Europäische Kommission - Pressemitteilung Staatliche Beihilfen: Kommission nimmt polnische Einzelhandelssteuer unter die Lupe Brüssel, 19. September 2016 Die EU-Kommission hat eine eingehende Untersuchung zur polnischen Einzelhandelssteuer eingeleitet, weil sie Bedenken hat, dass die umsatzabhängige Steuerprogression für Unternehmen mit niedrigen Umsätzen einen selektiven Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten nach sich ziehen und damit gegen das EU-Beihilferecht verstoßen könnte. Außerdem hat die Europäische Kommission Polen heute mittels einer entsprechenden Anordnung angewiesen, die Anwendung der Steuer bis zum Erlass des endgültigen Kommissionsbeschlusses auszusetzen. Im Juli 2016 hatte die Kommission eine in Ungarn erhobene umsatzbasierte Einzelhandelssteuer als Verstoß gegen die EU-Beihilfevorschriften eingestuft, weil sie umsatzschwachen Unternehmen einen selektiven Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffte. Die heute eingeleitete Untersuchung bezieht sich auf eine Steuer, die Polen im Juli 2016 für im polnischen Wareneinzelhandel tätige Unternehmen eingeführt hat. Die Steuerregelung ist erst am 1. September 2016 in Kraft getreten, sodass bislang noch keine entsprechenden Steuerzahlungen fällig wurden. Der Regelung zufolge sind alle Einzelhandelsunternehmen zur Zahlung einer monatlichen umsatzbasierten Steuer verpflichtet. Zu den wichtigsten Merkmalen der Steuer zählt eine dreistufige Progression: - Der unter 17 Mio. PLN (ungefähr 3,92 Mio. EUR) liegende Anteil des Monatsumsatzes wird mit 0 % besteuert. - Der zwischen 17 Mio. PLN und 170 Mio. PLN (ungefähr 39,2 Mio. EUR) liegende MonatsumsatzAnteil wird mit 0,8 % besteuert. - Der über 170 Mio. PLN hinausgehende Monatsumsatz-Anteil wird mit 1,4 % besteuert. Die Kommission wurde durch Medienberichte veranlasst, diese Steuer genauer zu prüfen. Polen hatte die Steuerregelung nicht bei der Kommission angemeldet. Außerdem hat die Kommission im August 2016 eine Beschwerde erhalten, wonach die polnische Einzelhandelssteuer gegen das EU-Beihilferecht verstößt. Die Kommission stellt weder das Recht Polens zur Festlegung seiner Steuersätze noch den Zweck unterschiedlicher Steuern und Abgaben in Frage. Das Steuersystem eines Mitgliedstaats darf aber nicht gegen EU-Recht (wozu auch die Beihilfevorschriften zählen) verstoßen. Die ungerechtfertigte Begünstigung bestimmter Unternehmenskategorien (beispielsweise umsatzschwacher Unternehmen) ist somit verboten. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens hegt die Kommission Bedenken, dass die Anwendung einer umsatzbasierten Steuerprogression umsatzschwachen Unternehmen einen selektiven Vorteil verschafft und deshalb staatliche Beihilfen im Sinne des EU-Rechts beinhaltet. Die progressive Struktur der Steuersätze führt dazu, dass Unternehmen mit geringen Umsätzen entweder überhaupt keine Einzelhandelssteuer müssen oder aber Steuern zu deutlich niedrigeren Durchschnittssätzen abführen als Unternehmen mit hohen Umsätzen. Nach der vorläufigen Beurteilung der Kommission ist diese progressive Struktur der Steuersätze nicht durch den Aufbau des polnischen Steuersystems bedingt, das Einnahmen für den Staatshaushalt hervorbringen soll. Polen hat bislang nicht dargelegt, inwieweit die Ziele der Einzelhandelssteuer es erfordern, dass große Einzelhändler anders besteuert werden als kleinere Anbieter. Die Kommission wird diese Sache nun eingehend prüfen, um festzustellen, ob sich ihre ursprünglichen Bedenken bestätigen. Die Einleitung einer eingehenden Untersuchung gibt interessierten Dritten die Möglichkeit, zu der betreffenden Maßnahme Stellung zu nehmen. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt. Hintergrund Nach EU-Recht ist es Sache der Mitgliedstaaten, über ihre Steuersysteme zu entscheiden. Jeder Mitgliedstaat muss jedoch sicherstellen, dass sein Steuersystem mit dem EU-Recht vereinbar ist. Insbesondere sollte die Steuerpraxis nicht zu staatlichen Beihilfen (im Sinne einer Begünstigung bestimmter Unternehmen) führen, die mit dem EU-Recht unvereinbar sind. Im Juli 2016 hatte die Kommission festgestellt, dass eine in Ungarn erhobene umsatzbasierte Einzelhandelssteuerregelung gegen die EU-Beihilfevorschriften verstieß, weil die dort verankerte Progression umsatzschwachen Unternehmen einen selektiven Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffte. Im Rahmen der Einleitung der eingehenden Untersuchung hatte die Kommission Ungarn angewiesen, die Anwendung der Steuerprogression bis zum Abschluss ihrer beihilferechtlichen Prüfung auszusetzen. Daher hatte Ungarn keine auf der progressiven Struktur der Steuersätze beruhenden Steuern erhoben, sodass de facto keine Beihilfen gewährt wurden. Deshalb sah die Kommission keinen Anlass, ihren abschließenden Beschluss mit einer Rückforderungsanordnung zu versehen. Weitere Informationen sind auf der Website der GD Wettbewerb im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer SA.44351 abrufbar. IP/16/3104 Kontakt für die Medien: Ricardo CARDOSO (+32 2 298 01 00) Yizhou REN (+32 2 299 48 89) Kontakt für die Öffentlichkeit: Europe Direct – telefonisch unter 00 800 67 89 10 11 oder per E-Mail
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