Bayer schraubt Renditeziele nach oben

Ausgabe | 37
23. September 2016
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Pharma
Bayer schraubt Renditeziele nach oben
Im Pharmageschäft erwarte Bayer besonders hohe Umsatz- und Margenzuwächse
B
ayer steckt sich mit der milHintertreffen geraten könnte. Seit
2009 hat Bayer fünf neue Medikaliardenschweren Übernahme
des US-Saatgutriesen Monsanto
mente auf den Markt gebracht, die
neue Renditeziele. „Für die mitteils wie der Blutgerinnungshemtelfristige Entwicklung von Bayer
mer Xarelto und das Augenmittel
sind wir optimistisch und haben
Eylea Milliardenumsätze erzielen.
uns entsprechend ambitionierte
Vor allem von diesen beiden
Ziele gesetzt“, sagte VorstandsBlockbuster-Medikamenten verchef Werner Baumann auf einer
spricht sich Baumann künftig
Investorenkonferenz in Köln. Der
noch höhere Umsätze als bislang
Leverkusener Chemie- und Pharerwartet. Beim GerinnungshemDie Blutgerinnung ist ein komplexer Prozess – und ein Spezialgemakonzern strebe in allen Bereimer Xarelto geht er nun von einem
biet der Bayer-Wissenschaftler, die hier im Labor von Bayer Healthchen weitere Umsatz- und Ergeb- Care in Berkeley, USA, die Therapien für Bluterkranke verbessern. Spitzenumsatzpotenzial von mehr
Foto: Bayer
als fünf (bisher: ca. 3,5) Milliarden
niszuwächse an, die im Geschäft
Euro und beim Augenmittel Eylea
mit
verschreibungspflichtigen
von über 2,5 (bisher: mindestens 1,5)
Arzneimitteln besonders hoch
ausfallen sollen. „Hierzu soll vor allem
Das Pharmageschäft bleibt damit auch Milliarden aus. Bayer habe zudem sechs
die erfreuliche Entwicklung unserer neu- nach dem Zukauf von Monsanto die tragen- weitere Produkte in der Entwicklung mit
eren Produkte beitragen, deren Spitzen- de Ergebnissäule im Konzern. Bayers Opti- einem Spitzenumsatzpotenzial von insgeumsatzpotenzial wir jetzt bei insgesamt mismus könnte Kritikern den Wind aus den samt mindestens sechs Milliarden Euro.
mehr als zehn Milliarden Euro sehen“, Segeln nehmen, die befürchtet hatten, dass
Bis zum Jahr 2018 soll die bereinigte
betonte Baumann. Bislang waren min- das traditionsreiche Pharmageschäft nach operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge)
destens 7,5 Milliarden Euro veranschlagt der 66 Milliarden Dollar schweren Über- im Geschäft mit verschreibungspflichtigen
worden.
nahme des US-Agrarchemiekonzerns ins Arzneimitteln auf 32 bis 34 Prozent von
Analyse
Die meisten fragen Google bei Krankheiten
Etwa jeder zweite Deutsche hat
bereits einmal im Internet nach Informationen zu Krankheiten gesucht. Das
gilt sowohl bei leichten Beschwerden
als auch bei schweren Krankheiten. Fast
alle User starten ihre Recherche mit
den einschlägigen Suchmaschinen, wie
beispielsweise google.de. Ungefähr die
Hälfte lernt über Gesundheitsblogs und
Gesundheitsforen die Sichtweise anderer
Betroffener kennen. Genauso viele suchen auf speziellen Gesundheitsseiten,
wie etwa netdoktor.de oder apothekenumschau.de. Zu diesem Ergebnis kommt
eine repräsentative Meinungsumfrage
des Deutschen Gesundheitsmonitors des
BAH im zweiten Quartal 2016.
Interessant dabei ist, dass soziale
Netzwerke bei der Krankheitsrecherche
fast keine Rolle spielen: Facebook & Co.
nutzen weniger als 10 Prozent der Informationssuchenden.
Was wird gesucht? Sowohl bei leichten als auch bei schweren Erkrankungen
suchen fast alle nach Informationen zum
Krankheitsbild (91 Prozent). Die Recherche
nach Behandlungsmöglichkeiten spielt
bei schweren Erkrankungen (87 Prozent)
eine etwas größere Rolle als bei leichten
Erkrankungen (81 Prozent).
