. Gebäude- und Wohnregister)
dards für das elektronische Meldewesen des Vereins eCH,
zentral lösen. Kantonale Lösungen erscheinen somit wirksa-
der im Rahmen der E-Government-Strategie Schweiz Da-
me Hebel zu sein, um die Umsetzung des priorisierten E-
ten- und Schnittstellenstandards entwickelt (eCH)7. So er-
Government-Vorhabens A1.12 konzertiert und effizient vor-
möglicht der Standard eCH-0093 bereits seit 2014 bei Zu-
anzutreiben.
und
zwischen
Vorrei-terrolle in der Schweiz für die Umsetzung einer sol-
Einwohnerregistern von Gemeinden unabhängig von Her-
chen kantonalen Lösung übernommen und hat eUmzugZH
steller, Kanton oder Sprachgrenzen.
gemeinsam mit den teilnehmenden Gemeinden seit April
6
Wegzug
den
Datenaustausch
Der
Kanton
Zürich
hat
ab
2014
die
2016 erfolgreich eingeführt. Das Zusammenspiel zwi-schen
Kanton Zürich als Vorreiter
Kanton und Gemeinden wurde dabei von der Zusammenar-
Standards und eine nationale Datenaustauschplattform allein
beitsorganisation egovpartner.zh.ch, die bei der Staatskanz-
bewirken jedoch noch nicht, dass der elektronische Umzug
lei des Kantons Zürich angesiedelt ist, sichergestellt. egov-
online auch für die Bevölkerung gemeindeübergreifend und
partner.zh.ch wurde von Kanton und Ge-meinden auf der
schweizweit Realität wird. Damit die im Hintergrund zwischen
Basis einer Kooperationsvereinbarung gegründet (eGovern-
den Gemeinden stattfindenden Meldeprozesse aus Sicht ei-
mentZH, 2012), mit der Zielsetzung E-Government-Projekte
nes umziehenden Einwohners einfach in einem Schritt,
effizient durchzuführen und Synergiepotenziale auszunutzen.
durchgängig und nachvollziehbar ablaufen, braucht es eine
Der Fokus von egovpartner.zh.ch liegt auf dem Aufbau mo-
Plattform, die eine einheitliche Benutzeroberfläche und die
derner Online-Angebote mit den Gemeinden des Kantons
Prozessintegration sicherstellt. Eine solche Infrastruktur in
Zürich, um Bevölkerung und Unternehmen Amtsgeschäfte
Einzelprojekten auf Ebene der Gemeinden zu realisieren, er-
zunehmend auch in digitaler Form ermöglichen zu können.
gibt wenig Sinn, würde zu enormen Redundanzen in der Ent-
Die vorliegende Fallstudie beschreibt die Umsetzung und
wicklung führen und wertvolle Synergieeffekte verschenken.
Wirkung des Projekts eUmzugZH aus der Perspektive von
Eine Alternative stellen Lösungen dar, die eine durchgängige
egovpartner.zh.ch.
6 R
HG, Registerharmonisierungsgesetz, vom 23.6.2006, SR 431.02.
ine aktuelle Aufstellung der eCH-Standards in der Fachgruppe Meldewesen
7 E
findet sich auf der eCH Website: http://www.ech.ch/vechweb/
page?p=categoryList&site=/documents/Alle/nach %20Fachgruppe.
Business Process Management 2016
4.2.2 Motivation und Zielsetzung
zuges zwischen zwei Gemeinden – zweistufigen Prozess
Ziel von eUmzugZH ist es, der Bevölkerung in den
einfacher und schneller über das Internet abwickeln zu kön-
Gemeinden des Kantons Zürich Umzug, Weg- und
nen. Die Aufwände auf beiden Seiten reduzieren zu können
Zuzug als Online-Service flächendeckend anzubie-
und das Meldewesen bei einem Umzug somit effizienter und
ten. Darüber hinaus fliessen die Ergebnisse in ein
kundenorientierter gestalten zu können, sind die wesentli-
technologieneutrales Referenzmodell ein, das die
chen Motivationen für den elektronischen Umzug. In diesem
erarbeiteten Prozesse, Schnittstellen, Standards
Sinne wird auch ein Beitrag zur Umsetzung der E-Govern-
und Empfehlungen für eUmzugs-Projekte in ande-
ment-Strategie Schweiz geleistet, die Effizienz und Dienst-
ren Kantonen wiederverwendbar macht. Die Mög-
leistungsorientierung als zwei von vier strategischen Zielen
lichkeit eines kantonsübergreifenden eUmzugCH
formuliert (siehe Infobox «E-Government-Strategie Schweiz»).
gemäss Zielsetzung des priorisierten E-Government-Vorhabens A1.12 soll so schrittweise realisiert
Ein wesentliches Element der E-Government-Strategie ist die
werden.
koordinierte Umsetzung durch Bund, Kantone und Gemeinden (ISB, 2016). Gemeinsam formulierte Ziele, Grundsätze,
Nach Aussagen des Schweizerischen Verbands der Einwoh-
Vorgehen und Instrumente sollen ermögli-chen, dass Syner-
nerdienste ist die Möglichkeit, die Meldevorgänge im Rah-
gien genutzt und die Durchgängigkeit gewährleistet wird.
men eines Umzuges elektronisch durchzuführen, die am
Bund und Kantone stehen dabei in der Pflicht, die «Nachhal-
meisten nachgefragte E-Government-Dienstleistung (VSED,
tigkeit von E-Government-Diensten» sicherzustellen, indem
2012, S. 4). Sowohl von Seiten der Bevölkerung als auch
sie unter anderem die «Mehrfachnutzung von Lösungen»
von Seiten der Gemeinden besteht offensichtlich ein grosses
fördern und die «Voraussetzungen für deren Organisation,
Interesse, diesen zeitaufwendigen und – im Falle eines Um-
Finanzierung und Betrieb» schaffen. eUmzugCH mit dem da-
E-GOVERNMENT-STRATEGIE SCHWEIZ
2. Nutzen und Effizienz:
2007 hat der Bundesrat die erste E-Government-Strate-
E-Government schafft für Bevölkerung, Wirtschaft und Be-
gie Schweiz verabschiedet, die ein gemeinsames Leitbild
hörden einen Mehrwert und reduziert bei allen Beteiligten
und Ziele für die gemeinsame Umsetzung durch Bund
den Aufwand bei der Abwicklung von Behördengeschäften.
Kantone und Gemeinden formuliert. Die Strategie wurde
von der Geschäftsstelle E-Government Schweiz weiter-
3. Innovation und Standortförderung:
entwickelt und Ende 2015 in aktualisierter Form vom Bun-
E-Government nutzt Innovationen und fördert damit die
desrat, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie den
Attraktivität des Wirtschaftsstandortes und Lebensraumes
Vorständen des Städte- und des Gemeindeverbandes
Schweiz.
unterzeichnet. Darin sind unter anderem die vier strategischen Ziele festgehalten (ISB, 2016):
4. Nachhaltigkeit:
Die Mehrfachnutzung von Lösungen wird gefördert. Bund
1. Dienstleistungsorientierung:
und Kantone stellen die Nachhaltigkeit von E-Govern-
Die elektronischen Behördenleistungen sind einfach nutz-
ment-Diensten sicher, indem sie Voraussetzungen für de-
bar, transparent und sicher.
ren Organisation, Finanzierung und den Betrieb schaffen.
65
66
Fallstudien
rin eingebetteten eUmzugZH zeigen, wie in diesem Sinne
Für die Umsetzung im Kanton Zürich gelten die folgenden
ein Vorhaben auf Ebene Bund priorisiert und auf Ebene
Grundsätze:
Kanton gemeinsam mit den Gemeinden umgesetzt wird.
Die Ziele von eUmzugZH und eUmzugCH sind daher zusammenhängend zu betrachten:
–– Das Meldewesen im Kanton Zürich ist eine Hoheitsaufgabe der Gemeinden. Die Gemeinde und deren Einwohnerkontrollsysteme bleiben bestehen und fachlich füh-
–– Umzug sowie Weg- und Zuzug in Gemeinden des
Kantons Zürich können gemäss Zielsetzung des priorisierten Vorhabens A1.12 elektronisch abgewickelt
rend. Der Kanton stellt lediglich eine Plattform für den
Dateneingang (Benutzeroberfläche) und die Prozessintegration zur Verfügung.
werden. Die Ausbreitung im Kanton Zürich erfolgt flä-
–– Die Plattform muss eine intuitive Benutzung gewährleis-
chendeckend und koordiniert (egovpartner.zh.ch). Im
ten. Eine Supportorganisation für Anfragen aus der Be-
Anschluss an eine Pilot- und Einführungsphase soll der
völkerung wird nicht bereitgestellt. Bei Problemen ver-
elektronische Umzug als Online-Service bis Ende 2016
allen Zürcher Gemeinden zur Verfügung stehen.
–– Ziel ist es, aus der Perspektive der umziehenden Einwohner und Einwohnerinnen einen durchgängigen,
einfach verständlichen und transparenten Meldeprozess
bleibt der Weg zum Schalter.
–– Die Meldung eines Umzugs, Wegzugs oder Zuzugs
muss weiterhin auch am Schalter möglich sein, um alle
Bevölkerungsgruppen bedienen zu können.
–– Da der elektronische Umzug nicht von Beginn an flä-
anzubieten, der gleichzeitig die Aufwände auf Seiten
chendeckend im Kanton Zürich und noch nicht über die
der Gemeinden reduziert.
Kantonsgrenzen hinaus durchgängig angeboten werden
–– Zielgruppen sind volljährige Personen mit Schweizer
kann, sollen verschiedene Szenarien bzw. Einstiegs-
Bürgerrecht sowie Personen mit ausländischer Na-
punkte in den elektronischen Umzugsprozess unterstützt
tionalität mit Ausnahme bestimmter Aufenthaltskategori-
werden. Bietet die Zuzugs- bzw. Wegzugsgemeinde
en im Asylbereich (Ausweis N und S)
noch keinen elektronischen Umzug an, kann auch nur
–– Ausgehend von den Erkenntnissen aus der Umsetzung
ein Teil des Prozesses online erfolgen (z.B. der Wegzug),
im Kanton Zürich wird ein lösungsneutrales Referenz-
während der andere Teil (z.B. der Zuzug) am Schalter
modell geschaffen, das für die Umsetzung in weiteren
stattfindet.
Kantonen wiederverwendet werden kann.
«Die Gemeinden und die kantonale Verwaltung verkehren untereinander elektronisch und tauschen Daten aus. Bevölkerung
und Unternehmen des Kantons Zürich können die wichtigsten
Amtsgeschäfte und Anliegen online, ohne Medienbruch und
jeweils über möglichst eine Anlaufstelle (Single Point of Contact) tätigen. Einer der am meisten genannten Services ist der
elektronische Umzug.»
Vision von eUmzugZH (egovpartner.zh.ch)
Business Process Management 2016
4.2.3 Umsetzung und Wirkung
1. Über die Website der aktuellen Wohngemeinde
Um Einwohnern und Einwohnerinnen im Kanton
(=Wegzugsgemeinde) gelangt der Nutzer auf die
Zürich bei einem Umzug einen durchgängigen
Website von eUmzugZH, auf der er den Wegzug mel-
Meldeprozess über die Gemeindegrenzen hinaus
det. Bietet die Wegzugsgemeinde noch keinen elektroni-
online anbieten zu können, mussten technische,
schen Umzug an, sondern nur die Zuzugsgemeinde, kann
rechtliche und organisatorische Voraussetzungen
der Nutzer auch direkt den Zuzug online melden und den
geschaffen werden. Mit eUmzugZH ist dies gelun-
Wegzug auf konventionelle Weise erledigen. Auch das um-
gen. Nach nur zwei Monaten und noch vor Abschluss
gekehrte Szenario ist möglich, d.h. die Meldung des Weg-
der Einführungsphase nutzt die Bevölkerung den
zugs online und die Meldung des Zuzugs am Schalter. Auf
Dienst bereits rege und mit positiver Resonanz. Der
diese Weise ist eine Online-Umzugsmeldung während der
flächendeckenden Ausdehnung im Kanton Zürich
Übergangsfrist bis zum flächendeckenden Angebot zumin-
steht nichts mehr im Wege und mit dem ge-
dest in Teilen möglich. Der elektronische Austausch der Da-
schaffenen Referenzmodell wird die Umsetzung in
ten zwischen den Gemeinden kann im Hintergrund dennoch
weiteren Kantonen beschleunigt.
elektronisch stattfinden und über die Benutzerführung kann
die Vollständigkeit der Unterlagen für den Behördengang si-
Seit der Einführung von eUmzugZH im April 2016 konnte die
chergestellt werden. Zu Beginn des Dialogs erfasst der Nut-
Reichweite bereits von initial acht Pilotgemeinden auf rund
zer eine E-Mail-Adresse, an die nach erfolgreicher Prüfung
49 der 168 Zürcher Gemeinden ausgedehnt werden (Stand
des Weg- und Zuzugs eine Bestätigung versandt wird.
Juli 2016). In dieser Zeit wurden bereits rund 1 300 Umzüge
online gemeldet. Abbildung 50 skizziert die Schritte, die die
Nutzer dabei online durchlaufen.
Abb. 50
eUmzugZH AUS DER PERSPEKTIVE DES NUTZERS
67
68
Fallstudien
2. Der Nutzer identifiziert sich mit Namen, Geburts-
7. Die Daten werden an die Wegzugsgemeinde über-
datum, Wohnort und AHV-Nummer. Durch eine syn-
mittelt, die den Vorgang prüft und zur Weiterverarbei-
chrone Abfrage über sedex (eCH-0194) im Einwohnerregis-
tung an die Zuzugsgemeinde übermittelt. Der Nutzer
ter der Wegzugsgemeinde8 wird mit diesen Angaben die
erhält abschliessend die Meldebestätigung per E-Mail und
Identität geprüft. Gleichzeitig werden Personen, die im sel-
damit die Quittung, dass der Weg- und Zuzug erfolgreich
ben Haushalt leben, an den Benutzer zurückgemeldet, damit
gemeldet wurde. Im Verlauf des Prozesses hat der Nutzer
sie gegebenenfalls in die Umzugsmeldung mit eingeschlos-
jederzeit die Möglichkeit, den Status der Meldung online ab-
sen werden können. Auf eine Registrierung, d.h. die Erstel-
zufragen.
lung eines Benutzerkontos bei der Gemeinde, wird bei eUmzugZH bewusst verzichtet, um die Einstiegshürden möglichst
Kantonale Federführung in der Umsetzung
gering zu halten und einem Einwohner nicht die Einrichtung
Einen solch durchgängigen E-Government-Prozess im föde-
eines Benutzerkontos in einer Gemeinde zuzumuten, die er
ralen System der Schweiz zu realisieren ist kein einfaches
ohnehin verlässt. Zudem wird das Schadenspotenzial bei ei-
Unterfangen. Im Fall von eUmzugZH galt es, vor dem Hinter-
ner Umzugsmeldung als gering eingestuft, so dass auf auf-
grund eines nationalen E-Government-Vorhabens, die Kom-
wendigere Formen der Authentifizierung verzichtet wird.
petenzen von Kanton und Gemeinden anzuerkennen und in
das Lösungs- und Betriebskonzept einzubeziehen. Auch
3. Im nächsten Schritt erfasst der Nutzer die neue
wenn die Führung der Einwohnerregister eine hoheitliche
Adresse in der Zuzugsgemeinde. Diese Daten werden
Aufgabe der Gemeinden ist, übernahm der Kanton im Rah-
mit dem eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister
men von eUmzugZH die Federführung und schaffte in Zu-
abgeglichen.
sammenarbeit mit den Gemeinden und den Anbietern der
Einwohnerkontrollsysteme die technischen, rechtlichen und
4. Da die Zuzugsgemeinde für die Prüfung der Kran-
organisatorischen Voraussetzungen für einen durchgängig
kenversicherungspflicht (KVG-Obligatorium) zustän-
digitalisierten Umzugsmeldeprozess.
dig ist, muss der Nutzer die Krankenversicherungsnummern von allen Familienangehörigen erfassen.
Technische Voraussetzungen
Diese werden über eine Online-Abfrage beim VeKa-Center
Implementiert wurde die Lösung mit externen Realisierungs-
(Versicherungskarten-Center) überprüft.
partnern auf der kantonalen Transaktionsplattform ZHservices. ZHservices dient dem sicheren elektronischen Amts-
5. Anschliessend können noch Zusatzdienste wie
verkehr und stellt bereits andere E-Government-Dienste für
beispielsweise die Meldung eines Hundes genutzt
die Bevölkerung und Unternehmen des Kantons Zürich zur
werden. Auch Dokumente wie z. B. ein Mietnachweis, die
Verfügung, wie beispielsweise die Online-Steuererklärung
von den Gemeinden unter Umständen verlangt werden, kön-
oder die Online-Abwicklung der Quellensteuer. Für eUm-
nen hochgeladen werden.
zugZH stellt ZHservices zum einen die Benutzeroberfläche
für die Interaktion mit den meldepflichtigen Einwohnern und
6. Abschliessend erfolgt die Zahlung der Gebühren
Einwohnerinnen zur Verfügung. Zum anderen wird die Pro-
über Kreditkarte oder Postcard online.
zessintegration sichergestellt, d.h. die kontrollierte Ausfüh-
8 In Kantonen mit einer zentralen Einwohnerdatenplattform kann die Identifikation zentral erfolgen. So muss nicht jede Gemeinde an die synchrone Abfrage
angebunden werden. Im Kanton Zürich läuft das Projekt «KEP» mit dem Ziel
eine kantonale Einwohnerdatenplattform bis Ende 2018 einzuführen.
Business Process Management 2016
Abb. 51
eUmzugZH – PROZESS UND LÖSUNGSELEMENTE
rung des Meldeprozesses von der Identifikation bis zum Ab-
flüsse
schluss
die
EK-Systemen. Ist ein EK-System nicht an sedex angeschlos-
Verarbeitung der Meldedaten, d.h. alles Fachliche verbleibt
sen, kann der Nutzer die Daten manuell erfassen. Für den
dabei vollumfänglich in den Einwohnerkontrollsystemen der
Datenaustausch zwischen den EK-Systemen kommt der
Gemeinden. Die Gemeinden haben ausserdem die Möglich-
bereits bestehende Standard eCH-0093 zum Einsatz (eCH,
keit, bestimmte Funktionalitäten des über die Plattform ge-
2015). Über Webservices angebunden sind ausserdem das
steuerten Meldeprozesses zu konfigurieren, wie etwa die
eidgenössische GWR (Gebäude- und Wohnregister), mit
Downloadmöglichkeit von Dokumenten, um über die Zu-
dem die neue Wohnadresse geprüft wird und das VeKa-
zugsgemeinde zu informie-ren.
Center, das die Online-Prüfung der Krankenversicherungs-
(Abbildung
51).
Die
Geschäftslogik
für
zwischen
der
kantonalen
Plattform
und
den
nummer prüft.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Orchestrierung des
Meldeprozesses bildet die eingangs beschriebene, bereits
Organisatorische Voraussetzungen
bestehende Datenaustauschplattform sedex. Im Zusam-
Sowohl bei der Konzeption und Umsetzung der beschriebe-
menspiel von kantonaler Plattform, Einwohnerkontrollsyste-
nen Lösung als auch für den Betrieb von eUmzugZH spielt
men und weiteren relevanten Datenquellen stellt sedex die
die enge Kooperation von Kanton und Gemeinden eine
asynchrone und synchrone Kommunikation sicher. Der Da-
Schlüsselrolle. Zu Beginn des Projekts 2014 wurde daher
tenausaustausch wird dabei durch verschiedene CH -Stan-
eine Projektorganisation mit Vertretern von Kanton und Ge-
dards für das elektronische Meldewesen geregelt. eCH
meinden gebildet, in die auch die Anbieter der Einwohner-
0194 ist ein eigens für den elektronischen Umzug geschaf-
kontrollsysteme einbezogen wurden, um die nahtlose Um-
fener Standard, der die Meldungen zwischen Umzugsplatt-
setzung sicherzustellen (Abbildung 52).
form und EK-Systemen der Gemeinden definiert (eCH,
2015). Er ermöglicht die synchrone Identifikation einer umzie-
Die für die Kooperation von Kanton und Gemeinden in E-
henden Person zu Beginn des Prozesses mittels Webser-
Government-Projekten zuständige Organisation egovpartner.
vices und regelt in der Folge auch alle asynchronen Daten-
zh.ch nahm ihre Rolle während der Realisierung im Projekt-
69
70
Fallstudien
ausschuss wahr. Sie vertritt den Kanton Zürich ausserdem
im nationalen Projekt A1.12 eUmzugCH. Die Projektorganisation stellte die Realisierung, Pilotierung und Einführung von
eUmzug in folgenden Phasen sicher:
–– Phase 2: Einführung bei weiteren Gemeinden (rund
30, Stand Juni 2016)
–– Phase 3: Flächendeckende Ausdehnung im Kanton
Zürich (Juli bis Dezember 2016)
1. Projektidee und Machbarkeitsstudie (2014, abgeschlossen)
Bei der Umsetzung wurde ein besonderer Schwerpunkt auf
2. Konzeptphase (2015, abgeschlossen)
das Testen der Lösung in Zusammenarbeit mit den Pilotge-
3. Implementierungsphase (2015, abgeschlossen)
meinden gelegt. Ein nicht funktionaler Prototyp erlaubt frühze-
4. Abnahmetests (November bis März 2015, abgeschlos-
itig, Inputs zur Optimierung der Benutzerführung einzuholen.
sen)
In umfangreichen Abnahmetests, in denen Gemeindever-
5. Freigabe durch den Projektausschuss (März 2016)
treter und Realisierungspartner in unterschiedliche Rolle
6. Einführung bei den Gemeinden:
schlüpften, wurde die Benutzerfreundlichkeit des Systems
–– Phase 1: Pilotierung mit acht Gemeinden (April 2016,
abgeschlossen)
geprüft und verbessert. Im Fokus stand die intuitive Nutzung
des Systems durch die Einwohner und Einwohnerinnen, um
Abb. 52
PROJEKTORGANISATION FÜR DIE UMSETZUNG VON EUMZUGZH IM KONTEXT EUMZUGCH
Business Process Management 2016
einen Betrieb ohne Supportorganisation möglich zu ma-
von der Bevölkerung genutzt. Rund 900 Umzüge wurden in
chen.
dieser Zeit über die Plattform gemeldet. Nutzer benötigen im
Schnitt 15 Minuten, um den Prozess vollständig zu
Den Betrieb, d.h. die fachliche Trägerschaft für eUmzugZH,
durchlaufen. Die Reaktionen, die über ein Feedbackformular
übernimmt nach der Einführung das Gemeindeamt des Kan-
am Ende des Prozesses eigefangen werden, sind sehr pos-
tons Zürich, das bereits als organisatorische und finanzielle
itiv. Das umfangreiche Testen der Lösung zahlt sich durch
Verbindungsstelle zwischen Kanton und Gemeinden agiert.
eine problemfreie Nutzung und eine hohe Kundenzufriedenheit aus.
Rechtliche Voraussetzungen
Um der zunehmenden Relevanz des Meldewesens Rech-
Die flächendeckende Ausdehnung schreitet weiter fort.
nung zu tragen, wurden die Bestimmungen des Melde- und
Stand Juli 2016 bieten 49 Gemeinden eUmzugZH an. 153
Einwohnerregisterwesens im Kanton Zürich grundlegend
der 168 Zürcher Gemeinden haben ihre Teilnahme an eUm-
überarbeitet, von der Revision des Gemeindegesetztes ent-
zugZH zugesagt. Damit stünde der elektronische Umzug
koppelt und in einem eigenen Gesetz geregelt. Seit
rund 1,3 der 1,4 Millionen Einwohner des Kantons Zürich zur
1. Januar 2016 ist das MERG (Gesetz über das Meldewe-
Verfügung. Dies entspricht 1/8 der Schweizer Bevölkerung.
