Andrea Emmel, Frankfurt hr2-kultur Zuspruch am Morgen, Dienstag, 20.09.16 Durst nach Frieden „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!“ Eine schöne Utopie, aber leider sieht die derzeitige Realität anders aus: Die Zahl der kriegerischen Konflikte auf der Welt ist in den letzten fünf Jahren gestiegen. In Syrien, in der Ukraine, im Irak, in der türkischen Kurdenregion und in einigen afrikanischen Staaten werden erbitterte Kriege um Territorien und Macht geführt. Und es gibt scheinbar keine Lösung für diese Konflikte. Frieden - das wirkt dann wie ein weltfremdes Märchen für Traumtänzer. Und trotzdem, es gibt Menschen, die halten diesen Wunsch wach. Zum Beispiel in Assisi. Dort findet seit Sonntag das 30. Weltfriedenstreffen statt. 1986 hatte Papst Johannes Paul II. die Vertreter anderer christlicher Kirchen und Religionen erstmals zu einem Gebetstreffen nach Assisi eingeladen. Warum gerade Assisi? Der heilige Franz von Assisi war bekannt für seine Liebe zur Natur, aber auch für seine Bescheidenheit. Weil er Gottes Schöpfung liebte, verachtete er Kriege und Gewalt. Ein weltbekanntes Friedensgebet wird ihm zugeschrieben: „Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich Liebe übe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht; (...) dass ich Licht entzünde, wo die Finsternis regiert; dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.“ Das ist kein naives Bitten um Frieden, so nach dem Motto „Lieber Gott, jetzt mach doch mal“, sondern das ist eine ganz realistische Bitte: Hilf mir, damit ich mit dem Frieden anfangen kann. Und mit dieser Hoffnung des Heiligen Franziskus beten in diesen Tagen viele Menschen in Assisi. Die katholische Gemeinschaft Sant Egidio, eine Organisation engagierter Katholiken, führt gemeinsam mit Franziskanern diese Tradition fort. In diesem Jahr steht das Treffen unter dem Motto „Durst nach Frieden“. Auch Papst Franziskus wird heute zu dem Friedenstreffen nach Assisi reisen und gemeinsam mit Juden, Muslimen und Buddhisten um den Frieden beten. Aber es bleibt nicht beim Beten. In vielen Gesprächskreisen wird darüber diskutiert, wie der Frieden in der Welt machbar wird. Dabei wird deutlich: Frieden gibt es nur mit Gerechtigkeit. In Assisi wird über die Macht der Waffenkonzerne diskutiert, über die ungerechte Verteilung von Wasser und Nahrungsmitteln und die Gefahr von Extremisten in den Religionen. Und Papst Franziskus zeigt selbst, dass er nicht bei frommen Sonntagsreden stehen bleibt: Er hat Flüchtlinge im Vatikan aufgenommen und sucht den Dialog mit den Vertretern anderer Religionen. Denn in dem Friedensgebet von Franz von Assisi heißt es auch: „Herr, lass mich trachten: nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste; nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe; nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.“ Was bedeutet das für mich? Ich muss zugeben, auch mich verunsichert der islamische Extremismus. Aber ich kann differenzieren. Ich weiß, dass die meisten Muslime friedlich leben wollen. Ich will mich für einen respektvollen Umgang zwischen den Religionen einsetzen. Und ich will für Gerechtigkeit eintreten. Frieden ist kein Traum. Frieden ist lebensnotwendig.
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