POLITIK AMBULANTE VERSORGUNG PSYCHISCH KRANKER Bedarfsplanungskritik Die Verteilung von Psychiatern und Psychotherapeuten ist nicht am wirklichen Bedarf der Bevölkerung orientiert. ie regionale Verteilung von Psychotherapeuten und Psychiatern ist nicht am Bedarf oder an der psychiatrischen Morbidität der Bevölkerung orientiert. Das ist das Ergebnis einer neuen epidemiologischen Studie von Jacobi et al., die an der Psychologischen Hochschule Berlin durchgeführt wurde (Der Nervenarzt 2016; doi: 10.1007/ s00115-016-0147-4). Anlässlich der Veröffentlichung diskutierten Experten am 8. September in Berlin die Probleme der ambulanten Versorgung psychisch Kranker. „Wir hatten immer den Eindruck, dass die Bedarfsplanung nicht den tatsächlichen Bedarf abbildet“, sagte Michael Krenz, Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin. Deutlich werde das an den langen Wartezeiten auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten und auch an der starken Inanspruchnahme von Psychotherapeuten in Privatpraxen, die im Rahmen der Kostenerstattung arbeiten. D Epidemiologische Studie zeigt Diskrepanz Die epidemiologische Studie hat anhand von Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1-MH) vom Robert Koch-Institut und dem Versorgungsatlas des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) untersucht, inwiefern die Dichte der ambulanten Versorgung mit der von der Inanspruchnahme unabhängigen und standardisiert erhobenen Prävalenz psychischer Störungen zusammenhängt. Auch Mitversorgungsbeziehungen, etwa, wenn Patienten aus dem Umland Ärzte in der Stadt aufsuchen, wurden mitberücksichtigt. „Wir kamen zu dem Ergebnis, dass die regionale Verteilung von Arztsitzen nicht angemessen durch Bedarfsunterschiede erklärt werden kann“, berichtete Studienleiter Prof. Dr. phil. Frank Jacobi. Kritisch hinterfragt werden sollte deshalb die Orientierung der Bedarfsplanung am sogenannten Ist-Soll-Prinzip. Jacobi schlägt vor, in Zukunft verstärkt mit prävalenzbasierten Schätzern zu arbeiten, also auch die regionale Verteilung von Erkrankungshäufigkeit und Risikofaktoren einzubeziehen. Darüber hinaus sollte der nicht immer volle Behandlungsumfang der Praxen berücksichtigt werden. „Wir machen uns Sorgen um die Versorgung psychisch kranker Menschen“, betonte Dr. med. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Sie übte Kritik an dem „zersplitterten Versorgungssystem“, in dem jeder Hilfesuchende zunächst häufig orientierungslos sei. „Die vorhandenen Versorgungsangebote müssen besser gesteuert, vernetzt und koordiniert werden“, forderte sie. Unbedingt notwendig sei ein Gatekeeper, der entscheidet, was der Patient wirklich ▄ braucht – wer das sein kann, müsse definiert werden. Petra Bühring A 1582 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 37 | 16. September 2016
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