9
sen und die Einwohnerregister) in Kraft und regelt für Kanton
und Gemeinden verschiedene Aspekte der Datenerhebung
Auch der Transfer der Ergebnisse von eUmzug ZH in das
und Datenhaltung sowie des Datenaustauschs. MERG
nationale Projekt eUmzugCH hat bereits stattgefunden. Ein
(Art.15) verpflichtet die Gemeinden im Kanton Zürich explizit,
Referenzmodell eUmzugCH wurde erarbeitet, das die Proz-
den Meldepflichtigen eine elektronische Umzugsmeldung
essmodelle, Datenobjekte, Schnittstellen und verwendete
anzubieten. Diese neue Rechtsgrundlage erhöht den Druck
Standards dokumentiert (ISB, 2015). Es kann für Umset-
auf die Gemeinden, nach Ablauf der Übergangsfrist an der
zungsprojekte in anderen Kantonen angewandt werden.
flächendeckenden Umsetzung von eUmzugZH mitzuwirken.
Auch in Leitfaden für die Einführung in Gemeinden wird erarbeitet. Ein Verbund eUmzug mit anderen Kantonen für den
Status und Wirkung
Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Weiterentwick-
Zwei Monate nach Einführung wird eUmzugZH bereits rege
lung des Referenzmodells ist geplant.
9 G
esetz über das Meldewesen und die Einwohnerregister (MERG), In Kraft seit
1.1.2016, ZH-Lex 142.1.
«Testen, testen, testen. Wir haben in einem nie dagewesenen
Ausmass getestet, um sicherzustellen, dass das System intuitiv und ohne Supportorganisation eingesetzt werden kann. Die
positiven Feedbacks von Nutzern aus der Bevölkerung bestäti-gen die Wirksamkeit dieser Massnahmen.»
Lukas Steudler, Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch
71
72
Fallstudien
4.2.4 Fazit
Produkt- und Service-Innovation: Kanton Zürich als
Mit eUmzugZH hat der Kanton Zürich in der Sch-
Vorreiter für eUmzugCH
weiz eine Vorreiterrolle übernommen. Der Ansatz,
Mit eUmzugZH ist der Kanton Zürich der erste Kanton in der
die Umsetzung und rasche flächendeckende Aus-
Schweiz, der elektronische Umzugsmeldungen flächende-
dehnung über eine kantonale Plattform sicher-
ckend anbietet. Er hat damit die Vorreiterrolle in der Schweiz
zustellen, war erfolgreich. Damit verbunden war die
eingenommen und positive Signale für die Umsetzung weite-
anspruchsvolle Koordination der Interessen von
rer E-Government-Dienste gesetzt.
Bund, Kantonen, Gemeinden und Anbietern der
Einwohnerkontrollsysteme. Ergebnis ist eine von
Operational & Service Excellence: medienbruchfreie
der Bevölkerung bereits nach kurzer Zeit akzepti-
Umzugsmeldungen
erte E-Government-Dienstleistung mit spürbarem
eUmzugZH bringt nicht nur Vorteile für die Bevölkerung, son-
Nutzen.
dern reduziert auch Aufwände auf Seiten der Gemeinden.
Umzugsmeldungen gehen ohne Medienbrüche, einheitlich
Die Fallstudie macht deutlich, dass sich auch die öffentliche
und mit hoher Datenqualität bei den Gemeinden ein und
Hand den Herausforderungen und Chancen des digitalen
können an einem Ort abgearbeitet werden. Die Anzahl der
Wandels stellt. Dabei sind innovative und flexible Ansätze ge-
Meldungen am Schalter werden sukzessive zurückgehen, so
fragt, um die Struktur- und Systemgrenzen im föderativen
dass mehr Zeit für komplexere Beratungen der Einwohner
System der Schweiz zu überwinden. Gelingt dies, wie im Fall
und Einwohnerinnen bleibt.
von eUmzugZH, können nachhaltige Veränderungen in der
Kooperation von Bund, Kanton und Gemeinden, in den
Was wurde bzw. wird digital transformiert?
Prozessen und insbesondere für die Bevölkerung stattfinden.
Abbildung 53 fasst diese Auswirkungen im Kontext des Stu-
Business Model: kantonale Plattform als Umset-
dienframeworks zusammen.
zungshebel
Plattformen, die Partner vernetzen, um Produkte und Dien-
Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung
stleistungen zu erbringen, sind ein wesentliches Element der
wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen
digitalen Transformation. Mit eUmzugZH hat der Kanton ge-
wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert?
meinsam mit den Gemeinden eine solche Plattform geschaffen. Realisiert, finanziert und betrieben vom Kanton,
Kundennutzen: einfache elektronische Umzugsmel-
versetzt die Plattform Gemeinden in die Lage, ihren Ein-
dung in einem Schritt
wohnern elektronische Umzugsmeldungen rasch und über
Die Zielsetzung, aus der Perspektive der umziehenden Ein-
die Gemeindegrenzen hinaus anzubieten. Die Hoheit der
wohner und Einwohnerinnen einen durchgängigen, einfach
Gemeinden über das Meldewesen und die Einwohnerregis-
verständlichen und transparenten Meldeprozess anzubieten
ter in der föderalen Schweiz bleibt dabei unangetastet. Die-
wurde mit eUmzugZH realisiert. Dies zeigt das positive Feed-
ses Grundprinzip ist auch im Referenzmodell eUmzugCH
back der Bevölkerung nach den ersten rund 900 elektro-
abgebildet
nisch abgewickelten Umzugsmeldungen. Das geschaffene
privatwirtschaftlichen Anbieter der Einwohnerkontrollsys-
Referenzmodell und der Erfahrungsaustausch zwischen den
teme, die ihren Beitrag zur Innovation des Meldewesens
Kantonen schaffen die Grundlagen, damit dieser E-Govern-
leisten, bleiben gewahrt. Potenzial besteht in der Einbindung
ment-Dienst in absehbarer Zukunft auch kantonsübergrei-
von weiteren Datenbezügern, wie z.B. der Schweizerischen
fend der Schweizer Bevölkerung angeboten werden kann.
Post oder Telekommunikationsanbietern, die ein Interesse an
(ISB,
2015).
Auch
die
Interessen
der
Business Process Management 2016
digitalisierten Umzugsmeldungen haben. Die Plattform bietet
hierfür alle Voraussetzungen. Im Sinne einer raschen Umsetzung wurde darauf jedoch in einem ersten Schritt verzichtet.
End-to-end Prozessarchitekturen: wiederverwendbare Referenzprozesse
Im Rahmen der Konzeption auf nationaler und kantonaler
Ebene entstanden detaillierte Prozessmodelle, die als Grundlage für die Umsetzung dienten und Eingang in eCH-Standards und das Referenzmodell eUmzugCH fanden. Damit
wurde die fachliche Grundlage für die Durchgängigkeit des
Prozesses unabhängig von den eingesetzten Technologien
geschaffen.
Wie bzw. womit wurde transformiert?
Prozessdigitalisierung: ZHservices als Transaktionsplattform
Die kantonale Transaktionsplattform ZHservices in Kombination mit den eCH-Standards und sedex, der nationalen Infrastruktur für den Datenaustausch, stellen die durchgängige
Digitalisierung der Meldeprozesse und die einheitliche Benutzeroberfläche für die Bevölkerung sicher.
Interaktion mit der Bevölkerung: digital und
physisch
Auch wenn die Einfachheit der Online-Lösung überzeugt,
bleibt die persönliche Interaktion am Schalter weiterhin möglich. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Bedürfnisse
aller Bevölkerungsgruppen erfüllt werden können.
73
74
Fallstudien
Abb. 53
eUmzugZH – FALLSTUDIE IM STUDIENFRAMEWORK
Business Process Management 2016
4.3 FALLSTUDIE SWISS RE: «CASE MANAGE-
Mitarbeiter und bietet neben dem klassischen
MENT IN P&C REINSURANCE – WISSENSARBEIT
Rückversicherungsgeschäft auch Versicherungslö-
IM FOKUS»
sungen für Grossfirmen und Grossanlässe an und
unterstützt Kunden bei der Produkteentwicklung.
IM PRAXISWORKSHOP
PRÄSENTIERT VON
Die Produkte von Swiss Re werden global nachge-
Marco Peyer
Nord- und Südamerika, 22 % aus der Region Asien
Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance
und Pazifik und 34 % aus Europa, Afrika und dem
fragt. So stammen 44 % des Prämienvolumens aus
Mittleren Osten.
4.3.1 Kontext und Ausgangssituation
Die vorliegende Fallstudie ist angesiedelt im Business Pro-
Die Swiss Re Group ist ein weltweit führender An-
cess Management des Bereichs Property & Casualty IT.
bieter von Rückversicherungen und massgeschnei-
Dieses dient dem Nichtleben-Rückversicherungsgeschäft
derten Versicherungslösungen. Im Jahr 2015 betrug
als Kompetenzzentrum rund um BPM-Lösungen und ist
der Umsatz 35,7 Mrd. und der Gewinn 4 597 Mio. bei
unter anderem verantwortlich für die Softwarelösungen,
einem Prämienvolumen von insgesamt 30,2 Mrd.
die den in Abbildung 54 gezeigten Offertstellungsprozess
Der grösste Teil des Prämienvolumens wird mit
begleiten. Das Team umfasst zurzeit 29 Mitarbeitende (4
dem Sachversicherungsgeschäft (50 %) und dem
intern, 25 extern) verteilt auf Standorte in Zürich, Chiasso,
Lebensversicherungsgeschäft (36 %) erzielt. Die
Bari (Italien), Bukarest (Rumänien), Chicago (USA) und
Swiss Re Group beschäftigt weltweit über 12 700
Singapur.
Abb. 54
ÜBERSICHT DES OFFERTSTELLUNGSPROZESSES IM BEREICH PROPERTY & CASUALTY REINSURANCE
75
76
Fallstudien
Der Offertstellungsprozess aus Abbildung 54 umfasst meh-
mehr als 200 000 neue Dokumente archiviert. Die Lösung ist
rere Phasen und beginnt mit der sogenannten Origination, in
seit 2014 im Einsatz, wird seitdem kontinuierlich erweitert
der primär die Kundenbeziehung gepflegt oder aufgebaut
und wird im Verlauf des Herbsts 2016 für 1 250 Benutzer auf
wird und an deren Ende die Anfrage für eine Rückversiche-
der ganzen Welt ausgerollt.
rungsquotierung (Submission) steht. Diese erste Phase des
Prozesses ist überwiegend unstrukturiert und findet primär
4.3.2 Motivation und Zielsetzung
zwischen dem Kunden und dem Client Manager oder je
Die Arbeit an einem System zur Unterstützung der
nach Markt und Team gegebenenfalls mit dem Underwriter
Offert- und Vertragsanpassungsphase wurde durch
statt. In der darauf folgenden Offertphase kümmert sich ein
mehrere Elemente getrieben. Zunächst stand die
interdisziplinäres Team um die Ausarbeitung der Rückversi-
strategische Stossrichtung der Swiss Re, den Kun-
cherungsprodukte, die Risikozeichnung, Kosten- und Preis-
denfokus («Customer-Centricity») weiter voranzu-
kalkulation sowie die Ausarbeitung des Rückversicherungs-
treiben, im Vordergrund. In diesem Zusammenhang
vertrages. Je nach Produkt werden dabei die jeweiligen
wurden sogenannte cross-funktionale Teams (XFT)
Experten miteinbezogen und es findet eine intensive Kollabo-
aufgebaut, die organisationsübergreifend die Wis-
ration von Wissensmitarbeitern statt. Dieser Prozess ist
sensmitarbeiter verbinden, um die bestmöglichen
schwach strukturiert und wird je nach Marktsegment, Pro-
Lösungen für die Kunden und den jeweiligen Markt
dukt und Region den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Die
zu erarbeiten. Dabei wird zu einem Kundenbedürf-
Phase endet bei positivem Geschäftsausgang mit der Unter-
nis jeweils ein Kompetenzteam zusammengestellt,
zeichnung der Verträge (Bound). In der darauffolgenden
in dem alle benötigten Experten vertreten sind,
Post-Bound-Phase können nachgelagerte Vertragsanpas-
welche dann gemeinsam mit dem Kunden ein Pro-
sungen erfolgen, beispielsweise aufgrund neuer Informatio-
dukt erarbeiten oder im Rahmen einer Geschäfts-
nen, notwendiger Korrekturen oder weil der Kunde noch
transaktion die Kundenanforderungen und ent-
Änderungen am Produkt wünscht. Je nach Umfang der Än-
sprechende Leistungen formulieren. Um diese
derungen müssen dabei Teile des Offertprozesses nochmals
organisationsübergreifende Zusammenarbeit zu
durchlaufen werden. Mit dem Inkrafttreten Versicherungsde-
ermöglichen, war die Orchestrierung der Prozes-
ckung (Inception Date) beginnt die Claims und Accounting-
se ein zentrales Anliegen.
Phase, in der es primär um die Schadensabwicklung und
das Einfordern der Prämien geht. Allerdings können auch in
Hinzu trat etwas später ein weiteres wichtiges strategisches
dieser Phase Prozesse aus der vorangegangenen Post-
Element. Mit der Vision 2020 strebt der Nichtleben-Rückver-
Bound Phase gestartet werden, falls Vertragsanpassungen
sicherungsbereich an, den Anteil der Wachstumsmärkte
nötig werden.
(HGM, High Growth Markets) am Prämienvolumen von aktuell 15 % bis ins Jahr 2020 auf 30 % zu erhöhen (Swiss Re,
Die Offert- und Vertragsanpassungsphase sind geprägt
2016). Der Head P&C IT erhielt das Mandat, im Rahmen die-
durch den intensiven Austausch mit dem Kunden und der
ser Vision die zum Erreichen des Ziels notwendige IT-Strate-
Kommunikation zwischen den beteiligten Fachpersonen in-
gie zu entwickeln. Die Swiss Re, wie wohl auch die meisten
nerhalb der Swiss Re. Zudem wird eine Vielzahl neuer und
anderen Firmen, die in Wachstumsmärkten Personal be-
bestehender Dokumente benötigt und ausgetauscht. In die-
schäftigen, ist konfrontiert mit einer relativ hohen Fluktuati-
ser Fallstudie wird die Softwarelösung vorgestellt, welche
onsrate und vermehrt jungen Mitarbeitenden mit entspre-
diese beiden schwach strukturierten Phasen unterstützt und
chenden Ansprüchen an eine moderne IT-Infrastruktur. Um
es wird aufgezeigt, wie sich der Nutzen für die internen und
dieser Situation gerecht zu werden, wird ein IT-System benö-
externen Kunden ausgestaltet. Jährlich werden mit dem vor-
tigt, bei dem für neu eingestellte Mitarbeitende ein möglichst
gestellten System über 50 000 Submissionen bearbeitet und
geringer Schulungsaufwand nötig ist, so dass diese nach
Business Process Management 2016
kurzer Zeit einen produktiven Beitrag leisten können. Zudem
Abb. 55
muss das neue System bezüglich Handhabung und Schnel-
MARKTSEGMENTE UND WACHSTUMSPOTENTIAL
ligkeit den heutigen Anforderungen gerecht werden und ein
positives Nutzererlebnis bieten. Neben diesen Anforderungen der Mitarbeitenden müssen zum Erreichen der Prämienziele in den Wachstumsmärkten aber auch neue Kundensegmente erschlossen werden. Abbildung 55 zeigt, dass es
sich bei den meisten Kunden in Wachstumsmärkten (HGM)
um regionale und nationale Anbieter handelt (R&N). Um in
diesen Markt vorzustossen, ist die Swiss Re auf die Zusammenarbeit mit globalen Partnern, Regierungen und multilateralen Institutionen angewiesen (Swiss Re, 2016). Dies hat zur
Folge, dass die Swiss Re nur für einen Teil des Prozesses
verantwortlich sein wird und das IT-System in der Lage sein
muss, flexibel mit den daraus resultierenden Integrationsanforderungen umzugehen. Es muss gelingen, die internen Organisationsstrukturen und Abläufe stets den Markt- und Kundenanforderungen,
aber
auch
den
regulatorischen
Anforderungen anzupassen.
–– Die Arbeitszeit, die Wissensmitarbeiter für Routineaufgaben aufwendeten.
–– Die Schwierigkeit, einen Know-how Transfer zu neuen
Mitarbeitenden durchzuführen.
Die Ausgangslage
Vor dem Einführen der BPM-Plattform 2014 waren in der Of-
–– Die mangelnde Skalierbarkeit des Vorgehens auf kleinere
Deals und grössere Volumina.
fert- und Vertragsanpassungsphase primär das E-Mail Sys-
–– Die beschränkten Möglichkeiten, Daten zum Vorgehen
tem Lotus Notes und Shared Drives (Fileservers) die zentra-
zu sammeln und auszuwerten, um mögliche Verbesse-
len Tools für die Zusammenarbeit im Team und die
Kundenkommunikation. Zwar stiess die Kommunikation per
Mail mit bisweilen über 800 Nachrichten und unzähligen Dokumenten zu einer einzelnen Anfrage an Grenzen und machte es schwierig, den Überblick zu behalten, aber die Mitarbeitenden hatten über die Zeit gelernt, das System für ihre
Zwecke zu optimieren. Aus Sicht der Führung gab es hingegen mehrere Gründe, über eine Anpassung der Systemlandschaft nachzudenken:
–– Das Verbesserungspotential bei den Antwortzeiten für
Kunden.
–– Die veränderten Anforderungen durch die Einführung
cross-funktionaler Teams.
–– Die zu lange Einarbeitungszeit für neue Mitarbeitende,
insbesondere auch lokationsübergreifend.
–– Die Ansprüche der Mitarbeitenden an ein schnelles,
intuitives, einfaches IT-System.
rungen daraus abzuleiten.
–– Die Zeit, die in die korrekte Archivierung von Dokumenten investiert werden musste.
77
78
Fallstudien
«Bis dato waren E-Mail, Mobiltelefon und CRM die typischen
IT-Tools eines Client Managers. Der Bedarf für ein Prozessorchestrationstool war nicht sofort ersichtlich. Nun wird aber die
Transparenz darüber, wo die Deals und dazugehörigen Aktivitäten stehen und woran die Kollegen arbeiten, geschätzt.»
Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re
In Zentrum der Anpassungswünsche stand das Erreichen
Teams, wie man sie aus anderen Bereichen wie beispielswei-
von Operational Excellence. Die Swiss Re hatte sich zum Ziel
se der agilen Softwareentwicklung kennt. Sie vereinen eben-
gesetzt, zum «Best Managed Reinsurer» zu werden. Um dies
falls Mitarbeitende mit verschiedenen Fähigkeiten, z.B. aus
zu erreichen, sollte die Landschaft von IT-Systemen dabei
den Bereichen Requirements-Engineering, Design, Entwick-
helfen, das vorhandene Know-how möglichst effizient einzu-
lung und Testing. Allerdings arbeiten diese Teams in der Re-
setzen und die vorhandenen Daten und vor allem auch Do-
gel über längere Zeit in derselben Zusammensetzung zusam-
kumente optimal zu nutzen.
men. Auch in den Teams der Swiss Re gibt es eine typische
Rollenverteilung: Der Client-Manager ist während des ganzen
Ziel 1:
Prozesses prinzipiell die Ansprechperson für den Kunden.
Zusammenführen des Know-hows zur richtigen Zeit
Der Underwriter kennt die fachlichen Grundlagen für die Ein-
Die Swiss Re gilt als «das Unternehmen der tausend Berufe».
schätzung und Zeichnung von Risiken. Diese Einschätzun-
In der Tat decken Swiss Re Mitarbeitende ein breites Spekt-
gen dienen den Aktuaren, sprich den Mathematikern, als
rum an Professionen und Ausbildungen ab, die notwendig
Grundlage für die Erstellung der Risikomodelle, welche die
sind, um die vielfältigen Risiken fachmännisch einzuschät-
Mitarbeitenden aus dem Underwriting als Entscheidungs-
zen, aber auch, um in den Zielmärkten regionale Besonder-
grundlage verwenden. Diese müssen letztendlich das Risiko
heiten berücksichtigen zu können. Allgemein gilt das Rück-
zeichnen, um ein Versicherungsprodukt dem Kunden anbie-
versicherungsgeschäft als wissens- und dokumentenintensiv,
ten zu können. Zudem sind am Verkaufsprozess auch noch
und es setzt eine sehr enge Kundenbindung und ein Vertrau-
Mitarbeitende aus dem Bereich Business Services beteiligt,
ensverhältnis zwischen Kunden und Swiss Re voraus. Wäh-
die primär die Koordinations- und Administrationsaufgaben
rend der Offert- und Vertragsanpassungsphase findet eine
aus dem Underwriting übernehmen. Durch die Variabilität der
intensive Zusammenarbeit derjenigen Mitarbeitenden statt,
Produkte ist es jedoch nötig, dass diese Rollen je nach Markt-
die für den jeweiligen Fall über die nötige Expertise und Er-
und Kundenbedürfnis von unterschiedlichen Mitarbeitenden
fahrung verfügen. Weil die angebotenen Versicherungspro-
wahrgenommen werden. Diese Dynamik wirkt sich auf die
dukte möglichst genau auf die Bedürfnisse des Kunden ab-
Anforderungen an das IT-System aus. Dieses muss es er-
gestimmt werden, wird auch die Zusammensetzung des
möglichen, dass ein geographisch, organisatorisch und funk-
Teams dem Markt- und Kundensegment angepasst. Darin
tional verteiltes sowie ad hoc zusammengestelltes Team effi-
liegt ein wesentlicher Unterschied zu cross-funktionalen
zient zusammenarbeiten kann.
Business Process Management 2016
Ziel 2:
wahrscheinlich, dass Erstversicherer die gesammelten Daten
Verknüpfen der relevanten Daten und Dokumente
den Rückversicherern zur Verfügung stellen werden, um ihrer-
am richtigen Ort
seits bessere Vertragsbedingungen aushandeln zu können.
Neben den Mitarbeitenden kommt den Dokumenten eine zen-
Damit kämen die Rückversicherer den Endkunden ein gutes
trale Rolle zu. Die Swiss Re wurde 1863 gegründet und ver-
Stück näher und würden sich ihrerseits die Möglichkeit schaf-
fügt damit über einen riesigen Dokumentenbestand. Diese
fen, mit neuen Produkten neue Märkte zu erschliessen.
Wissensbasis gilt es zu nutzen und die relevanten Dokumente
und Daten am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Im Ge-
Gegenstand der Transformation
gensatz zu anderen Branchen liegt der Fokus der Digitalisie-
Die Antwortzeiten und die Komplexität der Zusammenarbeit
rung daher nicht in erster Linie auf dem Ersetzen von Papier
stellen für Swiss Re, wie eingangs erwähnt, eine grosse Her-
durch elektronische Dokumente und Daten, sondern auf einer
ausforderung bei der Interaktion mit Kunden dar. Die Antwort
verbesserten Verknüpfung der Daten. Die zentrale Aufgabe
darauf wird jedoch nicht in der Digitalisierung der Kunden-
des Systems in Bezug auf Dokumente ist es, den Teammit-
schnittstelle gesehen, denn die Komplexität der angebotenen
gliedern Zugriff auf alle relevanten Unterlagen zu ermöglichen.
Produkte und Dienstleistungen übersteigt nach heutigen An-
Hierfür müssen nicht nur die offiziellen Dokumente wie bei-
sichten die Möglichkeiten von simplen Web-Formularen und
spielsweise Verträge ins System einfliessen, sondern auch die
automatisch erzeugten Tracking- und Fortschrittsanzeigen.
