PPT Vortrag Beate Grossegger

Die „Generation Krise“
Krise“ als Herausforderung fü
für die Politik
Zwischen „Zuschauen und Abwählen“, Engagement als
Event und „Cocooning 2.0“
Beate Großegger – [email protected]
Institut für Jugendkulturforschung – Alserbachstraße 18/7. OG, 1090 Wien
Credits: http://www.noise-online.de, tumblr_o6rvmeNtno1vnghdeo1_1280, Daniel Wisniewski und Freyja Schimkus / www.jugendfotos.at
Was ist nur mit der Jugend los?
Die Zeiten ändern sich, die Jugend
auch – die Zukunft der heutigen Jugend
wird auf „den Ruinen des bisher Selbstverständlichen gebaut“ (Heiner Keupp).
words of relevant mouth:
„Die Jugend heute ist nicht besser oder
schlechter als Generationen vor ihr. Sie ist
anders.“ (Jutta, 18 Jahre)
Credit: Philipp Linstädter/www.jugendfotos.at
Die „Generation Krise“
Die 2010er zwischen bunten Lifestylewelten und Postwachstumsdiskurs
Junge Menschen dürfen nicht mehr erwarten als ihre Eltern, sondern müssen sich
auf weniger einstellen („Fahrstuhleffekt nach unten“); nicht einmal ein Viertel der 16bis 29-Jährigen glaubt, einmal ein besseres Leben führen zu können als die Eltern.
Deregulierte Finanzmärkte haben die Wirtschaft und die Politik in Turbulenzen gebracht.
Der Wohlfahrtsstaat ist im Umbruch. Migrationsströme sorgen für Verunsicherung –
Migrationsoptimismus ist der Luxus privilegierter Jugendmilieus.
Die, die wenig zu gewinnen haben, reagieren mit: „Die Disco rettet die Jugend vor der
Welt“ (Oskar Piegsa).
Fenja Eisenhauer, Freyja Schimkus, Tobias Mittmann / www.jugendfotos.at
Institut für Jugendkulturforschung (2015): Generationenmonitor, rep. für 16- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=1.000
Wie 16- bis 29-Jährige ihre eigene Generation sehen
verunsicherte Generation
angepasste Generation
63,8
planlose Generation
erfolgsorientierte Generation
61,5
erschöpfte Generation
Generation der Selbstoptimierer
54,5
kämpferische Generation
betrogene Generation
Generation motivierter Durchstarter
Gewinner-Generation
16 bis 29 Jahre
Loser-/Verlierer-Generation
höhere Bildung
niedrige und mittlere Bildung
weiß nicht/k.A.
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Verunsichert – warum?
Jugend heute ist geprägt durch ein gehobenes Wohlstandsniveau bei
gleichzeitig unsicheren Zukunftsperspektiven – fragile ökonomische Situation
„Ich bin ein bisschen skeptisch, wie es weitergeht, muss ich ehrlich sagen, weil es sich
immer mehr zuspitzt.“
„Und ich glaub’, dass viele auch beruflich verunsichert sind: Wie geht’s weiter? Welche
Richtung liegt mir? Früher hast du einfach den Job von den Eltern übernommen und da
war diese Sicherheit einfach gegeben, und jetzt ist dieses: Was mach’ ich, wo will ich hin?
