Ausgabe | 38
30. September 2016
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Wirtschaft
Lanxess will US-Unternehmen Chemtura übernehmen
Lanxess will das Unternehmen Chemtura übernehmen – wenn die Aktionäre und Kartellbehörden zustimmen
N
Das schwächelnde Geschäft mit synoch innerhalb der Neuausrichtung von Lanxess setzt
thetischem Kautschuk wurde in ein
Vorstandschef Matthias Zachert
Gemeinschaftsunternehmen mit
zum größten Zukauf in der Gedem saudischen Ölgiganten Saudi
Aramco eingebracht. Die Einnahschichte des Spezialchemiekonzerns an. Das Kölner Unternehmen
men daraus wollte Zachert auch für
will den US-Rivalen Chemtura für
Zukäufe nutzen. Bereits Ende April
insgesamt rund 2,4 Milliarden
schlug er zu und erwarb für rund
Euro inklusive Schulden überneh210 Millionen Euro das Geschäft
für Desinfektions- und Hygienelömen. „Uns ist ein großer strategischer Wurf gelungen“, sagte Zasungen vom US-Chemiekonzern
Chemours.
chert. Lanxess werde damit einer
Die Übernahme soll sich bereits im ersten Geschäftsjahr positiv
Chemtura bietet Schmierstoffder weltweit größten Anbieter von
auf das Ergebnis von Lanxess auswirken.
Zusatzstoffe
und synthetische
Flammschutz- sowie SchmierstoffFoto: Flickr/Mars P. /Cc by 2.0
Schmierstoffe an, die etwa in der
Zusatzstoffen und baue sein GeStromerzeugung und der Luftfahrt
schäft in Nordamerika deutlich
aus. Dafür greift Zachert tief in die Kasse: für Chemtura angemessen. Zudem passe eingesetzt werden. Die FlammschutzZusatzstoffe des Unternehmens werden
Noch nie zuvor hat die Gesellschaft, die das Unternehmen gut zu Lanxess.
Gerade das Kautschukgeschäft, das un- vor allem in der Bauindustrie zur Gebäu2005 von Bayer abgespalten wurde, so
viel für eine Übernahme ausgegeben.
ter Überkapazitäten und Preisverfall leidet, dedämmung sowie in der Elektroindustrie
An der Börse kam der neueste Zukauf hatte Lanxess in der vergangenen Jahren zu genutzt. Für beide Bereiche erwartet Langut an: Lanxess-Aktien waren mit einem schaffen gemacht. Zachert, der 2014 das Ru- xess jährliche Wachstumsraten von drei
Plus von mehr als acht Prozent mit Ab- der von seinem Vorgänger Axel Heitmann bis vier Prozent. Die Chemtura-Aktionäre
stand größter Gewinner im MDax. Nach übernommen hatte, brachte den Konzern sollen von den Kölnern 33,50 Dollar je Aktie
Einschätzung von Analysten ist der Preis mit einem Sparprogramm wieder auf Kurs. und damit einen Aufschlag von rund 19 Pro-
Analyse
Deutsche Krankenhäuser kommen bei Digitalisierung nur langsam voran
Nach wie vor verfügt erst jedes vierte
Krankenhaus in Deutschland über eine
Digital-Strategie. Immerhin: Der Anteil
der Kliniken, die sich mit digitalen Einzelprojekten auf den Weg zur „Medizin 4.0“
gemacht haben, ist binnen eines Jahres auf
56 Prozent gestiegen (2015: 46 Prozent). Das
sind Ergebnisse der bereits zum zweiten
Mal durchgeführten Studie „Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft 2016“,
für die im Auftrag der Personalberatung
Rochus Mummert Healthcare Consulting
380 Führungskräfte an deutschen Krankenhäusern befragt wurden.
In vielen deutschen Operationssälen
arbeiten die Ärzte bereits mit digitalen
Helfern. Auf der anderen Seite sind Pflegeroboter, die Medikamente aus den Klinik-
Apotheken auf die Stationen bringen oder
dabei helfen, Patienten aus den Betten
zu heben, in hiesigen Krankenhäusern
noch Zukunftsmusik. „Es wird einige Jahre
dauern, bis wir in Deutschland von einer
flächendeckenden Digitalisierung der Kliniken sprechen können. Dieser Prozess
schreitet nur allmählich voran“, sagt Peter
Windeck, Studienleiter und Geschäftsführer von Rochus Mummert Healthcare
Consulting.