Dokumentation des Entscheidungsprozess, der in E-Mails,
Auch die Kunden verlangten keinen konkreten Ausbau von
Chat und anderen Kanälen stattfindet. Im Zentrum stehen je-
Online-Diensten, sondern schätzen den Brand, die Expertise,
doch nicht Daten und Dokumente, sondern die Kollaboration
Kapitalkraft und die Interaktion mit Swiss Re. Der persönliche
innerhalb des Teams und die Kommunikation mit dem Kun-
Kontakt und die über viele Jahre gleichbleibenden Ansprech-
den. Letzere muss so stattfinden, dass sie möglichst fortlau-
partner wurden sogar als wichtiges Argument für die Ge-
fend archiviert wird und nicht am Schluss transferiert werden
schäftsbeziehung mit Swiss Re genannt. Der Hebel musste
muss.
also intern angesetzt werden und es war bald klar, dass die
Probleme nicht durch Anpassungen an einem einzelnen IT-
Dass die Verknüpfung von Informationen in Zukunft für die Ver-
System behoben werden konnten, sondern dass eine verbes-
sicherungswirtschaft weiter an Relevanz gewinnen wird, legen
serte Verknüpfung der bestehenden Systeme erforderlich war.
auch jüngere Studien nahe. Gemäss der PWC-Studie «Insu-
Es wurde daher beschlossen, ein neues System einzuführen,
rance 2020 & beyond» wären bereits heute 67 % der Kunden
das die bestehenden Systeme verknüpft, deren Zusammen-
bereit, Sensoren am Auto oder am Haus anzubringen, wenn
arbeit orchestriert und eine einheitliche Oberfläche zu den ver-
sie dafür von günstigeren Prämien profitieren könnten (PWC,
wendeten Systemen bietet. Damit sollte maximale Transpa-
2015). Die Studie zeigt ausserdem, dass die Auswertung von
renz für die Wissensmitarbeiter geschaffen werden und diese
Daten in Zukunft eine zentrale Rolle spielen wird: 93 % der
befähigen, ihr Fachwissen noch besser einzubringen, ohne
CEOs von Versicherungsunternehmen schätzen Data-Mining
durch Routineaufgaben unnötig belastet zu sein. Gleichzeitig
und Datenanalyse mit Abstand als die zukünftig wichtigsten
bot sich mit diesem Lösungsansatz die Möglichkeit, den Auf-
digitalen Technologien für die Versicherungsbranche ein. Ob-
wand zum Einarbeiten neuer Mitarbeiter zu reduzieren und den
wohl sich diese Veränderungen rund um Themen wie «Internet
Wunsch nach einem zeitgemässen User-Interface (UI) zu erfül-
of Things» (IoT) und die zunehmende Vernetzung zunächst auf
len. Das UI sollte zudem mit Chat und anderen Funktionen zur
das Erstversicherungsgeschäft auswirken wird, ändert es
Unterstützung der Kollaboration erweitert werden. Durch das
auch die Ausgangslage für die Rückversicherungen. Die zu-
Verknüpfen der Systeme sollte ausserdem die Möglichkeit ge-
sätzlichen Daten werden es den Rückversicherern ermögli-
schaffen werden, die Archivierung zu vereinfachen, den Fort-
chen, die Risiken wesentlich präziser abzuschätzen und Än-
schritt einzelner Cases zu überwachen sowie Daten über das
derungen der Risikolage frühzeitig zu antizipieren. Es ist daher
Vorgehen zu sammeln.
79
80
Fallstudien
4.3.3 Umsetzung und Wirkung
Der erste Anlauf
Die systemseitige Umsetzung der Anforderungen
Der im April 2014 eingeführte erste Lösungsansatz sah wie
stellte Swiss Re vor grosse Herausforderungen.
folgt aus (Abbildung 56): Den bisher hauptsächlich verwen-
Schrittweise und mit einem klaren Richtungswech-
deten Werkzeugen für Kommunikation und Dokumentenma-
sel näherte man sich den Bedürfnissen der Mitar-
nagement (Outlook, Documentum und Lotus Notes) wurde
beitenden an. Die Erfahrungen zeigen, wie an-
die BPM-Plattform Appway zur Seite gestellt.
spruchsvoll es sein kann, trotz detaillierter Kenntnis
der Sachlage ein System für äusserst vielschichtige
Die BPM-Plattform umfasste folgende Kompo-
Anforderungen zu realisieren und dabei die wahren
nenten:
Bedürfnisse und Gewohnheiten der Anwender im
–– Workbench: enthält die Übersicht aller laufenden Cases
Fokus zu behalten.
und die Tasks, gefiltert nach Mitarbeitenden oder Teams.
Zudem zeigt die Workbench die neu eingegangenen
Die Anforderungen wurden in sogenannten Process Disco-
Offertanfragen und bietet die Möglichkeit, zu diesen
very Workshops mit Experten aus den jeweiligen Geschäfts-
Anfragen den Offertprozess zu starten.
abteilungen, Business-Analysten, Product-Ownern sowie
–– Client-Offering: führt den Benutzer entlang von einzelnen
einzelnen Entwicklern und Anwendern des Systems erho-
Screens durch den Offerterstellungsprozess. Dieser
ben. Diese wurden ergänzt durch Besuche vor Ort, bei de-
besteht aus einem Hauptprozess sowie mehreren Sub-
nen den Systembenutzern über die Schulter geschaut wur-
prozessen pro Untervertrag. Welche Subprozesse aus-
de. Ferner hatte das IT-Team bereits ein gutes Verständnis,
geführt werden, ist produkte- und marktabhängig. Zudem
wie die Benutzer die verschiedenen Systeme verwenden.
enthält das Client-Offering verschiedene Mittel für die
Abb. 56
ARCHITEKTURÜBERSICHT DES ERSTEN LÖSUNGSANSATZES
Business Process Management 2016
Kollaboration: Eine Chat-Funktion für den Austausch im
knüpfen. Diese Verknüpfungsinformationen blieben über die
Team, eine Kommentarfunktion für einzelne Tasks und
eigentliche Ausführung des Prozesses hinaus erhalten. Der
Dokumente und die Möglichkeit, zu signalisieren, woran
Digital-Binder half also dabei, den in den Dokumenten ver-
man gerade arbeitet.
borgenen «Wissensschatz» Stück für Stück zu heben.
–– E-Mail-Editor: erlaubt die E-Mail Kommunikation mit dem
Kunden direkt aus der BPM-Plattform und sorgt für die
Obwohl die Lösung viele Vorteile bot, fühlten sich die Mitar-
automatische Archivierung der so abgewickelten Kom-
beitenden noch nicht optimal unterstützt:
munikation.
–– Der in die Plattform integrierte E-Mail-Editor erfüllte die
–– Operational Dashboard: gibt einen Überblick aller laufenden Cases.
Anforderungen der Benutzer nur bedingt. Im Vergleich zu
Outlook fehlten wichtige Funktionen, wie zum Beispiel
Formatierungsmöglichkeiten und die Anbindung des
Der Arbeitsprozess gestaltete sich wie folgt: Während der
Adressbuchs. Zudem bot der E-Mail-Editor nur eine
Origination-Phase wurde mit dem Kunden wie bis anhin via
eingeschränkte Sicht auf die Kommunikation mit dem
Outlook kommuniziert. In Abbildung 56 entspricht dies der
Kunden, denn er zeigte nur E-Mails an, die entweder aus
Verbindung mit der Bezeichnung (1). Mit dem Eingehen der
der Plattform geschrieben wurden oder als Antwort auf
Offertanfrage musste einmalig in der Workbench ein neuer
eine solche E-Mail eingegangen waren.
Offertprozess gestartet (2) und anschliessend die bereits ge-
–– Der Wechsel vom Outlook in die Plattform beim Über-
sammelten Informationen und Dokumente manuell in den
gang von der Origination- in die Offering-Phase wurde
Prozess übertragen werden (3). Nun konnte das Team mit
als mühsam empfunden. Alle bereits gesammelten Infor-
der Arbeit beginnen. Die Workbench respektive das Client-
mationen und Unterlagen mussten von Hand zusam-
Offering zeigte die offenen Tasks an und ordnete diese ein-
mengetragen und manuell in die BPM-Plattform überführt
zelnen Teammitgliedern zu (4). Das Team konnte sich bei der
werden.
Ausführung über die Kollaborationsfunktionen austauschen
–– Die Kollaborationsfunktionen entsprachen nicht den
und die Arbeit so koordinieren. Da mit dem E-Mail-Editor die
Bedürfnissen der Mitarbeitenden und wurden daher
Kommunikation mit dem Kunden direkt aus der Plattform ge-
kaum genutzt. Diese bevorzugten es, wie bis anhin per
führt wurde (5), konnte die ganze Offertphase mit einem ein-
Telefon und E-Mail zusammenzuarbeiten.
zigen Tool bewältigt werden. Dieses Vorgehen hatte den Vor-
–– Der Client-Offering-Prozess war trotz seines modularen
teil, dass alle Schritte ab dem Eingang der Offertanfrage
Aufbaus mit parallel ausführbaren Subprozessen nicht
korrekt und ohne zusätzlichen Aufwand archiviert wurden.
flexibel genug und wurde als Einschränkung in verschie-
Nur falls vom Kunden oder von anderer Stelle Unterlagen
denen Teams und Märkten empfunden.
oder Informationen zum Fall unabhängig von der Workbench
–– Das Tool bot noch keinen Mehrwert bei der Entschei-
zugestellt wurden, mussten diese manuell dem Case hinzu-
dungsfindung. Zwar verbesserte die BPM-Plattform die
gefügt werden (6). Für die Archivierung wurden die beste-
Datenlage, es war jedoch nicht möglich, alle Daten eines
henden Dokumentenablagen Lotus Notes und Documentum
Kunden zu aggregieren respektive Daten verwandter
über einen Service-Layer an die BPM-Plattform angebun-
Fälle auszuwerten und zu vergleichen.
den. Damit konnte die Plattform alle neu erfassten Dokumente sowie die Korrespondenzen automatisch an der richtigen
Aus der Sicht der Benutzer bot das neue System zweifelsfrei
Stelle in den Dokumentenablagen archivieren. Zudem wurde
zufriedenstellende neue Funktionen wie den Digital-Binder,
eine Suchfunktion für bestehende Dokumente integriert und
aber die Unzulänglichkeiten überlagerten den Nutzen in die-
mit dem sogenannten Digital-Binder kombiniert. Dieser er-
ser ersten Phase. Die User-Interfaces waren den bewährten
laubte es, bestehende Dokumente mit einem Case, einzel-
Systemen funktionell unterlegen und das neue System ver-
nen Subprozessen oder einem anderen Dokument zu ver-
langte zusätzliche Aufgaben, wie den Datentransfer zu Be-
81
82
Fallstudien
ginn der Offertphase. Der Medienbruch am Anfang des Of-
Architekturübersicht, mit den grau gekennzeichneten neu
fertprozesses begleitete die Mitarbeitenden auch während
hinzugekommenen Komponenten.
der folgenden Arbeiten. Immer wieder mussten Informationen, die von ausserhalb der Plattform an die Mitarbeitenden
Das System enthält die folgenden Erweiterungen:
herangetragen wurden, manuell in die Plattform überführt
–– Mail-App: Ermöglicht es, zu einer vorhandenen E-Mail-
werden.
Kommunikation einen neuen Offertprozess zu starten
oder die Kommunikation einem bestehenden Offertpro-
Das Prozessmanagement-Team erkannte, dass die Lösung
zess zuzuordnen. In beiden Fällen werden die Nachrich-
die Bedürfnisse ihrer internen Kunden noch nicht optimal er-
ten sowie alle Anhänge automatisch in die BPM-Platt-
füllte. Zudem wurde deutlich, dass der neue standardisierte
form übertragen und von dieser in die Datenablage
Offertprozess nicht flexibel genug war für den beabsichtigten
transferiert. Wird die Kommunikation fortgesetzt, wird
Ausbau des Geschäfts in Wachstumsmärkten sowie für die
diese automatisch in den entsprechenden Fall übertra-
Zusammenarbeit mit regionalen und nationalen Anbietern.
gen. Zudem werden Tasks aus der Workbench direkt in
Der optimale Grad an Standardisierung und Flexibilisierung
der Mail-App angezeigt und können teilweise direkt in
des Prozesses war mit der Lösung noch nicht erreicht. Oder
der App erledigt werden, ohne in die Plattform zu wech-
in den Worten von C. Darwin: «It is not the strongest of the
seln.
species that survives, nor the most intelligent that survives. It
is the one that is most adaptable to change.»
–– Case und Process Hub: Sind die neu geschaffenen
Schnittstellen im Information Hub, welche die von der
Mail-App benötigten Funktionen zur Verfügung stellen.
Die zweite Version
–– Anbindung des Exchange-Servers: Neben Documen-
Statt die Funktionalität des E-Mail-Editors weiter auszubauen
tum und Lotus Notes ist neu auch der Exchange-Server
und die Integration der Kommunikation mit dem Kunden in
via Information Hub an die BPM-Plattform angebunden.
die Plattform weiter voranzutreiben, wurde ein klarer Rich-
Dies ermöglicht einen effizienten Transfer der Nachrich-
tungswechsel beschlossen. Im optimierten System, das sich
ten und Anhänge von der Mail in die Dokumentenabla-
heute im Einsatz befindet, ist Outlook das führende Tool in
Bezug auf Kundenkommunikation und Korrespondenz, wäh-
gen.
–– Data Warehouse und Reporting Cockpit: Das DWH
rend BPM Plattform Appway und der Information Hub die in-
dient dem Speichern aller Aktivitäten aus der Mail-App
telligente Steuerung und Informationsversorgung des Offer-
und der Workbench und kombiniert damit die Daten aus
terstellungsprozesses sicherstellen. Abbildung 57 zeigt die
den beiden Front-Ends. Diese Daten sind die Grundlage
«Eine global konsistente Definition von Aktivitäten ist wichtiger,
als dass der exakt selbe Ablauf von Aktivitäten weltweit angeordnet wird. Eine Standardisierung des Prozesses kann durchaus wertvernichtend sein, wenn diese nicht genügend Flexibilität
zulässt und den entsprechenden Markt-, Kunden- und lokalen
Arbeitsbedürfnissen entspricht.»
Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re
Business Process Management 2016
für das neu geschaffene Reporting Cockpit, in dem
lichen Teams oder Mitarbeitenden Tasks erzeugt. Diese
laufende und abgeschlossene Cases nach verschiede-
werden per E-Mail über die anstehenden Aufgaben infor-
nen Kriterien ausgewertet werden können.
miert. Gewisse, einfachere Aufgaben können direkt über die
Mail-App ausgeführt werden (3). Bei komplexeren Aufgaben
Mit der Überarbeitung ändert sich der Arbeitsprozess deut-
muss über den entsprechenden Link im E-Mail in die Work-
lich, indem gewisse Schritte nun ganz oder teilweise direkt in
bench gewechselt und die Aufgabe dort ausgeführt werden
Outlook erledigt werden können (siehe Abbildung 57, grün
(4). Neben dem E-Mail, das für die initiale Eröffnung des Ca-
gekennzeichnete Nummern). Die Arbeit beginnt wie gehabt
ses verwendet wurde, können weitere E-Mails dem Case
mit der Kommunikation via Outlook während der Origination-
zugeordnet und dadurch zusammenhängend archiviert wer-
Phase (1). Kommt es zu einer Offertanfrage, wird in der Mail-
den. In jedem Fall sorgt die Mail-App dafür, dass wenn eine
App ein neuer Case eröffnet (2). Dabei müssen zusätzliche
bereits übertragene Kommunikation fortgesetzt wird, diese
Angaben für die Einordnung der Anfrage gemacht werden
Fortsetzung automatisch dem Case hinzugefügt und archi-
und die Anhänge müssen einzelnen Kategorien oder Unter-
viert wird (5). Wie bis anhin kann in der Workbench nach re-
verträgen zugeordnet werden. Mit diesen Angaben startet
levanten Dokumenten gesucht werden und mit Hilfe des Di-
das System in der BPM-Plattform Appway den entsprechen-
gital-Binder mit dem Case oder Teilen davon verknüpft
den Case, transferiert alle Nachrichten und Anhänge vom E-
werden (6). Im neu geschaffenen Reporting-Cockpit (7) kön-
Mail in die Dokumentenablagen und verknüpft diese mit dem
nen die Mitarbeitenden historische und aktuelle Daten bei-
jeweiligen Case. Anschliessend werden jene Teile des Offert-
spielsweise zu einem Kunden oder einer Branche auswerten
prozesses, die keine weiteren Angaben erfordern, automa-
und als Basis für ihre Entscheidungen nutzen. Um die kriti-
tisch durchlaufen. Abschliessend werden für die verantwort-
sierte mangelnde Flexibilität des Offertprozesses zu behe-
Abb. 57
ARCHITEKTURÜBERSICHT DES ZWEITEN LÖSUNGSANSATZES
83
84
Fallstudien
«Outlook ist das zentrale Element in der heutigen Kundenkorrespondenz. Mit der Integration von Outlook und der BPM-Plattform Appway über eine Mail App konnten einzelne Schritte vom
Prozess dorthin verlagert werden, wo der Benutzer tatsächlich
seine Aufgaben wahrnimmt und somit eine wesentliche Verbesserung der User Experience erreicht werden.»
Marco Peyer, Head BPM & Service Operations, P&C Reinsurance Swiss Re
ben, wurde dieser in kleinere unabhängige «Mini-Prozesse»
Arbeitsprozess zur Verfügung. Ermöglicht wird diese Integra-
zerlegt. Ähnlich einer Check-Liste können die Mitarbeitenden
tion durch die BPM-Plattform Appway, die die Bearbeitung
nun die Reihenfolge einzelner Tasks flexibler wählen und bei
der Cases und der dazugehörigen Informationen steuert.
Bedarf gewisse Schritte auslassen. Das System lässt die
Mitarbeitenden nun so arbeiten, wie es der Markt, der Kunde
Das verbesserte System ist seit Herbst 2015 mit zunehmen-
oder der Regulator erfordert. Die Mitarbeitenden werden
der Akzeptanz im Einsatz. Outlook ist nun wieder das einheit-
durch die Front-End-Integration der Funktionalität in Outlook
liche Front-End für die elektronische Kommunikation mit dem
nun in der digitalen Arbeitsumgebung unterstützt, in der sie
Kunden und bietet mit der Mail App eine einfache, intuitive
am effizientesten arbeiten. Die Mitarbeitenden sind also nicht
und ansprechende Integration des BPM-Systems Appway.
mehr gezwungen, verschiedenen Systemen zu folgen, um
Die BPM-Plattform erfüllt ihre Aufgabe als Rückgrat des Sys-
eine Funktionalität zu nutzen, sondern die Funktionalität folgt
tems. Sie ermöglicht die flexible Bearbeitung der Cases, ver-
dem Nutzer. Vorhandene Medienbrüche wurden beseitigt
teilt die Aufgaben an die richtigen Mitarbeitenden, bindet die
und es steht nun ein vollständig integrierter durchgängiger
Dokumentenverwaltung ein und entlastet den Benutzer zu-
(ADAPTIVE) CASE MANAGEMENT
che Case-Management-Systeme wurden jeweils für
Ein typisches Einsatzgebiet von Case Management
eine bestimmte Anwendungsdomäne wie beispielswei-
Systemen ist die Koordination von Arbeiten in schwach
se das Spital-, Justiz oder Polizeiwesen entwickelt. In
strukturierten Prozessen. Insbesondere bei Prozessen,
diesem Zusammenhang wird auch oft von sogenannten
deren Verlauf nicht vollständig vorhersagbar ist und bei
Production-Case-Management-Systemen (PCM) ge-
deren Ausführung die Mitarbeitenden selbst über die
sprochen. Von einem Adaptive-Case-Management
Notwendigkeit einzelner Arbeitsschritte sowie deren
-System kann gesprochen werden, falls das System
Reihenfolge entscheiden müssen, können Case-Ma-
Funktionen zur Verfügung stellt, um den Arbeitsprozess
nagement-Systeme einen wichtigen Beitrag leisten
an die Bedürfnisse des Cases anzupassen (Swenson,
(Motahari-Nezhad & Swenson, 2013). Natürlich erlau-
2011). Mittlerweile wurde der Trend auch von der Object
ben auch traditionelle Automatisierungen mittels BPM-
Management Group aufgegriffen, welche seit 2014 mit
Systemen verschiedene Ausführungspfade, diese müs-
CMMN einen Standard für die Notation von Case Ma-
sen aber entweder explizit modelliert oder durch das
nagement Modellen unterhält (OMG, 2014).
Erlauben von Ausnahme realisiert werden. Herkömmli-
Business Process Management 2016
nehmend von Routineaufgaben wie beispielsweise der Ar-
chen
chivierung.
Mitarbeitenden, unterstützt werden. Angestrebt wird letztlich
Fachkenntnisse
und
der
Verfügbarkeit
der
ein wissensbasiertes System, das proaktiv Informationen
Wie sich das neue Tool auf die Zufriedenheit der Kunden
sammelt, aufbereitet und situationsabhängig bereitstellt, die
auswirkt, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschlie-
für den jeweiligen Fall relevant sein könnten. Damit würde der
ssend beurteilt werden. Auch für die systematische Auswer-
Prozess der Wissensbereitstellung vom heutigen Pull-Modus
tung der Antwortzeit bei Kundenanfragen und anderer KPIs
in einen Push-Modus überführt (Abbildung 58) und so die
ist das System noch nicht lange genug im Einsatz. Zudem
Vision von P&C IT realisiert:
steht für das laufende Jahr noch das Rollout weiterer vielversprechender Neuerungen an, wie beispielsweise die halbautomatische Klassifizierung von Dokumenten, die den Nutzen
des Systems weiter erhöhen werden
Ausblick
Die Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Systems sind äusserst vielseitig. Ein zentrales Anliegen wird es sein, die gesammelten Daten besser zu nutzen. Um Offertanfragen automatisch zu kategorisieren und zu priorisieren, könnten
Grössen wie die Abschlusswahrscheinlichkeit oder die zu
erwartende Rendite als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Auch das Zusammenstellen des cross-funktionalen Teams könnte, unter Berücksichtigung der erforderli-
«Our Digital Operating platform
enables handling more information to take decisions in
less time while using our intelligence to build new value
proposition for clients (e.g.
loss prevention) leveraging
new skills.»
Vision P&C IT, (Swiss Re, 2016)
Abb. 58
ZUKÜNFTIGE EINSATZMÖGLICHKEITEN DES SYSTEMS
85
86
Fallstudien
4.3.4 Fazit
lität in der Risikozeichnung, was sich letztlich in Wachstum
Die vorliegende Fallstudie von Swiss Re zeigt die
niederschlägt. Der zentrale Beitrag der Digitalisierung liegt
Komplexität, die Systeme zur Unterstützung von
darin, das vorhandene Wissen zur richtigen Zeit am richtigen
wissens- und dokumentenzentrierten Prozessen in
Ort einzusetzen und dabei die vorhandenen Informationen
einem kollaborativen Umfeld zu bewältigen haben.
möglichst optimal zu nutzen.
Dabei geht es in erster Linie darum, das optimale
Mass an Standardisierung und Flexibilisierung zu
Was wurde bzw. wird digital transformiert?
finden, um Wissensarbeiter von Routinearbeiten zu
entlasten und in ihren Entscheidungen zu unter-
Business Model: neue Märkte rascher erschliessen
stützen.
Auch die Erschliessung neuer Märkte und Zielgruppen stellt
eine Motivation für die Transformation des Offertprozesses
Die beschriebene Digitalisierung des Offerterstellungspro-
dar. Mit der Schaffung eines durchgängigen und flexiblen
zesses im Bereich P&C Reinsurance der Swiss Re, deckt ein
Case Management sowie einer modernisierten Arbeitsumge-
breites Spektrum der im Rahmenwerk der Studie untersuch-
bung werden hierfür wichtige Grundlagen geschaffen. Neu-
ten strategischen und operativen Wirkungs-felder ab. Die
en Mitarbeitenden erschliesst sich der Offertprozess durch
wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 59 gekenn-
die reduzierte Komplexität der Systemlandschaft und die ver-
zeichnet und nachfolgend dargestellt:
einfachte Bedienung rascher. Die Operating-Modelle können
schneller und effektiver an die Markt- und Kundenanforde-
Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung
rungen angepasst werden.
wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen
wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert?
