Manuskript

SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Interview der Woche – Manuskript
Autor:
Gesprächspartner:
Redaktion:
Sendung:
Dirk Rodenkirch
Gerd Lottsiepen, Verkehrsclub Deutschland
Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin
Samstag,17.09.2016, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR
SWR Interview der Woche vom 17.09.2016
SWR: Herr Lottsiepen, der VCD bezeichnet sich selbst als ökologischen Verkehrsclub. Das bedeutet,
Sie setzen sich für eine umweltverträgliche und gesunde Mobilität ein. Wie sehr hat Sie der AbgasSkandal aus den Schuhen gehauen?
G. L.: Ja, der hat uns schon ziemlich beschäftigt. Also, das sieht man zum Beispiel an der VCDAutoumweltliste. Wir machen seit vielen Jahren auch ein Ranking für die umweltverträglichsten Autos.
In diesem Jahr haben wir kein Ranking gemacht. Wir haben nicht umweltbesten gekürt, weil einfach, es
ist so unklar diese Datenlage. Bei den Stickoxyden betrügen sehr viele Hersteller, oder sagen wir vor
sichtiger ausgedrückt, sie mogeln, sie rechnen schön. Aber auch bei dem Verbrauch von
Kraftfahrzeugen ist die Schere zwischen dem Realverbrauch und dem Verbrauch auf dem
Rollenprüfstand, den die Hersteller immer angeben, stark gestiegen. Früher waren das mal acht
Prozent. Wir haben gemeckert, das ist zu viel. Aber inzwischen ist es im Durchschnitt über vierzig
Prozent. Es wird immer mehr, deshalb haben wir in diesem Jahr kein Ranking gemacht. Und wir wollen
damit auch den Herstellern sagen: Ihr müsst ehrlicher werden.
SWR: Vor einem Jahr ist dieser Skandal im Grunde bei uns aufgeflogen, beziehungsweise bekannt
geworden. Grüne und Linke im Bundestag beklagen bis heute, die Bundesregierung und vor allem
Bundesverkehrsminister Dobrindt, seien nicht wirklich an einer Aufklärung interessiert. Dobrindt sei viel
mehr der Schutzpatron der deutschen Autoindustrie. Teilen Sie beim VCD diesen Eindruck?
G. L.: Diesen Eindruck teile ich vollkommen. Also, Verkehrsminister Dobrindt hat bisher sehr wenig
getan um wirklich aufzuklären, obwohl er eine schonungslose Aufklärung versprochen hatte. Er hat
dann das KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) beauftragt Messungen vorzunehmen. Das hat dann Ewigkeiten
gedauert, über ein halbes Jahr gedauert bis die ersten Ergebnisse bekannt wurden. Bis heute sind
keine Ergebnisse zum C02, dem zweiten Problem was auch mit gemessen wurde, in die Öffentlichkeit
gelang. Ich habe kürzlich auch noch mal nachgefragt. Also, Herr Dobrindt tut alles um den deutschen
Autoherstellern nicht öffentlich an die Karre zu fahren.
SWR: Die Bundesregierung hat ein mutiges Ziel formuliert. Bis 2020, also in wenigen Jahren sollen eine
Million E-Autos in Deutschland unterwegs sein. Aktuell sind es glaube ich 50 000. Seit Juli sollen
Autokäufer mit einer Prämie ermuntert werden auf das Elektroauto umzusteigen. Viele Experten
rechnen damit, dass diese Kaufprämie floppt. Sie auch?
G. L.: Bis jetzt hat sie gefloppt. Also, das hat nicht dazu geführt, dass die Menschen mehr Elektroautos
kaufen. Also, es stimmt einfach die Begleitmusik nicht. Wenn zum Beispiel Autohersteller wie Daimler
oder VW hingehen, die erfolgreichsten Modelle die sie als Elektrofahrzeuge haben, mal eben für
mehrere Monate, beim Smart ist über ein Jahr, nicht produzieren, weil die Produktionskapazitäten für
die Verbrenner-Autos genutzt werden. Da stimmt dann was nicht mit den „Sonntagsreden“, dass sie
sagen sie wollen die Elektromobilität puschen. Und diese Kaufprämie, da kann ja keiner zu stimmen.
