FORSTTECHNIK Auswirkungen neuer EU-Richtlinien auf den Einsatz von Motorsägen Motorsägen sind nicht nur für den professionellen Anwender im Wald notwendige Werkzeuge. Die gleichbleibend hohen Verkaufszahlen machen deutlich, dass sich Motorsägen auch bei «Normalbürgern» grosser Beliebtheit erfreuen. Gleichzeitig entwickeln sich auch die Anforderungen an die Gesundheitsund Umweltfürsorge weiter. Als laute, vibrierende und abgaserzeugende Kleinmaschine ist die Motorsäge gleich von drei neuen EU-Richtlinien betroffen. F ür Anwender, Arbeitgeber und Hersteller ergeben sich daraus neue Bedingungen, insbesondere die Konstrukteure, die die technischen Vorgaben umsetzen müssen, sind davon betroffen. Von Dietmar Ruppert* Geräuschrichtlinie Davon betroffen sind Maschinen die im Freien eingesetzt werden. Für 22 Gerätearten wurden Grenzwerte für die Schallleistungspegel festgelegt. Zu den Geräten die der Prüfpflicht unterliegen, zählen zum Beispiel Rasenmäher, die je nach Schnittbreite einen garantierten Wert von 96 bis 105 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Für Motorsägen wurden zunächst noch keine Grenzwerte festgelegt, jedoch müssen auch diese mit einer Kennzeichnung versehen sein, auf der der garantiert eingehaltene Schallleistungspegel erkennbar ist. Diese Werte sind auch in der Betriebsanleitung zu veröffentlichen. Der Anwen- * Der Autor ist Sachgebietsleiter Geräte und Werkzeug beim Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik KWF in DE-64823 Gross-Umstadt. Foto: W. Haller Zwar ist die Schweiz nicht direkt in die Rechtsverbindlichkeit solcher EU-Richtlinien einbezogen, dennoch werden die Auswirkungen auch dort spürbar sein. Die Motorsäge hat bereits einen weiten Entwicklungsweg hinter sich, wie das Bild von einem Holzerkurs im Jahre 1957 zeigt. der unterliegt jetzt zeitlichen Einschränkungen. In Deutschland dürfen Motorsägen in lärmempfindlichen Gebieten, wie zum Beispiel Wohn- und Kurbereichen nur werktags in der Zeit von 7 bis 20 Uhr betrieben werden. Positiv an dieser Richtlinie ist sicher, dass der Verbraucher durch seine Kaufentscheidung auch Einfluss auf die Entwicklung der Geräte hat. Laute Modelle werden langfristig keine Absatzchancen haben. Vibrationsrichtlinie Ziel dieser Richtlinie ist Anwender vor Gesundheitsrisiken durch Vibrationen zu schützen. Die Umsetzung in nationales Recht soll bis 2005 abgeschlossen sein. Die Richtlinie enthält Grenzwerte für Hand-, Arm- und Ganzkörperschwingungen und regelt den Verantwortungsbereich der Arbeitgeber. Diese müssen die Bewertung und Messung der Vibrationen durchführen, denen die Arbeitnehmer Bezugszeitraum 8 h Expositions-Grenzwerte Auslösewerte Hand-Arm-Schwingungen 5 m/s2 2,5 m/s2 Ganzkörper-Schwingungen 1,15 m/s2 0,5 m/s2 Grenzwerte Vibrationen. W A L D U N D H O L Z 8/03 75 FORSTTECHNIK Ausnahme für Motorsägen und Freischneider Jahr 2004 2010 2011 Hubraum [cm3]1 SH1 SH2 SH3 SH1 SH2 Kohlenmonoxid (CO) [g/kWh] 805 805 603 805 805 603 Kohlenwasserstoffe (HC) (g/kWh) 295 241 161 Stickoxide (NOx) (g/kWh) 5,36 5,36 5,36 50 50 72 ∑ HC-NOx SH3 SH1 SH2 SH3 * Hubraum: SH1 = < 20 cm3, SH2 = ≥ 20 cm3 < 50 cm3, SH3 = ≤ 50 cm3 Reduktionszeitplan und Grenzwerte der Schadstoffemissionen. ausgesetzt sind. In die Risikobewertung werden auch die Arbeitsverfahren und die verwendeten Arbeitsmittel einbezogen. Es ist nachvollziehbar, dass Produkte mit niedrigen Vibrationswerten dann bevorzugt eingesetzt werden, um keinen Arbeitszeitbegrenzungen zu unterliegen. Für den Einsatz von Motorsägen sind nur die Hand-Arm-Schwingungen von Bedeutung. Neu ist auch, dass die bisher angewandte Methode der K-Wert-Bestimmung mit Berechnung der zulässigen Arbeitszeit durch Grenzwerte über eine 8-Stunden-Arbeitsschicht ersetzt wurde. Die sich daraus ergebende Situation bei Motorsägen soll nachfolgend