Business Operations: Interaktion mit Kunden optimal
unterstützen
Kundennutzen:
Persönlicher Kontakt und Kontinuität der Ansprechpartner
Der Kunde profitiert durch die Lösung von kürzeren Antwort-
sind wesentliche Elemente der Kundenbeziehung im Bereich
zeiten, kompetitiven Produkten und Lösungen und letztlich
P&C Reinsurance. Das System setzt auf diesen Prinzipien
auch von einer verbesserten Entscheidungs- und Bera-
auf und konsolidiert interne sowie externe Kommunikations-
tungsqualität.
vorgänge an einem Ort, um alle Informationen zu einem Case
jederzeit abrufen und systematisch archivieren zu können.
Produkt- und Service-Innovation:
Auf dieser Grundlage kann letztlich die Service- und Ent-
Die adaptive Lösung schafft die Voraussetzungen, um Pro-
scheidungsqualität verbessert werden.
dukt- und Service-Innovationen kosteneffizient und flexibel
weiter vorantreiben zu können.
Wie und wodurch wird transformiert?
Operational & Service Excellence:
Prozessdigitalisierung: Wissensarbeit orchestrieren
Operational & Service Excellence wird erreicht, indem Fach-
Die neue Lösung bietet allen am Offertprozess Beteiligten in
kräfte von Routineaufgaben entlastet werden, Expertise für
P&C Reinsurance ein durchgängiges Case Management mit
Kunden bedarfsgerecht gebündelt wird und indem die Arbeit
sehr wenigen Medienbrüchen. Der Fokus verlagert sich von
optimal auf die Mitarbeitenden verteilt wird. Die Wissensar-
der sequenziellen Erledigung von Tasks in unterschiedlichen
beiter können sich unter diesen Voraussetzungen auf die
Systemen hin zur Befähigung der Mitarbeitenden im Ent-
wesentlichen Aspekte ihrer Tätigkeit konzentrieren, das
scheidungsprozess. Das dafür relevante Wissen wird über
heisst auf die Kunden, die Produktentwicklung und die Qua-
die Information Hubs zentralisiert aufbereitet und zur Verfü-
Business Process Management 2016
gung gestellt. Der Abruf dieses Wissens im Pull-Modus soll
zukünftig um kognitive Assistenten erweitert werden, die das
Wissen proaktiv im Push-Modus bereitstellen.
Flexibilisierung: Cases gezielt bearbeiten
Durch den weitgehenden Verzicht auf eine vordefinierte Abfolge der Tasks wird die Voraussetzung geschaffen, Cases
flexibel und abhängig von den für eine Entscheidung im konkreten Fall notwendigen Fähigkeiten zu lenken.
87
88
Fallstudien
Abb. 59
SWISS RE-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS
Business Process Management 2016
4.4 FALLSTUDIE VONTOBEL: «DIGITALISIERTES
Eine im Jahr 2013 intern durchgeführte Erhebung der Be-
SERVICE MANAGEMENT SCHAFFT KUNDEN-
nutzerzufriedenheit ergab ein tieferes Resultat als angestrebt.
NUTZEN
Ausserdem wurden die Kosten als verhältnismässig hoch
eingeschätzt, wobei eine genaue Zuordnung und Begründung der Kosten aufgrund des Fehlens einer transparenten
IM PRAXISWORKSHOP
PRÄSENTIERT VON
–– Markus Schneider, Leiter Operation Services,
Vontobel
–– Philipp Klauser, Applikationsverantwortlicher Jira,
Vontobel
Kostenstruktur nicht möglich war.
Ein wichtiger Aspekt zum Verständnis dieser Fallstudie sind
die eingesetzten betrieblichen Standardsysteme. Wie in viele
Unternehmen der Finanzbranche, zeichnen sie sich durch
eine grosse Heterogenität aus Diese Heterogenität bezieht
sich einerseits auf die Phasen des Lebenszyklus, in welchen
die einzelnen Applikationen stehen, andererseits aber auch
auf die Plattformen, auf welchen diese betrieben werden.
4.4.1 Ausgangssituation und Rahmen
Damit einhergehen typischerweise auch heterogene Sup-
Vontobel ist ein führender Schweizer, international
portstrukturen, welche die unterschiedliche IT-Landschaft
agierender Private Wealth und Asset Manager, der
widerspiegeln. Ein standardisiertes Incident- und Problem-
sich zum Ziel gesetzt hat, die anvertrauten Kunden-
management existierte nicht. Dies führte dazu, dass Mitar-
vermögen langfristig zu schützen und zu mehren.
beitende informelle Kanäle für die Lösung ihrer konkreten
Spezialisiert auf das aktive Vermögensmanage-
Anliegen nutzten, was einem effizienten Einsatz von Ressour-
ment und massgeschneiderte Anlagelösungen be-
cen widersprach und sich in den Kosten niederschlug.
rät Vontobel verantwortungsvoll und vorausschauend. Rund 1 500 Mitarbeitende erbringen an weltweit
Die folgenden Aussagen über Kundenzufriedenheit beziehen
22 Standorten erstklassige und massgeschneiderte
sich auf die Mitarbeitenden von Vontobel. Die Bankkunden
Dienstleistungen für international ausgerichtete
sind indirekt betroffen und daher nicht Gegenstand der Fall-
Kunden. Per Ende 2015 verwaltete Vontobel CHF
studie.
187,2 Mrd. an Kundenvermögen, bei einer Kapitalbasis von CHF 1,43 Mrd. und einer CET1-Kapital-
Die statistische Auswertung der Mitarbeitendenumfrage vor
quote von 17,9 %. Die Namenaktien der Vontobel
der Durchführung von Verbesserungsmassnahmen ergab
Holding AG sind seit 1986 an der SIX Swiss Ex-
ein Mittelwert von 4.8 auf einer Skala von 1 bis 6, was beina-
change kotiert. Die Familie Vontobel und die ge-
he dem angestrebten Wert von 5.0 entsprach. Der Mittelwert
meinnützige Vontobel-Stiftung besitzen die Aktien-
ergab also keinen Grund zur Sorge. Doch die Standardab-
und Stimmenmehrheit und stehen damit für
weichung war auffallend gross, was Anlass zu einer detaillier-
Unabhängigkeit, unternehmerisches Denken und
teren Auswertung gab. Diese weitergehende Analyse zeigte
Weitsicht.
auf, dass vor allem im Bereich Störungsbehebung und Kundeninformation die grössten Verbesserungspotentiale lagen.
Die Supporteinheit «Operation» erbringt weltweit alle IT-
In diesen Bereichen waren die Teilresultate wesentlich
Dienstleistungen. Die Sparte «Operation Services» stellt
schlechter. Ausserdem gab es grössere Abweichungen zwi-
hauptsächlich alle 1st- und 2nd-Level Support-Dienstleistun-
schen den einzelnen Geschäftsfeldern, was auf stark unter-
gen bezüglich des Electronic Workplace bereit, ist die primä-
schiedliche Supportbedürfnisse bzw. auf unterschiedliche
re Anlaufstelle für die Benutzer bezüglich IT-Fragen und ist für
Supportqualitäten hindeutete. Die in der Umfrage abgegebe-
den IT-Betriebsprozess verantwortlich.
nen Kommentare von Mitarbeitenden liessen Rückschlüsse
89
90
Fallstudien
auf konkrete Problemstellungen zu. So war vor allem die lan-
Dienstleistungsqualität, weniger Systemen und somit auch
ge Bearbeitungszeit von Incidents ein Problem, sofern die
tieferen Kosten führen können.
Störung nicht direkt durch telefonischen Support gelöst werden konnte.
3.Wie können die vorhandenen betrieblichen Informationen
aus den eingesetzten IT-Systemen wie z.B. Logdateien ge-
4.4.2 Motivation und Zielsetzung
Kundenzufriedenheit, mehr Transparenz und Effizi-
nutzt werden, um den anvisierten Verbesserungsprozess
effektiv zu unterstützen?
enz in der Leistungserbringung und eine bessere
Die eingesetzten betrieblichen Informationssysteme produ-
Verfügbarkeit von Informationen in kritischen Sup-
zieren Daten, mit welchen die Vergangenheit recht lücken-
portprozessen standen im Mittelpunkt der Trans-
los nachvollzogen werden kann (z.B. Logfiles). Es stellt sich
formation.
weniger die Frage nach der Verfügbarkeit solcher Daten,
sondern vielmehr nach der gezielten und nachvollziehba-
Ausgehend von der geschilderten Ausgangssituation und
ren Nutzung dieser Informationen und den daraus gezoge-
einer Vielzahl von Interviews mit den Stakeholdern wurden
nen Schlüssen, wie z.B. das Überwachen von betriebli-
folgende Kernfragen und Hypothesen formuliert:
chen KPIs.
1. Kann die Kundenzufriedenheit gesteigert werden, indem
Wie einleitend erwähnt, wurde der Support für jede Applikati-
das gleiche Angebot rascher, qualitativ hochstehender und
on bzw. Infrastrukturplattform verschieden gelöst. Diese Hete-
idealerweise zu tieferen Kosten angeboten wird?
rogenität wurde durch den Einsatz unterschiedlichster Sup-
Die Annahme, dass dies möglich sein muss, beruht auf der
port-Werkzeuge und Arbeitsmethoden noch akzentuiert. Aus
Erkenntnis, dass die Ursache für die teilweise fehlende
dieser historisch gewachsenen Situation ergaben sich folgen-
Kundenzufriedenheit oftmals in der sehr langen Reaktions-
de Herausforderungen:
zeit des Supports bzw. in sehr unterschiedlichen Reaktionszeiten lag. Ein anderer Grund für eine fehlende Kun-
1.Wie können die betroffenen Supportmitarbeitenden moti-
denzufriedenheit lag teilweise in einer nicht einwandfreien
viert werden, mit einem gemeinsamen Support-Werkzeug,
Lösungsfindung. Das heisst, das gemeldete Problem
z.B. einem einheitlichen Ticketsystem, zu arbeiten?
konnte nicht, nur teilweise oder nicht befriedigend gelöst
Diese Fragestellung impliziert, dass die eingesetzten Werk-
werden. Dies schlug sich auch in höheren Kosten nieder,
zeuge im Support durch ein Werkzeug ersetzt werden, mit
da das gleiche Problem mehrfach und auf unterschiedliche
dem alle Mitarbeitenden arbeiten müssen. Das bedeutet,
Weise gelöst wurde. Ebenso fehlte eine gemeinsame Wis-
dass die meisten Supportmitarbeitenden auf ihr ange-
sensbasis.
stammtes Werkzeug verzichten und sich mit einem Wechsel abfinden müssen. Üblicherweise wird ein solcher
2.Können die bestehenden Ressourcen effizienter und effek-
Wechsel nur unter Zwang erfolgen und somit nicht als et-
tiver eingesetzt werden, um mehr Aufgaben bei gleichzeitig
was Positives empfunden, was sich allenfalls in einer höhe-
höherer Qualität zu bewältigen?
ren Fluktuation oder in einer temporär schlechteren Sup-
Die Hypothese lautet, dass durch die informalen Strukturen
portqualität manifestieren kann.
und die heterogene IT-Landschaft der Anteil an unproduktiver Zeit grundsätzlich höher ist als in einer standardisierten
2.Kann eine verbesserte Transparenz durch Standardisie-
Supportorganisation. Selbstverständlich verursacht jedes
rung und Harmonisierung zu einer höheren Benutzerzufrie-
System Sockelkosten, welche nur schwer reduzierbar
denheit führen?
sind. Mit einem standardisierten Vorgehen können definitiv
Transparenz wird von Supportmitarbeitenden und Kunden
Synergien genutzt werden, welche zu einer höheren
unterschiedlich wahrgenommen. Beide profitieren von
Business Process Management 2016
Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit, wobei Vergleich-
reiche konnten über qualitative Analysen gefunden werden.
barkeit aus Sicht des Leistungserbringers auch negativ
Hierbei wurden Six-Sigma-Methoden angewendet. Aber
wahrgenommen werden kann. Aus Kundensicht ist Trans-
auch quantitative Analysen wie beispielsweise von Durch-
parenz jedoch eindeutig ein Qualitätsmerkmal und eine
laufzeiten führten zur Identifikation von kritischen Bereichen.
wichtige Grundlage für eine partnerschaftliche Zusam-
Aus der Kenntnis dieser kritischen Bereiche wurden dann
menarbeit und letztlich für eine höhere Benutzerzufrieden-
Soll-Prozesse abgeleitet. In einem weiteren Schritt wurden
heit.
diese Soll-Prozesse in der Organisation implementiert.
3.Kann trotz Standardisierung und Harmonisierung genug
Agilität gewahrt bleiben?
Bevor jedoch der geschilderte Verbesserungsprozess starten konnte, wurde eine geeignete Notation für die Prozess-
Agilität bezeichnet die Fähigkeit, auf Ereignisse und/oder
modellierung evaluiert und der Fokus der Prozessmodellie-
Anforderungen situativ zu reagieren. Standardisierung und
rung definiert. Von besonderer Relevanz war die Festlegung
Harmonisierung hingegen verlangen, dass auf ähnliche
von Prozessverantwortlichen. Um die Voraussetzungen für
Ereignisse und/oder Anforderungen in einer wohldefinier-
eine breite Akzeptanz zu schaffen, wurden die Prozesse in
ten Form reagiert wird. Durch die historisch gewachsene
die übergeordnete OP Prozesslandkarte integriert und auf
Vielfalt an Werkzeugen und individuellen Vorgehensmetho-
diese Weise transparent kommuniziert, breit abgestützt und
den ist die Gefahr gross, dass Supportmitarbeitende einer
insbesondere an bestehenden und etablierten informellen
Standardisierung skeptisch bis ablehnend gegenüberste-
Prozessen ausgerichtet.
hen. Dabei ist jedoch bei adäquatem Tooleinsatz, welcher
beispielsweise auch Case Management umfassen kann,
die Funktionalität gegeben, um Agilität gezielt und nachhaltig zu unterstützten.
4.4.3 Umsetzung und Wirkung
Bereits zu Beginn der Lösungssuche wurde deutlich,
dass nur die gesamtheitliche Betrachtung von vier
Lösungselementen zu einer erfolgreichen Verbesse-
Abb. 60
rung der Situation führen konnte: klar definierte Pro-
VIER LÖSUNGSELEMENTE
zesse, die sich auf korrekte und vollständige Stammdaten in einer Configuration Management Database
(CMDB) abstützen, die Abbildung dieser Prozesse in
einem Tool und der Zugriff der User über das zentrale Intranetportal (Abbildung 60).
Die Konzeption und Umsetzung des Vorhabens orientierte
sich am klassischen Vorgehen eines kontinuierlichen Prozessmanagements (Abbildung 61).
In einem ersten Schritt wurden Ist-Prozesse dokumentiert.
Die Methodik hierzu stützte sich auf Interviews, Workshops
und Dokumentenstudium ab. In einem zweiten Schritt wurden dann kritische Bereiche identifiziert. Diese kritischen Be-
91
92
Fallstudien
Durch die Einführung einer verbindlichen Notation konnte mit
prozesse zentral. Diese bestanden zu diesem Zeitpunkt nicht
allen Beteiligten auf derselben Grundlage diskutiert werden.
und mussten von Grund auf erhoben werden. Um sie pro-
Allfällige Probleme an den Schnittstellen zwischen den Pro-
fessionell verwalten und unterhalten zu können, wurde eine
zessschritten konnten rasch erkannt und mit deren Beseiti-
Configuration-Management-Datenbank (CMDB) aufgebaut.
gung begonnen werden.
Der Aufbau dieser Datenbank erforderte sehr viel Zeit und
Die Frage nach einer adäquaten Automatisierung der Sup-
musste mit hoher Qualität erfolgen, um später keine Proble-
portprozesse war aus Sicht der Effizienzsteigerung sehr zen-
me bei der Prozessausführung zu erhalten.
tral. Entsprechend zentral wurde auch die Evaluation eines
geeigneten Werkzeugs zur Unterstützung der Supportpro-
Dabei stand eine automatisierte Bereitstellung der Daten im
zesse betrachtet. Die Wahl fiel auf Jira ServiceDesk. Ein
Vordergrund, um immer aktuelle Daten in hoher Qualität zur
wichtiges Auswahlkriterium war dabei die bereits vorhandene
Verfügung zu haben. Es wurden daher die bestehenden
Anwenderakzeptanz von Attlassian Jira. Zum Zeitpunkt der
Systeme in Abhängigkeit zueinander gestellt und eine soge-
Entscheidung war Jira ServiceDesk aus einer funktionalen
nannte konföderierte CMDB erstellt (Abbildung 62).
Sicht nicht das beste, aber aus Sicht der Mitarbeitenden das
Auf dem Weg in Richtung optimierte IT-Unterstützung waren
wohl akzeptierteste Werkzeug.
in einem nächsten wichtigen Schritt Fragen bezüglich der
Im Kontext einer möglichst hohen Automatisierung sind die
Usability zu klären. Es existierten keine Standards hierzu.
Identifikation von Steuer- und Stammdaten für die Support-
Entsprechend bestand auch bezüglich diesem Kriterium eine
Abb 61
BPM LIFECYCLE
in Anlehnung an (Dumas, La Rosa, Mendling, & Reijers, 2013)
Process
identification
Process architecture
Process discovery
Conformance and
performance insights
As-is process model
Process monitoring
and controlling
Process
analysis
insights on weaknesses
and their impact
Executable
process model
Process
implementation
Process
redesign
to-be process
modell
Business Process Management 2016
Abb. 62
KONFÖDERIERTE CONFIGURATION MANAGEMENT DATENBANK
grosse Heterogenität. Bei aller Beachtung methodischer Er-
geschenkt und der Zugang zu dieser Lösung in das zentrale
kenntnisse stellte das Prinzip der Praxisorientierung und der
Intranetportal integriert. Dieses Portal dient als zentrale An-
realen Machbarkeit eine wichtige Orientierungshilfe dar.
laufstelle für sämtliche Supportanfragen. Auf diesem Portal
finden sich zudem sämtliche für den Support relevanten Do-
Aus Sicht IT war es zwingend, die Supportwerkzeuge nahtlos
kumente. Mit der Einführung dieses zentralen Zugangs er-
in die Systemlandschaft zu integrieren. So wurde grossen
gaben sich auch neue Anwendungs- und Informationsmög-
Wert auf die Einhaltung von Standards und deren Interopera-
lichkeiten. So ist es jederzeit möglich, den Status von
bilität gelegt. Ziel war es, einen möglichst hohen Automatisie-
Anträgen einzusehen und die Portalseiten zu personalisie-
rungsgrad in den Hauptprozessen Incident- und Request-
ren. Weitergehende Auswertungsmöglichkeiten, welche auf
Management zu erreichen. Diese Hauptprozesse bergen die
Daten beruhen, die durch die einheitlichen Tickets und Ar-
grössten Potentiale für Einsparungen, Effizienzsteigerungen
beitsweisen entstanden sind, konnten so geschaffen wer-
und eine Verbesserungen des Benutzernutzens.
den. Diese dienen der kontinuierlichen Verbesserung des
Dienstleistungsangebotes und der Sicherstellung einer
Die mangelnde Benutzerzufriedenheit war ein zentraler Aus-
gleichbleibend hohen Servicequalität, indem Schwachstel-
löser für die Transformation. Folglich wurde dem Kunden bei
len und deren Ursachen rascher und einfacher eruiert wer-
der Erarbeitung der IT-gestützten Lösung grosse Beachtung
den können.
93
94
Fallstudien
Abb. 63
PORTALLÖSUNG
Abb. 64
SERVICE CENTER IT
Neu können nicht nur IT-Support-Services über das Service-Center-Portal bezogen werden, sondern alle Geschäftsfelder organisieren ihre Support-Aktivitäten über dieses Portal (Abbildung 63), was aus Benutzersicht eine
Vereinfachung darstellt und gleichzeitig auch die Usability
stark erhöht. Im Fokus stehen dabei auch HR-Prozesse wie
beispielsweise der Eintritt oder der Austritt von Mitarbeitenden. Um die Usability weiter an den Kundenbedürfnissen
auszurichten, wurden innovative Suchfunktionen implementiert (Abbildung 64).
Nach erfolgreicher Einführung der beschriebenen Neuerungen und Verbesserungen verbleiben noch einige Herausforderungen. Diese umfassen im Wesentlichen:
1.Datenschutz: Der Inhalt von Tickets könnte in einem anderen Anwendungskontext vertraulich sein. Diesem Umstand wird mit der aktuellen Version nur teilweise Rechnung getragen.
Business Process Management 2016
2.
Der Supportprozess bzw. die Verarbeitung von Tickets
sourcenintensiv war, ist der Nutzen definitiv höher einzu-
kann als Muster auch ausserhalb von Supportprozessen
schätzen. Auch das Verständnis der Kundenbedürfnisse ist
angewendet werden. Es braucht deshalb auch eine Ab-
als wesentlicher Erfolgsfaktor zu werten. Eine grosse Rolle
grenzung zu klassischen Geschäftsprozessen.
spielt bei Vontobel hierbei die Internationalität der Anwender,
die durch das Wachstum in Asien und USA zunehmend an
3.Vereinheitlichung der noch nicht berücksichtigten ServiceRequests in Bezug auf Look & Feel.
Bedeutung gewinnt. Dieser Internationalität wird zunehmend
Rechnung getragen, indem Servicezeiten angepasst, diese
Standorte besucht und aktiv die lokalen Kundenbedürfnisse
4.Umgang mit Prozessen, für welche eine Automatisierung
erhoben werden. Das war in der Anfangsphase der Transfor-
aus ökonomischer Betrachtung nicht sinnvoll erscheint.
mation aus Ressourcengründen noch nicht in der gleichen
Intensität möglich.
5.Unterstützung von mobilen Endgeräten wie Smartphones
und Tablets.
Die Fallstudie deckt ein schmales Spektrum der im Rahmen
der Studie erforschten Aspekte der digitalen Transformation
Sicherstellung eines kontinuierlichen Kundenfeedbacks
6.
ab. Das Vorhaben verändert primär die Domäne Business
und systematisches Analysieren von schlechten Bewer-
Operations und macht die Relevanz der Prozessdigitalisie-
tungen von Tickets zur Wahrung der Glaubwürdigkeit.
rung deutlich. Auch wenn Systeme wie Jira ServiceDesk
schon seit vielen Jahren bekannt sind und auch eingesetzt
4.4.4 Fazit
werden, zeigt dieses Fallbeispiel deutlich, dass vielfach ope-
Die Einführung der oben geschilderten Lösungsele-
rative Optimierungspotentiale über lange Zeit brach liegen
mente (Prozesse, CMDB, Tool, einheitlicher Kunden-
und diese mit herkömmlicher Technik realisiert werden kön-
zugang) hatte eine markante Steigerung der Kun-
nen. Die wesentlichen Erkenntnisse sind in Abbildung 65
denzufriedenheit zur Folge. Bereits ein Jahr nach
gekennzeichnet und nachfolgend dargestellt:
Einführung waren die Kundenzufriedenheitswerte
innerhalb des gesetzten Zielbandes (Veränderung
Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung
um 0.3 Punkte von 4.8 auf 5.1 auf einer Skala von 1
wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen
bis 6). Der Support erfolgte schneller, zu tieferen
wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert?
Kosten und mit einer grösseren Anwenderfreundlichkeit. Eine positive Dynamik konnte sich etablieren.