Interview der Woche :
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Also, wenn man so eine „Gießkannen-Förderung“ macht, sogar SUV’s, Plug-in-Hybride mit
Verbrennungsmotor und Elektromotor mit Prämien versieht unabhängig davon wie viel die tatsächlich
verbrauchen und was es für Fahrzeuge sind, dann ist das einfach der falsche Weg.
SWR: Die Grünen kritisieren unter anderem, für den Bundesverkehrsminister bestehe Elektromobilität
nur aus E-Autos. Können Sie, Herr Lottsiepen, ein Gesamtkonzept beim Minister erkennen?
G. L.: Bei Minister Dobrindt ist kein Gesamtkonzept zu erkennen. Und es ist richtig, es ist immer, wenn
man von Elektromobilität redet, ist immer die Rede von Autos. Es wird vollkommen übersehen, dass die
Bahnen seit langer Zeit elektrisch laufen. Dass dort auch Investitionsprogramme noch notwendig sind,
um Strecken die heute noch mit Dieselfahrzeugen betrieben werden, dass man die elektrifiziert. Und vor
allen Dingen was vollkommen außen vorbleibt, ist das „Pedelec“, also das Fahrrad mit elektrischer
Unterstützung. Und ganz wichtig ist auch, es gibt zunehmend „Lastenräder“. „Lastenräder“ die
vernünftigerweise elektrisch unterstützt werden. Gar keine Frage, mit denen kann man viel
innerstädtischen Güterverkehr erledigen. Vor allen Dingen, wenn wir sehen, dass immer mehr
Menschen Waren im Internet bestellen. Und das für ein kleines „Paketchen“ halt ein Lieferwagen mit
einem großen Dieselmotor unterwegs ist. Das kann erledigt werden mit „Lastenrädern“. Und da wird viel
zu wenig getan. Zum Beispiel eine Prämie für elektrische Lastenräder, die auch nicht ganz billig sind,
wäre viel zielführender als diese „Gießkannen-Prämie“ für Autos.
SWR: Das SWR Interview der Woche mit Gerd Lottsiepen dem verkehrspolitischen Sprecher des
Verkehrsclub Deutschland. Herr Lottsiepen, Prognosen zu Folge wird es in den kommenden Jahren
noch mehr Autos, noch mehr Lastwagen auf unseren Straßen geben. Das heißt, auch die Infrastruktur
muss mit wachsen. Im neuen Bundesverkehrswegeplan steht, bis 2030 sollen rund 1300 FernstraßenProjekte um gesetzt werden. Also, Autobahnen und Ortsumfahrungen aus oder neu gebaut werden.
Von Umweltverbänden und auch vom VCD gibt es eine Menge Kritik an dem Plan. Warum?
G. L.: Dieser Bundesverkehrswegeplan, der berücksichtigt überhaupt nicht die sonstigen Ziele der
Bundesregierung, die Ziele der internationalen Staatengemeinschaft. Dass wir bis zum Jahr 2050 aus
einer Mobilität, aus einem Verkehr herauskommen müssen der C02 emittiert. Das
Bundesverkehrsministerium tut immer noch so als ob der Verkehr naturgesetzmäßig weiter wächst. Wir
müssen endlich mal dazu kommen, dass die Alternativen gefördert werden. Das ist in diesem Plan
überhaupt nicht zu sehen. Das Ministerium Dobrindt ist ein weiter so Ministerium.
SWR: In Baden-Württemberg ist ein großes Reiz-Thema weiterhin „Stuttgart 21“, grade war
Grundsteinlegung. Das Bahnprojekt ist nach wie vor heftig umstritten. Es wird befürchtet, dass die
Kosten explodieren. Jetzt gibt es Vorwürfe vom Bundesrechnungshof, Verkehrsminister Dobrindt,
kontrolliere das Projekt zu wenig. Der weist das zurück und sagt: Stuttgart 21 ist ein
eigenverantwortliches Projekt der Bahn, die muss selber sehen, dass das läuft. Und auch an möglichen
Mehrkosten werde sich der Bund, immerhin Eigentümer der Bahn, nicht beteiligen. Macht es sich
Dobrindt hier zu einfach?
