DE DE BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME EINES NATIONALEN

Europäisches Parlament
2014-2019
Rechtsausschuss
13.6.2016
BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME
EINES NATIONALEN PARLAMENTS
ZUR SUBSIDIARITÄT
Betrifft:
Begründete Stellungnahme des maltesischen Parlaments zu dem Vorschlag für
einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines
Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen
und nicht verbindliche Instrumente zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern im
Energiebereich und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 994/2012/EU
(COM(2016)0053 – C8-0034/2016 – 2016/0031(COD))
Nach Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und
der Verhältnismäßigkeit können die nationalen Parlamente binnen acht Wochen nach dem
Zeitpunkt der Übermittlung eines Entwurfs eines Gesetzgebungsakts in einer begründeten
Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der
Kommission darlegen, weshalb der Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem
Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.
Das maltesische Parlament hat die als Anlage beigefügte begründete Stellungnahme zu dem
genannten Vorschlag für einen Beschluss vorgelegt.
Gemäß der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments ist der Rechtsausschuss für die
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zuständig.
NP\1097249DE.doc
DE
PE584.133v01-00
In Vielfalt geeint
DE
ANLAGE
An den Präsidenten des Europäischen Parlaments
An den Präsidenten des Rates der Europäischen Union
An den Präsidenten der Europäischen Kommission
VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND
DES RATES ZUR EINRICHTUNG EINES MECHANISMUS FÜR DEN
INFORMATIONSAUSTAUSCH ÜBER ZWISCHENSTAATLICHE ABKOMMEN UND
NICHT VERBINDLICHE INSTRUMENTE ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN UND
DRITTLÄNDERN IM ENERGIEBEREICH UND ZUR AUFHEBUNG DES
BESCHLUSSES NR. 994/2012/EU (COM(2016)53)
Das Repräsentantenhauses von Malta hat den „Vorschlag für einen Beschluss des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Mechanismus für den
Informationsaustausch über zwischenstaatliche Abkommen und nicht verbindliche
Instrumente zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern im Energiebereich und zur Aufhebung
des Beschlusses Nr. 994/2012/EU (COM(2016)53)“ geprüft und ist zu dem Schluss
gekommen, dass er nicht dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit entspricht.
Daher erhalten Sie in der Anlage zu diesem Schreiben eine begründete Stellungnahme des
maltesischen Parlaments gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon.
Anġlu Farrugia
Präsident
PE584.133v01-00
DE
2/2
NP\1097249DE.doc
BEGRÜNDETE STELLUNGNAHME DES REPRÄSENTANTENHAUSES VON MALTA:
VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES
RATES ZUR EINRICHTUNG EINES MECHANISMUS FÜR DEN
INFORMATIONSAUSTAUSCH ÜBER ZWISCHENSTAATLICHE ABKOMMEN UND
NICHT VERBINDLICHE INSTRUMENTE ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN UND
DRITTLÄNDERN IM ENERGIEBEREICH UND ZUR AUFHEBUNG DES BESCHLUSSES
NR. 994/2012/EU
Das Parlament von Malta stellt zwar fest, dass die Hauptziele des Vorschlags die
Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts sowie gemäß Artikel
194 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Gewährleistung
der Energieversorgungssicherheit der Union sind, ist jedoch der Ansicht, dass die Europäische
Kommission die ihr nach den Verträgen der Europäischen Union zustehenden Befugnisse
überschreitet.
Das maltesische Parlament stellt fest, dass die Kommission ihren Vorschlag mit einem
Folgenabschätzungsbericht vom 16. Februar 2016 begründet. Die Kommission führt an, dass
dieser Bericht zeigt, dass eine Evaluierung allein durch die Mitgliedstaaten nicht ausreicht,
um die Vereinbarkeit zwischenstaatlicher Abkommen mit dem EU-Recht zu gewährleisten,
kein zufriedenstellendes Ergebnis hervorbringt und Rechtsunsicherheit schafft. Ihrer Ansicht
nach würde eine Ex-Ante-Einbeziehung der Kommission einen erheblichen Mehrwert für die
Lösung von Konflikten zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten
und deren Verpflichtungen nach dem EU-Recht darstellen. Ferner vertritt die Kommission die
Auffassung, dass politische Entscheidungen in Energiefragen nicht ausschließlich auf
einzelstaatlicher Ebene ohne Einbeziehung von Nachbarländern und der EU getroffen werden
sollten und dass ein eindeutiger Mehrwert darin besteht, dass Transparenz und
Zusammenarbeit auf EU-Ebene im Rahmen dieses Vorschlags gestärkt werden.
