Erfahrungen auf Langzeitreisen mit Wohnmobil Das Fahrzeug Die

Erfahrungen auf Langzeitreisen mit Wohnmobil
Im Zweifelsfall ist es immer besser, im Café zu relaxen, statt sich Tempel, Wasserfälle,
Pyramiden anzutun.
Dietmar Bittrich, 1000 Orte, die man knicken kann
Das Fahrzeug
Die meisten Wohnmobilreisenden haben den Ehrgeiz, so viel wie möglich an Ausstattung und
Zubehör ins Fahrzeug zu packen. Ich habe den entgegengesetzten Ehrgeiz: so wenig wie möglich.
Denn das Reisefahrzeug sollte klein, leicht, unauffällig, wendig und einigermaßen geländegängig
sein. Wenn es außen aussieht wie ein Schrotthaufen, um so besser.
Dinge, die man NICHT braucht:
Dusche (Man kann sich waschen, oder bei gutem Wetter eine Außendusche benutzen.)
Kühlschrank (Für was, bitteschön, braucht man einen Kühlschrank, wenn man kein Alkoholiker ist?)
Solaranlage (Kein Kühlschrank = keine Solaranlage, 5000 € gespart.)
Separater Toilettenraum (Man nimmt einfach den gesamten Innenraum, wenn man muss.)
Zweiter Treibstofftank (Es gibt Tankstellen.)
Zweites Reserverad (Die nächste Reifenbude ist näher als man denkt.)
Zweite Batterie
Allradantrieb (Braucht man nur, um entlegene Schlafplätze zu erreichen.)
Es gibt aber ein paar Mindestanforderungen:
– Stehhöhe
– Fest eingebautes Bett (Bloß nichts zum Umbauen!)
– Waschbecken mit Wasserpumpe (Der Wassertank sollte zumindest auch mit Kanister befüllbar sein,
außerhalb Europas ist meist kein Hahn für den Schlauch vorhanden.)
– Ein- bis zweiflammiger Kocher (Am besten Petroleum: keine Gasprüfung, kein Loch im Boden)
– Mobile Toilette (Bloß kein Porta Potti, der größte Mist unter der Sonne. Ich empfehle das Tütenklo: kein
Wasser, keine Chemikalien. Die Tüte nach Gebrauch zuknoten und in die nächste Mülltonne schmeißen.)
Nützliches Zubehör (Braucht man auch selten, aber wenn, dann ist man doch froh):
Schaufel
Fernglas
Pfefferspray
Stirnlampe
Tonne als Waschmaschine
Langer Bergegurt
Unnützes Zubehör:
Zusatzscheinwerfer (Man sollte sowieso nie nachts fahren.)
Sonnenblende
Markise (Morgens und Abends wirft das Fahrzeug genug Schatten, nur Mittags … )
Fernseher (Schon in Deutschland langweilig, und die Programme werden da draußen nicht besser.)
Seilwinde auf Stoßstange
Bullfänger
Mein Camper in Karamaq / Iran: alles dran, was man nicht braucht, fehlt nur der Bullfänger.
Man muss nicht Kfz-Mechaniker sein, will man Europa verlassen. Werkstätten gibt es überall.
Neben den üblichen Verschleißteilen wie Filter und Lampen habe ich nur wenige Ersatzteile dabei:
Ventildeckeldichtung, zweiter Tank- und Öldeckel, Lichtscheiben, Kraftstoffschläuche. Übrigens
hat sich die Farbe Matt-Dunkeloliv bestens als Tarnfarbe bewährt. Für Polizisten wird man nahezu
unsichtbar. Ich bin noch nie so selten angehalten worden, wie mit einem Ex-Krankenwagen der
Bundeswehr.
Schlafplätze
Große Wäsche in der Dasht-e Lut / Iran
Die schönsten Momente auf Reisen sind die Abende und Nächte auf abgelegenen Schlafplätzen. Ich
unterscheide zwei Arten, beide sind sicher:
1. Irgendwie „bewacht“ unter Menschen, was meistens Gelaber, Gestank und Lärm bedeutet,
zum Beispiel auf Tankstellen, die rund um die Uhr geöffnet sind.
