Musikstunde: Geigenbauer I

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
„Sehr brillant, angenehm in die Ohren“
Mozarts Klavierkonzerte (5)
Von Christian Schruff
Sendung:
Freitag, 16. September 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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„Musikstunde“ mit Christian Schruff
„Sehr brillant, angenehm in die Ohren“
Mozarts Klavierkonzerte (5)
SWR 2, 12. September – 16. September 2016, 9h05 – 10h00
Mit Christian Schruff.
„Sehr brillant, angenehm in die Ohren“. Mozarts Klavierkonzerte
Willkommen zu Folge 5 mit den letzten Wiener Konzerten.
Titelmusik
Auf den Klavierkonzert-Rausch ins Mozarts Leben, auf die Zeit, in der ein Erfolg
den anderen jagte, folgte der Klavierkonzert-Kater. Auf einmal wollten die Wiener
keine Klavierkonzerte von Mozart mehr hören. Doch Mozarts Kampf um die
Wiedergewinnung der Gunst seines Publikums ließ die reifsten Konzerte überhaupt
gedeihen.
Um diese sieben Konzerte wird es heute gehen. Wobei ich eins / zwei davon nicht
spielen werde, um genug Zeit für die übrigen zu haben. Mozart hat sich beim
Komponieren um vieles gekümmert, aber nicht um radiokonforme Laufzeiten
seiner Sätze ...
Der Klavierkonzert-Rausch war für Mozart auch ein Mittel, mit einer Krise
umzugehen, mit der Opernkrise. Nach der „Entführung aus dem Serail“ gab es
nämlich keine neuen Projekte. Mozart hat gar keine Vokalwerke mehr
geschrieben. Das änderte sich 1785 mit der Arbeit am Figaro. Premiere war am
1. Mai 1786 im Wiener Burgtheater.
Musik 1
CD 1 / Track 1
Wolfgang Amadeus Mozart
Le nozze di Figaro
Ouvertüre
Concerto Köln
René Jacobs
HARMONIA MUNDI, HMC801818.20, EAN79488173576, LC07045
Absage
4:11
3
Während Mozart am Figaro schrieb, komponierte er auch das Klavierkonzert Nr.
22 Es-Dur. Ein Dreivierteljahr war vergangen seit dem letzten Klavierkonzert, nach
der Klavierkonzert-Hochphase mit acht Konzerten innerhalb von dreizehn
Monaten. Das Es-Dur-Konzert markiert einen Neuanfang. Und den kann man
sofort hören im Orchesterklang.
Mozart verlangt zum ersten Mal Klarinetten. Die hatte er in Mannheim kennen
gelernt und sofort ihre sanglichen Qualitäten geliebt. Und Mozart setzt die Hörner
auf einmal melodisch ein. Bislang waren die immer nur Klangfarbe gewesen. Das
Es-Dur-Konzert ist groß besetzt – auch Trompeten und Pauken sind dabei. Es ist
das bislang längste seiner Klavierkonzerte. Hier zunächst die Orchester-Eröffnung.
*Musik 2
CD Track 5 bis // 2:22
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur KV 482
1. Allegro
Kristian Bezuidenhout, Hammerflügel
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans
HARMONIA MUNDI, HMC 902147, EAN 3149020214725, LC07045
Hier würde das Solo-Klavier einsetzen. Den Solisten dieser Aufnahme, Kristian
Bezeuidenhout, werden Sie gleich im 2. Satz hören. Das war die OrchesterExposition.
Die Außensätze des Es-Dur-Konzerts hat Mozart sehr effektvoll und brillant
angelegt. Dem vollen Orchester tritt der Solist mit virtuosen Läufen gegenüber,
führt aber auch einen feinen, geradezu kammermusikalischen Dialog mit den
Holzbläsern.
Mozart hat dieses Konzert zum ersten Mal im Wiener Burgtheater gespielt,
undzwar kurz vor Weihnachten. Mozart war, um es in heutiger Konzertsprache zu
sagen, der Sidekick in einer großen Oratorien-Aufführung seines Kollegen Carl
Ditters von Dittersdorf. Dessen Oratorium „Esther“ war das Hauptwerk des
Abends, Mozart nur der Zwischenakt in dieser Aufführung der Wiener TonkünstlerSozietät.