Kundennutzen: einheitliche Supportprozesse
Unabhängig vom konkreten Supportfall werden die relevan-
Fehlende Kennzahlen waren ein wesentliches Defizit der
ten Daten einheitlich in das System eingetragen und der Sta-
Ausgangssituation. Mit der eingeführten Lösung sind diese
tus ist auf Kundenseite ersichtlich. Dies erhöht die Transpa-
Kennzahlen nun automatisiert verfügbar und auch nachvoll-
renz und schliesslich das Vertrauen, auch wenn der
ziehbar. Auf der Grundlage dieser neu gewonnenen Transpa-
persönliche Kontakt mit dem Supportmitarbeitenden kürzer
renz können nun quantitative Entscheidungsgrundlagen für
wird oder gar ganz wegfällt.
die Entwicklung des Betriebs zur Verfügung gestellt werden.
Das wiederum resultiert in einer höheren Zufriedenheit der
Operational & Service Excellence: Transparenz und
Supportmitarbeitenden und letztlich in
Schnelligkeit
messbar tieferen
Kosten.
Ein Auslöser für das Vorhaben waren die Mehraufwände, die
durch mangelhafte Bearbeitung von Supportanfragen verur-
Rückblickend ist auch der Aufbau einer CMDB als zentraler
sacht wurden. Durch die Transparenz der für alle einzuse-
Erfolgsfaktor zu betrachten. Obwohl der Aufbau sehr res-
henden Supportanfragen werden diese zeitnaher erledigt.
95
96
Fallstudien
Ebenso führt die Möglichkeit des Kunden, die Lösung zu
bewerten, zu einem Feedbackloop, der sich positiv auf die
Qualität auswirkt.
Was wurde bzw. wird digital transformiert?
Business Operations: durchgehend digital und asynchron
Durch den flächendeckenden Einsatz von Jira ServiceDesk
laufen die Supportprozesse primär asynchron ab. Eine synchrone Kommunikation beispielsweise über Telefon ist nur
noch in Ausnahmefällen nötig. Dies spielt eine wichtige Rolle
bei der Einführung erweiterter Supportzeiten.
Wie und wodurch wird transformiert?
Prozessdigitalisierung: Automatisierung und Integration im Back-End
Um einen qualitativ hochstehenden und raschen Support
anbieten zu können, müssen eine Vielzahl von Informationssystemen eingebunden sein. Ein Supportsystem ohne Anbindung an die bestehenden betrieblichen Informationssysteme
(CMDB,
Monitoring,
etc.)
kann
nicht
die
flächendeckenden Informationen anbieten wie eine hoch integrierte Lösung.
Business Process Management 2016
Abb. 65
VONTOBEL-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS
97
98
Fallstudien
4.5 FALLSTUDIE SWISSCOM: «DIE EINFÜHRUNG
Das strategische Ziel der Swisscom – «die beste Begleiterin
VON PRODUKTIONS- UND SERVICEKATALOGEN –
und vertrauensvolle und inspirierende Partnerin in der ver-
DER ERSTE SCHRITT ZUR INDUSTRIALISIERTEN
netzten Welt zu sein» und ihren Kunden immer, überall, si-
FERTIGUNG»
cher und einfach verfügbare Leistungen mit ausserordentlichen Erlebnissen zu bieten (vgl. Abbildung 66) – erfordert,
IM PRAXISWORKSHOP
PRÄSENTIERT VON
–– Andreas Hilber, Head of Process Architecture
dass sie gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Trends antizipiert und aufnimmt. Als wegweisend für die
Zukunft der ICT-Branche schätzt sie dabei die folgenden
Trends ein (Swisscom AG, 2015):
Network & IT Operations, Swisscom AG
–– Immer online: Die Digitalisierung führt dazu, dass nicht
nur Menschen, sondern auch intelligente Applikationen
4.5.1 Ausgangssituation und Rahmen
und Geräte zunehmend miteinander vernetzt sein
Swisscom ist das führende Telekommunikations-
werden.
und eines der führenden IT-Unternehmen der
–– Internetbasiert «All IP»: Produkte & Services werden
Schweiz und bietet Geschäfts- und Privatkunden
künftig auf Basis des Internet-Protokolls betrieben.
Mobilfunk, Festnetz, Internet, Digital-TV und Infor-
Speicherplatz, Rechenleistung und Software werden
matik-Dienstleistungen an. Über den Wholesale-
verstärkt aus dem Internet bezogen.
Kanal stellt sie auch Dritten ihre Netz- und IT-Infra-
–– Globaler Wettbewerb: Weltweit tätige Mitbewerber profi-
struktur zur Verfügung. Mit 21 600 Mitarbeitenden
tieren von globalen Skaleneffekten und verändern die
erwirtschaftete Swisscom 2015 einen Jahresum-
Geschäftsmodelle durch eine verstärkte Nutzung von
satz von rund CHF 11,6 Mia.
Kundendaten.
Abb. 66
UNTERNEHMENSSTRATEGIE «SWISSCOM 2020»
Business Process Management 2016
Eine diesen Anforderungen entsprechende Netz- und IT-Inf-
schen
rastruktur, welche effizient und zielgerichtet eingesetzt wer-
kontinuierlich erodieren. Trotzdem müssen hohe Investitionen
Geschäft
mit
nutzungsabhängigen
Angeboten
den kann, ist dabei eine Grundvoraussetzung. Sie muss
in die sich verändernde Technologie und den Ausbau der
nicht nur professionell unterhalten und betrieben, sondern
Infrastruktur getätigt werden. Um dieser Entwicklung gerecht
auch kontinuierlich ausgebaut und immer wieder neu ausge-
zu werden, muss einem Ergebnisrückgang auch durch Stei-
richtet werden, um dem wachsenden Bedarf an Leistungen
gerung der Effizienz begegnet werden.
gerecht zu werden: Der Breitbandbedarf im Festnetz verdoppelt sich alle 16 Monate, im Mobilfunk jährlich. Mit neuen
Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die Organisations-
Servicedienstleistungen steigt ebenfalls der Bedarf an Data-
einheit «Network & IT Operations» (ca. 2 300 Mitarbeiter) da-
centerleistungen stetig an.
mit, wie sie künftig ihren Auftrag – den zentralen Betrieb der
Infrastruktur – effizient und günstig gestalten, und gleichzeitig
Doch technologischer Wandel, intensiver lokaler und globa-
die vereinbarte Qualität erhöhen kann. Abbildung 67 visuali-
ler Wettbewerb und die sich verändernden Kundenbedürf-
siert die Aufgabe von «Network & IT Operations» innerhalb
nisse führen dazu, dass die Preise und Volumen im klassi-
des Prozessmodells von Swisscom.
Abb. 67
ROLLE DER ORGANISATIONSEINHEIT «NETWORK & IT OPERATIONS»
IM PROZESSMODELL SWISSCOM
99
100
Fallstudien
4.5.2 Motivation und Zielsetzung
Mit dem katalogbasierten Ansatz soll sinngemäß eine Ver-
Durch den Zusammenschluss Swisscom IT Servi-
schiebung wie folgt stattfinden:
ces und Swisscom Schweiz im Jahre 2014 wurde die
Produktion in einer Einheit zusammengeführt, welche aufgrund ihrer Historien unterschiedliche Kun-
VON:
ZU:
Historisch entstandene  Strukturierte Fertigungs-
densegmente bediente und zum Teil überlappende
und dokumentierte
Produktionskataloge aufwies. Ein einheitlicher ge-
Fertigungsprodukte
produkte und industrialisierte Fertigung
meinsamer Katalog wurde als Hebel für die Standardisierung, Zusammenführung und Abstimmung
der Leistungserbringung aufeinander erkannt. Dies
mit dem Ziel, die Leistungs-, Qualitäts- & Betriebskosten-Transparenz zu adressieren und auf die
künftigen Herausforderungen optimal vorbereitet
Hohe Komplexität  Funktionale, generische
Merkmale
Siloartiger Aufbau  Konfigurierbare Modularität
Hohe Integrationskosten  Reduzierte Komplexität
Toolabhängigkeit  Toolunabhängigkeit
und ausgerichtet zu sein.
Abb. 68
FERTIGUNG IN VERTEILTEN FERTIGUNGSSTRASSEN ÜBER VIELE ORGANISATIONSEINHEITEN HINWEG
Business Process Management 2016
«Unser Anspruch ist eine industrialisierte Fertigung in einer verteilten ICT-Produktionsumgebung zu schaffen, um damit einen
Beitrag zu leisten, den Umsatz- und Ergebnisrückgang durch
Steigerung der Effizienz kompensieren zu können. Und dies
bei Erhöhung der zur Verfügung gestellten Qualität.»
Andreas Hilber, Head of Process Architecture, Network & IT Operations, Swisscom AG
INDUSTRIALISIERTE FERTIGUNG
Durch die Fertigung hoher Güterstückzahlen können ver-
Industrialisierung ist ein volkswirtschaftlicher Prozess, der
schiedene Rationalisierungsmöglichkeiten genutzt und
durch signifikante Zunahme von gewerblicher Gütererzeu-
tiefe Stückkosten erzielt werden. Wegen der wegfallen-
gung mit wachsendem Maschineneinsatz in grossge-
den häufigen Umrüstungsnotwendigkeit der Produktions-
werblicher, arbeitsteiliger Produktionsorganisation geprägt
anlagen bietet sich eine Teil-/Automatisierung des Pro-
ist (Gabler Wirtschaftslexikon).
duktionsprozesses an.
Gleichzeitig darf die Kundenperspektive nicht aus dem Fo-
Abbildung 69 demonstriert die Mehrstufigkeit dieser Tren-
kus geraten, damit der Kunde seine Bedürfnisse in seiner
nung von WAS und WIE. Ein Core Service ist die kleinste
eigenen Sprache formulieren kann, ohne sich zuerst mit dem
bestell-, liefer- und verkaufbare Leistungseinheit. Vordefinier-
technischen Hintergrund der Produkte und der dafür not-
te Konfigurationsmöglichkeiten und Optionen erlauben eine
wendigen Infrastruktur auseinandersetzen zu müssen.
gewisse Individualisierung. Die Qualität wird in einem SLA
vereinbart. Ein Service Part ist ein Halbfabrikat, das in einer
«Die Kunden wollen ein
Service-Erlebnis und keine
IT-Komponenten!»
Andreas Hilber, Head of Process Architecture IT & Network Operation,
Swisscom AG
Fertigungsstrasse produziert und in verschiedenen Core
Services wiederverwendet werden kann. Er umfasst personelle Leistungen (Arbeitsaufträge, Prozesse, Stunden) und
techn. Leistungen (HW, SW, Lizenzen etc.). Die Qualität wird
in einem OLA definiert.
Von einem solchen Vorgehen verspricht sich Network & IT
Operations folgende operative Zielsetzungen zu erreichen
Die konsequente Trennung des WAS (Kundenwunsch) und
und dadurch der Koexistenz zwischen Economy of Scale
des WIE (für Kunden Lösung erbringen) ist deshalb eines der
und Economy of Scope optimal begegnen zu können:
Kernprinzipien, um die industrialisierte Fertigung umsetzen zu
–– Economy of Scope: Dank Modularisierung der Produkte
können. Erst ihre Befolgung erlaubt eine konsequente Stan-
wird der Swisscom-Vertrieb befähigt, die Endkunden
dardisierung und damit Economy of Scale zu liefern bei
flexibler, schneller und effizienter zu bedienen und somit
gleichzeitiger Ermöglichung von Economy of Scope. Mit an-
Time-to-Market bei erhöhter Qualität zu senken (Ver-
deren Worten, Modularisierung der Leistungserbringung bei
bundeffekte durch eine gemeinsam genutzte Infrastruktur
gleichzeitiger Standardisierung der Variabilität (Anzahl der
der modularisierten Produkte ermöglichen eine optimierte
Ausprägungen eines einzelnen Moduls).
Servicebereitstellung beim Kunden).
101
102
Fallstudien
Abb. 69
vice- und Produktarchitektur der Grundstein zur industriali-
KERNPRINZIPIEN DER INDUSTRIELLEN FERTIGUNG, TRENNUNG VOM WAS UND WIE
sierten Fertigung gelegt. Die neuen Kataloge sollen zunächst
die IST-Situation spiegeln und die internen Produkte (Halbfabrikate) mit neuen Informationen (wie z.B. Herstellungskosten, Konfigurationsdaten, KPI-Zielwerte, Arbeitspläne (Prozess), Stücklisten (HW, SW…) angereichert werden. Diese
müssen einheitlich erhoben und dargestellt werden, so dass
normalisierte Daten entstehen und auf den höheren Stufen
weiter genutzt werden können.
2. E2E-Prozesse zwischen Produktion und Vertrieb:
Auf der zweiten Stufe werden die modularisierten und katalogisierten Halbfabrikate aus der Produktion den Verkaufseinheiten zur Verfügung gestellt. Die Durchgängigkeit
der Prozesse und die einfachere Handhabbarkeit der informationsreichen Kataloge sollen eine intensive Nutzung
der Kataloge an der Front bewirken, was sich wiederum in
planbaren Auslieferungs- und Herstellungsprozessen und
einer kürzeren Time-to-Market niederschlägt.
–– Economy of Scale: Reduzierte Produktvariabilität ermög-
3. Serviceinventar:
licht Massenproduktion, Prozess-Standardisierung und
Auf der dritten Stufe sollen die effektiv laufenden Service-Ins-
-Automatisierung und eine bessere Steuerung der Be-
tanzen gemäss Verträgen in einem Serviceinventar festgehal-
triebskosten. Dies resultiert in reduzierten Kosten und
ten werden, um einerseits ein konsistentes Inventar der Kon-
gesteigerter Effizienz.
figurationselemente (CI, configuration item) über den Product
Life Cycle entwickeln und benötigte Anpassungen der Infra-
4.5.3 Umsetzung und Wirkung
struktur erkennen zu können. Andererseits ermöglicht ein
In 5 Stufen zur industrialisierten Fertigung
Serviceinventar auch eine kritische Auseinandersetzung mit
Anfangs 2015 (Januar bis März) konzipierte Swisscom Net-
dem bestehenden Produktangebot und seiner Neuausrich-
work & IT Operations ein fünfstufiges Vorgehenskonzept
tung.
(Abbildung 70), welches sie zur industrialisierten Fertigung
führen soll. Jede Stufe baut auf der vorangehenden Stufe
4. Service Monitoring & Service Level und Mengen-
auf, wobei jede Stufe für sich bereits einen Mehrwert er-
Reporting:
bringt.
Ein proaktives Service Level Management hilft, die Herausforderungen der verteilten Produktionsumgebung zu managen.
1. Produktionskataloge für interne Betriebs- & externe Markt-Leistungen:
5. Verrechenbarkeit:
Auf der untersten Stufe wird durch Dekomposition und Ka-
Die durch die Umsetzung der unteren Stufen entstandene
talogisierung der produzierten Services in einer neuen Ser-
Kostentransparenz ermöglicht weitere Effizienzsteigerung.
Business Process Management 2016
Phase 1
Um dabei für alle Produkte gleich vorgehen und die vielfälti-
Im April 2015 begann Swisscom Network & IT Operations
gen Themen gleichwertig behandeln zu können, bedarf es
die unterste Stufe des Vorgehensmodells «Produktionskata-
einheitlicher Merkmalsdefinitionen, Regelwerke und definier-
loge für interne Betriebs- & externe Markt-Leistungen» in ei-
ter Prozesse. Die Swisscom Operations definierte deshalb
ner ersten Phase umzusetzen. Innerhalb von 10 Monaten
10 Prinzipien für die Produktmodellierung:
wurde die gesamte Breite des Produktionsportfolios wie z.B.
Connectivity, Grundinfrastruktur IT-Application oder Multime-
1. Die Funktionen und Leistungen der Produkte ste-
dia mit der anerkannten bE_Methode® einheitlich dekompo-
hen im Zentrum.
niert, zu Services modelliert und als wiederverwendbare, in-
Der Blickwinkel der Leistungsbezüger (das WAS bzw. der
dividualisierbare Standardleistungen im Katalog abgebildet.
Bedarf des Kunden) ist hierfür relevant. Es sollen individuali-
Dieser Katalog bein-haltet vielschichtige Informationen zu:
sierbare Leistungen
–– den enthaltenen Leistungen (HW, SW, Prozessleistun-
tungselement bei gleichzeitiger Standardisierung derer Varia-
gen/Stunden etc.)
–– den wählbaren Funktionen und den möglichen QualitätsLeveln
–– den Herstellkosten (Stücklisten, Arbeitspläne, Lizenzen,
aus einer Modularisierung von Leis-
bilität entwickelt werden, wobei die möglichst hohe
Wiederverwendung von Halbfabrikaten in diesen individuell
zusammengestellten Produkten das Ziel sein soll (vgl. auch
Prinzip Nr. 6).
Volumen wie z.B. Speicherbedarf etc.)
Abb. 70
DIE 5 STUFEN ZUR INDUSTRIALISIERTEN FERTIGUNG
103
104
Fallstudien
2. Koexistenz von Economy of Scope (Servicebereit-
4. End-to-End(E2E)-Governance der Servicearchi-
stellung beim Kunden) & Economy of Scale (individu-
tektur.
alisierter Massenfertigung).
Die E2E-Governance verbindet die teilweise verschiedenen
Durch die Schaffung von Transparenz über heute bereits
Vorgaben aus den unterschiedlichen Portfolios. Sie regelt
produzierte Leistungen und der Entkoppelung des WAS vom
und orchestriert entlang der ganzen Wertschöpfungskette
WIE (Abbildung 72) können individuelle Produkte am Markt
alle relevanten Themen (definiert einheitliche Methoden und
angeboten (Scope) und durch Wiederverwendung beste-
E2E-Prozesse, Begriffe, Merkmale, Regeln & Symbole, Re-
hender Infrastruktur trotzdem in ökonomisch interessanten
leases, Status etc.) und erlaubt es, die richtigen Dinge auch
Massen produziert werden (Scale).
richtig zu tun.
3. Portfolios definieren die Produktverantwortung
5. Entkopplung Katalog & Serviceinventar (Produkt-
(für z.B. Plattformleistungen & interne/externe Markt-
& Angebot-Lebenszyklus).
leistungen bei Organisationen).
Im Katalog werden die bestellbaren Leistungen (mit allen
Um den vielfältigen Bedürfnissen bzw. Sichten innerhalb der
möglichen Funktionen und Ausprägungen) abgebildet, im
verschiedenen Einheiten gerecht zu werden, soll in der Pro-
Serviceinventar dagegen aktive Instanzen (d.h. z.B. Angebo-
duktverantwortung die Entkopplung von WAS und WIE ge-
te und Vertragsentwürfe) hinterlegt.
spiegelt werden. In den Commercial-Portfolios sollen verkaufbzw.
lieferbare
Produkte
für
Endkunden
(WAS),
in
6. Entkopplung von Core Service & Service Part.
Production-Portfolios die für die CFUs (= Customer Facing
Eine durchgehende Methodik bei der Modulierung von Servi-
Units = Vertriebseinheiten der Swisscom) produzier- bzw.lie-
ces und die Entkopplung zwischen der Ebene Core-Service
ferbaren Leistungen bewirtschaftet werden. Um die benötig-
(lieferbare Einheit) und Service Part (Halbfabrikat) schafft die
ten Wertschöpfungstiefen nutzergerecht abbilden zu können,
Grundlage für die individualisierte Wiederverwendung von
können je nach Bedarf mehrere CFUs und mehrere Produc-
Halbfabrikaten bzw. Infrastruktur.
tion-Portfolios definiert werden.
Abb. 71
SERVICES-LEBENSZYKLUS
Business Process Management 2016
7. Entkopplung von Service Level (SLA) & Operatio-
Basierend auf den 10 Prinzipien wurden mithilfe der folgen-
nal Level (OLA) Agreements.
den und weiteren Fragen die internen Produktmanager zu
In der industriellen und verteilten Produktion sollen Vereinba-
den existierenden Services befragt, darauf aufbauend eine
rungen einheitlich, standardisiert und durchgängig getroffen
neue Service- und Produktarchitektur abgebildet, die de-
werden, um interne und externe Kundenbeziehungen
komponierten Services richtigen Ebenen zugeordnet und
(durch SLAs) und interne Leistungserbringungsbeziehun-
erfasst:
gen (durch OLAs) effizient zu «objektivieren» bzw. zu steuern.
–– Welcher Nutzen (Funktionen, Features) soll mit dem
8. Entkopplung von Prozessleistungen, Status & Re-
–– Wie modular (Optionen, Varianten) muss das Produkt
Produkt X beim Kunden erzeugt werden?
leases je Servicearchitektur-Ebene.
Im Produktentwicklungsprozess soll für eine neue Anforderung die Phase «Setup» nur einmalig durchlaufen wer-den,
d.h. Anpassungen werden gleichzeitig auf allen Ebenen ausgelöst. Sobald die Anforderungen aller Ebenen in «ready for
service» sind, wird die Betriebsphase angestossen. Auf diese Weise erfolgt die Evolution von Services in kleinen Schritten durch verschiedene Releases und der Betrieb einer neu-
sein?
–– Welche Service-Level-Zielwerte können vereinbart werden?
–– Welche Teilleistungen können aus anderen Portfolios
oder extern bezogen werden?
–– Wo liegen die Verantwortungsbereiche in der bestehenden Organisation?
–– Können die Service Parts wiederverwendet werden?
en Anforderung kann wiederkehrend aufgenommen bzw. in
beliebig vielen Services wiederverwendet werden.
Ergebnisse Phase 1 «Produktionskataloge für interne
Betriebs- & externe Markt-Leistungen»
9. Entkopplung von Service Management & Produc-
Seit April 2016 sind die neuen Kataloge – konsequent und
tion Management.
strikt methodisch in Portfolios entlang der Wertschöpfungs-
Analog zu Prinzip Nr. 7 müssen das Production Management
kette strukturiert – verfügbar. Sie bilden leistungsorientierte
und das Service Management getrennt und entsprechende
und IT-Stack-unabhängige Servicebäume, wodurch die Port-
Rollen aufeinander abgestimmt werden. Core Services, Ser-
folio-übergreifende Integration von Leistungen sichergestellt
vice Packages & Business Services gehören dabei zum Ser-
wird. Durch die Baumstruktur sind auch die Leistungs- und
vice Management und werden mithilfe von Service Level &
Kosteninformationen einfach aggregierbar.
Mengen Reports gesteuert und überwacht. Service Assets
und Configuration Items werden im Rahmen des Production
Während der Produktmodellierung stellte sich Network & IT
Management mithilfe von Operation Level Reports gesteuert
Operations die Frage, ob alle potenziell möglichen Ausprä-
und überwacht.
gungen der Leistungen und Infrastruktur (z.B. alle Typen von
Betriebsservern) analysiert und abgedeckt werden sollen. Es
10. Financial, Quality & Capacity Controlling (Men-
wurde bewusst entschieden, nicht alle Details im ersten
gen, Kosten, Qualität, Umsätze).
Schritt aufzunehmen, sondern schnell die Gesamtbreite des
Im Bereich Service Management werden Kennzahlen zu
Portfolios abzudecken und allfällige Lücken im Gebrauch zu
E2E-Verfügbarkeit von Systemen und deren Performance, im
bereinigen.
Bereich Production Management Kennzahlen für die Infrastruktur- und Plattformverfügbarkeit ausgewiesen und über-
Erste positive Ergebnisse stellten sich bereits während der
prüft.
Erstellung des Kataloges ein. So fragten die Produktmanager
105
106
Fallstudien
«Die Produktkataloge liefern die
Grundlage für die
industrialisierte Fertigung.»
