Projekt: Reformatorische Kirche für die Gesellschaft Evangelische Hochschule Ludwigsburg Material zu didaktischem Baustein: Berufsverständnis von Luther und die Entwicklung des Berufs Maria Rehm-Kordesee M3 Paul Göhre (1891): „Drei Monate Fabrikarbeiter“ Eine praktische Studie. Leipzig Sozialreportage eines Pfarrers um die Jahrhundertwende. Neu hrsg. von Joachim Brenning und Christian Gremmels, Gütersloh, 1978. S.42f. Ein Versuch, die traditionelle theologische Interpretationsfigur ‚Arbeit als Gottesdienst‘ durch Umadressierung an moderne Fabrikarbeit zu retten… Die Fabrik „erinnerte mich immer an das Innere einer Kirche… Auf dem östlichen Ende… War ein weiter geräumiger Platz geschaffen, lichter und freundlicher – gleich dem Altarplatze… Und wo in unseren Kirchen oft die Sakristeien zu sein pflegen, stand hier das Maschinenhaus mit dem eisernen stöhnenden Ungeheuer, dass seine riesigen Kräfte durch den ganzen Raum ausströmte und Dutzende schwerer Maschinen und 100 Menschen in Atem und Bewegung hielt. Daneben ragte der große Schornstein auf, dessen rußige rauchende Spitze auch zum Himmel wies. Zwar fehlte Glockenklang und Orgelton. Aber dafür brausten andere gewaltige Töne unaufhörlich durch die Halle: das Gehämmer und Gepfeife der Schlosser, das Ächzen und Dröhnen der Maschinen, das Quietschen und Schlagen der Räder. Und was die schwarzen, blaukitteldicken Männer verschafften – wars nicht auch… ein Gottesdienst?“ In der Fabrik „gab es Arbeiten zu verrichten von denen man mit Recht sagt, dass sie aller sittlich erziehenden Momente, wie sie die evangelische Auffassung der Arbeit fordert, bar sind, bei denen der Mann, selbst wenn er wollte, gar nicht die Möglichkeit hatte, Streben, Sorgfalt, Fleiß zu beweisen, anzuwenden, was er gelernt hatte oder für gut hielt, wo er vielmehr willenlos, gedankenlos, kraftlos nur immer dasselbe Stahlplättchen an immer derselben Stelle durch immer dieselbe Handbewegung in immer demselben Tempo durchlochen zu lassen oder nichts als Maschen, immer Maschen zu zählen hatte, Tag um Tag und 11 Stunden an jedem- Arbeiten, die… Kein Gottesdienst mehr sind sondern Höllenqual.“ „Man mag es den Fabrikarbeiter zehnmal sagen dass auch seine Arbeit ein Gottesdienst… für ihn sei – er wird dabei bleiben dass sie ein menschenunwürdiger Frondienst und eine Flucharbeit für ihn ist.“ „Es gibt eben bei der heutigen Produktionsform eine Art Arbeit, die den Menschen mit keinem anderen Gedanken erfüllt als: Los von ihr!… Und darum scheint es mir viel… evangelischer zu sein, dieser Arbeitsform gegenüber in erster Linie darüber nachzudenken, wie sie durch wirtschaftliche Neuordnungen und technische Verbesserungen zu beseitigen ist, oder… darauf zu dringen dass sie für den einzelnen auf ein möglichstes Minimum beschränkt wird.“
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