Bei der Frage nach dem Zweck der
Informationssuche zeigt sich eine Tendenz zum kritisch-aufgeklärten Patienten:
Mehr als drei Viertel der Befragten helfen die Informationen dabei, bei Ärzten
und Apothekern gezielter nachzufragen.
Und ungefähr zwei Drittel der Befragten
nutzen die Informationen dazu, über
Alternativen zu einem Arzneimittel nachzudenken. Allerdings ist auch jeder Dritte
durch die Vielzahl der online angebotenen
Informationen verwirrt.
Der Deutsche Gesundheitsmonitor
des BAH besteht aus drei Modulen: Der
Deutsche Gesundheitsindex spiegelt als
Kernstück regelmäßig die Antworten
der deutschen Bevölkerung auf Fragen
zur Gesundheit und zum allgemeinen
Wohlbefinden wider. Der Image-Monitor
Gesundheitssystem bildet ebenfalls regelmäßig das Vertrauen der Bevölkerung in
die Akteure des Gesundheitswesens ab.
Variierende Brennpunktthemen reflektieren die Meinung zu aktuellen Themen.
Weitere Informationen zum Deutschen
Gesundheitsmonitor des BAH finden sich
auf der Website des BAH.
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30,1 Prozent im vergangenen Jahr steigen.
Bayer plant zudem währungsbereinigt
ein jährliches durchschnittliches Umsatzwachstum von rund sechs Prozent. Auch
das Agrarchemiegeschäft CropScience peilt
eine höhere Rendite an, die im dritten Jahr
nach Abschluss der Monsanto-Übernahme
auf mehr als 30 (2015 proforma: ca. 27)
Prozent steigen soll.
Deutlich geringer soll der Renditezuwachs im Geschäft mit rezeptfreien
Gesundheitsprodukten ausfallen: Dort
soll die Marge bis 2018 auf etwa 25 von
24 Prozent im vergangenen Jahr steigen.
Bayer hatte den Bereich 2014 mit der Über-
nahme der Gesundheitspräparate-Sparte
des US-Pharmakonzerns Merck & Co für
gut zehn Milliarden Euro gestärkt. Der
Bayer-Vorstand räumte nun ein, dass die
Integration des Zukaufs seinerzeit den Geschäftsbetrieb stärker unterbrochen hatte
als angenommen. Zudem sei das Risiko
aus den Schwankungen der Geschäfte in
Schwellenländern unterschätzt worden. Bei
Monsanto müssen die Leverkusener nun
beweisen, dass sie ihrem Anspruch – umfassende Erfahrungen in der erfolgreichen
Unternehmensintegration zu haben – gerecht werden.
Die Biotechfirma Evotec baut die Zu-
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sammenarbeit mit Bayer aus. Zusammen
wollen die beiden Unternehmen neue Therapien zur Behandlung von Nierenerkrankungen entwickeln, wie Evotec mitteilte.
Evotec stehen aus der Partnerschaft, die
über fünf Jahre läuft, Forschungszahlungen und eine Lizenzgebühr von insgesamt
mindestens 14 Millionen Euro zu. Zudem
winken Meilensteinzahlungen von potenziell über 300 Millionen Euro sowie eine
Umsatzbeteiligung im unteren zweistelligen Prozentbereich an den Produkten, die
aus der Zusammenarbeit hervorgehen. Die
klinische Entwicklung und die Vermarktung
der Produkte soll Bayer verantworten.
Produkte
Bundesgerichtshof untersagt Energiesparlampen mit zu viel
Quecksilber
Deutsche Umwelthilfe fordert ein Ende der staatlichen Nicht-Kontrolle bei den Quecksilber-Grenzwerten
D
ie Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat
sich in dieser Woche letztinstanzlich
gegenüber der Brilliant AG durchgesetzt.
Der Brillant AG ist untersagt worden, Energiesparlampen mit zu hohem Quecksilbergehalt zu verkaufen. Dies entschied der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Die
DUH hatte bei Laboranalysen von Energiesparlampen der Brilliant AG deutliche
Überschreitungen des gesetzlich erlaubten Grenzwerts für Quecksilber festgestellt.
In einem Fall überschritt der gemessene Höchstwert mit 13 Milligramm den
damals gesetzlich erlaubten Grenzwert von
5 Milligramm um mehr als das Doppelte.
Die Aufforderung der DUH, eine Unterlassungserklärung abzugeben und sich damit dazu zu verpflichten, zukünftig keine
Energiesparlampen mit zu viel Quecksilber
mehr zu verkaufen, hatte das Unternehmen
abgelehnt. Daraufhin klagte die DUH im Juli
2012 gegen die Brilliant AG wegen Verstoßes
gegen das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG). Sowohl das Landgerichts
Stade als auch das Oberlandesgericht Celle
entschieden im Sinne der DUH.