Andreas Hilber, Head of Process Architecture Network & IT Operations,
Swisscom AG
4.5.4 Fazit
Die vorliegende Fallstudie zeigt das Vorgehen und
die Erfahrungen der Swisscom Network & IT Operations bei der Standardisierung ihrer Leistungen
und der Entwicklung einer neuen Service- und Produktarchitektur. Getrieben durch die steigende
Komplexität der Produkte und die wachsenden
Qualitätsanforderungen der Kunden, welche die
bereits in dieser Phase nach den standardisierten Produkten
Betriebskosten erhöhen, galt es, bei gleichzeitiger
nach, was ein wichtiger Beitrag und gewünschter Effekt für
Erhöhung der Qualität Kosten zu reduzieren und
die Wiederverwendung von bestehenden Leistungen ist.
die Effizienz zu steigern. Inspiration holte sich
Swisscom aus der herstellenden Industrie und ori-
Nächste Schritte
entierte sich an der individualisierten Massenpro-
Die erste Projektphase («Produktkataloge für interne Be-
duktion (industrialisierten Fertigung). Um das lang-
triebs- & externe Markt-Leistungen») erreichte mit der Bereit-
fristige Ziel, «leading-edge ICT Provider» zu
stellung normalisierter Servicedaten den angestrebten Sta-
erreichen, wurden fünf Stufen definiert, die einen
tus, der notwendig ist, um in die zweite Projektphase
Rahmen für eine Einführung in Phasen und für den
(End-to-End-Prozesse zwischen Produktion und Vertrieb)
Einsatz und die kontinuierliche Verbesserung die-
überzugehen.
ser Methode im täglichen Betrieb bilden.
Im April 2016 hat Swisscom Network & IT Operations diese
Mit der Umsetzung der ersten Phase wurde der Grundstein
zweite Phase gestartet. Im Fokus stehen die Durchgängig-
für die Einführung der industrialisierten Fertigung gelegt. Eine
keit, Standardisierung und Automatisierung der datengetrie-
neue Produkt- und Servicearchitektur wurde entwickelt, Ser-
benen End-to-End-Prozesse und die deutliche Vereinfa-
vices dekomponiert und als wiederverwendbare, individuali-
chung der Katalognutzung für die Mitarbeitenden (interne
sierbare Standardleistungen in transparenten, homogenen
Leistungsbezüger) durch die Realisierung einer internen On-
und entlang der Wertschöpfungskette strukturierten Katalo-
line-Shop-Lösung. Damit soll die Wiederverwendung der
gen abgebildet. Dies wurde insbesondere durch die konse-
Katalogelemente erhöht werden.
quente Trennung des WAS und des WIE bzw. die Entkopplung von Produkt- und Produktionssicht (Abbildung 72)
ermöglicht und auf verschiedenen Ebenen appliziert Die dabei entstandenen normalisierten Daten bilden die Voraussetzung, um die weiteren Stufen der Transformation in Angriff
nehmen zu können.
Gleichzeitig wurden Prinzipien und Methoden entwickelt, die
nach der erstmaligen Ist-Aufnahme und -Abbildung der Produkte auch weiterhin eingesetzt werden, um die Kataloge
aus der Projekt- in die Betriebsphase zu überführen und ihre
künftige aktive Bewirtschaftung sicherzustellen. Dadurch
wird sich auch der Bereitstellungsprozess verändern, der bis
dato einen starken Projektcharakter aufwies.
Business Process Management 2016
Abb. 72
GESAMTÜBERSICHT ZIELE, VORGEHEN, LÖSUNGSANSATZ
Abb. 73
ERFOLGSFAKTOREN
107
108
Fallstudien
Die Wirkung der bereits erreichten Änderungen quantifiziert
Swisscom Network & IT Operations mit einer Effizienzsteigerung von drei bis fünf Prozent. Erhöht wurde auch die Akzeptanz der internen Leistungsbezüger, die die Transparenz der
Servicekomponenten sehr schätzen und diese bewusst und
gezielt anwenden. Nun gilt es, diesen «Spirit» weiter zu tragen und alle Mitarbeitenden vom Nutzen des Kataloges zu
überzeugen. Die wichtigsten Faktoren, die zu diesem Erfolg
geführt haben, fasst die Abbildung 73 zusammen.
«Hard ist soft und soft ist hard
– erfolgreiches Katalogmanagement setzt eine Kulturveränderung mit motivierten
Mitarbeitenden voraus.»
Andreas Hilber, Head of Process Architecture, Network & IT Operations,
Swisscom AG
Einbettung in das Studienframework – Kundennutzen durch digitale Transformation?
duktion von Komplexität macht die Infrastruktur nicht nur für
Network & IT Operations beherrschbarer und effizienter, son-
Im Unterschied zu Unternehmen in manch anderen Bran-
dern macht sie auch transparenter und begreifbarer für die
chen, die über Relevanz und Fokus der Digitalisierung noch
Leistungsbezieher. Verfügbare Produkte, deren Leistungs-
nachdenken, ist sie für Swisscom Kerngeschäft. Dem Be-
umfang und Herstellkosten sind aus den Katalogen rasch
trieb einer Netzwerk- und IT-Infrastruktur, deren Zweck es ist,
ersichtlich und auswählbar.
Geschäfts- und Privatkunden, Partnern und Mitarbeitenden
«das Beste in der vernetzten Welt – immer und überall» zu
Produkt- & Service Innovation: Time-to-Market
bieten» (Swisscom AG, 2015), kommt dabei zweifelsfrei eine
Standardisierung und Zugänglichkeit bewirken, dass Leistun-
Schlüsselrolle zu. In diesem Sinne stellt die Swisscom-Stra-
gen, aufgrund ihrer Eigenschaften schneller abgerufen wer-
tegie 2020 die Ziele «beste Erlebnisse bieten» und «beste
den können. Die Entwicklung neuer Produkte und Services
Infrastruktur bauen» auf eine Ebene. Das eine ist ohne das
wird beschleunigt, da bestehende Komponenten wiederver-
andere nicht möglich. Die vorliegende Fallstudie macht die-
wendet werden können, anstatt bei jedem Bedarf Anforde-
sen Wirkungszusammenhang deutlich. Sie zeigt auf, dass
rungen aufs Neue zu spezifizieren.
ein effizienter und hochstandardisierter IT-Betrieb nicht nur für
Operational & Service Excellence steht, sondern sich auch
Operational Service Excellence: Economies of scale
auf die Fähigkeit, Produkte und Services rasch zu innovieren
& scope
und auf das Kundenerlebnis auswirkt.
Durch die Wiederverwendbarkeit nach dem Vorbild der Halbfabrikate in der industriellen Fertigung werden Skaleneffekte
Die Fallstudie deckt somit ein breites Spektrum an Aspekten
erzielt (drei bis fünf Prozent realisierte Effizienzsteigerung).
aus dem Studienframework ab, die in Abbildung 74 gekenn-
Leistungsbreite und Leistungstiefe sind aus Kundensicht er-
zeichnet und nachfolgend ausgeführt sind:
höht, da die Produktkataloge ein grosses Spektrum an individuell kombinierbaren Produkten integrieren.
Mit welcher Zielsetzung und mit welcher Wirkung
wird digital transformiert? Welcher Kundennutzen
Was wurde bzw. wird digital transformiert?
wird angestrebt bzw. wurde bereits realisiert?
Business Model: «Produkt- und Service-Modelle»
Kundennutzen: Transparenz & Zugänglichkeit
Swisscom Network & IT Operations hat sich mit den angebo-
Die Fallstudie zeigt, dass Prinzipien wie Konsistenz und Ein-
tenen Produkten und Dienstleistungen auseinandergesetzt
fachheit für Swisscom nicht nur für die Gestaltung von End-
und in einer Produkt- und Servicearchitektur neu strukturiert.
nutzerdiensten gilt, sondern auch für den IT-Betrieb. Die Re-
Grundprinzip der Produktmodellierung ist die Frage «Was er-
Business Process Management 2016
hält der interne oder externe Kunde an nutzbaren Leistungen?» («Know-Your-Product»).
Business Operations:
Mit dem beschriebenen 5-Stufen-Konzept werden die kritischen Geschäftsfähigkeiten, die Swisscom Network & IT
Operations als «leading-edge ICT Betrieb mit internationaler
Reputation» anstrebt (Produktkataloge, durchgängige Prozesse, Serviceinventar, Service Engine etc.), definiert, schrittweise umgesetzt und kontinuierlich verbessert («Know-YourCapabilities»)
Wie und wodurch wird transformiert? (Technologieeinsatz, Elemente der Prozessdigitalisierung)
Produktdaten und Automatisierung:
Mit den Produktkatalogen, die die Services (Hardware, Software und Prozessleistungen) dekomponiert, standardisiert
und einheitlich abbildet, wurde die Grundlage für automatisierte und datengetriebene Serviceprozesse geschaffen. Der
nächste Schritt – Automatisierung durchgängiger Prozesse
– wurde gestartet.
Online Shop:
Die Interaktion mit Swisscom-internen Leistungsbezügern
wird in Phase 2 durch die Bereitstellung der Kataloge in einem internen Online-Shop realisiert. Dies ist ein erster Schritt,
um automatisierte Produktion in durchgängige End-to-EndProzesse zu integrieren.
109
110
Fallstudien
Abb. 74
SWISSCOM-FALLSTUDIE IM KONTEXT DES STUDIENFRAMEWORKS
Business Process Management 2016
5. Fazit
5.1 STATUS QUO «KUNDENNUTZEN DURCH
Die digitale Transformation ist nicht nur ein mediales Phäno-
DIGITALE TRANSFORMATION»: FAZIT AUS DER
men, sondern zeigt sich sehr konkret in einer Vielzahl von
ONLINE-BEFRAGUNG
Massnahmen und Aktivitäten in den Unternehmen. Dabei wen-
Welche Rolle spielt das Prozessmanagement als
den sie sich keinesfalls nur der «Sonnenseite» der Digitalisie-
Gestaltungselement der digitalen Transformation?
rung in Form mobiler Applikationen oder technologischer Gad-
Ziel der quantitativen Online-Befragung war es, den
gets zu, sondern befassen sich intensiv mit Defiziten in der
Status quo des Methoden- und Werkzeugeinsatzes
Durchgängigkeit ihrer Prozesse und mit der Modernisierung
innerhalb und an den Schnittstellen der drei Wir-
ihrer Arbeitsplätze. Das fachliche und technische Prozessma-
kungsfelder «Prozessmanagement – Kundennutzen
nagement ist also gefordert, aber das volle Potenzial für die
– Digitalisierung» zu erheben und daraus Erkenntnis-
Maximierung des Kundennutzens ist noch nicht ausgeschöpft.
se über die Bereitschafft des Prozessmanagements
Die Erkenntnisse aus der quantitativen Online-Befragung (Ab-
für den digitalen Wandel abzuleiten.
bildung 75) führen zu folgendem Fazit:
STRATEGISCHE AUSRICHTUNG DES PRO-
gegeben, wenn Unternehmen digitale Kanäle optimie-
ZESSMANAGEMENTS – KUNDENZENTRISCH
ren oder erweitern. 44 % der Unternehmen geben an,
UND TECHNOLOGIENAH?
keine Methoden einzusetzen, um Prozesse vom und
Transparenz ist immer noch die wichtigste Motivation für
zum Kunden, das heisst Front-to-Back, durchgängig
das Prozessmanagement. Doch Kundenzufriedenheit ge-
zu realisieren. Dies lässt befürchten, dass viele der ak-
winnt an Relevanz und wird ähnlich hoch priorisiert wie Effi-
tuell im Rahmen von Digitalisierungsinitiativen realisier-
zienz, die mehr als 80 % der Unternehmen als Zielsetzung
ten Front-End-Lösungen ohne durchgängige Anbin-
nennen, aber nur noch rund ein Viertel der Unternehmen
dung an die Back-End-Systeme bleiben und zu Silos
als höchste Priorität des Prozessmanagements betrachtet.
werden. Die flexible oder gar individuelle Anpassung
Unternehmen nutzen die durch das Prozessmanagement
von Prozessen an den Kundenkontext ist im Zeitalter
gewonnene Transparenz zumindest punktuell, um für die
der «Customer Experience» noch keinesfalls Alltag.
Kundenzufriedenheit kritische Prozesse, Standardisie-
27 % der Unternehmen setzen keinerlei Methoden für
rungs- und Automatisierungspotenzial oder Digitalisie-
die Flexibilisierung ihrer Prozesse ein. Wenn sie es tun,
rungspotenzial für schwach strukturierte Prozesse oder
dann kommen in Form von Geschäftsregeln etablierte
Kundeninteraktionen zu identifizieren. Systematisch genutzt
Technologien zum Einsatz, die für komplexe, aber gut
werden diese Analysen jedoch von weniger als einem Drit-
formalisierbare Anwendungsfälle greifen. Innovativere,
tel der befragten Unternehmen. Für das Prozessmanage-
wissensbasierte und selbstlernende Methoden wie bei-
ment besteht also durchaus noch Potenzial, stärkere Im-
spielsweise Adaptive Case Management, die auch
pulse
schwach strukturierte und wissensintensive Prozesse
für
die
Digitalisierung
und
kundenorientierte
Gestaltung der Prozesse zu setzen.
digitalisieren könnten, fristen hingegen weiterhin ein
Schattendasein. Erfreulich ist der vermehrte Einsatz
PROZESSDIGITALISIERUNG – DURCHGÄNGIG
von Ad-hoc-Workflows im Vergleich zum Vorjahr, da sie
UND FLEXIBEL?
Prozessbeteiligten mehr Freiheit für die Ausgestaltung
Medienbrüche gehören immer noch zum Alltag in Un-
konkreter Prozessinstanzen in schwach strukturierten
ternehmen. Durchgängigkeit ist auch nicht unbedingt
Prozessen geben.
111
112
Fazit
DIGITALE TRANSFORMATION – FRONT-END
te, Dienstleistungen oder Interaktionsformen vor der
VERSUS BACK-END, STRATEGISCH VERSUS
Markteinführung systematisch. Mehr als die Hälfte der
OPPORTUNISTISCH?
Unternehmen setzen Customer Journeys ein, 18 % be-
Die Hypothese, dass sich Unternehmen aktuell vor allem
reits systematisch.
den medienwirksamen Front-End-Themen der Digitalisierung widmen, hat sich nicht bestätigt. Unternehmen haben
KUNDENPERSPEKTIVE – WAS LEISTEN PRO-
offensichtlich erkannt, dass sie sich zunächst den zuneh-
ZESSLANDKARTEN UND -MODELLE?
mend dringlichen Durchgängigkeitsdefiziten ihrer Prozesse
Obwohl Kundenzufriedenheit ein hoch priorisiertes Ziel
zuwenden müssen (88 %), bevor sie die «digitalen Tore» zum
des Prozessmanagements ist, werden Prozesslandkar-
Kunden aufstossen können. Auch die Schaffung innovativer
ten, die zentralen Kommunikationsinstrumente des strate-
digitaler Arbeitsplätze geniesst Vorrang (86 %). Entweder re-
gischen Prozessmanagements, von weniger als einem
agieren Unternehmen auf den Druck einer neuen Generation
Drittel der Unternehmen genutzt, um Kundenbedarf und
von Mitarbeitenden oder sie sehen Mobilität und moderne
Kundenbeziehungen zu visualisieren. Die konsequente
Kollaboration als Voraussetzung für eine bessere Interaktion
End-to-End-Ausrichtung zeigt sich nur bei 18 % der Pro-
mit Partnern und Kunden. Innovation und Customer Experi-
zesslandkarten. 30 % der Unternehmen räumen ein, Pro-
ence treten dabei jedoch nicht in den Hintergrund. Unter-
zesse ausschliesslich aus der internen Perspektive zu
nehmen arbeiten intensiv an digital erweiterten (81 %) oder
modellieren. Dass Prozessmodelle damit bedingt einsetz-
neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen (72 %) und
bar sind, um Prozessverantwortliche und Prozessbeteilig-
investieren in neue Technologien an der Schnittstelle zum
te bei der kundenorientierten Optimierung von Prozessen
Kunden (z.B. Mobile, IoT, Social Media) oder experimentie-
zu unterstützen liegt auch daran, dass kaum Details zu
ren zumindest mit diesen (77 %). KMUs sind leicht zurückhal-
den Kundeninteraktionen hinterlegt werden und auch die
tender bei technologie- und kostenintensiven Themen, wie
für die Kundenbeziehung kritischen Aktivitäten und Inter-
der Optimierung der User Experience, Big Data oder einer
kationen nicht speziell gekennzeichnet werden.
service-orientierten Architektur. Die Frage, ob diese Aktivitäten opportunistisch oder top-down von einer unternehmens-
KUNDENDATEN – GRUNDLAGE FÜR DIE PRO-
weiten digitalen Strategie getrieben sind, lässt sich aktuell
ZESSOPTIMIERUNG UND FLEXIBLE PROZESS-
nicht abschliessend beantworten. Nur 14 % der Unterneh-
AUSFÜHRUNG?
men haben eine digitale Transformationsstrategie, aber wei-
Obwohl Unternehmen Kundendaten ausgeprägt sam-
tere 44 % geben an, an einer solchen zu arbeiten oder zu-
meln und auswerten, werden sie für die Prozessgestal-
mindest eine solche in Betracht zu ziehen.
tung und -ausführung noch nicht umfassend genutzt. Nur
etwa ein Drittel der Unternehmen nutzt Kundendaten für
KUNDENBEDÜRFNISSE – FRAGEBOGEN ODER
die kundenorientierte Prozessoptimierung und -gestal-
CUSTOMER JOURNEY?
tung. Nur 19 % nutzt Kundendaten, um Prozesse in Echt-
Klassische retrospektive und quantitative Methoden, um
zeit zu flexibilisieren. Eine Ursache könnte in der noch
Kundenbedürfnisse zu erheben, wie die Auswertung von
nicht optimal ausgeprägten Integration der CRM-Systeme
Reklamationen,
oder
in die Prozessausführung liegen. In Sachen Datenherr-
Kundenzufriedenheitskennzahlen sind immer noch domi-
Kundenzufriedenheitsumfragen
schaft spüren die Unternehmen grösstenteils noch keinen
nant. Methoden, die darauf ausgerichtet sind, Kundenbe-
Druck, die Transparenz und Mitbestimmungsmöglichkei-
dürfnisse frühzeitig zu erheben, gewinnen aber durchaus
ten ihrer Kunden über das gesetzliche Mindestmass hin-
an Relevanz. 25 % «prototypen» oder testen neue Produk-
aus zu erweitern.
Business Process Management 2016
Abb. 75
ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE DER QUANTITATIVEN ONLINE-BEFRAGUNG
113
114
Fazit
5.2. ERFOLGSMUSTER: «KUNDENNUTZEN DURCH
eintägige Praxisworkshop mit fünf Unternehmen einen ver-
DIGITALE TRANSFORMATION» – FAZIT AUS DEN
tieften Einblick in verschiedene Anwendungsszenarien
FALLSTUDIEN
und Lösungsansätze. Die Interviews mit den Firmenvertre-
Welchen Beitrag kann das Prozessmanagement –
tern im Vorfeld des Workshops, die Präsentationen und
über Standardisierung und Effizienzsteigerung hin-
Diskussionen im Workshop sowie die Analyse und Aufbe-
aus – für die Gestaltung des technologischen Wan-
reitung der Fallstudien im Anschluss (Kapitel 4) schärften
dels und die Maximierung des Kundennutzens
nicht nur die Hypothesen, sondern erlauben Rückschlüs-
leisten? Welche Rolle spielt dabei die Digitalisie-
se auf mögliche Erfolgsmuster für den Einsatz des Pro-
rung von Prozessen und Kundenerlebnissen?
zessmanagements als Hebel für den digitalen Wandel. Die
identifizierten Erfolgsmuster, eingeordnet in das Rahmen-
Während die Ergebnisse der Online-Befragung ein rein
werk der Studie (Kapitel 2) sind nachfolgend zusammen-
quantitatives Bild vom Status quo vermitteln, erlaubte der
gefasst.
KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANS-
–– Betreten Unternehmen mit der Digitalisierung einer
FORMATION?
Dienstleistung Neuland (AMAG Leasing, eUm-
–– Externe und interne Kunden mit neuen digitalen oder
zugZH), braucht es hingegen andere Ansätze. In
digital erweiterten Produkten, Dienstleistungen und
diesen Fällen führt die frühzeitige Einbeziehung der
Interaktionsmöglichkeiten zu überzeugen, gelingt
Kundenperspektive zum Erfolg. Kundenbedürfnisse
Unternehmen immer noch, indem sie offensichtliche
lediglich anzunehmen und in Anforderungen zu
Defizite beziehungsweise Optimierungspotenziale
formulieren, genügt in diesen Fällen nicht. Inter-
erkennen und adressieren. Kürzere Reaktionszeiten,
views zu Haltungen und Erwartungen, Prototyping
im Idealfall Echtzeit-Reaktionen und mehrstufige Pro-
und Testen verschiedener Szenarien mit Kunden,
zesse oder Wege, die entfallen (eUmzugZH, AMAG),
bevor ein digital erweitertes oder vollständig digitali-
oder eine verbesserte Service- und Beratungsqualität
siertes Angebot finalisiert und eingeführt wird, stellt
durch die optimierte Verfügbarkeit von Informationen
sicher, dass Einstiegspunkte, Prozesse und Ober-
(Swiss Re), mögen keinen «Wow-Effekt» erzeugen,
flächen bedarfsgerecht und intuitiv gestaltet wer-
werden von Kunden in allen untersuchten Fallstudien
den.
aber geschätzt und noch nicht als selbstverständlich
empfunden. Möglich ist dies immer dann, wenn durch
–– Die Reduktion von Komplexität steht im Mittelpunkt
diese Optimierungen für Kunden ein relativer Nutzen
von Initiativen, die in erster Linie auf Effizienzsteige-
im Vergleich zu Erfahrungen in der Vergangenheit oder
rung aus interner Perspektive ausgerichtet sind. In
mit anderen Dienstleistungen oder Anbietern entsteht.
der Wirkung zeigt sich jedoch, dass auch Kunden
Kundennutzen als relative Grösse anzuerkennen, hilft
von Standardisierung und Harmonisierung profitie-
Unternehmen, auch ihre digitalen Transformationsakti-
ren, indem Leistungen, einfacher zugänglich, trans-
vitäten zu relativieren, das heisst, abhängig von Reife-
parenter und verständlicher werden (Vontobel,
grad einer Branche oder eines Marktes pragmatisch
Swisscom). Einfachheit und Konsistenz erzeugen
vorzugehen und in einem ersten Schritt naheliegende
Kundennutzen und lassen sich als Erfolgsmuster
spürbare Verbesserungen für Kunden zu realisieren.
auch auf externe Kunden anwenden.
Business Process Management 2016
DURCHGÄNGIGE PROZESSE FÜR OPERATIONAL
Potenziale erkannt, können sich Geschäftsbereiche
& SERVICE EXCELLENCE
oder -funktionen neu positionieren und ihre Rolle in der
–– Positive Kundenerlebnisse entstehen, wenn Prozesse
Organisation beziehungsweise der Wertschöpfungs-
durchgängig sind. Gleichzeitig lieferten Defizite in der
kette verändern (AMAG, Vontobel).
Durchgängigkeit der Prozesse in allen vorliegenden
Fallstudien überzeugende Business Cases für die digitale Transformation.
–– Moderne und intuitive digitale Arbeitsplätze sind wichtige Voraussetzungen für Unternehmen, deren Strategien auf die Erschliessung neuer Märkte und Kunden-
–– Synchrone Kommunikation mit Kunden in digitalen
segmente ausgerichtet sind (Swiss Re, Vontobel).