Krankenhaus-Experte Windeck:
„Schon heute beobachten wir, dass die
medizinischen und kaufmännischen
Führungskräfte die Digitalisierung voranbringen, statt ihren Kollegen aus der
IT das Feld zu überlassen.“
Aus Sicht der befragten Klinik-Ma-
nager eignet sich neben der Verwaltung
(84 Prozent Zustimmung) vor allem die
Diagnostik (75 Prozent Zustimmung) für
Digitalisierung und Automatisierung.
An dritter Stelle sehen die KrankenhausFührungskräfte die stationäre Versorgung
(57 Prozent).
„Die Digitalisierung revolutioniert die
Gesundheitswirtschaft – diese Botschaft
sollte schnell bei den Verantwortlichen
in den deutschen Kliniken ankommen.
Die Krankenhäuser müssen aufpassen,
dass ihnen neue Gesundheitsdienstleister
nicht den Rang ablaufen. Wer jetzt nicht
in Richtung Medizin 4.0 aufbricht, läuft
Gefahr den Anschluss zu verlieren“, sagt
Heinz Lohmann, wissenschaftlicher Begleiter der Studie.
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zent auf den Schlusskurs erhalten. Lanxess
zahlt damit für das US-Unternehmen ohne
Schulden rund 1,9 Milliarden Euro. Die Übernahme, die bis Mitte 2017 abgeschlossen
werden soll, will Lanxess im Wesentlichen
über Unternehmens- und Hybridanleihen
sowie aus bestehenden liquiden Mitteln
finanzieren. Die Chemtura-Aktionäre und
die Kartellbehörden müssen den Zukauf
noch genehmigen.
Die Übernahme soll sich bereits im ersten Geschäftsjahr positiv auf das Ergebnis
von Lanxess auswirken. Bis 2020 erwarten
sich die Rheinländer zudem Einsparungen
aus der Transaktion von rund 100 Millionen
Euro. Zu dem geplanten Aktienrückkauf von
200 Millionen Euro werde es angesichts
der Übernahme vorerst nicht kommen.
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Chemtura beschäftigt weltweit rund 2500
Mitarbeiter. Das Unternehmen kam zuletzt
auf einen Jahresumsatz von umgerechnet
rund 1,5 Milliarden Euro bei einem bereinigten Betriebsgewinn (Ebitda) von 245
Millionen. Lanxess setzte 2015 mit rund
16.700 Mitarbeitern 7,9 Milliarden Euro um
und erzielte einen bereinigten Betriebsgewinn von 885 Millionen.
Wirtschaft
Patentmarkt zwingt Krankenkassen zu höheren Ausgaben
Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung sind in nur zwei Jahren um 4,8 Milliarden Euro gestiegen
W
ie der kürzlich veröffentlichte
Arzneiverordnungs-Report 2016
zeigt, ist diese Entwicklung zum größten
Teil durch den Patentmarkt begründet.
Der patentgeschützte Fertigarzneimittelmarkt verursachte im Vergleich zum
Jahr 2014 Mehrkosten von 1,3 Milliarden
Euro und ist auf 14,9 Milliarden Euro angewachsen. Der Ausgabenanstieg lag in
diesem Segment bei 9,7 Prozent und fiel
damit mehr als doppelt so hoch aus wie
der des Gesamtmarktes (+4,3 Prozent).
Durch die frühe Nutzenbewertung und
die damit einhergehenden Verhandlungen der Erstattungsbeträge, die mit dem
Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) 2011 eingeführt
wurden, konnten bei den patentgeschützten neuen Arzneimitteln 2015 rund 925
Millionen Euro eingespart werden.
„Doch diese Summe hätte noch deutlich höher ausfallen können, wenn das AMNOG nicht an vielen Stellen aufgeweicht
worden wäre, zum Beispiel bei der Bestandsmarktbewertung“, sagte Ulrich Schwabe,
Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports. Der Referentenentwurf für das GKVArzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz
(AM-VSG) würde diese Entwicklung leider
fortsetzen. „Die angestrebten Änderungen
dienen offenbar nur dazu, das Hochpreisland Deutschland als Referenz für andere
europäische Länder zu erhalten. Die Kosten
für diese Politik werden auf die deutschen
Patienten abgewälzt“, so Schwabe.