Nach Ansicht des maltesischen Parlaments reicht die bloße Erklärung, wonach die
Kommission Prüfungen durch die Mitgliedstaaten nicht für ausreichend hält, um die
Vereinbarkeit zwischenstaatlicher Abkommen mit dem EU-Recht zu gewährleisten, nicht aus,
um auf Bestimmungen des EU-Rechts zurückzugreifen und den Mitgliedstaaten zur Auflage
zu machen, die Kommission zu unterrichten, wenn sie Verhandlungen über neue oder
bestehende zwischenstaatliche Abkommen oder über Änderungen an bestehenden
zwischenstaatlichen Abkommen aufnehmen wollen oder nicht verbindliche Instrumente
beschließen, die von der Kommission noch zu prüfen sind.
Das maltesische Parlament unterstreicht, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Kommission
zu unterrichten, wenn (i) sie beabsichtigen, Verhandlungen über neue oder bestehende
zwischenstaatliche Abkommen oder über Änderungen an bestehenden zwischenstaatlichen
Abkommen aufzunehmen, bei obligatorischer Teilnahme der Kommission an den
Verhandlungen als Beobachter (Ex-ante-Notifizierung), und (ii) die Annahme nicht
verbindlicher Instrumente, die von der Kommission noch zu prüfen sind, gegen die
Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verstößt.
Die Kommission hat in ihrem Prüfbericht mehrfach hervorgehoben, dass etwa ein Drittel (17)
der zwischenstaatlichen Abkommen als „bedenklich“ eingestuft wurden. Tatsache ist jedoch,
dass der anscheinend hohe Prozentsatz (34 %) auf einer selektiven quantitativen Analyse
NP\1097249DE.doc
3/3
PE584.133v01-00
DE
beruht. Die Kommission wurde über 124 zwischenstaatliche Abkommen unterrichtet: 60 %
davon betrafen die Zusammenarbeit im Energiebereich ganz allgemein, während 40 %
entweder spezifische Vereinbarungen über die Lieferung, Einfuhr oder Durchfuhr von
Energieprodukten oder die Festlegung von Regeln für die Förderung von Erdgas und Erdöl
bzw. bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte für die Entwicklung energiebezogener
Infrastruktur betrafen.
Die Kommission stellte dann fest, dass zwischenstaatliche Abkommen, die die
Zusammenarbeit im Energiebereich ganz allgemein betrafen, keine Bestimmungen enthielten,
die bedenklich waren (60 %). Bei den übrigen 40 % der Abkommen enthielten nur diejenigen,
die die Energieversorgung oder die Energieinfrastruktur betrafen (also nicht die gesamten
40 % der zwischenstaatlichen Abkommen), Bestimmungen, die bedenklich waren.
Lässt man einmal beiseite, dass von den 40 % lediglich die die Energieversorgung oder die
Energieinfrastruktur betreffenden Abkommen zweifelhafte Bestimmungen enthielten und
deshalb als „fehlerbehaftet“ eingestuft wurden, so steht weiter fest, dass 13,7 % der
Abkommen bedenkliche Bestimmungen enthalten; dies ist ein erheblich niedrigerer
Prozentsatz als der im Folgenabschätzungsbericht erwähnte Wert, mit dem die Notwendigkeit
eines neuen Ratsbeschlusses begründet wurde. Schließlich standen 6 der 17 der
fehlerbehafteten zwischenstaatlichen Abkommen in Zusammenhang mit dem South-StreamVorhaben, das heißt, 4,8 % betrafen dasselbe Problem. Damit verbleiben nur noch 8,9 % der
zwischenstaatlichen Abkommen, die andere Probleme betrafen, die die Kommission auf
Einzelfallbasis behandeln müsste. Auf der Grundlage des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit ist dieser niedrige Prozentsatz kein ausreichender Grund für die
Einführung einer Ex-ante-Notifizierung.