Oder: Was glaub’ ich eigentlich?“
„Also, planen ist irgendwie schwierig: Die Bedingungen sind nicht so, dass ich sag’, ich
kann jetzt wirklich planen. Es braucht viel Glück und teilweise ‚Connections’.“
Institut für Jugendkulturforschung (2015/16): Generationenmonitor – qualitatives Studienmodul
Johanna Torstensson / www.jugendfotos.at
Werte in der Zeitmaschine
Autonomiewerte im post-emanzipatorischen Zeitalter = die Freiheit, „das
eigene Ding machen“ zu können
kämpferisch sein = wettbewerbsorientiert
soziale Gerechtigkeit = Chancen für alle, vor allem aber für mich
Alles geht mit allem zusammen und wird ständig auf Brauchbarkeit überprüft
Was Werte für die „Kinder der Krise“ bedeuten:
„ein Geländer, an dem man sich festhält, und dann entfernt man sich auch wieder“
„man muss sie einfach auf ihre Alltagstauglichkeit testen können und dann kann man aus
Erfahrung lernen, ob Werte einen guten Zweck erfüllen oder ob sie überholt sind“
Credits: Sanja Aleckovic / Johannes Langwieder /Michele Ballhausen, Fenja Eisenhauer / Liv Stephan www.jugendfotos.at
Together ist ein schönes Wort …
„Together ist ein schönes Wort, aber etwas zu süßlich. Coexist ist
barscher – und ehrlicher.“ („The XX“ im RollingStone-Interview)
Soziales Miteinander in den
Lebensphilosophien Jugendlicher:
„Toleranz ist, wenn man vieles
akzeptiert.“
„Wenn man auch die Meinung anderer
akzeptiert und sie so denken lässt, wie sie
denken wollen.“
„Wenn man den Menschen so
akzeptiert, wie er ist, und nicht versucht,
ihn anders zu machen.“
Als Grundregel gilt: „Fremde Personen kann man schon tolerieren. Ich finde, es kann dir ja
scheißegal sein, was die machen“ – zumindest dann, wenn der persönliche Lebensvollzug
dadurch nicht gestört ist ;)
Credit: Marie Fleur Borger / www.jugendfotos.at
Leben in Revisionsbereitschaft
Jugend 2016 ist bunt und widersprü
widersprüchlich, so wie die Gesellschaft, in der sie
aufwä
aufwächst – DIE Jugend gibt es nicht, aber es gibt einen
Mentalitä
Mentalitätsmainstream!
Leben an der Bruchkante von Altem und
ungewissem Neuem – am Ball bleiben
wird zur ständigen Herausforderung:
Unsicherheit wächst, die Frage lautet: „Was
tun, Protest, Resignation oder Ablenkung?“
Die Antwort der breiten Mehrheit: Mitmachen,
so gut es geht, plus punktuelle Ablenkung.
Bewusstseinstrend 1: leidenschaftslose
Überanpassung – nicht Position beziehen
im Trend
Bewusstseinstrend 2: existenzielle
Indifferenz – kein Sinn, aber auch keine
Sinnkrise: freizeitweltlicher Hedonismus – Jagd
nach kleinen, schnellen Glücksmomenten
Institutionenpolitik – ein schwieriges Thema
„Wir haben Anführer satt, wir wollen einfach nur, dass die Dinge funktionieren,
und zwar richtig.“ (Jarvis Cocker)
Politik wird als Ansammlung von „Dampfplauderern“ und „Selbstdarstellern“ gesehen
Was fehlt, sind Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit: Generationenvertrag,
Gentrifizierung, deregulierte Finanzmärkte, Migrationsgesellschaft, Bildung und Jobs
Ein paar Zahlen, über die man nicht gerne spricht
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86% der 16- bis 29-jährigen ÖsterreicherInnen sagen: „Unter den Fehlern der
heutigen Politik wird meine Generation in der Zukunft zu leiden haben.“
81% haben wenig oder überhaupt kein Vertrauen in die Politik.