Kanälen zeichnet überzeugende Online-Angebote aus,
Neue, häufig global verteilte Mitarbeitende sind so
die Kunden ohne Verzögerung und in einem Schritt die
rasch produktiv und können in global harmonisierten
gewünschten Leistungen bereitstellen (AMAG, eUm-
Prozessen und Instrumenten kollaborieren und Kun-
zugZH). Dies setzt jedoch ein hohes Mass an Automati-
den bedienen. Unternehmen, die den digitalen Ar-
sierung, implementierter Geschäftslogik (z.B. durch
beitsplatz auf diese Weise innovieren, finden das opti-
Geschäftsregeln), hohe Datenqualität und Integration im
male Mass an Standardisierung und Flexibilisierung,
Back-End voraus (Amag, Swiss Re). Interne Kunden
um Wissensarbeitende von Routinearbeiten zu entlas-
und Supportprozesse sind dabei nicht zu vernachlässi-
ten und in ihren Entscheidungen zu unterstützen.
gen. Ist es Unternehmen gelungen, diese bereits durchgängig zu digitalisieren, können die Erfahrungen und
–– Auch die Standardisierung in Bereitstellungsprozessen
Infrastrukturen als Grundlage für überzeugende Service-
kann Produkt- und Service-Innovationen unterstützen,
prozesse auch für externe Kunden dienen (Vontobel).
indem sie die Time-to-Market verkürzt (Swisscom).
Dabei wenden Unternehmen Ansätze aus der industri-
–– Integration ist ein Erfolgsschlüssel in allen vorliegenden
ellen Fertigung nicht nur auf Prozesse, sondern auch
Fallstudien. Gelingt es CRM-Systemen oder Kundenda-
auf Produkte und Dienstleistungen an. Resultate sind
tenbanken, interne und externe Systeme, Datenquellen
Produkt- und Dienstleistungskataloge mit einer gro-
und Ablagen auf effiziente Art und Weise zu integrieren,
ssen Leistungsbreite und -tiefe, aus denen im Bau-
beschleunigt dies die Implementierung durchgängiger
kastenprinzip Leistungen individuell kombiniert und
Prozesse. Service-orientierte Architekturen (AMAG,
bezogen werden können.
eUmzugZH) und plattformbasierte Ansätze über BPMLösungen (Swiss Re) stellen effiziente und unterneh-
–– Plattformen, die Partner vernetzen, um neue Dienst-
mensweite Grundlagen für die Prozessintegration zur
leistungen und Produkte zu erbringen und durchgängi-
Verfügung.
ge Prozesse über die Unternehmensgrenzen hinaus
mit Partnern in der Wertschöpfungskette ermöglichen,
PRODUKT- & SERVICE-INNOVATIONEN BEFÄHIGT
können das Geschäftsmodell erweitern oder verän-
DURCH EIN DIGITALISIERTES RÜCKGRAT
dern. Im öffentlichen Sektor lassen sich die Ergebnisse
–– Unternehmen, die Prozesse im Back-End bereits
solcher E-Government-Innovationen in Referenzmo-
durchgängig digitalisiert haben, können Innovations-
dellen abbilden und so deren flächendeckende Aus-
chancen im Front-End rascher ergreifen und sich so
dehnung für die Bevölkerung beschleunigen (eUm-
Wettbewerbsvorteile sichern (AMAG). Werden solche
zugZH).
115
116
Fazit
Abb. 76
KUNDENNUTZEN DURCH DIGITALE TRANSFORMATION? – FAZIT
Business Process Management 2016
5.3 BPM QUO VADIS? – PROZESSMANAGEMENT
digitalisierung systematisieren und deren nahtlose Spezifizie-
ALS GESTALTUNGSHEBEL DER DIGITALEN
rung in implementierungsfähige Use Cases beschleunigen. In
TRANSFORMATION
diesem Modus kann das Prozessmanagement auch Impulse
für das Innovationsmanagement in interdisziplinären Teams
Bietet das Hype-Thema «digitale Transformation» die
geben.
Licht zu betrachten? So lautete die Eingangsfrage
Flexibel und transparent – «Data-Centric BPM»
Chance, Prozessmanagement in einem ganz neuen
der BPM-Studie 2016. Der Beitrag, den das Prozess-
management zur Gestaltung des digitalen Wandels
leisten kann, ist unbestritten. Isoliert sind die damit
verbundenen Herausforderungen jedoch nicht zu
bewältigen. Das Prozessmanagement muss sich aktiv mit den Paradigmen, Methoden und Werkzeugen
anderer Managementdisziplinen auseinandersetzen.
Gelingt es Synergien mit den Kräften des Innovationsmanagements, Enterprise Architecture Manage-
ments, Wissensmanagements und Customer Experience Managements zu nutzen, können Chancen,
aber auch Grenzen der Prozessdigitalisierung sehr
Bereits in der BPM-Studie 2015 zum Thema «Prozessintelligenz» wurde die schwach ausgeprägte Nutzung operativer
Prozessdaten in Unternehmen thematisiert. Die diesjährige
Studie bestätigt dieses Defizit in Bezug auf die Nutzung von
Kunden- und Bewegungsdaten für die Optimierung und Flexibilisierung von Prozessen. Reaktionsfähigkeit in Echtzeit
bedeutet hohe Anforderungen and die Daten- und Prozessintegration. Das fachliche und operative Prozessmanagement
kann wertvolles Wissen über Kunden nur nutzen, wenn es
Kompetenzen mit den Disziplinen Business Intelligence und
Data Governance bündelt. Nicht ausser Acht gelassen werden darf dabei der Anspruch der Kunden auf eine selbstbe-
viel wirksamer ausgelotet werden.
stimmte und transparente Haltung und Nutzung der Daten.
Technologienah und strategisch – BPM und Ge-
Wissenbasiert und intuitiv – «Employee-Centric BPM»
schäftsarchitekturen als Impulsgeber
Die Schaffung innovativer und attraktiver «Digital Workplaces»
Transparenz und Effizienz sind die etablierten Gradmesser
ist ein aktuell intensiv bearbeitetes Aktionsfeld von Unterneh-
für die Wirksamkeit des Prozessmanagements. Unterneh-
men im Kontext der digitalen Transformation. Einerseits haben
men, die bereits über ein strategisch ausgerichtetes, unter-
Unternehmen also erkannt, dass moderne Arbeitsplätze eine
nehmensweites Prozessmanagement sowie Prozessland-
wesentliche Voraussetzung für modernes und kundenorien-
karten verfügen, können diese wertvolle Ausgangsbasis
tiertes Arbeiten darstellen. Andererseits fristen selbstlernende
nutzen, um Digitalisierungspotenziale systematisch zu iden-
Methoden (z.B. Adaptive Case Management), die Wissens-
tifizieren. Voraussetzung ist eine enge Verzahnung der Pro-
arbeitende im Push-Modus mit relevanten Informationen und
zessarchitektur und -modelle mit der Geschäfts- und Infor-
Handlungsalternativen versorgen, immer noch ein Schatten-
mationssystemarchitektur. Die konzertierte Modellierung von
dasein. Will das Prozessmanagment einen Beitrag zur Unter-
Prozessen, Geschäftsfähigkeiten, Rollen, Stakeholdern,
stützung wissensintensiver Prozesse und attraktiver digitaler
Zielen bis hin zu Geschäftsobjekten und Business Services
Arbeitsplätze leisten, muss es den Horizont über die Automa-
im Kontext des Enterprise Architecture Management kann
tisierung standardisierter Prozesse hinaus in Richtung Know-
die Identifikation relevanter Business Cases für die Prozess-
ledge Management und Künstliche Intelligenz erweitern.
117
118
Fazit
Perspektivenwechsel – «Customer-Centric BPM»
Unternehmen setzen zunehmend Methoden ein, um Kundenerlebnisse zu verbessern und Kundenbedürfnisse frühzeitig
in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einzubeziehen. Die konsequente Einnahme der Kundenperspektive ist bei der Entwicklung von Personas oder Customer
Journeys selbstverständlich. Das Prozessmanagement hingegen enwirft und optimiert Prozesse in der Regel aus rein
interner, operativer Perspektive. Herausragende Kundenerlebnisse bedingen jedoch sowohl eine optimale Gestaltung
der Customer Touchpoints als auch durchgängige Prozesse.
Die Potenziale eines Zusammenwirkens von Prozessmanagement und Marketing sowie Customer Experience Management gilt es daher zu nutzen, unter anderem um besser
abzuschätzen, wann und wo Prozessdigitalisierung den Kundennutzen erhöhen oder gar minimieren oder zerstören kann.
Abb. 77
BPM QUO VADIS? ENTWICKLUNGSPOTENZIALE IM KONTEXT DES DIGITALEN WANDELS
Business Process Management 2016
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Business Process Management 2016
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Definitionen für Digitale Transformation
6
Abb. 2: Forschungsfragen
Abb. 3: Vorgehen zur Konzeption und Durchführung der Studie
11
Abb. 4: Thematisches Rahmenwerk der BPM-Studie 2016
13
Abb. 5: Digitale Transformation - Wozu und für wen?
14
Abb. 6: Digitale Transformation - Was wird transformiert?
15
Abb. 7: Digitale Transformation - Wie und womit? (Formen der Prozessdigitalisierung)
16
Abb. 8: Unterforschungsfragen für die 6 Themenbereiche
17
Abb. 9: Teilnehmende nach Grösse des Unternehmens (KMU vs. Grosse Unternehmen)
18
9
Abb. 10: Strategische Ziele des Prozessmanagements
19
Abb. 11: Strategische Ziele des Prozessmanagements - priorisiert
20
Abb. 12: Strategische Ziele des Prozessmanagements – «1. Priorität» nach Unternehmensgrösse
20
Abb. 13: Potenzialanalysen für die Unterstützung strategischer Entscheide
21
Abb. 14: Prozessmanagement-Mittel für strategische Entscheidungsunterstützung –
«systematisch & gelegentlich» nach Unternehmensgrösse
22
Abb. 15: Medienbrüche im Unternehmensalltag
23
Abb. 16: Medienbrüche im Unternehmensalltag – «Nie» nach Unternehmensgrösse
24
Abb. 17: Einsatz technischer Methoden für durchgängige Prozesse vom und zum Kunden
25
Abb. 18: Einsatz von Methoden für flexible und kontextsensitive Prozesse
26
Abb. 19: Aktionsfelder der digitalen Transformation
27
Abb. 20: Aktionsfelder der digitalen Transformation – «umgesetzt oder angestrebt oder evaluiert» nach Unternehmensgrösse
26
Abb. 21: Reaktionen der IT auf den unternehmerischen und technologischen Wandel
29
Abb. 22: Ausprägung der Kundenorientierung
30
Abb. 23: Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen Kunden
31
Abb. 24: Methoden für die Erhebung der Bedürfnisse von externen und internen Kunden –
«systematisch oder gelegentlich» nach Unternehmensgrösse
33
Abb. 25: Visualisierung von Kundeninteraktionen und –bedarf in Prozessmodellen und -landkarten
34
Abb. 26: Visualisierung von Kundeninteraktionen in Prozesslandkarten
35
Abb. 27: Visualisierung von Kundeninteraktionen in einzelnen Prozessmodellen
36
Abb. 28: Nutzung der «Customer Journey»-Erkenntnisse für die kundenorientierte Prozessgestaltung/-optimierung
36
Abb. 29: Nutzung der «Employee Journey»-Erkenntnisse für mitarbeiterorientierte Prozess-Gestaltung/-Optimierung
37
Abb. 30: Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion
38
Abb. 31: Aktivitäten zur Gestaltung der Kundeninteraktion – «systematisch oder punktuell» nach Unternehmensgrösse
39
Abb. 32: Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten
40
Abb. 33: Quelle und Regelmässigkeit der Erhebung von Kundendaten – nach Unternehmensgrösse
41
Abb. 34: Verbreitung und Einsatzweise von CRM-Systemen
41
Abb. 35: Nutzung von Kundendaten
42
Abb. 36: Nutzung von Kundendaten nach Unternehmensgrösse
43
Abb. 37:
Einflussmöglichkeiten der Kunden auf die Datenhaltung («Unsere Kunden …»)
43
Abb. 38:
Die Fallstudien im Überblick 45
Abb. 39:
Online-Leasing Rechner (www.amag.ch)
48
Abb. 40:
Online-Leasingzertifikat (www.amag.ch)
49
Abb. 41:
Auswirkungen nicht GwG/GwV-Finma-konformer Identitätsdokumente auf den Leasingprozess
50
121
122
Abbildungsverzeichnis
Abb. 42:
Zielsetzung - Online-Bewilligung
52
Abb. 43:
Vorgehen und Inhalte der Phasen
54
Abb. 44:
Phase 1 - Backend-Prozess und Prototyp
54
Abb. 45:
Phase 2 – Online-Bewilligung
55
Abb. 46:
Folgephase - Online-Absatz
55
Abb. 47:
Systemlandschaft - Status-quo und Erweiterungen für das Online-Leasing
56
Abb. 48:
Kooperation mit dem ZHAW Service Lab
58
Abb. 49:
AMAG Leasing-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks
62
Abb. 50:
eUmzugZH aus der Perspektive des Nutzers
67
Abb. 51:
eUmzugZH - Prozess und Lösungselemente
69
Abb. 52:
Projektorganisation für die Umsetzung von eUmzugZH im Kontext eUmzugCH
70
Abb. 53:
eUmzug-Fallstudie im Studienframework
74
Abb. 54:
Übersicht des Offertstellungsprozess im Bereich Property & Casualty Reinsurance
75
Abb. 55:
Marktsegmente und Wachstumspotential
77
Abb. 56:
Architekturübersicht des ersten Lösungsansatzes
80
Abb. 57:
Architekturübersicht des zweiten Lösungsansatzes
83
Abb. 58:
Zukünftige Einsatzmöglichkeiten des Systems
85
Abb. 59:
Swiss Re-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks
88
Abb. 60:
Vier Lösungselemente
91
Abb. 61:
BPM Lifecycle in Anlehnung an (Dumas, La Rosa, Mendling, & Reijers, 2013)
92
Abb. 62:
Konföderierte Configuration Management Datenbank
93
Abb. 63:
Portallösung
94
Abb. 64:
Service Center IT
94
Abb. 65:
Vontobel-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks
97
Abb. 66:
Unternehmensstrategie «Swisscom 2020»
98
Abb. 67:
Rolle der Organisationseinheit «Network & IT Operations» im Prozessmodell Swisscom
Abb. 68:
Fertigung in verteilten Fertigungsstrassen über viele OEs hinweg
100
Abb. 69:
Kernprinzipien der industriellen Fertigung Trennung vom Was und Wie
102
Abb. 70:
Die 5 Stufen zur industrialisierten Fertigung
103
Abb. 71:
Services-Lebenszyklus
104
Abb. 72:
Gesamtübersicht Ziele, Vorgehen, Lösungsansatz
107
Abb. 73:
Erfolgsfaktoren
107
Abb. 74:
Swisscom-Fallstudie im Kontext des Studienframeworks
110
Abb. 75:
Zusammenfassung der Ergebnisse der quantitativen Online-Befragung
113
Abb. 76:
Kundennutzen durch digitale Transformation? -Fazit
116
Abb. 77:
BPM quo vadis? Entwicklungspotenziale im Kontext des digitalen Wandels
118
Abb. 78:
Teilnehmende nach Land der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
128
Abb. 79:
Teilnehmende nach Grösse des Unternehmens
128
Abb. 80:
Teilnehmende nach Land und Unternehmensgrösse
128
Abb. 81:
Teilnehmende nach Branchengruppe
129
Abb. 82:
Teilnehmende nach Position
130
Abb. 83
Teilnehmende nach Funktionsbereich
131
Abb. 84:
Teilnehmende nach Wahrnehmung einer Prozessfunktion
131
99
Business Process Management 2016
Experten
Das Studienteam der ZHAW dankt allen am Workshop beteiligten Unternehmen und Organisationen, die ihr Expertenwissen
und ihre wertvolle Zeit für die Vorbereitung, Präsentation und Diskussion der Fallstudien bereitgestellt haben.
Patrick Frauchiger
Leiter Marketing und Verkauf, AMAG Leasing AG
Leasing
Esad Ceranic
Projektverantwortlicher & Business Analyst, AMAG Leasing AG
Markus Schneider
Leiter Operation Services, Vontobel
Philipp Klauser
Applikationsverantwortlicher Jira, Vontobel
Andreas Hilber
Head of Process Architecture Network & IT Operations, Swisscom AG
Marco Peyer
BPM & Service Operations, P&C Reinsurance, Swiss Re
Lukas Steudler
Leiter Geschäftsstelle egovpartner.zh.ch, Staatskanzlei des Kantons Zürich
123
124
Beteiligte Personen und Unternehmen
Autoren
Elke Brucker-Kley
[email protected]
Denisa Kykalová
[email protected]
Prof. Dr. Thomas Keller
[email protected]
David Grünert
david.grü[email protected]
ELKE BRUCKER-KLEY
DAVID GRÜNERT
Elke Brucker-Kley ist Leiterin des BPM Research Lab am In-
David Grünert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
stitut für Wirtschaftsinformatik. Sie leitet Forschungs- und
Wirtschaftsinformatik. Er unterrichtet Software Engineering im
Beratungsprojekte in den Themenbereichen Informations-
Studiengang Wirtschaftsinformatik und forscht zu neuen Mo-
und Prozessmanagement sowie IT-Strategie und Projektma-
dellierungsansätzen für Geschäftsprozesse sowie dem Ein-
nagement. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf dem
satz von Gesten- und Sprachsteuerung zur Bearbeitung von
Entwurf von Geschäftsarchitekturen und der strategischen
Modellen.
Ausrichtung und Operationalisierung des Prozessmanagements in unterschiedlichen Branchen.
INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSINFORMATIK
DENISA KYKALOVÁ
Das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) der ZHAW
Denisa Kykalová ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Insti-
School of Management and Law ist eine anwendungs-
tut für Wirtschaftsinformatik. Sie leitet Forschungs- und Bera-
orientierte Plattform für Forschung an der Schnittstelle
tungsprojekte in den Themenbereichen Informations- und
von Betriebswirtschaft und Informatik. Im Auftrag von
Prozessmanagement. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen
Wirtschaftspartnern führen wir Studien in unterschied-
auf dem Entwurf von Prozessarchitekturen in unterschiedli-
lichen Disziplinen der Wirtschaftsinformatik sowie an-
chen Branchen mit Fokus auf die Energiebranche.
wendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte durch. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse
PROF. DR. THOMAS KELLER
fliessen direkt in die Lehre und Weiterbildung ein.
Prof. Dr. Thomas Keller ist Professor für Wirtschaftsinformatik. Er doziert zu den Themen Prozessautomatisierung und
ZHAW School of Management and Law
Enterprise Architecture im Studiengang Wirtschaftsinformatik
Institut für Wirtschaftsinformatik
(MSc und BSc) und in der Weiterbildung. Zu seinen For-
www.zhaw.ch/iwi
schungs- und Beratungsschwerpunkten zählen Prozessau-
Stadthausstrasse 14, CH–8400 Winterthur
tomatisierung, Business Integration und Software-Architek-
[email protected], Telefon +41 58 934 66 90
tur.
Business Process Management 2016
Sandro Graf
[email protected]
Amélie-Charlotte Körner
[email protected]
SANDRO GRAF
Sandro Graf ist Dozent am Institut für Marketing Management
INSTITUT FÜR MARKETINGMANAGEMENT
und leitet die Fachstelle Service Lab. Er unterrichtet Konsu-
Das Institut für Marketing Management (IMM) deckt
mentenverhalten, Service Design und Customer Experience
das ganze Spektrum des modernen Marketings ab – in
Management. Sein Team beschäftigt sich vorwiegend mit
Beratung, Forschung und Entwicklung, Lehre und
der Wahrnehmung von Konsumenten und unterstützt Unter-
Weiterbildung. Wir arbeiten mit Grossunternehmen,
nehmen bei der Verbesserung der vermittelten Kundenerleb-
KMU und Privatpersonen zusammen sowie mit Part-
nisse.
nerhochschulen auf nationaler und internationaler Ebene. Dank unserem gut ausgebauten Netzwerk bieten
AMÉLIE-CHARLOTTE KÖRNER
wir Ihnen ein umfassendes Know-how, das kontinuier-
Amélie-Charlotte Körner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin
lich weiterentwickelt wird. Das Service Lab der ZHAW
am Institut für Marketing Management. Neben ihrer Lehrtätig-
unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung der
keit als Marketing-Übungsleiterin leitet und unterstützt sie mit
vermittelten Kundenerlebnisse und stellt sicher, dass
ihrem Hintergrund als Psychologin und qualitative Marktfor-
neue Produkte konsequent auf Kundenbedürfnisse
scherin vor allem qualitative Forschungsprojekte.
ausgerichtet sind.
ZHAW School of Management and Law
Institut für Marketing Management
www.zhaw.ch/imm
Stadthausstrasse 14, CH–8400 Winterthur
[email protected], Telefon +41 58 934 66 90
125
126
Beteiligte Personen und Unternehmen
Studienpartner
Über Appway, Lösungspartner der Swiss Re
Die Digital Business Plattform von Appway unterstützt Dienstleistungsunternehmen bei
der Realisierung einer digitalen Transformation, welche über eine reine Automatisierung hinausgeht. Sie bietet die vier zentralen Bausteine «User Experience», «Work
Automation», «Agile Development» und «Continuous Delivery» und deckt damit unter
anderem die Funktionalitäten einer Business-Process-Management-Suite ab (inklusive
Business Rules, Business Activity Monitoring).
Mittels Appway können Unternehmen skalierbare und zuverlässige digitale EnterpriseApplikationen entwickeln und selbst steuern. Die umfangreiche Plattform koordiniert
alle relevanten Interaktionen im kollaborativen digitalen Arbeitsplatz und übermittelt
wichtige Business-Erkenntnisse, die Organisationen dazu inspirieren, ihre Visionen in
wirkende Lösungen umzusetzen. Durch die nahtlose Orchestrierung von Menschen,
Wissen und Systemen erzeugt Appway eine kollektive Intelligenz und ermöglicht es
Unternehmen, sich für das digitale Zeitalter neu zu erfinden.
Mit Hauptsitz in Zürich sowie Niederlassungen in New York, Ticino, Hong Kong, Singapur, Toronto sowie London arbeiten Appway und seine preisgekrönte Technologie
für über 165 Organisationen und 420 000 Menschen weltweit.
Appway AG, Lessingstrasse 5, CH–8002 Zürich, www.appway.com
Business Process Management 2016
Unterstützt von
Die AMAG und ihre 5 400 Mitarbeitenden sorgen mit Leidenschaft dafür, dass Menschen gut unterwegs sind. Die individuellen Wünsche und Träume rund um die Mobi-
Leasing
lität faszinieren uns. Unser Antrieb ist, sie zu erfüllen. Damit sind wir eine umfassende
und landesweit bestens positionierte Mobilitätsanbieterin. Wir verkaufen hochwertige
Automobile, stellen ihren Betrieb in allen Situationen sicher und ermöglichen den Menschen mit unserem eigenen Leasingunternehmen und weiteren Dienstleistungen, ihre
Mobilitätsträume zu erfüllen. Unser Fokus ist der Kunde, immer und überall. Autofahrerinnen, Autofahrer und Firmenkunden schenken der AMAG Vertrauen, weil wir sie
über Qualität und Fachkompetenz hinaus mit einem exzellenten Service immer wieder
positiv überraschen.
Das Beste in der vernetzten Welt – immer und überall. Swisscom ist das führende
Telekommunikations- und eines der führenden IT-Unternehmen der Schweiz. Der Bereich IT- und Network Operations betreibt das gesamte Fest- und Mobilnetz. Ebenso
alle IT-Dienstleistungen für den Privat und Geschäftskundenbereich sowie die intern
genutzten IT-Anwendungen.
Vontobel ist ein führender Schweizer, international agierender Private Wealth und Asset
Manager, der sich zum Ziel gesetzt hat, die anvertrauten Kundenvermögen langfristig
zu schützen und zu mehren. Spezialisiert auf das aktive Vermögensmanagement und
massgeschneiderte Anlagelösungen berät Vontobel verantwortungsvoll und vorausschauend. Rund 1500 Mitarbeitende erbringen an weltweit 22 Standorten erstklassige
und massgeschneiderte Dienstleistungen für international ausgerichtete Kunden.