Und diese Kosten sind in den letzten
Jahren stark gestiegen. So lag der durchschnittliche Apothekenverkaufspreis eines
patentierten Arzneimittels im Jahr 2015 bei
rund 369 Euro und ist damit gegenüber
In Deutschland gibt es ein theoretisches Einsparpotenzial von 25,2 Prozent des Herstellerumsatzes. Foto: Flickr/Techniker Krankenkasse /Cc by nc nd 2.0
2006, also in nur neun Jahren, um 180
Prozent gestiegen. Damit ist der Apothekenverkaufspreis für patentgeschützte
Arzneimittel pro Verordnung im Mittel
fast 13-mal so hoch wie bei generischen Arzneimitteln, die 2015 rund 29 Euro gekostet
haben. „Der deutsche Patentmarkt erweist
sich auch im europäischen Vergleich als
besonders teuer“, sagte Jürgen Klauber,
Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) und verwies auf
eine europäische Preisvergleichsstudie, die
das WIdO gemeinsam mit der Technischen
Universität Berlin durchgeführt hat.
Verglichen wurden die Listenpreise auf
Herstellerebene für 250 patentgeschützte
Produkte aus acht europäischen Ländern
(Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande,
Österreich und Schweden). In Deutschland gibt es demnach ein theoretisches
Einsparpotenzial von 25,2 Prozent des
Herstellerumsatzes bzw. 3,2 Milliarden
Euro. Berücksichtigt man im Vergleich
weiter einseitig die für Deutschland bekannten Preissenkungen (Herstellerrabatt
und AMNOG-Verhandlungsergebnis), und
damit die Realpreise, ergibt sich, konservativ berechnet, ein Einsparpotenzial von
1,44 Milliarden Euro. „Dieser Wert dürfte
das reale Einsparpotenzial in Deutschland
deutlich unterschätzen, weil bei den Vergleichspreisen im Ausland keine gewährten
Rabatte berücksichtigt sind, die man zum
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Potenzial hinzurechnen muss. Leider sind
diese Rabatte vertraulich, d.h. unbekannt“,
so Klauber weiter.
Vor allem bei den Onkologika gibt es
einen steten Anstieg der Kosten, der in
den kommenden Jahren weiter zunehmen
wird. Nach Prognosen des IMS Institute for
Healthcare Informatics werden 2020 allein
die fünf im Umsatz führenden europäischen Länder (Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Italien, Spanien) mehr als
30 Milliarden US-Dollar für Onkologika ausgeben. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der
Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft: „Bei der Entwicklung neuer
Krebs-Therapien steht häufig das ökonomische Interesse der pharmazeutischen
Unternehmer im Vordergrund. Dement-
sprechend ist das Design der klinischen
Studien eher auf eine rasche Zulassung
als auf den Nachweis eines überzeugenden
therapeutischen Fortschritts ausgerichtet.
Die Gesundheitspolitik muss dem von der
Pharmaindustrie verfolgten Prinzip einer
vorwiegend marktwirtschaftlich orientierten Preisgestaltung wirksamer begegnen.“
So müsse u.a. die späte Nutzenbewertung,
die zwei bis drei Jahre nach Markteintritt
ansetzt, stärker an Bedeutung gewinnen.
Im aktuellen Entwurf des AM-VSG ist
dies jedoch nicht vorgesehen. Vielmehr finden sich viele Wünsche der Pharmafirmen
wieder, wie der Verzicht auf eine öffentliche
Listung des Erstattungspreises. „Dabei gibt
es keinerlei Belege dafür, dass intransparente Preise zu höheren Rabatten der
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Pharmaindustrie führen. Stattdessen haben
sie nachweislich Mehrkosten für alle zur
Folge“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Die
Bundesregierung bliebe mit dem Entwurf
des GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes die Antwort darauf schuldig,
wie die Arzneimittelversorgung trotz stark
steigender Preise bei neuen Medikamenten
auch in Zukunft für alle Patienten ohne
Einschränkungen sichergestellt werden
soll. „Für die Hochpreisentwicklung bei
den patentgeschützten Arzneimitteln gibt
es derzeit kein adäquates Gegenmittel der
Politik. Besser als das AMNOG so lange
aufzuweichen bis nur noch ein AMNOG
0.5 übrig bleibt, wäre ein Reformverzicht“,
so Litsch.