2. Unsichtbar und weit weg von Menschen.
Unsicher sind Plätze in einem Ort oder an einer Straße, wo man von vielen gesehen wird, aber nicht
bei jemandem zu Gast ist. Oder abgelegene Plätze, die von Einheimischen benutzt werden, wo man
Spuren von Lagerfeuern, leeren Flaschen und Müll findet.
Je weiter weg von Siedlungen und Straßen, desto besser und sicherer. Man sollte zwei, drei
Stunden vor Sonnenuntergang nach Wegen oder Fahrspuren Ausschau halten, die von der
Asphaltstraße wegführen. Wenn es Boden und Vegetation zulassen, verlässt man auch den
Seitenweg. Ist man nicht sicher, ob der Untergrund hält, geht man vorher ein Stück zu Fuß ins
Gelände hinein. Selbst dann empfehlenswert, wenn man Allradantrieb zur Verfügung hat.
Orientierung
Ich fahre noch immer mit Papierkarte, habe es aber genossen, als mein Partner mit GPS alles sofort
und ohne langes Herumfragen fand.
Verständigung
Mit Deutsch-Studentin in Tashkent /
Usbekistan
Fast noch besser als GPS ist ein einheimischer Führer. Nicht nur zur Orientierung, sondern auch zur
Verständigung und zur Steigerung der Reisequalität. Wie sonst erfährt man, dass der Name des
Ortes, durch den man gerade fährt, übersetzt „Heb nicht hoch“ lautet?
Ein Führer ist zudem vertraut mit den lokalen Umgangsformen. Aber auch ohne Führer findet
man immer jemand, der etwas Englisch spricht. Sonst geht es mit „Händen und Füßen“ oder mit
Point it, dem Wörterbuch in Bildern.
Logistik
Triptik für Turmenistan. Die eingezeichnete Route darf man nicht verlassen.
Außerhalb Europas fahre ich ohne Kfz-Versicherung. In vielen Ländern sind auch die anderen
Verkehrsteilnehmer nicht versichert. Es soll aber Gesellschaften geben, die weltweit versichern.
Am einfachsten ist ein Saison- oder Kurzzeitkennzeichen. Das erspart die Abmeldung. Bei der
Rückkehr kann man sich ein neues Kurzzeitkennzeichen im ersten deutschen Ort besorgen.
Ich habe während der Reise keine Kosten für eine Wohnung, ich habe Pennerstatus: OFW =
Ohne Festen Wohnsitz. Im Reisepass taucht das nicht auf. Für die Postzustellung habe ich ein
Postfach, das Freunde regelmäßig leeren.
Dokumente wie Reisepass kann man einscannen und an die eigene E-mail-Adresse schicken
oder unter der eigenen Web-Domain ablegen.
Bei Polizeikontrollen zeige ich außerhalb Europas den internationalen Führerschein und die
internationale Zulassung, auch wenn beide Dokumente für das Land gar nicht gültig sind. Das ist
noch keinem aufgefallen.
Niemals Schmiergelder für Polizei und Grenzer zahlen! Das ist gut für den Geldbeutel, und
vielleicht kann man es ihnen abgewöhnen, wenn sie merken, dass es mit Touris nicht geht.
Man sollte sich vor der Reise mehrere echt aussehende Kopien von Führerschein und KfzSchein anfertigen. Manche Polizisten erfinden Straftaten und drohen, die Papiere einzubehalten,
falls man nicht zahlt. Dann kann man sie ihnen gerne überlassen.
Es kommt erfreulich selten vor, dass Zöllner das Wohnmobil gründlich durchsuchen, und als
es mir passierte, war es ein amüsantes Erlebnis.
Deutsche können mehrere Reisepässe bekommen, einer ist 10 Jahre, die anderen sind 5 Jahre
gültig. So kann man schnell mehrere Visa bekommen. Man kann auch einen Pass bei einem VisaDienst hinterlegen, der bei Bedarf nachgeschickt wird.