127
128
Anhang
Anhang
TEILNEHMERKREIS DER ONLINE-BEFRAGUNG
Abb. 78
TEILNEHMENDE NACH LAND DER
GESCHÄFTSTÄTIGKEIT DES
UNTERNEHMENS
Schweiz
Deutschland
Andere
Österreich
Frage A4
Abb. 79
TEILNEHMENDE NACH GRÖSSE
DES UNTERNEHMENS
in %
1– 9 Mitarbeitende
10 – 49
50 – 249
250 und mehr
82 %
12 %
5%
1%
in %
9,6 %
16,9 %
12,9 %
60,7 %
Frage A5
N=178
N=178
Abb. 80
TEILNEHMENDE NACH LAND UND UNTERNEHMENSGRÖSSE
Schweiz
Deutschland
Andere
Österreich
6,7
13,5
in %
11,8
50,0
2,2 2,8 1,1 5,6
5,1
0,6 0,6
N=178
Frage A4
0
30
1–9
10 – 49
60
50 – 249
250 und mehr Mitarbeitende
90
Business Process Management 2016
Abb. 81
TEILNEHMENDE NACH BRANCHENGRUPPE
in %
0,6 1,1
16,9
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
Öffentliche Dienstleistungen
Informatik
Beratung, sonstige Dienstleistungen
Andere
Handel, Logisitk, Telekommunikation
0,6
2,2
2,2
11,2
4,5
5,6
7,3
4,5
2,2
1,7
5,1
1,1
0,6
1,1
6,2
5,6
3,4
1,1
Energie- und Wasserversorgung
Erziehung, Bildung und Forschung
Gesundheitswesen
Verarbeitung, Produktion, Bau
2,8
1,1 0,6 0,6
0,6
0,6
1,1
3,9
2,2
1,1
Immobilienwirtschaft
0,6
Chemie, Pharma
N=178
Frage A6
0
4
1–9
10 – 49
8
12
16
50 – 249
250 und mehr Mitarbeitende
20
129
130
Anhang
Abb. 82
TEILNEHMENDE NACH POSITION
in %
0,6
4,5
2,2
20,2
Projektleiter
5,6
6,2
4,5
3,9
Geschäftsleitung
Leiter Abteilung
Business Analyst
Fachexperte / Spezialist
Berater
Leiter Fachbereich / Business-Unit
3,9
3,9
0,6 2,2
10,1
1,7
1,7
12,9
1,1 1,7 0,6
2,2
1,1
2,2
12,4
4,5
2,2
6,7
1,1
2,2
8,4
4,5
1,1
Leiter Stabstelle
IT-Architekt
Andere
Programmleiter
Verwaltungsrat / Aufsichtsrat
Entwickler
2,8
1,1 1,7
1,1
1,1
3,9
2,8
0,6 1,7
0,6 1,1
N=178
Frage A2 (Mehrfachnennung möglich)
0
5
1–9
10 – 49
10
15
20
25
50 – 249
250 und mehr Mitarbeitende
30
Business Process Management 2016
Abb. 83
TEILNEHMENDE NACH FUNKTIONBEREICH
in %
2,2
Projekt- / Organisations- / Qualitätsmagement /
Prozessmagement
3,4
5,1
Unternehmensleitung
28,7
2,2
7,3
5,1
1,7 2,2
Informatik
12,4
5,6
1,1 0,6
Business Development / Change Management /
Unternehmensentwicklung
4,5
0,6 1,1 1,1 2,8
Verkauf / Vertrieb / Marketing
0,6 1,7 0,6 1,7
Andere
0,6 0,6 1,1
Produktmanagement
0,6 0,6 1,1
Forschung und Entwicklung
2,2
Beschaffung / Produktion / Logistik
0,6 0,6
Finanzen / Controlling
N=178
Frage A1
0
20
10
1–9
10 – 49
30
40
50 – 249
250 und mehr Mitarbeitende
Abb. 84
TEILNEHMENDE NACH WAHRNEHMUNG EINER PROZESSFUNKTION
Prozess-Berater / BPM-Experte / Prozess-Architekt
Prozessverantwortlicher / Process-Owner
4,5
3,9
1,1
3,9
1,7
2,8
in %
3,4
24,2
2,2
14,0
2,2
9,0
Leiter Geschäftsprozessmanagement
Process-Manager
Andere
Chief Process Officer
0,6 2,2 1,1
1,1 1,1
8,4
3,4
1,1 1,7 0,6 2,2
1,1
Keine
4,5
3,4
12,4
N=178
Frage A3 (Mehrfachnennung möglich)
0
10
1–9
10 – 49
20
30
50 – 249
250 und mehr Mitarbeitende
40
131
132
Anhang
FRAGENKATALOG DER ONLINE-BEFRAGUNG
Fragen
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
A – Allgemeine Fragen
A1
In welchem Funktionsbereich
Ihres Unternehmens sind Sie
tätig?
–– Unternehmensleitung
–– Forschung und Entwicklung
–– Beschaffung / Produktion / Logistik
–– Verkauf / Vertrieb / Marketing
–– Business Development / Change Management / Unternehmensentwicklung
–– Projekt- / Organisations- / Qualitätsmanagement / Prozessmanagement
–– Produktmanagement
–– Finanzen / Controlling
–– Personalwesen
–– Informatik
–– Anderes – Bitte nennen:
Single
A2
Welche Position haben Sie in
Ihrer Organisation?
–– Verwaltungsrat / Aufsichtsrat
–– Geschäftsleitung
–– Leiter Fachbereich/Business-Unit
–– Leiter Stabstelle
–– Leiter Abteilung
–– Business Analyst
–– Entwickler
–– Projektleiter
–– Programmleiter
–– Berater
–– IT-Architekt
–– Fachexperte / Spezialist
–– Anderes – Bitte nennen:
Mehrfach
A3
Üben Sie eine
Prozessfunktion aus?
–– Keine
–– Chief Process Officer
–– Leiter Geschäftsprozessmanagement
–– Prozess-Berater / BPM-Experte / Prozess-Architekt
–– Prozessverantwortlicher / Process-Owner
–– Prozess Manager
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
A4
In welchem Land ist Ihre
Organisation primär tätig?
–– Schweiz
–– Deutschland
–– Österreich
–– Anderes – Bitte nennen:
Mehrfach
A5
Wie viele Mitarbeitende zählt
Ihre Organisation weltweit?
–– 1 bis 9
–– 10 bis 49
–– 50 bis 249
–– 250 und mehr
Single
A6
Welcher Branche gehört Ihre
Organisation an?
–– Energie- und Wasserversorgung
–– Verarbeitung, Produktion, Bau
–– Chemie, Pharma
–– Immobilienwirtschaft
–– Handel, Logistik, Telekommunikation
–– Öffentliche Dienstleistungen
–– Gesundheitswesen
–– Beratung, sonstige Dienstleistungen
–– Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
–– Erziehung, Bildung und Forschung
–– Informatik
–– Andere – Bitte nennen:
Single
Business Process Management 2016
Fragen
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
B – BPM-Ziele & Digitalisierungs-Aktivitätsbereiche
B1
Welche strategischen Ziele
treiben ihr
Prozessmanagement? Bitte
kreuzen Sie die DREI aktuell
wichtigsten an.
B1a
Bitte priorisieren Sie diese
Ziele, indem Sie sie in die
richtige Reihenfolge auf der
rechten Seite ziehen
(höchste Priorität=zuoberst)
B2
Haben Sie Projekte oder
Geschäftsfähigkeiten in den
folgenden Bereichen der
digitalen Transformation?
–– Transparenz (für z.B. Prozessbewusstsein, Qualitätssicherung, Erfüllung
Regulatorischer Vorschriften, Risikomanagement)
–– Wirtschaftlichkeit (Effizienz, Produktivität, Ertragskraft)
–– Flexibilität (Personalisierung von Prozessinstanzen, rasche Anpassung von
Prozessen an sich ändernde Rahmenbedingungen)
–– Kundenzufriedenheit/-nutzen
–– Innovation (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodell)
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
–– Einsatz neuer Technologien an der Schnittstelle zu externen Kunden und
Endgeräten/Dingen (Social Media, Mobile, Cloud, Internet der Dinge)
–– Einsatz neuer Verfahren der Datensammlung und Analyse (Big Data, Kundenkontext, Lokalisierung, predictive analytics)
–– Einsatz neuer Technologien, um Mitarbeitende flexibler/mobiler und effektiver
zu unterstützen (digital workplace)
–– Automatisierung/Digitalisierung durchgängiger Prozesse (Workflow, Prozessintegration)
–– Digitale Erweiterung bestehender Produkte/Dienstleistungen
–– Entwicklung neuer digitaler Produkte/Dienstleistungen
–– Aufbau/Teilnahme an digitalen Plattformen/Netzwerken mit Partnern (zur
Realisierung unternehmensübergreifender Prozesse und Angebote)
–– Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit im Kontext der Digitalisierung von Prozessen und Kundeninteraktionen
–– Optimierung der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites, Apps und
anderen SW-Oberflächen)
–– Wir haben eine unternehmensweite Strategie und Roadmap für die digitale
Transformation
–– Andere – Bitte nennen:
nein – wird
evaluiert/
getestet – wird
aktuell realisiert –
bereits realisiert
–– Erweiterung oder Optimierung digitaler Touchpoints/Kanäle
–– Erweiterung oder Optimierung physischer Touchpoints/Kanäle (Läden, Verkaufspersonal etc.)
–– Durchgängige Kundenerfahrung unabhängig vom Touchpoint/Kanal (physisch
und digital)
–– Personalisierte Angebote und Kundeninteraktionen (basierend auf Datenauswertung und Kundenkenntnis)
–– Flexible, individuell vom Kunden mitgestaltbare Produkte, Dienstleistungen,
Interaktionen oder Oberflächen digitaler Touchpoints
–– Transparenz und Mitbestimmung der Kunden bei der Sammlung, Haltung und
Auswertung persönlicher Daten (Personendaten und Interaktions-/Transaktionsdaten)
–– Flexiblere/kompetentere/schnellere Bedienung des Kunden durch Hilfsmittel
in der Hand von Mitarbeitenden mit Kundenkontakt (z.B. Wissensdatenbank
auf mobilem Gerät)
–– Andere – Bitte nennen:
nie – punktuell/
taktisch –
systematisch/
strategisch
C – Kundenorientierung
C1
Beschäftigt sich Ihre
Organisation mit Themen,
die die Interaktionen mit
Ihren externen Kunden
betreffen?
133
134
Anhang
Fragen
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
C2
Passen folgende Aussagen
auf Ihr Unternehmen?
–– Wir sind mit unseren Aktivitäten im Hinblick auf die Kenntnis der Kundenbedürfnisse führend in unserer Branche
–– Kundenorientierung ist in unserer Marketing-/Unternehmensstrategie verankert
–– Wir verfügen über die notwendigen Ressourcen (finanziell, personell, Infrastruktur) um die Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse voranzutreiben
nein –
teilweise – ja
C3
Was unternehmen Sie, um
die Bedürfnisse Ihrer Kunden
und Ihrer Mitarbeitenden zu
erheben?
–– Wir analysieren die bei uns eingehenden Beschwerden von Kunden
–– Wir befragen Kunden mit Hilfe quantitativer Methoden (z.B. mit Fragebogen)
–– Wir befragen Kunden mit Hilfe qualitativer Methoden (z.B. Interviews, Gruppendiskussionen)
–– Wir prüfen die Kundenakzeptanz von neuen Angebotskonzepten (Prototypen)
direkt mit Kunden (z.B. in Produkttests) bevor wir neue Produkte, Dienstleistungen, Interaktionsformen einführen
–– Wir nutzen die «Customer Journey», um Bedürfnisse unserer Kunden prozessund interaktions-orientiert zu erheben
–– Wir beobachten Kundenmeinungen in Bezug auf unser Unternehmen im World
Wide Web (Social Media Monitoring)
–– Wir haben Zugriff auf eine Kunden-Community, die bei kundenspezifischen
Fragestellungen/Themen aktiv mit uns zusammenarbeitet
–– Wir nutzen die «Employee Journey», um die Berührungspunkte der Mitarbeitenden von der Rekrutierung an abzubilden, und die Arbeitsumgebung danach
zu gestalten
–– Wir erheben Kennzahlen, die implizit Rückschlüsse auf die Kundenzufriedenheit bzw. den Kundennutzen zulassen (z.B. Verweilzeit auf der Website, Zuwachs Up- und Cross-selling, Anzahl Service-Anfragen, Anzahl Reklamationen)
–– Wir sammeln Daten über Einzelkunden und/oder Kundensegmente und
werten sie aus
–– Andere – Bitte nennen:
nie –
gelegentlich –
systematisch/
regelmässig
C3a
Nutzen Sie die Erkenntnisse
der «Customer Journey» für
die kundenorientierte
Gestaltung/Optimierung
Ihrer Prozesse?
–– Ja
–– Nein
–– Kann ich nicht beurteilen
Single
C3b
Nutzen Sie die Erkenntnisse
der «Employee Journey» für
die mitarbeiterorientierte
Gestaltung/Optimierung
Ihrer internen Prozesse und
Abläufe (z.B. Rekrutierung,
Personalentwicklung)?
–– Ja
–– Nein
–– Kann ich nicht beurteilen
Single
C4
Aus welchen Quellen und wie
häufig erheben Sie
Kundendaten und Daten, die
sie nutzen, um Rückschlüsse
auf das Kundenverhalten zu
ziehen?
–– Dediziert erstellte Kundendatenbanken bzw. CRM-Systeme (Customer Relationship Management)
–– Kern- und Transaktionssysteme
–– Auswertungen von Kundenumfragen und Kundenfeedbacks/-reklamationen
–– Soziale Medien (Soziale Netzwerke, Foren, Blogs, Bewertungsplattformen etc.)
–– Sensoren/Wearables/Dingen (Internet of Things)
–– Auswertungen von Bewegungs- und Kontextdaten (aus Web-Analyse- bzw.
anderen Tracking-Tools, Lokalisierungsdaten)
–– Andere – Bitte nennen:
nie –
gelegentlich –
systematisch/
regelmässig
Business Process Management 2016
Fragen
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
C5
Wir nutzen unsere
Kundendaten …
–– … um Tendenzen, Muster und Entwicklungen zu erkennen und diese für
individuelle Empfehlungen oder Reaktionen zu nutzen (predictive analytics)
–– … um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende
anzupassen
–– … um das Kundenerlebnis für bestehende Kunden zu verbessern (z.B.
Optimierung Website, Ladengestaltung)
–– …für die Prozessausführung, um einen Prozessverlauf in Echtzeit kunden-/
kontextspezifisch anpassen zu können
–– … für das Prozessdesign, um Prozesse mit Blick auf Kundenorientierung zu
gestalten und zu optimieren
–– … nicht
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
C6
Können ihre Kunden auf die
Daten, welche Sie über sie
sammeln, Einfluss nehmen?
«Unsere Kunden…
–– … wissen nicht, welche Daten wir über sie sammeln
–– … geben uns ihr Einverständnis, bestimmte Daten über sie zu sammeln
–– … können veranlassen, dass bestimmte Daten nicht gesammelt oder gelöscht werden
–– … können bestimmen, ob und wofür wir ihre Daten auswerten
–– … können bestimmen, welche Informationen sie von uns regelmässig erhalten wollen
–– Andere - Bitte nennen:
Mehrfach
C7
Unser CRM-System …
–– … wir haben kein CRM-System
–– … wir unterhalten eine oder mehrere Kundendatenbanken/CRM-Systeme
–– … liefert Kundendaten in vollständig oder teilweise automatisierte Prozesse
(Schnittstelle/Systemintegration)
–– … wird mit Daten aus der operativen Prozessausführung befüllt (Transaktionsdaten, Interaktionsdaten)
–– … liefert kundenbezogene Daten für Analysen und Berichte
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
D – Operational und Service Excellence & BPM
D1
Gehören folgende
Tätigkeiten in Ihrem
Unternehmen zum Alltag?
–– Drucken von Dokumenten zur Erledigung von Aufgaben
–– Scannen von Dokumenten
–– Mehrfacheingaben von gleichen Informationen in unterschiedliche Informatiksysteme
–– Handschriftliches Unterschreiben von Dokumenten (im Gegensatz zu digitaler
Unterschrift)
–– Individuelle Suche von Informationen (in unterschiedlichen Systemen und
Nachfragen bei Personen), um Entscheide treffen zu können
nie –
gelegentlich
– täglich
D2
Erheben/Identifizieren Sie
folgende entscheidungsunterstützenden
Informationen?
–– Erfolgskritische Prozesse (Wettbewerbsperspektive)
–– Für die Kundenerfahrung oder -zufriedenheit kritische Prozesse
–– Standardisierungs- und Automatisierungspotenzial
–– Digitalisierungspotenziale (über reine Standardisierung/Automatisierung hinaus, z.B. Kollaboration, Kundeninteraktion, Flexibilisierung etc.)
–– Potenzial für Prozessintegration über Unternehmensgrenzen hinweg (mit
Partnern, Lieferanten)
–– Out/Sourcing-Potenzial
–– Optimierungspotenzial der User Experience (Nutzungserlebnis von Websites,
Apps und anderen SW-Oberflächen)
–– Andere – Bitte nennen:
nie –
gelegentlich
– systematisch
D2a
Wo legen Sie den Fokus bei
der Optimierung der User
Experience
(Nutzungserlebnis von
Websites, Apps und anderen
SW-Oberflächen)?
–– Auf externe Kunden
–– Auf Mitarbeitende
–– Auf Partner / Kooperationen
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
135
136
Anhang
Fragen
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
D3
Visualisieren Sie
Kundeninteraktionen und
-bedarf in Ihren
Prozessmodellen und
-Landkarten?
–– Nein, wir modellieren weder Prozesslandkarten noch Prozesse
–– Nein, wir modellieren Prozesse nur aus unserer internen Sicht, ohne die
Kunden und die Interaktionen mit Ihnen explizit zu modellieren
–– Ja, in unseren Prozesslandkarten
–– Ja, in einzelnen Prozessmodellen
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
D4
Wie visualisieren Sie
Kundeninteraktionen in Ihren
Prozesslandkarten?
–– Wir visualisieren den Kunden unspezifisch als Block auf der obersten Ebene
unserer Prozesslandkarte
–– Wir visualisieren unterschiedliche Kundengruppen auf unserer Prozesslandkarte
–– Wir visualisieren unsere Wertschöpfung als End-to-End-Prozesse auf Ebene
Prozesslandkarte (konsequent ausgehend vom Kundenbedarf und durchgehend bis zur Leistungserfüllung für den Kunden)
–– Wir kennzeichnen Prozesse, bei denen wir Kundenkontakt haben und welche
für Kundenzufriedenheit/-erfahrung besonders kritisch sind
–– Andere - Bitte nennen:
Mehrfach
D5
Wie visualisieren Sie
Kundeninteraktionen in Ihren
einzelnen Prozessmodellen?
–– Wir visualisieren am Prozess beteiligten Kunden mit einem Symbol (Pool,
Lane, Swimmlane, …)
–– Wir unterscheiden zwischen Kundengruppen durch Nutzung verschiedener
Symbole, Farben oder anderer Markierungen
–– Wir beschriften die Interaktionen mit Detailinformationen oder stellen diese
visuell durch Symbole/Farben dar (z.b. Beschriftung der Nachrichtenflüsse mit
Kommunikationskanaltyp wie Telefon, E-Mail, Brief, Online etc.)
–– Wir stellen die mit dem Kunden ausgetauschten Geschäftsobjekte mit einem
Symbol dar und geben den angestrebten Zustandsstatus an
–– Wir kennzeichnen die für Kundenzufriedenheit kritischen Interaktionen speziell
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
D6
Welche Methoden setzen Sie
ein, um die Flexibilität und
Kontextsensitivität Ihrer
Prozesse zu ermöglichen?
–– Keine
–– Formalisierte Geschäftsregeln (um die Ausführung komplexer Prozesse zu
steuern, z.B. durch eine Business Rules Engine)
–– Formalisierte Ereignisregelung (um auf Ereignisse in der Prozessausführung
reagieren zu können, z.B. durch eine Event Engine)
–– Zugriff auf Wissensbasen (um Entscheide in der Prozessausführung zu unterstützten)
–– Adaptive Case Management (um Entscheidungen und Prozesssteuerung in
wissensintensiven und nur teilweise vordefinierbaren Prozessen zu unterstützen)
–– Ad-hoc Workflows (um Prozessbeteiligte/Fachexperten bei der Auslösung/
Auswahl/Definition von Aktivitäten in nicht vordefinierbaren Prozessen zu
unterstützen)
–– Agile Methoden (um Fachexperten die kollaborative und intuitive Modellierung
und Anpassung von Prozessen im Rahmen der Prozessausführung zu ermöglichen, z.B. flexibles, beschleunigtes und praxisnahes Prozess(re)design)
–– Prädiktive und selbstlernende Methoden (um auf der Grundlage von Erfahrungsdaten aus vergangenen Prozessdurchläufen, Rückschlüsse auf den
Ablauf aktueller und künftiger Prozesse zu ziehen, z.B. durch data mining)
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
Business Process Management 2016
Fragen
D7
Welche Methoden setzen Sie
ein, um die IT-gestützte
Ausführung von Prozessen
durchgängig von und zum
Kunden zu realisieren?
Antwortmöglichkeiten
Antworttyp
–– Keine, die Ausführung unserer Prozesse ist nicht durchgängig, d.h. Medienbrüche sind vorhanden
–– Spezifische Applikationen/Komponenten/Formulare, die in eine Website oder
App integriert sind und die Dateneingaben des Kunden direkt (ohne Systembrüche) an ein internes System übertragen (z.B. via XML, Webservices) ->
«Outside-In»
–– Anpassung von intern genutzten Applikationen (Oberfläche, Funktionalitäten),
so dass sie auch externen Kunden zur Verfügung gestellt werden können ->
«Inside-Out»
–– Eine BPM/Workflow-Lösung/Plattform/Suite, die Prozesse durchgängig vom
Kunden-Frontend (Website, Portal, App) hin zu den Backend-Systemen und
Datenspeichern implementiert bzw. integriert
–– Andere – Bitte nennen:
Mehrfach
–– Gar nicht
–– Durch Serviceorientierung (SOA)
–– Durch die Adoption von neuen Produkten bzw. neuen Produktfunktionalitäten
–– Durch Agile Methoden im Projektmanagement und in der Softwareentwicklung
–– Durch eine bimodale Architektur, die es erlaubt stabile Kern- und Supportapplikationen auf der einen Seite und agile kurzlebigere Lösungen auf der
anderen Seite in zwei verschiedenen Umgebungen zu entwickeln und zu
betreiben
–– Durch die kurzfristige Beschaffung oder Entwicklung von sehr spezifischen
best-of-breed Lösungen für einzelne Anwendungsfälle
–– Durch gezieltes Outsourcing bzw. Anbindung von Drittanbietern (z.B. Cloudlösungen), um einen Anwendungsfall komplett oder teileweise abzudecken
–– Durch die Unterstützung von mobilen Endgeräten (Apps und/oder mobilfähige
Webseiten für Mitarbeitende und/oder Kunden)
–– Durch den Aufbau/Betrieb von Kundenportalen
–– Andere - Bitte nennen:
Mehrfach
E – Technologie
E1
Mit welchen Mitteln reagiert
Ihre Informatik auf die
Herausforderungen des
unternehmerischen und
technologischen Wandels?
137
138
Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften
School of
Management and Law
St.-Georgen-Platz 2
Postfach
8401 Winterthur
Schweiz
www.sml.zhaw.ch