60% meinen: „Es ist sinnlos, sein Leben auf lange Sicht zu planen, weil heute
alles so unsicher geworden ist.“
Die „Generation Krise“ sieht die „offizielle Politik“ (Institutionenpolitik + handelnde
AkteurInnen) ausgesprochen kritisch:
politischer Alltag in der Zuschauerdemokratie: „When you`re a charmer the
world applauds“; Erwartungen sind hoch, Vertrauen ist gering, bewertet wird
nach Nutzen und Inszenierungsqualität – und zwar gnadenlos
92% der 16- bis 29-jährigen ÖsterreicherInnen finden, dass sich in der
Bundesregierung niemand wirklich gut für die Anliegen junger Menschen einsetzt
Für Jugendpolitik gilt: die Bedürfnisse differenzieren aus und damit differenzieren
auch die politischen Dialoggruppen aus
Institut für Jugendkulturforschung (2015): Generationenmonitor, rep. für 16- bis 29-jährige ÖsterreicherInnen, n=1.000
Wofür sich Parteien einsetzen sollten: Vergleich nach Bildung
Wie wichtig ist es für dich, dass eine Partei in deinem Bundesland … (Top-Box auf Skala 1 bis 4 – sehr wichtig)
die Flüchtlingskrise löst
Angebote für leistbares Wohnen schafft
eine sinnvolle Regelung für Zuwanderung schafft
eine Bildungsreform umsetzt, die die Bedürfnisse der Jugendlichen
berücksichtigt
für soziale Gerechtigkeit sorgt
mehr Arbeitsplätze schafft
die Lebensqualität in deinem Bundesland sichert
den Sozialmissbrauch bekämpft
eine gute Jugendpolitik macht
für mehr Sicherheit in deinem Bundesland sorgt
den öffentlichen Verkehr ausbaut
16 bis 29 Jahre gesamt
höhere Bildung
dein Bundesland als Wirtschaftsstandort stärkt
niedrige und mittlere Bildung
gegen Privatisierung eintritt
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Links und rechts reloaded
„Ich würde sagen, dass ich konservative Tendenzen mit linken Sehnsüchten
habe. Ich habe traditionelle Werte, aber einen untraditionellen Lebensstil. Ich
fühle mich irgendwie in der Mitte.“ (Lana Del Rey)
„Rechts“ ist ein Synonym für „ausländerfeindlich“.
Politische Polarisierung setzt das traditionelle Parteiensystem derzeit europaweit unter
Druck und beeinflusst auch die Grundstimmung der Jugend: „liberale KosmopolitInnen“
versus „autoritäre NationalistInnen“.
Screenshot: http://lanadelrey.com/gallery/
Junger Zeitgeist
Polit-Eskapismus light und „Cocooning 2.0“: Das Private war einmal politisch,
heute ist es wieder privat; der jugendkulturelle Mainstream zieht sich ins Web 2.0
zurück, klare Positionierungen sind „out“ – „sympathisch“ und „interessant“ als
Strategie des „Unverfänglichen“ mehrheitsfähig
„Abwählen ist das neue Wählen“: die wachsende Zahl der Verunsicherten und
Unzufriedenen reagiert mit am Wahltag artikulierten Ressentiments anstatt Utopien
Politik wird zum digital koordinierten Event:
•
Phänomen 1 – die Demo ist der neue Club: neue Protestbewegungen als
Thematisierungssternschnuppen in postmaterialistischen jungen Bildungseliten:
erlebnisintensiver Spontanismus statt politischer Nachhaltigkeit – geringe
Monotonietoleranz + Überforderung führen dazu, dass viele schnell wieder zur
Alltagsbewältigung zurück wechseln; kreative Ausdrucksformen werden via Web
koordiniert: Buykott-Initiativen, Carrot-Mobs, Green Gymns
•
Phänomen 2 – Identitäre sind die selbsternannten neuen Guten: Inszenierung als
AkteurInnen klassischer Freiwilligenarbeit, Web-Auftritt mit Spenden-Aufruf
Bildquellen: https://fbcdn-sphotos-e-a.akamaihd.net/hphotos-ak-xpa1/t1.0-9/1544972_779814975380165_898549088_n.jpg;
