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„Es spielt keine Rolle, ob die Aktie 80 oder 35 EUR
kostet“
Andrea Pickenäcker, HR-Konzernprozesse, Soziale Leistungen, Team
Vermögen, und Jörg Braunschweig, Senior Manager
Personaldienstleistungen, RWE Service GmbH
Fast alle DAX-Unternehmen bieten für ihre Arbeitnehmer aktienbasierte Mitarbeiterbeteiligungsprogramme an. In
einer neuen Interviewserie stellt das GoingPublic Magazin die verschiedenen Modelle vor. Den Anfang machen
Andrea Pickenäcker und Jörg Braunschweig, die Rede und Antwort zum Belegschaftsaktienprogramm des
Essener Energieversorgers RWE stehen.
GoingPublic: Frau Pickenäcker, Herr Braunschweig, RWE hat eine lange Tradition in der Mitarbeiterbeteiligung. Seit
wann können Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben?
Braunschweig: Die ersten Ausgaben von Mitarbeiteraktien erfolgten aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des
Unternehmens 1958, später mehrfach im Zusammengang mit Kapitalerhöhungen. Ab 1963 wurden zu Mitarbeiterjubiläen
Aktien ausgegeben. Regelmäßig gibt es Belegschaftsaktien seit 1979 bei RWE. Seitdem geschieht dies ohne
Unterbrechungen.
GoingPublic: Wie wurde das Angebot seitdem angepasst?
Braunschweig: Zunächst hat RWE Vorzugsaktien angeboten. So wollte man vermeiden, dass die Essener Grugahalle
als Ort der Hauptversammlung für die Belegschaftsaktionäre nicht genügend Platz bieten würde. Die Mitarbeiter wurden
stattdessen dort durch ein Gremium des Betriebsrats vertreten. Um die Jahrtausendwende wurde umgestellt: Seitdem
sind nur noch Stammaktien zu erwerben.
Pickenäcker: Die Mitarbeiter können nun ihre Stimmrechte ausüben, sich aber auch durch die Commerzbank vertreten
lassen. Auf den jährlichen Hauptversammlungen erscheinen viele Belegschaftsaktionäre persönlich. Insbesondere für
unsere Pensionäre ist dies eine Möglichkeit, Informationen über ihr Unternehmen aus erster Hand zu erhalten.
GoingPublic: Was hat sich außerdem in den letzten Jahren geändert?
Braunschweig: Da ist zunächst die steuerliche Behandlung: Früher wurde der Freibetrag je Aktie gegeben. Das waren
bis zu 154 EUR. Wenn man die maximal vorgesehene Zahl von 20 Aktien zeichnete, gab es 7,70 EUR pro Aktie, also
diese 154 EUR, bei zehn Aktien waren es auch 7,70 EUR pro Stück, also nur insgesamt 77 EUR. Unser heutiges
Basisangebot beläuft sich ebenfalls auf 20 Aktien, für die der gültige Freibetrag von 360 EUR gilt. Darunter gibt es
entsprechende Abstufungen. Für Mitarbeiter in Teilzeit und in den unteren Tarifgruppen haben wir immer drei bis fünf
Aktien zu einem Gesamtpreis von ca. 20 EUR im Angebot. Das Zusatzangebot beinhaltet zusätzliche bis zu 20 Aktien mit
einem 20%igen Nachlass, die dann komplett steuer- und abgabepflichtig sind.
GoingPublic: Gibt es eine Mindest-Haltedauer?
Braunschweig: Die Aktien werden im November jeden Jahres eingebucht und werden mit einer RWE-seitigen Sperre bis
zum Ultimo des Folgejahres belegt. Damit soll verhindert werden, dass nur wegen des Freibetrags sofort Kasse gemacht
wird.
GoingPublic: Wie hat sich die Beteiligungsquote über die Jahre entwickelt?
Pickenäcker: Im Jahr 2002 lag die Quote noch bei 35%, sie hat sich in den letzten Jahren dann zwischen 50 und 60%
eingependelt, zuletzt bei 59% im Jahr 2010. Interessanterweise ist diese Entwicklung unabhängig vom Kurs: Es scheint
keine Rolle gespielt zu haben, ob die Aktie bei 80 oder bei 35 EUR stand.
GoingPublic: Ist das Belegschaftsaktienprogramm auf Deutschland beschränkt?
Braunschweig: Ja, jedoch hat sich der Konzern in den letzten Jahren deutlich internationaler ausgerichtet. Eine
Erweiterung des Programms auf ausländische Tochterunternehmen ist zurzeit aber nicht geplant.
GoingPublic: Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Administration eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms
in einem großen Konzern?
Pickenäcker: Das ist mittlerweile ein eingespielter Prozess: Fast 90 Beteiligungsgesellschaften unter dem Dach von RWE
machen mit. Die Koordination erfolgt zentral in Essen. Die Gesellschaften erhalten von uns einen festen Terminplan und
die Zeichnungsunterlagen für ihre Mitarbeiter. Ein Großteil der Mitarbeiter kann unkompliziert über ESS (Empolyee Self
Service) zeichnen. Das läuft seit vielen Jahren reibungslos. Die Anschaffung der benötigten Aktien sowie die Einbuchung
in die Mitarbeiterdepots werden ebenfalls zentral über Essen koordiniert.
GoingPublic: Nehmen alle Beteiligungsgesellschaften am Belegschaftsaktienprogramm teil?
Braunschweig: Das ist den Gesellschaften freigestellt. Es kommt aus unternehmenspolitischen Gründen äußerst selten
vor, dass ein Tochterunternehmen ein Jahr aussetzt. An der konstant hohen Teilnahmequote der Gesellschaften erkennt
man den hohen Stellenwert, den die jährlichen Belegschaftsaktienausgaben im Unternehmen haben. Grundsätzlich sind
alle Unternehmen teilnahmeberechtigt, an denen RWE einen Anteil von über 50% hält.
GoingPublic: Werden die Mitarbeiteraktien über Einzelkonten und Depots oder über eine Treuhandkonstruktion
verwaltet? Wo liegen aus Ihrer Sicht die Vor- und Nachteile?
Braunschweig: Bis zum Jahr 2002 war es ein Treuhandmodell, das wir dann aber bewusst auf Einzeldepots umgestellt
haben. Damit hat der Mitarbeiter aus unserer Sicht eher das Gefühl, dass ihm die Aktien auch wirklich gehören.
Pickenäcker: Auch administrativ hat die Umstellung Vorteile gebracht, da die Treuhandverwaltung recht kompliziert war,
wenn etwa Verkaufsorders abgewickelt werden sollten. Deshalb haben wir uns bei der Depotverwaltung gezielt für eine
Bank entschieden, bei der die Mitarbeiter ihre Aufträge auch telefonisch abgeben können.
Quelle: http://www.goingpublic.de/es-spielt-keine-rolle-ob-die-aktie-80-oder-35-eur-kostet-2