G. L.: Ja, ja. So kann man sich aus der Verantwortung herausreden. Gut die Verantwortung liegt jetzt
auch nicht bei Dobrindt, sondern sie liegt bei früheren Verkehrsministern. Die Bahn hätte Stuttgart 21 so
wie es jetzt gebaut wird, wahrscheinlich nie gebaut, wenn der Bund und andere, auch in BadenWürttemberg, das nicht über lange Zeit gewollt hätten.
SWR: Der Verkehrsclub Deutschland möchte mehr Güterverkehr von der Straße auch holen und auf die
Schiene verlagern. Sie haben es eben gesagt, der VCD ist auch dafür extra lange Güterzüge
einzusetzen. Wie wir es heute noch nicht so viel bei uns unterwegs haben. Die Bahnlärm geplagten
Menschen im Mittelrheintal in Rheinland-Pfalz beispielsweise, die grausen sich vor dieser Vorstellung.
Interview der Woche :
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Die wollen nicht noch mehr Krach. Wie passt das zusammen mit Ihrem Anspruch an „gesunde
Mobilität“?
G. L.: Man muss natürlich die Güterzüge modernisieren. Also, die brauchen andere Bremsen das ist
ganz wichtig. Man muss natürlich auch die Trassen ertüchtigen. Also, der Lärm entsteht oft dadurch,
dass die nicht wirklich gerade sind, dass die Schienen nicht genug abgeschliffen werden, dass da
uraltes Material fährt, also, uralte Waggons. Das gehört alles dazu, dass man dort investiert. Und man
kann einen deutlich längeren Zug, wenn der modern ist, dann ist der deutlich leiser als ein kürzerer Zug
der mit den alten „Humpelwagen“ fährt.
SWR: Noch ein Thema aus Rheinland-Pfalz. Der Flughafen Hahn. Seit langem unwirtschaftlich.
Deshalb versucht die Landesregierung den Flughafen los zu werden, mit bescheidenem Erfolg. Ist das
ein Beispiel wo wirtschaftliche Interessen und Umweltaspekte heftig kollidieren? Was halten Sie
überhaupt von solchen Regionalflughäfen die sich die Länder im Grunde gönnen?
G. L.: Es ist halt das föderale System. Jeder möchte irgendwie einen Flughafen in der Nähe haben. Wir
wissen inzwischen, dass Deutschland, bleiben irgendwann vernünftigerweise, bleiben vielleicht fünf
Flughäfen übrig, vielleicht auch sieben. Also, ich möchte mich da jetzt nicht festlegen. Und wichtig ist,
dass diese Flughäfen gut erreichbar sind. Es ist doch besser ich haben einen Flughafen in sechzig oder
achtzig Kilometer Entfernung, komm da aber gut mit einem Zug hin, als wenn die Entfernung kürzer und
ich muss dreimal umsteigen. Innerdeutsch lohnt sich das Flugzeug schon heute nicht. Und der Zug hat
den großen Vorteil, dass ich dort von Anfang bis Ende etwas Schönes tun kann. Ich kann entweder
arbeiten oder ich kann aber auch mich gepflegt unterhalten. Oder wenn man vom Termin zurück
kommt, trinkt man ein Fläschchen Wein. Das ist doch viel angenehmer als diese Hetzerei im Flugzeug.
SWR: Das heißt: Flughafen Hahn hat für Sie keine Zukunft?
G. L.: Nein, der hat keine Zukunft. Es sollten keine Flughäfen subventioniert werden. Und wir haben
noch viel schlimmere Beispiele als Hahn. Warum muss man unbedingt in Paderborn-Lippstadt
einsteigen, wenn man relativ gut zum Beispiel nach Düsseldorf oder nach Frankfurt kommt.