Forschung
Neuer Schutz vor Alzheimer
Eine Veränderung der Zelloberfläche von Nervenzellen im Gehirn kann vor der Alzheimer-Krankheit schützen
D
as bestätigt die Forschung von Dr.
Viola Nordström vom Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) in
Heidelberg. Die Forschungsergebnisse
wurden jetzt im Fachjournal „Acta Neuropathologica Communications“ publiziert. Das Projekt wird durch den Erwin
Niehaus-Preis der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI)
mit 40.000 Euro gefördert.
Nervenzellen verfügen über Insulinrezeptoren, gewissermaßen Antennen,
die Insulinsignale von außerhalb der
Zelle aufnehmen und die Zelle dadurch
am Leben erhalten. Diese Übertragung
des Insulinsignals in die Zellen ist von
zentraler Bedeutung für Gedächtnis und
Erinnerung. Bei der Alzheimer-Krankheit
lagern sich die Alzheimer-typischen
Amyloid-Oligomere (Vorstufen der
Alzheimer-Plaques) im Gehirn ab und
stören dabei auch die Wirkung des Insulins auf die Nervenzellen. So tragen die
Amyloid-Ablagerungen zum Absterben
der Nervenzellen bei.
Durch eine Veränderung der Zelloberfläche ist es Viola Nordström, Silke Herzer
und ihrem Team aus der Abteilung Zelluläre und Molekulare Pathologie (Univ.Prof. Dr. Hermann-Josef Gröne) gelungen,
diesen Mechanismus auszuhebeln. Die
Wissenschaftler setzten einen Wirkstoff
ein, der die Entstehung von Gangliosiden hemmt. Bei Gangliosiden handelt es
sich um Fette, die einen starken Einfluss
auf den Zellstoffwechsel nehmen. Durch
Viola Nordström.
Foto: Thomas Tratnik
ihre Verringerung bleiben die Zellen vor
Alzheimer-Oligomeren verschont und
das Insulinsignal erreicht weiter die Nervenzellen. Diese Ergebnisse zeigten sich
bereits im Zellkulturmodell und konnten
jetzt im Alzheimer-Mausmodell bestätigt
werden.
Im nächsten Schritt soll der Mecha-
nismus nun weiter erforscht werden. So
könnten aus dieser Grundlagenforschung
auch neue Ansätze für die Therapie der
Alzheimer-Krankheit entstehen. „Alzheimer bringt viele Ängste für Betroffene und
Angehörige mit sich. Es ist eine Krankheit,
die berührt, da sie unsere Persönlichkeit
angreift“, sagt Viola Nordström.
Es gibt mehr als 50 verschiedene
Formen von Demenz. Die AlzheimerKrankheit ist mit etwa zwei Drittel aller
Fälle die häufigste Form der Demenz.
Man schätzt, dass in Deutschland 1 bis
1,2 Millionen Alzheimer-Patienten leben.
Für das Jahr 2050 wird ein Anstieg auf
rund 3 Millionen Patienten prognostiziert.
Das Risiko einer Erkrankung steigt mit
zunehmendem Alter. Man geht davon
aus, dass es bei der Bevölkerung über 65
alle fünf Jahre zu einer Verdopplung der
Alzheimer-Erkrankung kommt. So leidet
mindestens jeder vierte Mensch über
85 Jahren an dieser Krankheit. Mehr als
zwei Drittel der Erkrankten sind 80 Jahre
oder älter.
Die Krankheit durchläuft mehrere
Stadien. Eine Heimeinweisung kann
durch Medikamente bis zu zwei Jahre
hinausgezögert werden. Zwei Drittel der
Demenz-Kranken leben zu Hause und
werden durch Angehörige gepflegt.
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Forschung
Ohne Gentechnik: Neuer Weizen vor Mehltau geschützt
Der Echte Mehltau zerstört jedes Jahr zahlreiche Weizenernten
Professor Panstruga und Mitarbeiterin Anja Reinstädler untersuchen Weizen im Gewächshaus.
Foto: RWTH: Peter Winandy
W
enn Landwirte auf ihrem Getreide
eine weiße, watteartige Pilzflechte
sehen, ist es meist schon zu spät. Dann
nämlich hat der Echte Mehltau (Erysiphe
Graminis) zugeschlagen. „Besonders gefährdet sind Bestände in windgeschützten Lagen, Flussauen und Nebelsenken
oder Standorte mit hohem Stickstoffpool
im Boden (Veredelungsbetriebe)“, so die
Deutsche Saatveredelung AG. Je nach Verlauf und Befallsbeginn können dadurch
im Schnitt 25 Prozent der Ernte verloren
gehen. Aus diesem Grund werden bei Getreide meist Fungizide eingesetzt.