„Es ist schon dreist, wenn ein Lampenhersteller wie die Brilliant AG bis zum
Bundesgerichtshof dafür kämpft, dem
Verbraucher eine gesundheitsgefährdende Technik verkaufen zu dürfen“, sagt der
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Immer häufiger müssten Unternehmen
durch Gerichtsurteile dazu gezwungen
werden, Verantwortung für ihre Produkte
zu übernehmen und die geltenden Gesetze
einzuhalten. „Dieses mangelnde Verantwortungsgefühl einzelner Unternehmen
bringt zu Unrecht eine für die Energiewende
wichtige Leuchtmitteltechnologie in Verruf“, so Resch. „Die heutige Entscheidung
des höchsten deutschen Zivilgerichts ist
eine Ohrfeige für diejenigen Behörden, die
entsprechende Kontrollen von vielen umweltbezogenen Verbraucherschutzvorschriften verweigern.“ Das Urteil sei wegweisend
für den Verbraucherschutz, weil nun klar
wäre, dass mit den Mitteln des Verbraucherschutzrechts auch die Verletzung von
Normen eingeklagt werden kann, die dem
Gesundheitsschutz dienen.
Energiesparlampen sind im Normalbetrieb ungefährlich und ungiftig. Technisch
bedingt beinhalten sie jedoch eine geringe
Menge Quecksilber, die im Fall eines Bruchs
Technisch bedingt beinhalten sie eine geringe Menge Quecksilber, die im Fall eines Bruchs freigesetzt
werden kann.
Foto: Flickr/Tobias Mandt/CC by 2.0
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freigesetzt werden kann. Der Grenzwert für
Quecksilber in Energiesparlampen wurde
zum 1. Januar 2013 europaweit auf 2,5 Milligramm pro Lampe gesenkt. Seit September
2010 müssen Hersteller auf der Verpackung
zudem angeben, wie viel Quecksilber in den
Energiesparlampen enthalten ist.
„Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes sind die Möglichkeiten der Verbraucher-
schutzverbände gestärkt, um direkt gegen
Unternehmen vorzugehen. Jede Verletzung
von gesundheitsschützenden Normen kann
nunmehr grundsätzlich durch Verbände
gerichtlich verfolgt werden. Auch deshalb
freuen wir uns über die Entscheidung des
Gerichts, die den Schutz der Verbraucher
stärkt“, sagt Rechtsanwalt Remo Klinger,
der die DUH in der rechtlichen Auseinan-
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dersetzung vertrat.
Die DUH wird weiterhin konsequent
gegen Hersteller von Energiesparlampen
mit unzulässig hohen Quecksilbergehalten vorgehen. Gleichzeitig müssen aber
auch der Bund und die Bundesländer
endlich eine funktionierende Kontrolle
aufbauen und einen Vollzug der Gesetze
gewährleisten.
Forschung
Fresszellen reparieren Muskelfasern
Das brennende Gefühl in den Beinen, wenn wir lange steil bergab laufen, sind winzige Risse in der Zellmembran der Muskelfasern
D
iese Löcher in den Zellhüllen müssen
schnellstens geschlossen werden, da
Muskelzellen sonst sterben. Mit Hilfe hochauflösender Echtzeitmikroskopie konnten
Forscher am KIT diesen Reparaturprozess
verfolgen.
In Sekundenschnelle baut sich aus
Bauteilen aus dem Inneren der verletzten
Zelle ein Reparaturflicken auf, der schließlich
das Membranloch schließt. Die Forscher des
KIT konnten nun zeigen, dass im Muskel
umherwandernde Fresszellen in geradezu
nanochirurgischen Eingriffen diesen Reparaturflicken dann wieder entfernen, um die
normale Struktur der Zellmembran herzustellen. (DOI: 10.1038/NCOMMS12875)
Die Zellen der Skelettmuskulatur haben
effektive Mechanismen, um Risse in ihrer Zellmembran zu reparieren. Diese Risse entstehen
selbst durch normale, gesundheitsfördernde,
mechanische Belastung unsere Muskulatur.