http://www.carrotmob-akademie.de/wp-content/uploads/2012/10/IMGP6691.jpg, https://www.facebook.com/GreenGymHamburg, https://iboesterreich.at
Wohin geht der Trend? – Szenarien
Szenario 1: Verunsicherte Ja-Sager formieren sich als Generationselite –
neo-soziale Post-Politik ist das „neue Ding”
•
ProtagonistInnen des neo-sozialen Staates
•
Grundmentalität: affirmativ-politikskeptisch –
leidenschaftslose Überanpassung + Politik-Distanz
•
Rückzug: Absage an Mitgestaltung, „Cocooning 2.0“
•
extrem deutungsbedürftig, aber überempfindlich
gegenüber autoritärer Deutung
•
keine Protestbereitschaft/keine Protestenergie –
kaum Engagementbereitschaft
•
unbeteiligtes Mitmachen – Wählen als
StaatsbürgerInnenpflicht, mehr interessiert nicht
•
Paradoxie/Systemfehler: Wahlbeteiligung junger
Menschen heben, um im EU-Vergleich zu bestehen
(„Jugendstrategie“)
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Wohin geht der Trend? – Szenarien
Szenario 2: Kritischer Geist zieht sich in seine eigenen kleinen Blasen
zurück – Protest wird nicht mehr adressiert
Politisches Engagement passiert
•
themenbezogen, spontan, zeitlich befristet und
vorzugsweise in lifestylepolitischen Nischen
•
zu persönlich relevanten Themen sowie Themen,
die von den AkteurInnen der Mediendemokratie
stark emotionalisiert und von den Medien zum
Medienereignis aufgeschaukelt werden
Protest äußert sich in
•
Rückzug und wird nicht mehr gesellschaftlich
verhandelt – Motto „Wir hier machen unser
eigenes Ding“
•
nur eine Minderheit leistet sich eine
konsequente, kritisch-reflektierte Haltung
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Marie Fleur Borger/www.jugendfotos.at
Wohin geht der Trend? – Szenarien
Szenario 3: Die „unheimlichen RevolutionärInnen” gewinnen den Kampf
um die Deutungshoheit
https://iboesterreich.at/
•
ProtagonistInnen des Prinzips „Abwählen ist
das neue Wählen“: geben politischer
Unzufriedenheit Ausdruck, wenig Anspruch
mitzugestalten
•
Kampfansage/Absage an das PolitEstablishment: Ressentiments als politisches
Statement
•
Zielgruppe sind nicht nur Jugendliche in
benachteiligten Milieus + sondern all jene,
die sich als VerliererInnen der
gesellschaftlichen Entwicklungen fühlen
•
Paradoxie/Systemfehler: Forderung nach
mehr direkter Demokratie als gezielter Angriff
auf die repräsentative Demokratie
Auch ein 4. Szenario ist denkbar
Szenario 4: Verunsicherte Ja-Sager, Kritik
in Blasen und „unheimliche Revolutionäre”
überlappen sich – alles ist gleichzeitig –
neue Dynamiken entstehen
„Ich glaub’ gar nicht, dass die Politiker wissen, wie
wir denken. Vielleicht sehen sie die Zahlen:
Weißwähler und Leute, die sich nicht an der Wahl
beteiligen. Und das ist für sie vielleicht ein bisschen
besorgniserregend, aber ich glaub’ nicht, dass sie
nachfragen: Was ist mit euch los?“
Die „Generation Krise” – eine Herausforderung, der man sich stellen muss:
• Wie reagiert (Jugend-)Politik?
• Und: Welche Konsequenzen ergeben sich für
politische Bildung?
Screenshot Tumblr
Institut für Jugendkulturforschung (2015/16): Generationenmonitor – qualitatives Studienmodul
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Beate Großegger – [email protected]
Institut für Jugendkulturforschung – Alserbachstraße 18/7. OG, 1090 Wien
Credits: http://www.noise-online.de, tumblr_o6rvmeNtno1vnghdeo1_1280, Daniel Wisniewski und Freyja Schimkus / www.jugendfotos.at