Aus umwelttechnischen und gesundheitlichen Gründen ist dieser Einsatz aber
immer auch fragwürdig. Forscher der Technischen Hochschule Aachen haben des-
halb nach einem Mittel gegen den Echten
Mehltau geforscht, dass selbst Biobauern
verwenden können: ein neuer Weizen. Dabei
haben die Forscher jedoch nicht auf eine
gentechnische Veränderung des Weizens
gesetzt.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass es
einige Pflanzen gibt, die einen natürlichen
Abwehrmechanismus gegen den Mehltau
haben: Gerste, Arabidopsis thaliana, auch
Acker-Schmalwand oder Gänserauke. Die
Ursache für die Resistenz ist ein fehlendes
Protein im Erbgut der Pflanzen. Besitzt eine
Pflanze dieses Protein nicht, kann sich der
Mehltau nicht ausbreiten.
„Obwohl Weizen ein sehr komplexes
Genom besitzt, nahmen die Aachener Biologen diese Herausforderung an. Denn
anders als bei Gerste, bei der jedes Gen nur
als zwei Kopien im Zellkern vorliegt, sind
es beim Weizen gleich sechs Kopien“, so die
Technische Hochschule Aachen.
„In China hat man schon vor zwei Jahren resistente Weizensorten generiert”,
berichtet Panstruga. „Aber dort gab es einen
transgenen Ansatz. Und der ist hier in Europa nicht gewünscht.” Hier hat man bisher
Resistenzen gegen Mehltau eingekreuzt,
ein langwieriger Prozess mit nur mäßigem
Erfolg. Denn kaum war eine Weizensorte
resistent, veränderte sich der Mehltau-Pilz
und konnte die vermeintlich resistenten
Sorten wieder angreifen.
Vom englischen Pflanzenforschungsinstitut in Rothamsted bei London erhielt
man letztlich mutierte Weizensaat: „Das
Erbgut dieser Elternpflanzen sei gezielt
auf Mutationen untersucht worden. Die
Wissenschaftler suchten nach dem Fehlen
des Proteins, das die Mehltau-Resistenz erst
möglich macht. „Durch mehrere Kreuzungen wurde nach vier Jahren Arbeit schließlich ein „Ur-Mutant” gefunden, der nun
Grundlage ist für die Weiterentwicklung
des resistenten Weizens.“
Letztlich habe man jedoch durch die
Zufallsmutation das Protein beschädigt,
nicht aber gänzlich abgeschaltet. Würde der
Weizen das Protein nicht mehr besitzen,
würde die Pflanze früher altern, der Reifeprozess würde sich verkürzen und auch das
hätte eine Minderung der Ernte zur Folge.
Derzeit wird das Saatgut nun auf zwei
Versuchsfeldern getestet. Da es sich bei der
Mutation nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt, käme dieser Weizen
also auch für Biobauern infrage.
Pharma
Ärzte fordern niedrigere Medikamentenpreise
Die Organisation „Ärzte der Welt“ macht auf Gefahren für das solidarische Gesundheitssystem aufmerksam
A
ngesichts rapide steigender Krankenkassenausgaben hat die Bundesregierung die Notwendigkeit der Regulierung
von Arzneimittelpreisen mit dem 2010
erlassenen Arzneimittelneuordnungsge-
setz (AMNOG) zwar offensichtlich erkannt,
aber das Gesetz konnte nicht verhindern,
dass die Preise für patentgeschützte Medikamente weiter in die Höhe schießen.
Ärzte der Welt bringt mit der Kampagne
„Der Preis des Lebens“ das Thema in die Öffentlichkeit und ruft Gesundheitsminister
Hermann Gröhe auf, alle in seiner Macht
stehenden, rechtlichen und politischen
Mittel einzusetzen, damit die Preise für
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Medikamente drastisch gesenkt werden.
Besonders deutlich wird die Problematik überhöhter Medikamentenpreise
bei dem Hepatitis-C-Medikament Sovaldi.