Die Zellmembran stellt eine wichtige Barriere dar, welche für die Funktion und das
Überleben von Zellen wichtig ist. Wenn diese
Barriere zusammenbricht und nicht schnell
repariert werden kann, stirbt die Muskelzelle
ab. Die Folge ist Muskelschwund. Menschen,
die Defekte in Reparaturproteinen, wie zum
Beispiel dem Dysferlin haben, entwickeln Muskelschwund, der schwerste Behinderungen
und frühzeitigen Tod zur Folge hat.
In einer interdisziplinären Zusammenarbeit der KIT-Forschergruppen von Uwe Strähle
und Gerd Ulrich Nienhaus, entwickelten die
Doktoranden Volker Middel und Lu Zhuo
neue Techniken, um Membranreparaturprozesse in höchster Auflösung in Echtzeit
in menschlichen Zellen und in Muskelzellen
des Zebrafischembryos zu untersuchen. Sie
zeigten, dass der Reparaturflicken neben Ab-
dichtungsproteinen, wie das Dysferlin oder die
Annexine, auch das Lipid Phosphatidylserin
angereichert hat. Phosphatidylserin ist ein
bekannter Appetitanreger für Fresszellen,
den sogenannten Makrophagen.
Im Film konnten die Forscher des KIT
zeigen, dass die Makrophagen tatsächlich an
den Reparaturflicken andocken und diesen
auffressen. Erst durch Entfernen des Flickens
wird die Zellhülle wieder vollständig hergestellt. Membranreparatur im intakten Muskel
benötigt daher zusätzlich zu der Reparaturfli-
Grafik: KIT
ckenbildung in der verletzten Zelle die Hilfe
von umherwandernden Makrophagen.
Sie konnten weiterhin zeigen, dass eine
kurze Aminosäuresequenz im Reparaturprotein Dysferlin für den Transport des
Phosphatidylserins verantwortlich ist. Bemerkenswerterweise gibt es Patienten mit
Muskelschwund, die genau an dieser Stelle des
Dysferlins einen Defekt aufweisen. Die neuen
Erkenntnisse können daher dazu beitragen,
Therapien für Patienten mit Muskelschwund
zu entwickeln.
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Forschung
Zellverträgliche OLED für Einsatz am Patienten
Die Lichttherapie ist ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Wundheilung
Erste Ergebnisse weisen auf Effekte einer beschleunigten Selbstheilung hin.
A
m Fraunhofer-Institut für Organische
Elektronik, Elektronenstrahl- und
Plasmatechnik FEP wurden erstmals Untersuchungen an Zellkulturen zur Zytokompatibilität, also der Zellverträglichkeit,
von organischen Leuchtdioden durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen vielversprechende
Aussichten für den Einsatz von OLED im
medizinischen Bereich, z. B. in der Lichttherapie. Die Ergebnisse wurden in einem White
Paper „Untersuchung der Zellverträglichkeit
von OLEDs“ publiziert.
Die Lichttherapie ist ein wichtiges Inst-
Foto: Fraunhofer Institut
rument zur Unterstützung der Wundheilung.
Schwierige und langwierige Heilungsprozesse in der Dermatologie, z. B. aufgrund
chronischer und infizierter Wunden, stellen
für die behandelnden Ärzte eine Herausforderung dar und können mit Licht positiv
beeinflusst werden.
Das Fraunhofer FEP in Dresden forscht
seit Jahren erfolgreich an Prozessen, Technologien und Anwendungen für flexible
OLED. Um diese Flächenlichtquellen nun
für potenzielle medizinische Anwendungen
einsetzen zu können, sind toxische Einflüsse durch die verwendeten Materialien
auszuschließen. Derlei Untersuchungen
zur sogenannten Zytokompatibilität von
flexiblen OLED waren bisher nicht bekannt.
In einer Pilotstudie wurde nun erstmals
die Zytokompatibilität von flexiblen OLEDSystemen beurteilt. Dr. Schönfelder, Gruppenleiterin der Arbeitsgruppe Medizinische
Applikationen am Fraunhofer FEP, erläutert
begeistert: „Selbst nach elektrischem Betrieb
oder mechanischen Belastungen durch Biegen diffundieren keine toxisch wirkenden
Substanzen aus den OLED, die die Zellen
verändern.“
Im nächsten Schritt wurden Untersuchungen an definiert geschädigten invitro-Zellkulturen aus der Haut und des
Immunsystems zum Einfluss von OLEDLicht durchgeführt. Erste Ergebnisse weisen
auf Effekte einer beschleunigten Selbstheilung hin und können damit die potenzielle
Grundlage für zukünftige therapeutische
Anwendungen sein.
