26. Sonntag im Jahreskreis C

Sonntag, 25. September 2016
26. SONNTAG IM JAHRESKREIS C, 18. Sonntag nach
Trinitatis
Am 6, 1a.4-7, 1 Tim 6, 11-16, Lk 16, 19-31
18.00 Domkirche St. Stephan
Liebe Schwestern und liebe Brüder,
von der Hölle zu reden, sie in unser Bewusstsein zu heben, scheint heutzutage unter
vielen Christen unangebracht, selbst wenn die Thematik in unserer umgangssprachlichen Ausdrucksweise immer wieder Verwendung findet. Wir, vor allem die ältere
Generation, haben genug von Höllenszenarien gehört als zerstörerischer Zugriff auf
unsere Seelen. Aber dennoch: die Vorstellung einer Hölle hat immer wieder
verschiedenste Menschen fasziniert. Nicht nur die geistlichen Herren mit ihren
sogenannten „Höllenpredigten“, in denen sie uns die Hölle angedroht haben, sondern
auch Künstler und Poeten. In Bild und Sprache.
So auch der Dichter und Philosoph Dante Alighieri1 in seiner Göttlichen Komödie. Das
Werk schildert seine Reise, als ein persönliches Erlebnis, durch die Hölle bis hin zum
Paradies. Diese „Orte“ sind jeweils in Kreise unterteilt. Und je tiefer es hinabgeht, umso
kleiner werden diese. Dort befinden sich die lauen Seelen, die Gleichgültigen und
Wertlosen. Denn nichts ist dem leidenschaftlichen Dichter so verächtlich und wenig des
Anschauens wert als Stumpfheit und Lauheit. Auf seiner Reise kommt nun Dante mit
seinem Begleiter (Virgil) vor das Höllentor, wo über dem Sims der Pforte dunkelfarbig
die berühmt gewordene Inschrift steht: „Ich führe dich zur Stadt der Qualerkornen. Ich
führe dich zum wandellosen Leid. Ich führe dich zum Volke der Verlorenen.“2
Oder wenn wir uns an so manche Werke des niederländischen Malers der Renaissance,
Hieronymus Bosch3, dessen 500. Todestag in diesem Jahr begangen wird, erinnern,
werden uns vielleicht seine Höllendarstellungen, die zu den beeindruckendsten
Visionen in der Geschichte der abendländischen Malerei zählen, in den Sinn kommen.
1
Dante Alighieri, 1265–1321. Göttliche Komödie verfasst um 1307–1320.
2
http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/goettliche_komoedie.htm.
3
Hieronymus Bosch (Jheronimus van Aken), 1450–1516.
Bosch ist der Maler der Monster und Dämonen, der Heiligen und der Narren. Seine
Bilderwelt, sehr drastisch und anschaulich, hat einen theologischen Hintergrund. Das
gesamte dargestellte dämonische Bedrohungspersonal soll veranschaulichen, was mit
den Menschen geschieht, die den Heilspfad christlicher Tugend verlassen haben. Das ist
das zentrale Thema, das sich durch die Werke des „Jenseitsmalers“ Bosch zieht: dass der
Mensch auf seinem Lebensweg sich immer wieder vor Prüfungen gestellt sieht und
zwischen Gut und Böse wählen muss. Und wer es sich auf Erden zu fröhlich und
genüsslich einrichtet, der wird in der Hölle büßen. Aber dort, zumindest in Boschs Hölle,
wird gelacht werden.4
JESUS erzählt uns heute eine Geschichte, die es in sich hat. Und mit dieser will er nichts
anderes als uns Menschen nachdenklich machen und uns sagen, dass dieses Leben nicht
wiederholbar ist. Das, was wir tun, welche Akzente wir setzen, für wen wir uns
einsetzen, auch mit unseren materiellen Mitteln, hat seine Konsequenzen. Vor allem für
später. Wie viele Chancen verstreichen ungenutzt, sind ein für alle Mal vertan und
verloren, selbst wenn wir uns darüber manchmal ärgern und beklagen und darauf
warten, dass sie wiederkehren? Gegen die Haltung vieler, die einfach in den Tag
hineinleben und ihren Lebensweg geradezu verstolpern, ruft uns JESUS die notwendigen
Maßnahmen in Erinnerung, die uns ermutigen sollen, erforderliche Schritte in diesem
Leben, jetzt, zu tun und nicht erst dann, wenn es unwiederbringlich zu spät ist, wie bei
dem Reichen im eben gehörten Evangelium.
Wir kennen wahrscheinlich die Namen vieler Reicher. Aber die, die vor unseren Türen
krepieren, kennen wir nicht. Da schauen wir lieber weg. Das Evangelium hat uns diesen
Namen bewahrt: Lazarus. Ein Armer. Vor der Tür irgendeines Reichen. Der wiederum
einfach reich ist. Die wenigen Stichworte, die ihn beschreiben, genügen. Das Evangelium
spricht kein moralisches Urteil über diesen Reichen, sondern es erzählt nüchtern, dass
sich die Verhältnisse umkehren werden: Der eine landet in der Unterwelt. Lazarus wird
von den Engeln an den Ruheort getragen, in Abrahams Schoß.
Der Reiche, dessen ist er sich sehr wohl bewusst, weiß, wo er gelandet ist. Alle Versuche,
sich die Situation verbessern zu wollen, werden ihm verwehrt. Keine Chance. Aus und
vorbei. Denn Gott lässt sich nicht zum Narren machen.5 Und spätestens hier müssten wir
endlich wach werden und uns fragen: wie schaffe ich es dann, um in den Himmel zu
kommen?
In der Geschichte, die uns JESUS erzählt, wird uns diese Frage beantwortet. Wir können
nicht sagen, dass wir es nicht wissen. Niemand, wahrlich keiner von uns, kann sich
4
vgl. Johanna Schwanberg, in: Gedanken für den Tag, 25.7.2016. http://oe1.orf.at/programm/443517
5
Susanne Heine, Die letzte Gelegenheit, in: Kleine Zeitung, 2013
herausreden. Wir werden niemand anderen bekommen als Mose und die Propheten.
Wir haben mehr als genug, woran wir uns orientieren könnten. Ja, wir können es uns
sehr wohl „aussuchen“, wo wir einmal sein wollen, weil wir Einfluss darauf haben:
entweder in Abrahams Schoß oder dort unten, wo wir Qualen erleiden werden. Das
Evangelium ist ernst, so ernst, wie es auch unser Leben ist.
Gebete, liebe Schwestern und Brüder, auch wenn uns heute manchmal ihr sprachlicher
Ausdruck befremdet, waren immer eine Hilfe, eine Lebenshilfe und eine Sterbehilfe.
Vielleicht sollten wir solche Texte wieder neu entdecken. In ihnen wiederholen wir das
Evangelium. So wird es unser Leben, unsere Hilfe zum Leben, zum Sterben und danach
wieder zum Leben.
Ein solches Gebet findet sich im 40. Choral, mit dem Johann Sebastian Bach seine
Johannespassion beendet, wo es heißt:
Ach Herr, lass dein lieb Engelein
am letzten End die Seele mein
in Abrahams Schoß tragen,
den Leib in seinem Schlafkämmerlein
gar sanft, ohn einge Qual und Pein,
ruhn bis am jüngsten Tage.
Als denn vom Tod erwecke mich,
dass meine Augen sehen dich
in aller Freud, o Gottes Sohn,
mein Heiland und Gnadenthron,
Herr Jesu Christ, erhöre mich, erhöre mich,
ich will dich preisen ewiglich.6
6
http://opera.stanford.edu/iu/bachlib/BWV245.HTM