Eine „Wegwerf-Weltmeisterin“ für Waiblingen

Stuttgarter Zeitung - Rems-Murr-Kreis vom 23.09.2016
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Annette Clauß [0001113513]
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Neue Leiterin für Stadtarchiv und Stadtmuseum
Eine „Wegwerf-Weltmeisterin“ für Waiblingen
Waiblingen Die 28-jährige Tanja Wolf leitet seit dem 1. September das Archiv und das Museum
der Stadt. Annette Clauß
Waiblingen Farblos und langweilig sind
sie, und ihre Zeit verbringen sie am liebsten inmitten staubiger Aktenberge und
fernab menschlicher Gesellschaft. Das,
sagt Tanja Wolf, sei die Vorstellung,
welche die meisten Menschen von
Archivaren hätten. Doch sie trägt es mit
Humor. „Ich bin von Haus aus Archivarin und das von Herzen gerne“, sagt sie
– und das nimmt man ihr ab.
Seit dem 1. September leitet Tanja Wolf
als Nachfolgerin von Uwe Heckert die
Abteilung Stadtgeschichte, Museum und
Stadtarchiv in Waiblingen. Außerdem
ist sie ein lebendes Beispiel dafür, dass
es am Bild des Archivars einiges geradezurücken gibt. 28 Jahre jung ist Tanja
Wolf, offen, humorvoll und definitiv
weder farblos noch menschenscheu oder
gar langweilig.
„Ein Archiv ist für die Nutzer da. Sie
sind immer willkommen und wir helfen
gerne“, findet Tanja Wolf, die sich fest
vorgenommen hat, das Waiblinger
Stadtarchiv mit seinen Schätzen möglichst bald auch im Internet sichtbar
werden zu lassen. Sei das nicht der Fall,
werde man nämlich nur selten wahrgenommen und noch seltener von Historikern für Forschungszwecke genutzt,
denn diese suchten zunächst im Internet
nach Quellen.
Tanja Wolf ist selbst angehende
Geschichtswissenschaftlerin: Neben
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ihrem bisherigen Job im Stadtarchiv
Worms, wo sie das Fotoarchiv aufgebaut und betreut hat, studiert sie
Geschichte an der Fernuni Hagen. Nur
die Abschlussarbeit steht noch aus.
„Eigentlich hatte ich da ein Wormser
Thema in Planung“, erzählt Tanja Wolf,
die lokale Geschichte als eines ihrer
Lieblingsgebiete bezeichnet. Doch dann
stieß sie beim Surfen im Internet auf die
von der Stadt Waiblingen ausgeschriebene Stelle, bewarb sich – und machte
das Rennen.
Im Juni stand fest, dass sie vom 1. September an in Waiblingen arbeiten
würde. Die Stadt habe sie vor ihrer
Bewerbung nicht gekannt, erzählt Tanja
Wolf, die aus Bad Hersfeld, „dem tiefsten Osthessen“, stammt. „Ich finde die
Stadt, besonders die Altstadt und den
Stadtpark, wunderschön“, sagt sie. Nur
eines habe sich als Qual entpuppt: „Hier
eine Wohnung zu suchen ist ein echter
Albtraum. Doch am Ende hat sich alles
wunderbar gefügt. “ Anfang Oktober
kann Tanja Wolf in ihr neues Zuhause
ziehen, ihr Mann, ein Informatiker, ist
auch auf Stellensuche im Raum Stuttgart.
Tagsüber ist Tanja Wolfs zweites
Zuhause nun das Alte Dekanat in der
Kurzen Straße. Dort hat sie ihr Büro,
ebenso ihr Kollege, der „wunderbare
Stadthistoriker“ Hans Schultheiß, mit
dem sie beispielsweise künftig die Sonderausstellungen im 2014 eingeweihten
neuen Haus der Stadtgeschichte erarbeiten wird. „Die Grundlagen stimmen“,
sagt Tanja Wolf über das Stadtmuseum.
Durch die Sonderausstellungen bleibe
das Haus attraktiv und locke Besucher
öfters an.
Die Archivarbeit hingegen laufe größtenteils hinter den Kulissen ab – kaum
ein Bürger ahne, welche Berge von
neuen Akten Archivare ständig sichten,
bewerten und auswählen müssten. „Wir
gelten als die, die immer alles aufbewahren. Aber es ist genau anders herum:
Wir sind die Weltmeister im Wegwerfen“, sagt Tanja Wolf.
Dass sie in Waiblingen, anders als in
einem großen Archiv wie dem Hauptstaatsarchiv, für unterschiedliche
Gebiete zuständig ist, gefällt der 28-Jährigen an ihrem Job gut. Das Archiv sei
„das Gedächtnis der Stadt“, sagt sie über
die Urkunden, Nachlässe und Protokolle, die dort lagern, und die, so versichert sie, „wirklich spannend“ sein können. Spannend dürfte auch Tanja Wolfs
Abschlussarbeit werden, die nun statt
Worms Waiblingen zum Thema hat und
in der, so viel sei verraten, auch der
Staufermythos eine Rolle spielen wird.
Kein bisschen farblos oder menschenscheu: die Stadtarchivarin Tanja Wolf
Gottfried Stoppel
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