Bereichsleiter Dr. Christian May schaut
voraus: „Es stehen weitere Langzeituntersuchungen an, um die Zytokompatibilität
während der OLED-Licht-Einwirkung garantieren zu können. Sichere elektrische
Kontaktierungen, Stromversorgung, Ansteuerungen und die Randversiegelung sind
wichtige Themen, denen wir uns widmen,
bevor eine Anwendung direkt am Patienten
möglich wird.“
Pharma
Ältere Patienten erhalten seltener riskante Medikamente
Ärzte verschreiben älteren Patienten seltener Medikamente, die für sie ungeeignet sind oder sogar gefährlich werden können
N
ach einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
(WIdO) ist der Anteil der AOK-versicherten
Patienten ab 65 Jahren, die mindestens
ein für sie potenziell riskantes Medikament von der sogenannten Priscus-Liste
erhielten, von 29 Prozent im Jahr 2006
auf knapp 19 Prozent im Jahr 2015 gesunken. „Wir freuen uns, dass sich die Medikationssicherheit für die Patienten verbessert, und engagieren uns dafür, dass
sich dieser Trend weiter fortsetzt“, sagt
Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes. Gleichzeitig gewinnt das Thema Polymedikation an Bedeutung: So stieg der Anteil der AOK-versicherten Patienten ab 65, die fünf oder
mehr Wirkstoffe im Quartal verschrieben
bekamen, von 49 Prozent im Jahr 2006
auf etwa 55 Prozent im vergangenen Jahr.
Die AOK unterstützt niedergelassene
Ärzte in vielen Regionen Deutschlands
auf Wunsch dabei, potenziell gefährliche
Kombinationen von Medikamenten bei
älteren Versicherten zu erkennen. Das
WIdO hat für entsprechende Auswertungen
die Software „pharmPRO“ entwickelt, die
unter anderem Analysen zu den Themen
Polymedikation, Wechselwirkungen oder
Priscus-Arzneimittel für ältere Patienten
möglich macht.
In ihren Beratungsgesprächen stützen
sich die AOK-Apotheker auf die Analyse der
Verschreibungen des jeweiligen Arztes. Mit
„pharmPRO“ lassen sich die Verordnungsdaten eines Vierteljahres in der Regel sechs bis
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acht Wochen nach Quartalsende tabellarisch
oder grafisch aufbereiten. Dabei wird zum
Beispiel die Verschreibung von Medikamenten analysiert, die auf der Priscus-Liste
stehen. Diese Liste ist unter Leitung von
Experten der Universität Witten/Herdecke
entwickelt worden und enthält 83 Wirkstoffe, die für ältere Menschen potenziell
ungeeignet sind und unter Umständen
sogar gefährlich sein können.
Mit der verpflichtenden Einführung
des Medikationsplans zum 1. Oktober 2016
wird das Thema Polymedikation noch stärker in den Fokus rücken: Patienten, denen
mindestens drei Medikamente gleichzeitig
verordnet werden, erhalten dann durch ihre
behandelnden Ärzte einen Medikationsplan
in Papierform. Nach Berechnungen des
WIdO werden nahezu 20 Millionen Ver-
sicherte der gesetzlichen Krankenkassen
einen Anspruch auf einen Medikationsplan
haben. Das entspricht einem Anteil von
mehr als 28 Prozent aller 70 Millionen GKVVersicherten.
Nach Angaben des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) sind etwa 5
Prozent der Krankenhauseinweisungen
auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen
zurückzuführen. Eine norwegische Studie
hat zudem gezeigt, dass 18,2 Prozent der
Todesfälle im Krankenhaus auf ein oder
mehrere Medikamente zurückgeführt
werden können. Das Aktionsbündnis hat
das Thema Medikationssicherheit daher
in den Mittelpunkt des 2. Internationalen
Tages der Patientensicherheit gestellt. Der
AOK-Bundesverband gehört zu den Gründungsmitgliedern des APS.
23. September 2016
Nicht nur wurden älteren Menschen mehrere
Medikamente gleichzeitig verschrieben, manche
hätten sie gar nicht gleichzeitig nehmen dürfen.
Foto: Flickr/Viewminder/CC by nc nd 2.0
Gesellschaft
Mehrheit der jungen Bürger klagen über Alltagsstress
Stressquote hat seit 2014 um mehr als zehn Prozentpunkte zugenommen
D
as Leben wird für junge Bundesbürger offenbar immer beschwerlicher:
74 Prozent der 14- bis 34-Jährigen geben
an, ihr Leben sei im vergangenen Jahr anstrengender geworden. 68 Prozent fühlen
sich regelmäßig gestresst – Tendenz seit
Jahren steigend. Das sind Ergebnisse der
repräsentativen Studie „Zukunft Gesundheit 2016“ der Schwenninger Krankenkasse und der Stiftung „Die Gesundarbeiter“.