Visa kann man selbst bei den Botschaften beantragen, auch wenn Voucher und
Hotelbuchungen verlangt werden. Zur Erklärung schreibe man in den Antrag zusätzlich, dass man
mit dem Wohnmobil fährt (und dass man Land und Leute sehr schätzt, auch Botschaftsmitarbeiter
sind Patrioten). Mit einem Visa-Dienst wird es etwas teurer, ist aber auch bequemer. Man kann die
Visa unterwegs in den Hauptstädten bekommen, ist aber oft nervtötend kompliziert und
zeitaufwändig. Nicht empfehlenswert.
Sicherheit
Das größte Risiko einer Reise im Wohnmobil ist der Straßenverkehr. Man fahre einfach relaxed und
sage sich: „Alles, was kommt, ist richtig“, was sich auch als Motto fürs Leben eignet.
In den Gegenden, die ich gerne bereise (Zentralasien), muss man mit Diebstählen rechnen,
aber das muss man auch an den Stränden von Spanien und Italien. Von Entführungen habe ich noch
nie gehört. Die „Entführung“ des Fahrzeuges ist auch sehr unwahrscheinlich. Erstens sind meine
Autos alt und sehen auch alt aus. Zweitens ist die Polizeipräsenz derart hoch, dass der Dieb mit dem
auffälligen ausländischen Kennzeichen nicht weit kommen wird. Als Wegfahrsperre reicht ein
Batterieschalter.
Im Iran kann man auf falsche Polizisten treffen, die Touris ausrauben (2009 selbst erlebt).
Man kann sie am aggressiven Auftreten erkennen. Echte Polizisten sind freundlich.
Chinaböller können gegen ungebetenen Besuch (auch von Tieren) helfen. Außerdem habe ich
Pfefferspray und Signalgeber dabei (aber noch nie gebraucht).
Auf den Schlafplätzen stelle ich das Fahrzeug so ab, dass ich sofort geradeaus losfahren kann,
sollte es eine nächtliche Störung geben. Also alles verstaut und Zündschlüssel im Schloss. Es gab
aber noch nie einen Grund, die Flucht zu ergreifen. Wenn ich mich unsicher fühlte, habe ich den
Platz gewechselt, was sehr selten vorkam.
Geld
Usbekische Sum, der größte Schein war der 1000er = 50 Cent
Bargeld möglichst neueren Datums und nicht zerknittert mitnehmen. Auch wenn auf einem Schein
ein kleiner Strich von einem Kugelschreiber drauf ist, lehnen es manche ab, ihn zu wechseln.
Nur im Iran kann man immer noch keine Kreditkarten verwenden. Sonst gibt es in großen
Städten Automaten, die auch mit EC-Karte Geld ausspucken. Selten geben Wechsler auf der Straße
einen besseren Kurs als die Bank, dafür betrügen sie öfter.
Im Notfall kann man sich mit Western-Union Geld schicken lassen. Ist zwar unverschämt
teuer, aber funktioniert schnell und zuverlässig.
Mein Reisebudget beträgt (Stand 2011) durchschnittlich 1000 Euro pro Monat. Da ist alles
drin: Fahrzeugkosten, Verpflegung, gelegentlich Hotel, Maut, Damenbekanntschaften usw. Nicht
drin sind die Kosten, die vor der Reise anfallen: Visa, Fahrzeugvorbereitung …
Gesundheit / Pillen / Impfen
Die häufigste Reisekrankheit ist der Durchfall, und dagegen gibt es eh kein wirksames Mittel. Ich
nehme nur ein Schmerzmittel mit. Den Verbandskasten habe ich noch nie geöffnet. Als es mir im
Iran dreckig ging, bin ich zum Arzt gegangen, die gibt es nämlich überall, und die medizinische
Versorgung in fernen Ländern ist meist besser, als man hier denkt.