Nach WHO-Schätzungen leben 130 bis 150
Millionen Menschen mit einer chronischen
Hepatitis-C-Infektion, einer häufig tödlich
verlaufenden Krankheit. Es war daher ein
lang erhoffter Durchbruch, als der Pharmakonzern Gilead im Jahr 2013 Sovaldi auf den
amerikanischen Markt brachte.
In Deutschland liegt der offizielle Erstattungsbetrag, den die Krankenkassen
an Gilead zahlen, bei 43.562,52 Euro für
die zwölfwöchige Therapie. Eine Behandlung aller etwa 267.000 Menschen mit
chronischer Hepatitis C in Deutschland
würde 9 Milliarden Euro kosten – mehr
als ein Viertel der gesamten jährlichen
Medikamentenkosten der Krankenkassen. „Diese immensen Preise sind völlig
abgekoppelt von den Forschungs- sowie
Produktionskosten und können irgendwann
nicht mehr von den Krankenkassen gezahlt
werden“, betont François De Keersmaeker,
Direktor von Ärzte der Welt Deutschland.
„Unser solidarisches Gesundheitssystem
stößt durch diese rein profit-orientierten
Marktmechanismen an seine Grenzen.“
Erstmals gäbe es ökonomisch begründete
Beschränkungen in der Behandlung. Dies
sei sowohl für die individuelle wie für die
öffentliche Gesundheit bedrohlich, so De
Keersmaeker weiter.
Am 4. und 5. Oktober 2016 verhandelt
das Europäische Patentamt in einer öf-
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Steigen die Preise für Medikamente weiter, können Krankenkassen die Behandlungen nicht mehr zahlen.
Foto: Flickr/Bill Brooks/Cc by sa 2.0
fentlichen Anhörung über die Anfechtung
des Patents auf Sofosbuvir des Herstellers
Gilead. Die Klage hatte Ärzte der Welt im
Februar 2015 eingereicht.
Dass es möglich ist, günstigere Preise zu
verlangen, zeigte kürzlich der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk. Dieser will den
ärmsten Ländern der Welt hohe Preisnachlässe auf Insulin gewähren. Konzernchef Lars
Sörensen sagte bei einer Podiumsdiskussion
am Rande der UN-Generalversammlung in
New York, die Zusage gelte für mindestens
zehn Jahre. Durch den Preisnachlass würden
die Behandlungskosten pro Person bei zehn
bis 15 Cent am Tag liegen. Dies sei weniger als
ein Fünftel der Kosten in Industrieländern.
Novo Nordisk stellt nahezu die Hälfte des
weltweit produzierten Insulins her.
Sörensen sagte, die Zusage gelte für
jene Länder, die die Vereinten Nationen als
am wenigsten entwickelt einstuften und
für jene, die der Weltbank zufolge als arm
gelten. Darüber hinaus gelte das Angebot
für ausgewählte Organisationen, die Hilfe
in humanitären Notlagen leisten.
Nach Angaben des Konzerns haben
weltweit etwa 50 Millionen an Diabetes
erkrankte Menschen keinen Zugang zu
Insulin, Wird die Stoffwechselerkrankung
nicht sorgfältig kontrolliert, kann dies zu
einer Reihe ernsthafter Gesundheitsprobleme führen.
Ernährung
Jedes vierte Tierprodukt stammt von einem kranken Tier
Laut einer Studie von foodwatch stammen Lebensmittel mit tierischen Zutaten zu einem großen Teil von kranken Nutztieren
D
emnach macht mindestens jede
zweite Milchkuh einmal im Jahr haltungsbedingte Krankheiten durch, die
größtenteils vermeidbar sind. Etwa jeder
zehnte Liter Milch stammt von einer Kuh
mit entzündetem Euter. Schlachthofbefunden zufolge litt etwa jedes zweite
Schwein an haltungsbedingten Krankheiten. Statistisch gesehen war zudem mindestens jedes vierte Hähnchen vorher ein
kranker Hahn, wurden 4 von 10 Eiern von
einer Henne mit Knochenbrüchen gelegt.
Angesichts der uneinheitlichen Datenla-
ge lassen sich die Studien nur näherungsweise zusammenfassen. Als Faustregel
müssen Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch davon ausgehen, dass mindestens jedes vierte Tierprodukt von einem kranken Tier stammt. Beim Einkauf
ist dies nicht zu erkennen, die Produkte
kranker Tiere werden regelmäßig als „gesunde“ Lebensmittel angeboten.
