F A L T E R 3 7 / 1 6 meinung Punkterl Die Glosse vom Falter Kommentar Kroatien Kommentar Bundesgärten Was wurde nicht gestänkert, als Innenminister Wolfgang Sobotka das Dilemma der Briefwahlkarten zu erklären versuchte. Und überhaupt gilt die Wiederholung der Wahl zum Bundespräsidenten als Inbegriff der Behördeneinfalt. Und nun kommt auch noch die ultimative Panne, der Aufschub der Wahlen Ein Blick in die Philosophie zeigt, dass der Innenminister mit seiner Analyse gar nicht so unrecht hat. Der französische Denker Jac ques Derrida etwa stellte die Wie derholbarkeit als Fantasma dar, das einem gefährlichen metaphysi schen Denken entspränge. Die von der Aufklärung entwickelte Vorstel lung einer fixen Identität sei eine Fiktion. Ein weiterer Begriff von Derri da ist der Aufschub, die der Nach träglichkeit gegenüber dem aktuel len Ereignis, der Reproduktion ge genüber dem Original einen Vorrang einräumt. Was uns Wolfgang Sobot ka mitteilen will, ist, dass es kei ne endgültige Wahrheit geben kann. Dekonstrukivistisch gesprochen: Die Wahlen für die Präsidentschaft wer den nie stattfinden. F Kroatien wird nicht Ungarn werden, zumindest vorerst Erntedankfest im Augarten: Wie ein Elefant im Porzellanladen Vedran Džihić matthias dusini Impressum Falter, Zeitschrift für Kultur und Politik. 39. Jahrgang Aboservice: Tel. +43-1-536 60-928 [email protected] Adresse: 1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9, Tel. +43-1-536 60-0, Fax +43-1-536 60-912 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H. Chefredakteure: Florian Klenk, Armin Thurnher Chefin vom Dienst: Isabella Grossmann, Marianne Schreck, Anna Goldenberg Redaktion: POLITIK und MEDIEN: Nina Brnada, Nina Horaczek (Chefreporterin), Benedikt Narodoslawsky (Ltg. 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Kucek, Christian Wind Art Direction: Dirk Merbach Produktion, Grafik, Korrektur: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. GRAFIK: Raphael Moser (Leitung), Barbara Blaha, Marion Großschädl, Reini Hackl, Oliver Hofmann, KORREKTUR: Wolfgang Fasching, Helmut Gutbrunner, Daniel Jokesch, Wieland Neuhauser, Patrick Sabbagh, Maria Schiestl, Rainer Sigl Geschäftsf ührung: Siegmar Schlager Finanz: Petra Waleta Marketing: Barbara Prem Anzeigenleitung: Sigrid Johler Abwicklung: Franz Kraßnitzer, Oliver Pissnigg Abonnement: Birgit Bachinger Datentechnik: Bernhard Mager Vertrieb: Morawa, 1140 Wien, Hackinger Straße 52 Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau Erscheinungsort: Wien. P.b.b., Verlagspostamt 1011 Wien E-Mail: [email protected] Programm-E-Mail: [email protected] Homepage: www.falter.at Der Falter erscheint jeden Mittwoch. Veranstaltungshinweise erfolgen kostenlos und ohne Gewähr. Gültig: Anzeigenpreisliste Nr. 1/2016. DVR-Nr. 047 69 86. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar. eniger als ein Jahr nach den ie ehemalige Direktorin der Bun W letzten Parlamentswahlen rief D desgärten Brigitte Mang musste man die Bürger in Kroatien am ver gehen, an ihre Stelle trat Gottfried gangenen Wochenende erneut zu den Urnen. Die großen Verlierer sind die Sozialdemokraten, zuletzt in der Op position, wo sie wohl auch bleiben werden. Man scherzt dieser Tage in Zagreb, dass nur der Kriegspräsident Franjo Tuđman selbst seiner HDZ in den 1990er-Jahren zu mehr Ruhm ver holfen hat als nun der Chef der Sozi aldemokraten Zoran Milanović. Des sen Tage an der Parteispitze dürften gezählt sein, nicht zuletzt wegen sei nes präpotenten Stils. Die HDZ hingegen, die an der in stabilen Regierung der letzten Mona te beteiligt war und derentwegen die Koalition auch platzte, ging dennoch als Wahlsiegerin hervor. So wie die ös terreichische ÖVP oder die deutsche CDU gehört die HDZ zur Fraktion der Europäischen Volksparteien. Anstatt wie zuvor mit dem ehemaligen Ge heimdienstler und Rechtspopulisten Tomislav Karamarko ging die HDZ nun mit dem ehemaligen EU-Parla mentarier Andrej Plenković als Spit zenkandidat in die Wahl. Er wird wohl neuer Premierminis ter werden. Plenkovićs Erfolg bedeutet auch einen Sieg des gemäßigten über den rechten Flügel der Partei. Dieser steuerte zuletzt auf ein Kroatien nach dem Orbán’schen Muster zu. Aber Plenkovićs Sieg ist lediglich eine Ver schnaufpause. Ein neues Gesicht lässt nicht so einfach die tiefen nationalis tischen Ressentiments, die Aggressi onen gegen Serben und faschistischen Positionen verschwinden. Sie sind in der HDZ tief verankert. Plenković wird die HDZ in die Mit te führen wollen, die Rechten müssen aber weiterhin bedient werden, was auch bei ihm zu ziemlichen Verren kungen führen wird. Eines lernt man aus dem kroati schen Beispiel: Die EU-Mitgliedschaft ist kein Wundermittel, das automa tisch stabile demokratische Verhält nisse erzeugt. Es gibt – siehe Ungarn und Polen – keinen EU-DemokratieAutomatismus. Kroatien braucht dringend eine funktionierende Regierung, die dem Land Ruhe und Stabilität bringt. Plenković ist ein überzeugter Europä er und ein Mann der feinen, im EUParlament geschliffenen, Worte. Sein langfristiger Erfolg ist aber alles ande re als garantiert, nicht nur wegen sei ner eigenen Partei, sondern auch we gen der möglichen Koalitionspartner. Sollte das in den letzten Jahren für Kroatien typische politische Koaliti onsbildungs- und Regierungstohuwa bohu wieder überhandnehmen, sind weitere Wahlgänge und ein spanisches oder ungarisches Szenario nicht aus geschlossen. F Kellner, der Direktor der Gartenbau schule Schönbrunn (siehe auch S. 41). Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Wer am letzten Wochenende im Augarten bei dem von den Österreichischen Jungbauern veranstalteten Erntedank fest war, konnte sehen, wie die neue Leitung mit dem kulturellen Erbe umgeht. Unter den Augen von Landwirt schaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) blies ein Brotofen heiße Luft in die Baumkronen, ein Gabelstapler knickte einen Baum um, die Kasta nienalleen verwandelten sich in PkwParkplätze. Zwar beteuert Kellner, der verdiente Manager einer angesehenen Bildungseinrichtung, dass keine grö ßeren Schäden entstanden seien, aber man muss kein Experte sein, um die Misere zu erkennen: Wie beim Ice Cream Festival Mitte August im Burg garten verwandelte sich ein denkmal geschützter Grünraum in eine Party meile, eine riesige technische Infra struktur zwängte sich in eine Idylle – wie ein Elefant in den Laden des be nachbarten Augarten-Porzellan. Da soll sich noch wer auskennen. Statt ewige Werte zu vertreten, opfern die Konservativen ein barockes Kunst werk einer landwirtschaftlichen Leis tungsschau. Aber auch die Grünen ha ben ein Problem mit ihrer Selbstdar stellung. Während die alternativen Bezirkspolitiker gegen das Event pro testierten, kam Präsidentschaftskan didat Alexander Van der Bellen am Sonntag auf Stimmenfang. Von Kell ner selbst war ohnehin wenig profes sionelle Distanz zu erwarten. Seine Schule war in dem rustikalen Tsching derassabum mit einem eigenen Infor mationsstand vertreten. F Notstand? Der ist Warum Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sich auf die Kommentar: Nina Brnada E s gibt nicht die eine Antwort auf die Flüchtlingsfrage. Da für sind die Probleme zu groß – international wie lokal, im Umgang mit der Türkei ebenso wie bei der Standortsuche für ein neues Aslywerberquartier. Weil die Politik besonders schwie rige Entscheidungen zu treffen hat, sollte man mit ihr nachsichtig sein – aber sich nicht täuschen lassen dar über, wes Geistes Kinder die Entschei dungen sind, die da fallen. Die Notverordnung besagt, dass nach Erreichung von 37.500 Anträ gen die Asylverfahren jener im Eil verfahren abgewickelt werden, die über sichere Nachbarstaaten einrei sen und keine Familienmitglieder in Österreich haben. Die Entscheidung, ob sie überhaupt zum Asylverfahren zugelassen werden, müssen sie dann im Ausland abwarten. Amnesty Inter national warnt vor einem Idomeni an der österreichischen Grenze. Die Idee der Notverordnung ent springt einer rechtspopulistischen ÖVP-Politik, die Pseudorealitäten ge nerieren will. Und die SPÖ macht mit. Aber der Reihe nach. Österreich hat viel für Flüchtlinge getan. Im Jahr 2015 haben hier laut Innenministerium 89.000 Menschen Asyl beantragt, mehr als in den meis ten anderen EU-Ländern. Viele Öster reicher halfen ehrenamtlich, weil sie spürten, sie taten etwas Bedeutendes. Nun schmückt sich ausgerechnet je ner damit, der damals keinen Finger gerührt und von Anfang an gewettert hat, dass das alles nicht funktionie ren kann – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Die Hilfsbereitschaft der Österreicher tauscht er bei jeder Gele genheit in einer Art Ablasshandel ge gen seine rechte Politik. Nichtsdestotrotz, die seitens Teilen der Opposition und Zivilgesellschaft vielkritisierten Verschärfungen, zu nächst die Schließung der Balkanrou te, dann die Asylgesetznovelle, die uns Die Autorin ist PolitikRedakteurin des Falter in Form der Notverordnung heute be schäftigt, muss man auch im Licht je ner Monate der offenen Grenze bewer ten. Diese waren nämlich auch eine Phase der Unsicherheit. Damals kamen täglich hunder te Menschen. Das, was Anfang Sep tember als Ausnahme begonnen hat te, wurde für Monate zum Alltag. Es ist bis zu einem gewissen Grad also nachvollziehbar, dass die österreichi sche Regierung kalte Füße bekam. Kanzlerin Angela Merkel hat zu viel Zeit vergehen lassen, ehe sie mit der Türkei über Maßnahmen in der Flüchtlingsfrage zu verhandeln be gann. Erst dadurch hat Sebastian Kurz die Gelegenheit bekommen, die Bal foto: archiv 6
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