vertieft betrachtet werden. Das KWF ist eine Prüfstelle für Gebrauchswert und Arbeitssicherheit und verfügt über langjährige Erfahrungen mit dem Messen und Beurteilen von Schwingungen. Alle bedeutenden Hersteller von Motorsägen für den professionellen Einsatz lassen ihre Produkte beim KWF prüfen. Die Schwingungen an den Handgriffen werden an beiden Handgriffen gemessen und zwar bei Leerlauf, Volllast und Höchstdrehzahl. Die Ergebnisse der letzten 10 Schwingungsmessungen zeigen schon deutliche Veränderungen. Die meisten Werte liegen inzwischen weit unter denen, die noch vor 5 Jahren gemessen wurden. Der Druck aus dem Bereich des Arbeitsschusses, aber auch weiterentwickelte Dämpfungssysteme haben zu diesen Reduzierungen geführt. Fast alle führenden Sägenhersteller verwenden inzwischen Schraubenfedern als Dämpfungselemente. Diese sind unempfindlich gegenüber Ölen und Kraftstoffen, langlebig und über einen hohen Drehzahlbereich gleichbleibend in ihrer Dämpfcharakteristik. Bei den Messungen wird ein Arbeitszyklus mit zeitgleicher Verteilung für Leerlauf, Volllast und Vollgas ohne Belastung zugrunde gelegt. Eine solche Verteilung entspricht allerdings nicht den tatsächlichen Arbeitsbedingungen. Untersuchungen, die vom KWF im Rahmen der Erfassung von tatsächlichen Laufzeitverhalten 76 W A L D U N D H O L Z 8/03 in der Praxis durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass über 50 % der Laufzeit im Bereich Volllast liegen. Weiterhin haben diese Messungen hervorgebracht, dass tatsächliche Tageslaufzeiten von über 3 Stunden je Tag sehr selten sind. Zunächst richtet sich die EU-Richtlinie an die Arbeitgeber, die dafür sorgen müssen, dass die Arbeitnehmer vor von Vibrationen verursachten Gesundheitsschäden geschützt werden. Dazu müssen sie sich dem technischen Fortschritt und dem wissenschaftlichen Kenntnisstand anschliessen. Die Verpflichtung wird erfüllt, wenn Maschinen mit entsprechend niedrigen Vibrationswerten verwendet werden. Auch hier sind wieder die in der Betriebsanleitung aufgeführten Angaben zur Vibrationsbelastung eine wichtige Informationsquelle. Auf der Internetseite des KWF (www.kwf-online.de) sind Prüfberichte und gemessene Werte zu finden. Die Seiten bieten ebenfalls einen ausgezeichneten Überblick über das gesamte Prüfspektrum und die ermittelten Prüfergebnisse. Die gemessenen Werte können in der Praxis nur erreicht werden, wenn die Schneidgarnitur sich in einem perfekten Zustand befindet, das heisst Kettenschärfe und Tiefenbegrenzer nach Herstellerangabe eingestellt wurden. Bei den modernen «weichen» Sägen kann es vorkommen, dass bei unsachgemässer Anwendung zum Beispiel stumpfe Kette und hoher Anpressdruck, die Dämpfer auf Anschlag gehen, was häufig mit einem deutlichen Anstieg der Vibrationen verbunden ist. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Hersteller schon auf die Anforderungen vorbereitet sind und entsprechend gute vibrationsgedämpfte Motorsägen anbieten können. Abgasrichtlinie In der Ausgabe Nr. 10/1997 dieser Zeitschrift wurde vom gleichen Autor über Abgasbelastungen durch Motorsägen berichtet. Die im letzten Teil des Beitrages angekündigten europäischen Vorschriften liegen jetzt als EU-Richtlinien 97/68/EG vor. Darin geht es um Massnahmen zur Bekämpfung von gasförmigen Schadstoffen und luftverunreinigenden Partikeln aus Verbrennungsmotoren für mobile Maschinen und Geräte. Die Richtlinie lehnt sich eng an die bereits in den USA bestehenden Rechtsvorschriften an. Betroffen sind kleine Maschinen mit einer Leistung bis 19 kW. Die Maschinengruppen werden unterteilt in handgehaltene und nicht handgehaltene Maschinen. In diesem Beitrag wird ausschliesslich die Situation bei den handgehaltenen Maschinen, speziell die im Forst verwendeten Motorsägen und Freischneider, angesprochen. Während frühere