„Wenn es um Tierhaltung geht, wird fast
nur über formale Kriterien wie Platzbedarf
oder Ausgestaltung der Ställe gesprochen
– das ist viel zu kurz gegriffen“, erklärte der
Autor von „Das Schweinesystem“, Matthias
Wolfschmidt. „Verschwiegen wird meist, dass
ein Großteil der Nutztiere unter massiven
Krankheitssymptomen leidet. Der allergrößte Teil könnte vermieden werden, aus
Kostengründen passiert das aber nicht. Das
Problem der Tiere besteht darin, dass sie
auch mit teils massiven Erkrankungen noch
‚funktionieren‘, also Lebensmittel liefern.“
Während Milchkühe regelmäßig unter
Lahmheit, Fruchtbarkeits- und Stoffwechselstörungen sowie Euterentzündungen leiden,
sind bei Schweinen laut Studienlage chroni-
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sche Gelenkerkrankungen und Organveränderungen die häufigsten Krankheitsbilder.
Bei Hühnern werden zahlreiche Symptome
wie Gelenkerkrankungen, Brustbeinschäden, Knochenbrüche, Eileiterentzündungen,
Wurmbefall und Fußballenveränderungen
festgestellt. Dabei gibt es keine signifikanten
Unterschiede zwischen konventioneller
und Bio-Haltung, zwischen kleinen Höfen
und Großbetrieben. Entscheidend für die
Gesundheit der Tiere ist vor allem die Qualität des Betriebsmanagements.
„Wer in den Bauern einfach Tierquäler
sieht, liegt falsch. Die Tierhalter sind, wie
die Tiere selbst und die Verbraucher, die
über die Herkunft ihrer Produkte getäuscht
werden, Opfer eines Systems, das falsche
Anreize setzt“, so Matthias Wolfschmidt.
„Vor allem der Handel ist verantwortlich
für einen Wettbewerb, der sich nicht um
Qualität, sondern nur um den Preis dreht –
das kann nur zu Lasten von Tieren, Bauern
und letztlich auch Kunden gehen.“
Damit eine echte „Tierhaltungswende“
gelingt, müssten Tiere vor dem krankmachenden Preis-Wettbewerb geschützt sein.
Matthias Wolfschmidt fordert, eine tiergerechte Haltung muss für alle Nutztiere
gesetzlich vorgeschrieben sein. Außerdem
müsse für jeden Betrieb erfasst werden, wie
viele Tiere an haltungsbedingten Krankheiten leiden. Die formalen Haltungskriterien
(Stallgröße, Auslauf, Beschäftigungsmöglichkeiten etc.) müssen es allen Tieren ermöglichen, arteigene Verhaltensweisen
so gut wie möglich auszuüben, ohne Verhaltensstörungen zu entwickeln. Auf den
Markt kommen dürfen nur noch solche
Produkte mit tierischen Bestandteilen,
die die Tierschutzvorgaben nachweislich
einhalten, so foodwatch.
„Wenn wir schon Tiere zur Produktion
von Lebensmitteln halten, dann schulden
wir allen von ihnen die bestmöglichen Umstände. Weder Nischenproduktionen noch
Tierschutzlabel oder 0-1-2-3-Kennzeich-
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Foto: foodwatch
nungen sind daher die Lösung, sondern
einzig und allein klare gesetzliche Vorgaben
und entsprechende Vergütungen von Tierschutzleistungen der Landwirte“, so Autor
Matthias Wolfschmidt. „Tiergerechtigkeit
muss verbindlicher Mindeststandard für
Landwirte, Handel und Verbraucher werden!“
Um einen solchen Standard zu etablieren, müssten der Handel und die Lebensmittelindustrie Tierhalter besser entlohnen.
Dies würde letztlich auch zu höheren Preisen für Verbraucherinnen und Verbraucher
führen. Matthias Wolfschmidt: „Wenn wir
das Leben hunderttausender krankgemachter Tiere wirklich verbessern wollen, dann
müssen wir diesen Preis bezahlen.“
Die Untersuchungen hat Matthias
Wolfschmidt, stellvertretender foodwatchGeschäftsführer, in seinem neuen Buch „Das
Schweinesystem – Wie Tiere gequält, Bauern
in den Ruin getrieben und Verbraucher
getäuscht werden“ zusammengefasst.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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