Im Januar des neuen Jahres, 1786, spielte Mozart das Konzert dann noch einmal
in einer eigenen Akademie. Leopold Mozart schreibt darüber, dass das Publikum
sehr überraschend auf dieses Konzert reagierte:
Wolfgang „schrieb mir das er in Eyle 3 Subscriptions Accademien gegeben von
120 Subscribenten“ – heute wir sagen Abonnenten. „daß er ein neues
4
Clavierkonzert ex Eb dazu gemacht, wo er (das etwas seltsames ist) das Andante
repertieren musste.“
Ein langsamer Satz, den das Publikum sofort encore hören möchte, noch einmal
als Zugabe. Das ist in der Tat ungewöhnlich. Dieser Satz steht in c-Moll und seine
düstere Melodik kann diesen Wunsch nicht provoziert haben. Wohl aber die
neuen, unerhörten Harmonien und Klangfarben der Holzbläser in diesem
Andante!
Musik 3
CD Track 6 frei ab 4:39
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 22 Es-Dur KV 482
2. Andante
Kristian Bezuidenhout, Hammerflügel
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans
3:32
Absage
Drei Klavierkonzerte mit Klarinetten im Orchester hat Mozart komponiert. Auch
das nächste, das ungemein populäre A-Dur-Konzert KV 488 verlangt 2
Klarinetten, kommt aber ohne Trompeten und Pauken aus. Es ist das einzige
Klavierkonzert Mozarts mit einem ausdrücklich langsamen Mittelsatz: hier hat er
tatsächlich Adagio geschrieben.
Dass Mozart auf dem Klavier die Langsamkeit gemieden hat, dürfte vor allem
damit zusammenhängen, dass Töne auf einem Hammerflügel nicht sehr lange
nachklingen. Durch seine fließende Bewegung wirkt das Adagio im A-Dur-Konzert
am Ende doch gar nicht so langsam. Ein kantabler Satz, dem man die Nähe zur
Opernarie anhört.
Diese Nähe ist noch deutlicher im Schlusssatz des A-Dur-Konzerts. Das kommt
wirklich wie eine Buffo-Szene aus dem Figaro daher. Hier musiziert von einer
bedeutenden Mozart-Pianistin: Mitsuko Uchida.
Musik 4
CD Track 6
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488
3. Allegro assai
Mitsuko Uchida, Klavier & Leitung
The Cleveland Orchestra
DECCA, 478 1524, EAN02894781524, LC00171
8:18
5
Absage
Das A-Dur-Konzert hat Mozart am 2. März 1786 vollendet. Bis zur „Figaro“-Premiere
waren es noch zwei Monate. Keine drei Wochen nach dem A-Dur-Konzert hat
Mozart aber noch ein drittes Klavierkonzert vollendet: das c-Moll-Konzert. Größer
könnte der Gegensatz gar nicht sein als zwischen diesen beiden Nachbarwerken.
Während in der Handschrift des A-Dur-Konzerts kaum Spuren von Korrekturen zu
finden sind, zeigt das c-Moll-Konzert, dass Mozart geradezu fieberhaft daran
gearbeitet hat! Offenbar hat er zuerst die Orchesterpassagen komponiert. Das
Orchester im c-Moll-Konzert ist das größte, das Mozart je in einem Klavierkonzert
verlangt: Zu den Streichern kommen 1 Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2
Hörner, 2 Trompeten und Pauken.
Als Mozart anschließend die Solo-Passagen notierte, die natürlich aus vielen
kleinen und schnellen Noten bestehen, hatte er Probleme, sie in den freien Raum
zwischen den Orchesterabschnitten zu quetschen...
Mozart war zu keiner Zeit produktiver als in den Monaten, in denen er am
„Figaro“ komponierte. Aber nicht nur für Mozart waren das aufgewühlte Zeiten,
auch für Wien insgesamt. Der Musikwissenschaftler Volkmar Braunbehrens
schreibt in seinem Aufsatz „Mozart komponiert“:
„Die Figaro-Zeit ist eine Zeit der Gärung, die zugleich ein Kulminationspunkt der
josephinischen Politik just zur Halbzeit der Alleinregierung von Joseph II. darstellt.“
Wir kennen diesen Joseph allgemein als Reformer, als Neuerer. Doch in jenen
März-Wochen 1786 zeigte er ein ganz anderes Gesicht. Der aufgeklärte Monarch
ließ an dem Mörder Franz Zaglauer von Zahlheim ein Urteil vollstrecken, das in
seiner Härte und Brutalität mittelalterlich wirken muss.
Am 10. März wurde Zaglauer öffentlich hingerichtet. In drei Stufen an drei
verschiedenen Stätten in Wien ließ Joseph diese Hinrichtung vollziehen. Erst
wurde dem Verurteilten auf dem Marktplatz mit glühenden Zangen in die rechte
Brust gezwickt, dann auf der Freyung in die linke Brust. Am eigentlichen Richtplatz
wurde er dann vor 30.000 Zuschauern gerädert.