Untersuchungen zum Abgasverhalten meistens aus der Sicht der Gesundheitsfürsorge durchgeführt wurden, wird in dieser Richtlinie davon ausgegangen, dass die kleinen Benzinmotoren erheblich zu Luftqualitätsproblemen beitragen. Der Umweltschutz steht also hierbei im Vordergrund. Schadstoffe Die Abgase bestehen zu zirka 75 % aus Kohlenmonoxid (CO), 20–25 % aus Kohlenwasserstoffen (HC) und der Rest aus Stickoxiden (NOX), Aldehyde, Schwefel usw. Die drei erstgenannten Stoffe sollen künftig nicht mehr unbegrenzt ausgestossen werden können, Grenzwerte sind in der Richtlinie vorgegeben. Die Einführung erfolgt dabei in 2 Stufen und beginnt bereits ab dem 11. August 2004. Danach verweigern die Mitgliedstaaten die Erteilung einer Typenbescheinigung, wenn der Motor nicht der Richtlinie entspricht. Für Motorsägen, Freischneider, Heckenscheren und Trennschleifer wurden Ausnahmen zugelassen. Diese Geräte müssen erst 3 Jahre nach Einführung der Stufe II die Grenzwerte erfüllen. Dies geschah nach massiver Einwirkung der Hersteller, die sich nicht in der Lage sahen, in der relativ kurzen Frist neue Motoren zu ent- FORSTTECHNIK wickeln. Denn anders als bei Rasenmähern, Gartenfräsen usw. können nicht Motoren «von der Stange» verwendet werden, sondern die Motoren müssen mit den jeweiligen Endprodukten zusammen harmonieren. Bei Motorsägen ist der Motorblock voll in das Gesamtkonzept integriert ist und kann nicht beliebig anoder abgebaut werden. Umsetzung Auf die ab 2004 greifenden Grenzwerte haben die Hersteller ihre Motoren weitestgehend eingestellt. Ältere Baugruppen wurden im Rahmen der Modellpflege ersetzt. Für die Freigaben müssen die Motoren auch in den ungünstigsten Situationen gemessen werden. Das bedeutet auch, dass die bei Motorsägen noch immer üblichen Vergaser-Stellschrauben mit Begrenzungseinrichtungen ausgestattet werden. Die Stufe I wird also zunächst zu einer Marktbereinigung führen. Spannend wird es aber mit Einführung der Stufe II. Nach vorsichtiger Einschätzung der Aussagen verschiedener Firmenvertreter haben selbst die technisch führenden Motorsägenhersteller noch keine serienreifen Lösungen parat, mit denen auch Profi-Motorsägen praxisgerecht eingesetzt werden könnten. Damit ist gemeint, nach dem heutigen Stand der Technik keine Verschlechterungen beim Leistungsgewicht, Lärm, Vibrationen und Handhabung zu akzeptieren. Darüber wie die neuen Motorsägenkonzepte aussehen, kann nur spekuliert werden. Soviel steht jedoch fest: mit herkömmlicher 2-Takt-Technik sind die Grenzwerte der Stufe II nicht zu erfüllen. Ein Umsteigen auf Viertaktantrieb ist, wenn überhaupt, nur in der kleinen Hubraumklasse möglich. Stihl hat mit seinem 4-Mix-Motor einen kleinen Viertakter in Serie genommen, der schon heute die Stufe-II-Werte unterschreitet. Der Motor kommt ohne separate Ölschmierung aus. Das Öl wird dem Kraftstoff beigemischt. Über spezielle Kanäle werden dabei Ventile und Kurbelgehäuse geschmiert. Ein lageunabhängiger Betrieb ist somit möglich und gleichzeitig konnte der technische Aufwand gegenüber Zweitaktern begrenzt werden. Die Leistung mit 1 kW reicht für kleine Trimmer aus. Obwohl alle Hersteller stets auf die Grenzen der 4-Takt-Technik bei Motorsägen hinweisen, gibt es dennoch Versuche, diese im unteren Leistungsbereich zu placieren. DOLMAR hat in Zusammenarbeit mit dem Autobauer PORSCHE eine 4-Takt-Motorsäge entwickelt und bis zur Funktionsreife gebracht. Die Säge wurde schon auf der für die Branche wichtigsten VERDICHTEN VERDICHTEN ARBEITEN AUSSTOSSEN ANSAUGEN ANSAUGEN Funktionsprinzip des 4-Mix-Motors von Stihl. 