Das maltesische Parlament betont zwar, dass die Vereinbarkeit zwischenstaatlicher
Abkommen mit dem EU-Recht zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des
Binnenmarkts und zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit der EU durchaus
wichtig sind, ist jedoch nicht der Ansicht, dass eine Vorabprüfung der Kompatibilität durch
die Kommission gemäß Artikel 3 des vorgeschlagenen Ratsbeschlusses erforderlich ist. Dies
geht wohl über den Geist der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit hinaus und würde
dazu führen, dass ein Mitgliedstaat einen Teil seiner Hoheitsrechte abtreten müsste, um ein
Abkommen mit Drittstaaten abschließen zu können.
Das maltesische Parlament stellt fest, dass es für den Fall einer Unvereinbarkeit mit dem EURecht bereits Mechanismen gibt, auf die nach den Verträgen zurückgegriffen werden kann.
So könnte die Kommission etwa bei einem Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht auf die
in Titel VII Kapitel 1 Abschnitte 1 und 2 festgelegten Mechanismen zurückgreifen. Bei einer
Unvereinbarkeit mit dem EU-Recht könnte die Kommission auch ein
Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 258 AEUV einleiten.
In Artikel 7 des Vorschlags werden die Pflichten und die Prüfung nicht verbindlicher
zwischenstaatlicher Abkommen durch die Kommission erläutert. Nach Ansicht des
maltesischen Parlaments sind solche Abkommen rechtlich nicht bindend, sie können keinen
Verstoß gegen das Unionsrecht darstellen. Die Kommission hat nur die Befugnisse, die ihr
von den Mitgliedstaaten oder durch die Verträge verliehen wurden. Gleichermaßen hat der
Gerichtshof der Europäischen Union nur gerichtliche Befugnisse über rechtlich nicht
bindende Abkommen, die rechtliche Wirkungen entfalten. Da der Gerichtshof der
PE584.133v01-00
DE
4/4
NP\1097249DE.doc
Europäischen Union möglicherweise für einige Teile dieser zwischenstaatlichen Abkommen
nur zuständig ist, sofern sie rechtliche Wirkungen entfalten, ist die Kommission somit auch
nicht befugt, diejenigen Teile zu überprüfen, die keine rechtlichen Wirkungen entfalten. Nach
den Bestimmungen des vorliegenden Vorschlags würden die Mitgliedstaaten der Kommission
tatsächlich die Möglichkeit einräumen, nicht verbindliche zwischenstaatliche Abkommen
dahingehend zu überprüfen, ob sie gänzlich mit dem EU-Recht vereinbar sind, ohne dass
dabei zwischen Teilen mit Rechtswirkung und Teilen ohne Rechtswirkung unterschieden
wird.
Das maltesische Parlament hat Vorbehalte gegen den Folgenabschätzungsbericht. So
verstoßen (i) der Vorschlag der Kommission, Verhandlungen über neue oder bestehende
zwischenstaatliche Abkommen oder über Änderungen an bestehenden
zwischenstaatlichen Abkommen aufzunehmen, bei obligatorischer Teilnahme der
Kommission an den Verhandlungen als Beobachter (Ex-ante-Notifizierung), und (ii) die
Annahme nicht verbindlicher Instrumente, die von der Kommission noch zu prüfen
sind, gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
Daher beschließt das maltesische Parlament, den Vorschlag abzulehnen und diese
begründete Stellungnahme nach dem Verfahren gemäß Artikel 6 des dem Vertrag über
die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
beigefügten Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität
und der Verhältnismäßigkeit einzureichen.
Anġlu Farrugia
Präsident
NP\1097249DE.doc
5/5
PE584.133v01-00
DE