Was sagt der Arzt?

SCHULE DES
SPRECHENS
Tatjana Lackner,
MBA
Was sagt der Arzt?
I
m medizinischen Feld wimmelt es nur so von Verständigungsfallen. Medizinisches Latein, das der Patient selten versteht,
existiert neben Anglizismen aus denen unsere Welt heute besteht. Dazu kommen noch die vergnüglichen Kuriositäten zwischen Österreichern und ihren deutschsprechenden Lieblingsnachbarn. Österreichisches Deutsch wird häufig als Austriazismus übersetzt, Schweizer Sprachbesonderheiten fasst man unter
Helvetismus zusammen und bundesdeutsche Ausdrücke, wie
„bohnern“, „Apfelsine“ oder „Bundestag“, werden Teutonismen
genannt. Viel öfter verwenden übrigens Schweizer und Österreicher dieselben Begriffe. Der Bundesrepublikaner ist es, der
mit manchen „Piefkeausdrücken“ verwirrt. Aber auch im Österreichischen selbst verstecken sich hinter manchem hochdeutschen Worten Doppelbedeutungen, die situativ erklärt werden
müssen.
Austriazismen sind zwar eine schöne Form der Sprachvarietät.
Sie bringen neben viel Flair aus der Donaumonarchie auch den
Vorteil, dass Bundesdeutsche uns nicht immer verstehen können. Woher sollen sie auch wissen, dass „der Hosensack“ nichts
Anzügliches ist, sondern „die Hosentasche“ beschreibt. Karl
Krauss hat es völlig richtig erkannt: „Das Einzige, was die Österreicher und Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache.“
In den 70er-Jahren galt sogar in Schulen die Devise: „Lernziel:
Hochdeutsch!“. Es ist wohl auch nötig, dass sich ein so großes
sprachliches Einzugsgebiet auf eine Standardsprache einigt. Neben der Bundesrepublik, die bereits deutlich mehr als 80
Millionen Menschen fasst, wird schließlich
nicht nur in der Schweiz und in Österreich Deutsch gesprochen, sondern auch
in Liechtenstein, Luxemburg, Südtirol,
Ostbelgien, im Elsass und in Lothringen
können wir einander auf Hochdeutsch
verstehen. Wir alle haben die gleiche Literatursprache und dasselbe Schriftdeutsch.
Deutsch ist demnach auch die am meisten
gesprochene Muttersprache innerhalb der
Europäischen Union und findet sich unter
den zehn meistgesprochenen Sprachen der
Welt im 21. Jahrhundert.
bares Korsett zwingen. Die fortschreitende Digitalisierung bringt
nicht nur technische Lösungen mit sich, sondern garantiert auch
Verständigungsfallen. Niemand hat sich vor 50 Jahren für ein
„Funkloch“ entschuldigt oder wollte Informationen zu „Eggfreezing“ haben.
Medizin & Kommunikation 4.0
In der modernen Kommunikationsgesellschaft ticken die Uhren
anders: Industrie 4.0 hat nicht nur unsere Lebensumstände,
sondern auch die Art, wie wir kommunizieren und denken
verändert. Technischen Analphabetismus kann sich heute niemand mehr leisten: Ein Medizinstudium beispielsweise ist ohne
Computer oder iPad kaum noch zu organisieren. Wie war es für
einen Studenten 1960? - Wenige Termine, kaum Verpflichtungen dafür viele Live-Begegnungen aus dem sozialen Netzwerk.
2016 sieht das Studentenleben hingegen anders aus: Vieles ist
reglementiert, die Zentralmatura hat man bestanden, interessante Fächerkombinationen sind – nicht zuletzt durch den Bologna-Prozess – gänzlich gefallen. Oft muss nebenher gearbeitet
werden, damit die Studiengebühren finanzierbar sind. Zudem
dauert es jeden Tag einige Zeit, um alle virtuellen Beziehungen
gepflegt, online Aufgaben erledigt zu haben und M@ils zu verschicken. Schon für den Studienantritt ist der Wettbewerb dichter geworden:
Sprache unterliegt ständigem Wandel, sie
lässt sich weder regional, noch grammatikalisch oder gar zeitlich in ein unveränderCONSILIUM 09/16
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Eignungstests, Aufnahmeverfahren und
Wartelisten. Im universitären Alltag wird
der virtuelle Aufwand mehr: Regelmäßige
Intranet-Abfrage zu Klausurnoten, Credits,
Prüfungsterminen und Hausarbeiten ersparen zwar Wege, kosten aber dennoch Zeit.
Die neue Lebensphase beginnt schon mit
viel Bürokratie und Online-Verpflichtungen.
Und die Medienwolken verdichten sich laufend weiter:
Fazit: Auch für fertige Mediziner ist der bürokratische und technische Aufwand in den
letzten Jahrzehnten parallel gestiegen. Oft
wird man als Arzt kurzfristig zum Techniker,
der flott die Handhabung von neuen Geräten erlernen muss, dann wieder ist man der
eigene Service-Support, wenn es um die Wartung oder Behebung von Problemen geht.
Von all dem bekommen Patienten selten etwas mit. Dazu
kommt, dass sich heute der mündige Kranke online längst informiert hat und selbst bereits mit einer Diagnose anrückt. Diskussionen sind vorprogrammiert. Portale im Netz haben ihn
schließlich eindringlich vor der Schulmedizin, konkreten Medikamenten oder speziellen Behandlungsmethoden gewarnt.
Tipp:
Was hilft? Patientenorientierte Kommunikation!
Deshalb: Finden Sie heraus:
1.Was weiß mein Patient bereits?
Loben Sie sein Engagement sich zu informieren.
2.Wofür fürchtet er sich konkret?
Manche fürchten sich vor den online prophezeiten Fehldiagnosen mehr als vor realen Schmerzen.
Tatjana Lackner, MBA
Kommunikations- & Verhaltens-Profilerin
•1970 in München geboren
•1994 gründete sie DIE SCHULE DES SPRECHENS in Wien –
die Kaderschmiede für Karriereorientierte, Führungskräfte,
Radio- & Fernsehmoderatoren
•„Trainerin des Jahres 2014“
•Politiker-Analystin
•vierfache Bestseller-Autorin
•zweifache Mutter
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3.Welchen Glaubenssätzen und medizinischen Binsen sind
gefährlich?
Sie sollten die einschlägigen erstgelisteten Onlineseiten kennen, die immer wieder im Patientengespräch auftauchen. Verweisen Sie auf die konkreten Gefahren dieser Ferndiagnosen
und falscher Behandlungsmethoden.
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BUCHTIPP:
Tatjana Lackner
„Die Kommunikationsgesellschaft: Lackners Labor“
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