All das passierte in Hör-, Sicht- und Laufweite von Mozarts Wohnung. 14 Tage
später hatte Mozart sein c-Moll-Konzert vollendet und spielte es Anfang April im
Burgtheater. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Mozart mit diesem Konzert auf den
barbarischen Akt der Hinrichtung reagiert hat. Volkmar Braunbehrens sieht aber
einen deutlichen Zusammenhang und wertet dieses trotzige, herbe Konzert in der
bei Mozart seltenen Tonart c-Moll als eine deutliche Aussage Mozarts an sein
Publikum.
6
„Hier hielt jemand eine Rede, die jeden durch ihren unerbittlichen Anspruch,
einen schnörkellosen Ernst und ihre kompromisslose Härte zum Verstummen
brachte.“
Musik 5
CD 2 / Track 6
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491
1. Allegro
Clifford Curzon, Klavier
London Symphony Orchestra
Isztván Kertész
AD:12/1967
DECCA, 468 491-2, EAN02894684912, LC00171
13:16
Absage
Nach diesem c-Moll-Konzert hat Mozart eines in C-Dur komponiert – im Dezember
1786. Dann reißt die Phase der Klavierkonzerte einen erstes Mal ab. Im Februar
1788, nach der Premiere des „Don Giovanni“, versuchte Mozart wieder, an alte
Erfolge anzuknüpfen mit dem D-Dur-Konzert Nr. 26. Doch es gelanf ihm nicht. Er
schrieb Konzerte zur Subskription aus, doch außer Baron von Swieten zeigte
niemand Interesse.
Mozart versuchte sein Glück in Dresden und Berlin, wo er sein virtuos-effektvolles
D-Dur-Konzert spielte. Das erfuhr seine eigentliche Bestimmung dann aber erst in
Frankfurt am Main. Dort führte Mozart sein „Krönungskonzert“ im Umfeld der
feierlichen Krönung des neuen Kaisers auf.
Nach diesem Konzert ist die Geschichte des Klavierkonzerts bei Mozart eigentlich
zu Ende. Drei Jahre passierte auf diesem Feld nichts mehr. Aus Gründen, die nicht
erkennbar sind, hat sich das Wiener Publikum vom Klaviervirtuosen Mozart
abgewandt.
Mozarts letztes Lebensjahr bricht an. Keine leichte Zeit, doch Mozart ist weit
davon entfernt zu verzweifeln. Er sehnt bessere Zeiten herbei! „Sehnsucht nach
dem Frühling“ heißt das Lied, das er im Winter 1791 komponiert hat.
Musik 6
CD Track 18
„Sehnsucht nach dem Frühling“ KV 596
Barbara Bonney, Sopran
Geoffrey Parsons, Klavier
ELATUS, 0927467382, EAN 0809274673824
(2:12)
7
Absage
Dieses Lied wird das Thema der Variationen im letzten Klavierkonzert-Finale von
Wolfgang Amadeus Mozart. Das B-Dur-Konzert KV 595 schätzen viele
Kommentatoren als das reifste und schönste ein.
Mozart spielte es am 4. März 1791. Sein letzter Auftritt als Klaviersolist. Mit diesem
Finale möchte ich diese SWR2 Musikstunde beschließen. Die Arbeit daran hat
mich staunen lassen vor einem übergroßen schöpferischen Werk, das immer
noch neue Fragen aufwirft und immer noch neu gelesen und interpretiert werden
kann. Die Auswahl zu treffen aus einer Überfülle bedeutender Aufnahmen, war
nicht einfach, vor allem die Entscheidung, welche Interpreten nicht vorkommen
würden...
Viele große Mozart-Pianisten haben wir gehört. Der letzte der jetzt noch erklingen
soll, würde im kommenden Monat 100 Jahre alt: Es ist die russische
Klavierlegende Emil Gilels.
Musik 7
CD Track 3
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur KV 595
3. Allegro
Emil Gilels, Klavier
Wiener Philharmoniker
Karl Böhm
DG, 463 652-2, EAN02894636522, LC00173
9:27
Absage
„Sehr brillant, angenehm in die Ohren“. Mozarts Klavierkonzerte.
Das war der fünfte und letzte Teil dieser SWR2 Musikstunde mit Christian Schruff.
Im Internet können Sie jede Folge eine Woche lang nachhören.
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Musikstunde nachlesen, dann besuchen Sie doch unsere Internetseiten unter
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Ich danke fürs Zuhören und wünsche Ihnen noch einen guten Tag.