An Impfungen habe ich früher nicht mal gedacht und bin nie krank geworden. Inzwischen
habe ich die üblichen: Polio, Hepathitis, Diphterie usw. Aber notwendig sind sie nicht, solange man
nicht ins tropische Afrika will.
Wenn das Land keine Auslandskrankenversicherung für das Visum vorschreibt, schließe ich
auch keine ab. Kosten für Arzt oder Krankenhaus, sofern überhaupt welche anfallen, sind in Asien
meist geringer als die Gebühr für die Versicherung.
Essen und Trinken
Eigentlich sollte die Küche der Seidenstraße vielfältig
sein. Neben Kirgisen, Kasachen, Tadschiken blieben
mehr als zwanzig verschiedene Völker oder Stämme an
der Route hängen und ließen ihre Karawanen weiter
ziehen. Doch die begabten Köche zogen ebenfalls
weiter, samt ihren Rezepten und Gewürzen.
Dietmar Bittrich, 1000 Orte, die man knicken kann
Lebensmittel muss man nicht bunkern, kann man überall kaufen, selten ist man weiter als eine
Stunde vom nächsten Markt entfernt, was auch ein Grund ist, warum man keinen Kühlschrank
braucht. Man hat nur nicht die bei uns übliche Vielfalt, und Restaurants und Cafés erfüllen keine
hohen Ansprüche (eben weil die begabten Köche mit den Karawanen weitergezogen sind).
Ansonsten gilt der bekannte Spruch: „Peel it, cook it or forget it“.
In Zentralasien (vor allem in Usbekistan und Kirgistan) scheint es in den Speisen etwas zu
geben, wovon Europäer heftigen Durchfall bekommen. Wahrscheinlich das Baumwollöl. Man muss
schon konsequent selbst kochen, will man sich davor schützen.
Man braucht keine Wasserfilter, Mineralwasser in Flaschen gibt's heute überall. In Usbekistan
und Tajikistan kann man sich mit dem Leitungswasser nicht mal die Zähne putzen, während man es
z. B. in Bishkek trinken kann.
Prostitution
Der Tourismus ist die größte Industrie der Welt, und wenn auch viele
Touristen Herrenallüren an den Tag legen oder die Prostitution aufblühen
lassen, so mehren sie doch alles in allem die Kenntnis der Menschen
voneinander.
Wolf Schneider, Der Mensch – eine Karriere
Das Tabu-Thema der Reiseführer. Als würde sich niemand dafür interessieren! In den meisten
Ländern verboten, aber in allen vorhanden, auch im Iran: Man schließt beim Imam einfach eine Ehe
auf Zeit, wobei ein „Geschenk“ für die Dame in den Ehevertrag aufgenommen wird.
In Kirgistan bspw. ist Prostitution erlaubt, und das System ist kundenfreundlich. Man findet
die Telefonnummern in der Zeitung. Die Madame schickt gleich mehrere Damen per Taxi, unter
denen man eine auswählen kann. Die anderen nehmen den vereinbarten Lohn in Empfang und
fahren mit dem Taxi zurück.
In Turkmenistan – sagte mir ein Einheimischer – sollen Ausländer eingesperrt und nach etwa
14 Tagen ausgewiesen werden, sofern sie sich mit einer Prostituierten erwischen lassen. Man
bekomme lebenslange Einreisesperre und einen entsprechenden Vermerk in den Pass und ins
dortige Zentralregister. Immerhin, man wird nicht geköpft. Und die Einreisesperre wird man wohl
nach 14 Tagen in einem dortigen Gefängnis nicht mehr als Strafe empfinden. In einem Hotel in
Turkmenbashi saßen in der Lobby mehrere junge Damen beisammen. Es war klar, dass sie auf
Kundschaft warteten. Man darf sich halt nicht erwischen lassen.
In Usbekistan kann man fast jede Frau ansprechen und für eine Party einladen. Man weiß
schon, was gemeint ist. Die jungen Damen, die aussehen wie Prostituierte, sind es gerade nicht.
Sondern diejenigen in besonders schlichtem, eher traditionellem Outfit. Man möchte halt nicht
auffallen.