Mehr als 1.000 Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland zwischen 14 und
34 Jahren wurden dafür befragt.
„Es ist besorgniserregend zu beobachten, wie Jugendliche und junge Menschen,
die noch am Anfang ihres Erwerbslebens
stehen, Jahr für Jahr stärker über Stress
klagen“, sagt Dr. Tanja Katrin Hantke, Gesundheitsexpertin der Schwenninger.
Die Auslöser für Stress sind dabei insbesondere auch im Privatleben zu finden:
53 Prozent der Befragten haben das Gefühl,
ständig für Freunde und Familie über digitale Medien erreichbar sein zu müssen
– deutlich mehr als für ihren Arbeitgeber
(29 Prozent). „Dauerkommunikation führt
zu einer massiven Belastung. Wenn wir uns
das bewusst machen, können wir uns der
ständigen Erreichbarkeit ein Stück weit
entziehen. Insbesondere junge Menschen
Thema Stress im Alltag: Wie geht es Ihnen persönlich?
sollten lernen, das Smartphone einige Stunden wegzulegen und bewusste Kommunikationspausen einzulegen“, so die Expertin
der Schwenninger. 18- bis 34-Jährige können
das oft gar nicht, sie sind mit dem Handy
aufgewachsen und müssen erst lernen, die
richtige Balance zu finden und ihre Kommunikationsaktivitäten besser zu steuern.
Hier sind vor allem Elternhaus und
Grafik: Die Schwenniger
Schulen gefordert, einen gesunden Umgang
mit digitalen Medien zu vermitteln. Aber
auch die Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern Entspannungstechniken vermitteln,
beispielsweise im Zuge der betrieblichen
Gesundheitsförderung. Junge Menschen
müssen lernen, Zeit und Raum für Entspannung zu schaffen.
Das gilt insbesondere für Frauen, die
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deutlich stärker über ein anstrengendes
Leben und Stress klagen als Männer. Entsprechend hätten 81 Prozent gerne mehr
Zeit, sich gezielt zu entspannen. Bei Männern
ist dieser Wert mit 72 Prozent zwar immer
noch sehr hoch, liegt aber deutlich darunter.
„Handynutzer sind der ständigen
Versuchung ausgesetzt, dem nächsten
WhatsApp-Klingeln nachzugeben, die
Facebook-Neugier zu befriedigen, und am
Puls der sozialen Medien zu hängen“, so
die Gründer von mySOOFA. Unter dem
programmatischen Namen mySOOFA geht
dieser Tage eine App an den Start, die alle
um ständige Aufmerksamkeit ringenden
Apps sprichwörtlich zum Schweigen bringt.
mySOOFA steht für SOziales Online FAsten und ist in Zeiten des angesagten Digital
Detox eine Innovation für weniger Cyber
Stress und mehr Sicherheit. Es bietet dem
Nutzer die Möglichkeit, sich ganz einfach mit
nur einem Klick von den angesagten sozialen
Netzwerken zu trennen. Unabhängig von
Ort und Zeit und ohne Beeinträchtigung
der Telefon- und SMS-Funktion, werden alle
Daten im Hintergrund abgespeichert, und
sind nach Deaktivierung sofort abrufbar.
Laut Statistiken, so haben sich allein in
23. September 2016
den deutschsprachigen sozialen Netzwerken
bereits 15 Millionen Nutzer im Durchschnitt
für 30 Tage eine bewusste „digitale Auszeit“
gegönnt. Dabei ist das gar nicht so einfach.
Wer schon einmal versucht hat, seine Social
Media-Benachrichtigungen abzudrehen
aber gleichzeitig immer noch per Telefon
bzw. SMS erreichbar zu bleiben, kennt das
Problem, das mySOOFA nun so elegant
löst: Ein Fingertipp, und das Handy ist im
SOOFA-Modus. Ob für ein paar Stunden, oder
ein paar Wochen – der Nutzer entscheidet,
wann der Zeitpunkt für das nächste Social
Media-Update gekommen ist.
Stress in der Schule und die dauernde Erreichbarkeit durch das Smartphone erhöhen den Stressfaktor massiv.
Foto: Flickr/Pabak Sarkar/Cc by 2.0
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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