4-Takt-Säge von Dolmar, Prototyp. Gartenfachmesse in Köln vorgestellt und hat für viel Aufsehen gesorgt. Auch dieser Motor erfüllt bereits die strengen Anforderungen der Stufe II und wird ebenfalls mit Gemischschmierung betrieben. Von den Konstrukteuren wird diese Entwicklung zunächst als Machbarkeitsversuch gewertet. Es ist noch völlig unklar, ob der Motor später in Serie gehen wird. Auch bei diesem Prototyp wurde klar, dass man noch weit vom Stand der Technik entfernt ist. Die Motorsäge hat eine Leistung von zirka 1 kW, das Gewicht entspricht aber dem einer 4-kW-Säge. Bemerkenswert ist, dass die Entwicklung von einem «kleineren» Hersteller mit begrenzter Entwicklungskapazität kommt, der aber dennoch in der Lage ist, solche innovativen Entwicklungen voranzutreiben. Die Beispiele zeigen die Grenzen der 4-Takt-Technik bei handgehaltenen Maschinen und werfen die Frage nach Alternativen auf. Aus rein technischer Sicht steckt in dem bewährten 2-Takt-Motor noch viel Potenzial zur Verringerung schädlicher Emissionen, bei gleichzeitiger Reduzierung des Kraftstoffverbrauches. Alle Lösungsansätze müssen darauf zielen, die Spülverluste zu verringern. Es muss W A L D U N D H O L Z 8/03 77 FORSTTECHNIK eine Umkehr bei der Gemischaufbereitung stattfinden, in Richtung wenig Kraftstoff und viel Luft, anstelle von viel Kraftstoff und wenig Luft. Dazu sind neue Motorenkonzepte erforderlich. Verständlicherweise äussern sich die Hersteller nicht zu konkreten Entwicklungsvorhaben und erreichten Fortschritten. Die nachfolgend vorgestellten Kraftstoff eingespritzt. Wegen den kleinen Mengen und der kurzen Füllzeiten ist die technische Umsetzung schwierig. Schichtladung Die saubere Trennung von Frisch- und Abgas nach der Verbrennung ist eine Grundvoraussetzung zur Reduzierung un- Verbesserungsmassnahmen Zusammenfassung sind daher zunächst als Spekulationen, jedoch mit einem hohen Grad an Machbarkeit, zu sehen. In dem Beitrag sollte aufgezeigt werden, welche Veränderungen beim Einsatz und der weiteren Entwicklung der Motorsäge zu erwarten sind. Neue EU-Richtlinien haben Auswirkungen auf Vibrationen, Lärm- und Abgasbelastungen. Sie richten sich sowohl an den Anwender als auch an den Arbeitgeber und Motorsägenhersteller. Nach einer langen Zeit der stillen Fortentwicklung, ist in den nächsten Jahren mit interessanten Neuentwicklungen zu rechnen. Der Anwender profitiert von den Fortschritten, wird aber hierfür einen höheren Preis bezahlen müssen. Einspritzung Im Kfz-Bereich ist diese Technik seit langem eingeführt und scheiterte bei den kleinvolumigen Zweitaktern bisher an der geringen Stückzahl und den hohen technischen Anforderungen. Ein funktionstüchtiger Prototyp ist bisher nur von der Firma Stihl vorgestellt worden. Dabei ist das Prinzip sehr erfolgsversprechend. Der Brennraum wird in der Verdichtungsphase nur mit Luft gefüllt. Erst kurz vor dem Zünden wird die erforderliche Menge 78 W A L D U N D H O L Z 8/03 erwünschter Emissionen. Mit der Schichtladung oder Spülvorlage stehen dafür technische Lösungen zur Verfügung. Bei beiden Systemen wird eine Luftschicht über dem Kraftstoffgemisch aufgebaut. Diese bewirkt dass die verbrannten Abgase mit reiner Luft ausgestossen werden. Spülverluste werden dadurch minimiert. Auch dieser Effekt wird bei modernen 4-Takt-Motoren schon mit Erfolg angewendet. Dieser strömungstechnisch sehr anspruchvolle Vorgang erfordert aufwendige Massnahmen bei den Ausformungen der Überstromkanäle, Kolben und Zylinder. Bei solchen Magermotoren wird das Luft-Kraftstoff-Verhältnis (Lambda) sehr günstig beeinflusst, was auch die Ankoppelung eines Katalysators sinnvoll macht. Technisch ist es also durchaus möglich auch 2-Takt-Motoren sauber zu machen. Probleme bereiten den Herstellern allerdings die relativ kurze Zeit für die Umsetzung, aber viel mehr noch die Lösung so günstig zu gestalten, dass die Preise für den Käufer noch in einem Bereich bleiben, der auch für den Gelegenheitsanwender noch nicht abschreckend wirkt. ■
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